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BEITRÄGE<br />

228<br />

» Der eigentliche Anknüpfungspunkt für<br />

eine gemeinsame Mo<strong>de</strong>rne wäre zunächst<br />

eine religiös unterlegte Menschlichkeit.<br />

mittelbaren Gegner Mohammeds. Hintergrund<br />

sind die Bedingungen, die <strong>de</strong>r<br />

damalige Feldherr Mohammed wegen<br />

<strong>de</strong>s gewünschten Besuches <strong>de</strong>r Wallfahrtstätten<br />

von Mekka an die sich bis<br />

dahin gegen ihn und seine Lehre sperren<strong>de</strong>n<br />

Mekkaner richtete. Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Partie 9:1-28 stammt aus <strong>de</strong>m<br />

Jahre 631 n. Chr., <strong>als</strong>o noch zu Lebzeiten<br />

<strong>de</strong>s Propheten, <strong>de</strong>r im Jahr darauf<br />

starb, und beginnt mit einer „Lossprechung“<br />

von Verträgen, um dann die<br />

Strategie <strong>de</strong>r Kriegführung zu entwickeln.<br />

Mohammed bietet <strong>de</strong>n „Ungläubigen<br />

und Heuchlern“ (9:73) eine Frist<br />

von vier Monaten an, in welchen eine<br />

Besinnung zum Besseren erhofft wird.<br />

Nach Verstreichen dieser Frist ist mit<br />

offenem Kampf und Tötung aller Mekkaner<br />

zu rechnen. 9:5: „Und wenn nun<br />

die heiligen Monate abgelaufen sind,<br />

dann tötet die Hei<strong>de</strong>n, wo (immer) ihr<br />

sie fin<strong>de</strong>t, greift sie, umzingelt sie und<br />

lauert ihnen überall auf! Wenn sie sich<br />

aber bekehren, das Gebet (salat) verrichten<br />

und die Almosensteuer (zakat)<br />

geben, dann lasst sie ihres Weges ziehen!“<br />

Es ist offensichtlich,<br />

dass diese Verse<br />

einen „Sitz<br />

im Leben“ <strong>de</strong>r<br />

damaligen Strategie Mohammeds haben,<br />

die im übrigen genau in seinem<br />

Sinne zum Erfolg führte: Mekka verstand<br />

die Drohung, gewährte Zugang<br />

zu <strong>de</strong>n Wallfahrtsstätten und schloss<br />

sich <strong>de</strong>r Lehre Mohammeds an. Zugleich<br />

ergibt sich eine Schwierigkeit<br />

grundsätzlicher Art: Sofern <strong>de</strong>r Koran<br />

nicht <strong>als</strong> historisches Buch und <strong>als</strong><br />

durch Zeitumstän<strong>de</strong> bedingte Nie<strong>de</strong>rschrift<br />

erfasst wird, son<strong>de</strong>rn <strong>als</strong> „heiliges<br />

Buch“ im Sinne einer Verbalinspiration<br />

durch Allah, können solche Ayat<br />

auch heute nicht aus ihrem sekundären<br />

geschichtlichen Hintergrund gelöst und<br />

damit relativiert wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn gelten<br />

in „fundamentalistischer“ Lesart<br />

<strong>als</strong> wörtlich zu übernehmen. Dies ist<br />

um so be<strong>de</strong>utsamer, <strong>als</strong> noch präzisiert<br />

wird zwischen einem Kampf gegen<br />

Ungläubige, mit <strong>de</strong>nen kein Frie<strong>de</strong>nsvertrag<br />

besteht (9:1-15), und <strong>de</strong>m<br />

Kampf gegen Ju<strong>de</strong>n und Christen<br />

(9:29-35). Mit <strong>de</strong>n Ungläubigen wird<br />

im obigen Sinne kurzer Prozess gemacht,<br />

während Ju<strong>de</strong>n und Christen, da<br />

sie angeblich <strong>de</strong>n wahren Ein-Gott-<br />

Glauben aufgegeben hätten, <strong>als</strong> „gottverfluchte<br />

(Leute)“ (9:30) apostrophiert<br />

und zum rechten Glauben zurückgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n müssen: „Er (Allah)<br />

ist es, <strong>de</strong>r seinen Gesandten mit <strong>de</strong>r<br />

Rechtleitung und <strong>de</strong>r wahren Religion<br />

geschickt hat, um ihr zum Sieg zu verhelfen<br />

über alles, was es (sonst) an Religion<br />

gibt – auch wenn es <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>n<br />

zuwi<strong>de</strong>r ist.“ (9:33).<br />

Mohammed starb 632 n. Chr. bevor<br />

er die weitere Spezifizierung seiner damaligen<br />

Strategie für die Zukunft erläutern<br />

konnte. Insofern bleibt offen,<br />

welche <strong>de</strong>r oben angeführten vier Auslegungsmöglichkeiten<br />

von dschihad<br />

ihm für die Zeit nach <strong>de</strong>m Sieg am gemäßesten<br />

schien. Man könnte davon<br />

ausgehen, dass <strong>de</strong>r geistige Aspekt <strong>de</strong>s<br />

dschihad <strong>de</strong>r umfassen<strong>de</strong> sei, doch ist<br />

es nicht auszuschließen, dass Mohammed<br />

<strong>als</strong> erprobter und siegreicher Feldherr<br />

in vielen<br />

Schlachten und<br />

Razzien, nicht<br />

zuletzt auch<br />

durch die bekannte<br />

Tötung <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n in Medina,<br />

durchaus die gewaltsame Durchsetzung<br />

seiner Lehre unter gegebenen<br />

Umstän<strong>de</strong>n rechtfertigen wür<strong>de</strong>. Sure 9<br />

zeigt <strong>de</strong>utlich die historische Gebun<strong>de</strong>nheit<br />

<strong>de</strong>s Korantextes an seine Entstehungsgeschichte.<br />

Sofern sie aber<br />

nicht mehr historisch aufgefasst wird,<br />

behalten Mohammeds Kampfesworte<br />

<strong>de</strong>n Status zeitloser Gültigkeit.<br />

Weitere markante dschihad-Stellen im<br />

Koran lauten:<br />

3:169: Wer im Kampf fällt, lebt wohlversorgt<br />

beim Herrn <strong>als</strong> dsahid/<br />

Martyrer; Selbstmord wird jedoch<br />

nicht legitimiert. Im Blick auf heute<br />

ist hinzuzufügen, dass keinesfalls<br />

die Mitnahme unschuldiger Opfer<br />

erlaubt ist.<br />

29:8 zeigt eine unkriegerische Verwendung:<br />

„Bedrängnis“ durch die Eltern.<br />

35:52 ermuntert zu einem Streben mit<br />

aller Kraft, (durch <strong>de</strong>n Koran) zu<br />

überzeugen. Hier (wie an<strong>de</strong>rswo<br />

häufig) wird dschihad Teil eines<br />

längeren Ausdrucks: al-dschihad fì<br />

sabìl allàh, und wird so zum religiös<br />

motivierten Kampf um Selbstbehauptung<br />

(razzawat = Beutezüge<br />

zum Lebensunterhalt).<br />

8:39 versteht dschihad <strong>als</strong> militärischen<br />

Kampf, geboten wie an<strong>de</strong>re<br />

rituelle Pflichten.<br />

4:95 ruft dazu auf, besser in <strong>de</strong>n Kampf<br />

zu ziehen <strong>als</strong> zu Hause zu bleiben.<br />

Versprochen wird gewaltiger Lohn:<br />

Beute und jenseitige göttliche Paradieses-Verheißung.<br />

Ab <strong>de</strong>m 8. Jahrhun<strong>de</strong>rt kam es zur<br />

Universalisierung <strong>de</strong>s Kampfes über<br />

die arabische Halbinsel hinaus. Der Islam<br />

rückte bis Mittelasien und Spanien<br />

vor, wur<strong>de</strong> aber auf fränkischem Gebiet<br />

732 n. Chr. bei Poitiers von Karl<br />

Martell zurückgeschlagen. Solche<br />

Feldzüge (arab.: razzias) wur<strong>de</strong>n – neben<br />

<strong>de</strong>m politischen und Landnahme-<br />

Effekt – neu motiviert <strong>als</strong> fromme<br />

Übungen. Mudschaheddin o<strong>de</strong>r Anhänger<br />

<strong>de</strong>s dschihad konnten dabei<br />

Missionare, Prediger, aber auch rein<br />

politische Redner sein.<br />

Die islamische Mystik verwen<strong>de</strong>te<br />

dschihad hingegen <strong>als</strong> einen vergeistigten<br />

Begriff; so wird im 12. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

dschihad <strong>de</strong>finiert <strong>als</strong> „ein gerechtes<br />

(=mutiges) Wort vor einem ungerechten<br />

Herrscher“, o<strong>de</strong>r auch bei Frauen<br />

<strong>als</strong> eine Wallfahrt. Aus dieser Zeit<br />

stammt die Unterscheidung von kleinem<br />

dschihad (=Kampf mit <strong>de</strong>r Waffe)<br />

und großem dschihad (= Kampf in <strong>de</strong>r<br />

Seele gegen das Böse). Ziel <strong>de</strong>s kleinen<br />

dschihad ist Beute, nicht Bekehrung,<br />

und in größerem Maßstab Eroberung<br />

unter Angebot von Schutzverträgen<br />

und Kopfsteuer (dimma war zeitweise<br />

niedriger <strong>als</strong> in Byzanz o<strong>de</strong>r Persien).<br />

Im Unterschied zu harb, <strong>de</strong>m Zustand<br />

von (unterstelltem Dauer-) Krieg<br />

zwischen <strong>de</strong>n Ungläubigen, heißt <strong>de</strong>r<br />

INFO 33 · 4/2004

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