Einsichten - Ludwig-Maximilians-Universität München
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Die digitale Gesellschaft: Welt am Netz<br />
sierung wurden diese Träume immer technischer<br />
und immer realer. Wie wird sich die<br />
Mensch-Maschine-Beziehung tatsächlich<br />
entwickeln?<br />
Butz: Ich bin sehr konservativ in dieser<br />
Beziehung. Für mich ist der Computer ein<br />
Werkzeug und keine Persönlichkeitserweiterung.<br />
Ihn als Kommunikations- und Lernmedium<br />
einzusetzen, ist gut. Bestimmte<br />
Technologien helfen uns auch dabei, auf<br />
bestimmten Gebieten mehr Leistung zu<br />
erreichen. Wir können schneller rechnen,<br />
wir können unsere Termine und Adressen<br />
digital speichern und uns so mehr merken<br />
als früher. Aber das sind: Fertigkeiten.<br />
Die Geräte verändern sich derzeit in ihrer<br />
Anmutung stark, man kann sie direkt ansprechen<br />
oder fast zärtlich darüberwischen.<br />
Butz: Am Touchscreen lassen sich sicher<br />
ausdrucksstärkere Operationen ausführen,<br />
als mit Tastatur oder Maus möglich sind.<br />
Bei der Sprachsteuerung wird eine Grenze<br />
überschritten, Sprache ist ein Kommunikationsmedium<br />
zwischen Menschen. Da ist<br />
der Computer kein gleichwertiges Gegenüber.<br />
Seine Intelligenz wird auf absehbare<br />
Zeit sicher hinter der des Menschen<br />
zurückbleiben.<br />
Brosius: Reine Sprachsteuerung funktioniert.<br />
Nicht aber, dass ich den Computer<br />
frage, wie es ihm geht, und von ihm eine<br />
ernsthafte Antworte erhalte. Und sicher<br />
nicht, dass er zurückfragt, wie es mir geht,<br />
oder gar aus meiner Antwort etwas herausliest<br />
und mit einem Strauß Blumen ankommt.<br />
In Japan wird der Einsatz von Pflegerobotern<br />
erforscht. Vermutlich werden sie einfache<br />
Tätigkeiten übernehmen.<br />
Butz: Der Einsatz von Pflegerobotern<br />
könnte mich eines Tages betreffen. Das<br />
macht mir ein wenig Angst, denn womöglich<br />
entscheiden am Ende nur ökonomische<br />
Gründe darüber, ob Maschinen tatsächlich<br />
solche Aufgaben übernehmen. Ich glaube<br />
nicht, dass wir den Rechner jemals als ernsthaftes<br />
Gegenüber akzeptieren. Ich überlege<br />
ernsthaft, ob ich das nicht zu einem Forschungsgebiet<br />
meiner Gruppe machen soll,<br />
um es wenigstens mitzugestalten.<br />
Trotzdem: Humanoide Roboter könnten,<br />
zumindest im Pflegebereich, die Mensch-<br />
Maschine-Interaktion deutlich verändern.<br />
Müssen wir nicht Techniker besser in philosophischen,<br />
psychologischen und pädagogischen<br />
Belangen ausbilden?<br />
Fischer: Das ist immer gut.<br />
Brosius: Aber was soll das Ziel dabei sein?<br />
Sollen sie die Roboter dann mit blonden<br />
Haaren ausstatten?<br />
Butz: Ich denke, dass die Entwicklung<br />
marktgetrieben sein wird. Wir hatten vor<br />
zwei Jahren auf einer großen Konferenz<br />
einen Keynote-Vortrag, in dem es um Sex<br />
mit Robotern ging, offenbar ist das ein<br />
Markt der Zukunft. Das fand ich recht ernüchternd.<br />
Fischer: Man kann es noch mal drehen und<br />
fragen, wann Roboter Professoren und Lehrer<br />
ablösen. Man hat schon vor vielen Jahren<br />
darüber nachgedacht, dass Computer<br />
einmal die schlechten Lehrer ersetzen. Das<br />
Vermitteln oder Üben einfacher Zusammenhänge<br />
könnte eine Domäne von Rechnern<br />
werden. Es ist doch für einen Lehrer<br />
verschwendete Lebenszeit, wenn er bei<br />
solch monotonen Aufgaben nur danebensitzt.<br />
Bei komplexeren Aufgaben ist eine<br />
andere Art von Feedback nötig. Dafür brauchen<br />
wir gute Lehrer, die mit ihrer Persönlichkeit<br />
dastehen. Sie bringen etwas zum<br />
Ausdruck, was mit Technologien in absehbarer<br />
Zeit sicher nicht möglich sein wird.<br />
So etwas wie Wohlwollen und gemeinsame<br />
Intention beispielsweise sind menschenspezifisch.<br />
Butz: Der soziale Aspekt lässt sich nicht auf<br />
die Maschine übertragen. Roboter können<br />
das Bad putzen und die Wäsche machen,<br />
aber Tee trinken sollten wir doch lieber mit<br />
Menschen.<br />
Prof. Dr. Hans-Bernd Brosius<br />
ist Lehrstuhlinhaber am Institut für<br />
Kommunikationswissenschaft und<br />
Medienforschung der LMU. Brosius,<br />
Jahrgang 1957, studierte Psychologie und<br />
Medizin an der <strong>Universität</strong> Münster. Nach<br />
der Promotion 1983 arbeitete er an der<br />
<strong>Universität</strong> Mainz und habilitierte sich dort<br />
1994 mit einer Arbeit über Nachrichtenrezeption.<br />
Seit 1996 ist Brosius Professor an<br />
der LMU. Prof. Dr. Andreas Butz<br />
ist Lehrstuhlinhaber für Mensch-Maschine-Interaktion,<br />
Lehr- und Forschungseinheit<br />
Medieninformatik der LMU. Butz,<br />
Jahrgang 1967, studierte Informatik und<br />
promovierte an der <strong>Universität</strong> Saarbrücken.<br />
Er war Postdoktorand an der<br />
Columbia University, New York, und lehrte<br />
und forschte an der <strong>Universität</strong> Saarbrücken<br />
und dem Deutschen Forschungszentrum<br />
für Künstliche Intelligenz in<br />
Saarbrücken, bevor er 1994 nach<br />
<strong>München</strong> kam. Prof. Dr. Frank Fischer<br />
ist Lehrstuhlinhaber für Empirische<br />
Pädagogik und Pädagogische Psychologie<br />
an der LMU. Seit 2009 koordiniert er<br />
zudem das Munich Center of the Learning<br />
Sciences. Fischer, Jahrgang 1965,<br />
promovierte 1997 in Psychologie und<br />
habilitierte sich 2002 an der LMU. Er war<br />
Professor an den <strong>Universität</strong>en Erfurt und<br />
Tübingen, bevor er 2006 zurück nach<br />
<strong>München</strong> kam.<br />
Nummer 2 / 2013 <strong>Einsichten</strong> – Das Forschungsmagazin<br />
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