Einsichten - Ludwig-Maximilians-Universität München
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In der Ordnung des Lichts<br />
Landschaft der Linsen: „Es sieht alles sehr chaotisch aus, aber dahinter steckt ein<br />
ausgeklügelter Bauplan:“ Foto: Axel Griesch<br />
Wenn Immanuel Bloch die<br />
schwarzen Vorhänge über dem<br />
großen bis zur Decke verhüllten<br />
Tisch aufzieht, gibt er damit den Blick in<br />
eine andere Welt frei. Eine unübersichtliche<br />
Landschaft aus Hunderten Linsen und<br />
Spiegeln, aus Schaltern, Glasfaserkabeln<br />
und anderen Bauteilen tut sich auf, und auf<br />
den allerersten Blick mutet dieses Gewirr<br />
wie die Miniaturwelt einer überladenen<br />
Modelleisenbahn an. Nur geht hier kein<br />
Zug auf Reisen, sondern Licht: Die Strahlen<br />
aus insgesamt zwölf Lasern laufen in<br />
verwirrendem Zickzack über den mehrere<br />
Quadratmeter großen Tisch, eine Schar<br />
von Rechnern steuert die Anlage in Blochs<br />
Physiklaboren an der Schellingstraße.<br />
Mitten hinein in die Welt der Quanten mit<br />
ihren mitunter bizarren Gesetzen führt die<br />
Reise, Vehikel ist dabei das Licht. Mit seiner<br />
Hilfe dringt Bloch in die Tiefe ihrer Geheimnisse<br />
vor, mit allerlei Tricks und präziser<br />
Technik ahmt er ihre Eigenheiten in Modellsystemen<br />
nach. Mit Laserstrahlen baut er<br />
Käfige aus Licht, in die er sogenannte Quantengase<br />
einsperrt, Gase, die bei besonders<br />
tiefen Temperaturen beispielsweise eben<br />
jenen Quantengesetzen gehorchen. Bloch<br />
erzeugt Kristallgitter aus Laserstrahlen,<br />
kühlt einzelne Atome aus dem Quantengas<br />
im Laserwind, bis sie Temperaturen knapp<br />
über dem absoluten Nullpunkt erreichen,<br />
kälter als im Universum. Bloch kann sogar<br />
mit Laserlicht im Quantengas rühren und<br />
es in Rotation bringen, so wie man es mit<br />
dem Löffel in der Kaffeetasse macht.<br />
Es ist eine eigentümliche Welt, die sich da<br />
auftut. Physiker formulieren so etwas in der<br />
Regel nüchterner. „Wir studieren mit bislang<br />
unerreichter Genauigkeit das Verhalten ultrakalter<br />
Atome eines Quantengases bei Temperaturen<br />
knapp über dem absoluten Nullpunkt“,<br />
sagt Quantenphysiker Bloch. Solche<br />
Gase haben um zehn Größenordnungen<br />
kleinere Dichten als ein Festkörper. Dass<br />
man aber in einem Gas Phänomene studieren<br />
kann, die man sonst nur aus einem Festkörper<br />
kennt, in dem es starke Wechselwirkungen<br />
zwischen den Teilchen gibt und die<br />
Elektronen ganz dicht aneinandergepresst<br />
sind, ist durchaus verblüffend. „Für uns sind<br />
die Quantengase wunderschöne Modellsysteme,<br />
mit denen wir Präzisionsmessungen<br />
machen können – in der Festkörperphysik“,<br />
sagt Bloch. „Oft sind Festkörper so komplex,<br />
dass man das mikroskopische Modell dafür<br />
gar nicht vorhersagen kann.“<br />
Aufgrund ihrer Komplexität war es lange<br />
Zeit völlig undenkbar, diese verborgene<br />
Welt zu studieren. Erst der US-amerikanische<br />
Physiker Richard Feynman formulierte<br />
dies als eine Vision – ohne sich zunächst um<br />
die Umsetzung zu kümmern. 1981 sprach<br />
er auf einer Konferenz am Massachusetts<br />
Institute of Technology darüber, dass sich<br />
komplexe Phänomene wie Magnetismus auf<br />
atomarer Ebene prinzipiell nicht mit normalen<br />
Computern berechnen ließen. An der<br />
Lösung der quantenmechanischen Gleichungen<br />
würden selbst künftige Superrechner<br />
scheitern. Er schlug völlig neuartige<br />
Maschinen vor und nannte sie „Quantensimulatoren“.<br />
Feynman habe erkannt, erklärt<br />
Bloch, „dass wir mit einem kontrollierbaren<br />
Modell ein künstliches System realisieren<br />
können, das sich genauso verhält wie das,<br />
das wir studieren wollen“, erklärt Bloch.<br />
1981 war das eine kühne Vision. „Heute erst<br />
können wir das im Labor realisieren“, sagt<br />
Bloch. Wobei es keine leichte Übung ist,<br />
denn Atome eines Gases lassen sich nur<br />
schwer bändigen. „Das ist wie bei einem<br />
64 <strong>Einsichten</strong> – Das Forschungsmagazin Nummer 2 / 2013