Die digitale Gesellschaft: Welt am Netz sierung wurden diese Träume immer technischer und immer realer. Wie wird sich die Mensch-Maschine-Beziehung tatsächlich entwickeln? Butz: Ich bin sehr konservativ in dieser Beziehung. Für mich ist der Computer ein Werkzeug und keine Persönlichkeitserweiterung. Ihn als Kommunikations- und Lernmedium einzusetzen, ist gut. Bestimmte Technologien helfen uns auch dabei, auf bestimmten Gebieten mehr Leistung zu erreichen. Wir können schneller rechnen, wir können unsere Termine und Adressen digital speichern und uns so mehr merken als früher. Aber das sind: Fertigkeiten. Die Geräte verändern sich derzeit in ihrer Anmutung stark, man kann sie direkt ansprechen oder fast zärtlich darüberwischen. Butz: Am Touchscreen lassen sich sicher ausdrucksstärkere Operationen ausführen, als mit Tastatur oder Maus möglich sind. Bei der Sprachsteuerung wird eine Grenze überschritten, Sprache ist ein Kommunikationsmedium zwischen Menschen. Da ist der Computer kein gleichwertiges Gegenüber. Seine Intelligenz wird auf absehbare Zeit sicher hinter der des Menschen zurückbleiben. Brosius: Reine Sprachsteuerung funktioniert. Nicht aber, dass ich den Computer frage, wie es ihm geht, und von ihm eine ernsthafte Antworte erhalte. Und sicher nicht, dass er zurückfragt, wie es mir geht, oder gar aus meiner Antwort etwas herausliest und mit einem Strauß Blumen ankommt. In Japan wird der Einsatz von Pflegerobotern erforscht. Vermutlich werden sie einfache Tätigkeiten übernehmen. Butz: Der Einsatz von Pflegerobotern könnte mich eines Tages betreffen. Das macht mir ein wenig Angst, denn womöglich entscheiden am Ende nur ökonomische Gründe darüber, ob Maschinen tatsächlich solche Aufgaben übernehmen. Ich glaube nicht, dass wir den Rechner jemals als ernsthaftes Gegenüber akzeptieren. Ich überlege ernsthaft, ob ich das nicht zu einem Forschungsgebiet meiner Gruppe machen soll, um es wenigstens mitzugestalten. Trotzdem: Humanoide Roboter könnten, zumindest im Pflegebereich, die Mensch- Maschine-Interaktion deutlich verändern. Müssen wir nicht Techniker besser in philosophischen, psychologischen und pädagogischen Belangen ausbilden? Fischer: Das ist immer gut. Brosius: Aber was soll das Ziel dabei sein? Sollen sie die Roboter dann mit blonden Haaren ausstatten? Butz: Ich denke, dass die Entwicklung marktgetrieben sein wird. Wir hatten vor zwei Jahren auf einer großen Konferenz einen Keynote-Vortrag, in dem es um Sex mit Robotern ging, offenbar ist das ein Markt der Zukunft. Das fand ich recht ernüchternd. Fischer: Man kann es noch mal drehen und fragen, wann Roboter Professoren und Lehrer ablösen. Man hat schon vor vielen Jahren darüber nachgedacht, dass Computer einmal die schlechten Lehrer ersetzen. Das Vermitteln oder Üben einfacher Zusammenhänge könnte eine Domäne von Rechnern werden. Es ist doch für einen Lehrer verschwendete Lebenszeit, wenn er bei solch monotonen Aufgaben nur danebensitzt. Bei komplexeren Aufgaben ist eine andere Art von Feedback nötig. Dafür brauchen wir gute Lehrer, die mit ihrer Persönlichkeit dastehen. Sie bringen etwas zum Ausdruck, was mit Technologien in absehbarer Zeit sicher nicht möglich sein wird. So etwas wie Wohlwollen und gemeinsame Intention beispielsweise sind menschenspezifisch. Butz: Der soziale Aspekt lässt sich nicht auf die Maschine übertragen. Roboter können das Bad putzen und die Wäsche machen, aber Tee trinken sollten wir doch lieber mit Menschen. Prof. Dr. Hans-Bernd Brosius ist Lehrstuhlinhaber am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU. Brosius, Jahrgang 1957, studierte Psychologie und Medizin an der <strong>Universität</strong> Münster. Nach der Promotion 1983 arbeitete er an der <strong>Universität</strong> Mainz und habilitierte sich dort 1994 mit einer Arbeit über Nachrichtenrezeption. Seit 1996 ist Brosius Professor an der LMU. Prof. Dr. Andreas Butz ist Lehrstuhlinhaber für Mensch-Maschine-Interaktion, Lehr- und Forschungseinheit Medieninformatik der LMU. Butz, Jahrgang 1967, studierte Informatik und promovierte an der <strong>Universität</strong> Saarbrücken. Er war Postdoktorand an der Columbia University, New York, und lehrte und forschte an der <strong>Universität</strong> Saarbrücken und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken, bevor er 1994 nach <strong>München</strong> kam. Prof. Dr. Frank Fischer ist Lehrstuhlinhaber für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie an der LMU. Seit 2009 koordiniert er zudem das Munich Center of the Learning Sciences. Fischer, Jahrgang 1965, promovierte 1997 in Psychologie und habilitierte sich 2002 an der LMU. Er war Professor an den <strong>Universität</strong>en Erfurt und Tübingen, bevor er 2006 zurück nach <strong>München</strong> kam. Nummer 2 / 2013 <strong>Einsichten</strong> – Das Forschungsmagazin 29
Digitaler Druck Computer und Internet haben die Arbeit revolutioniert: Sie ist heute komplexer und dichter – aber auch effizienter? Der Soziologe Armin Nassehi untersucht, was sich für die Berufswelt und ihre Subjekte ändert. Interview: Martin Thurau Die Zeiten schwinden, „in denen Arbeit selbstverständlich keine Rolle spielt“: Büroturm am Potsdamer Platz, Berlin. Foto: Le-Dung Ly/Science Faction/Corbis 30 <strong>Einsichten</strong> – Das Forschungsmagazin Nummer 2 / 2013