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Einsichten - Ludwig-Maximilians-Universität München

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Aktuelles aus der Forschung<br />

Unterhaltung mit:<br />

Barbara Vinken<br />

sucht, die das Straßenbild prägenden Silhouetten<br />

phänomenologisch zu beschreiben.<br />

Dabei fiel mir auf, dass die Beine der<br />

heutigen Frauen die Beine der Männer vor<br />

der Französischen Revolution sind. Die<br />

Frauen haben die Beine der aristokratischen<br />

Männer übernommen, die ihre Beine<br />

in engen, blickdichten Strümpfen wirkungsvoll<br />

inszenierten.<br />

Heute tragen Männer statt Strumpfhosen<br />

Anzüge. Wie kam der Wechsel von der einstigen<br />

Männer- zur heutigen Frauenmode?<br />

Vinken: Mit dem Bruch der Französischen<br />

Revolution hat die Mode stärker die<br />

Geschlechter als die Stände geteilt. Vor der<br />

Revolution machten Kleider wirklich noch<br />

Leute. Wer sich anzog und bewegte wie ein<br />

Höfling, hatte auch Chancen, als ein solcher<br />

durchzugehen. Als die Trennung entstanden<br />

ist, hat sich der Mann als a-modisch<br />

definiert. Weiblichkeit und Mode wurden<br />

synonym. Auch um sich vom Stigma des<br />

Modischen zu befreien, übernimmt die<br />

Frauenmode seit der letzten Jahrhundertwende<br />

systematisch Männermode.<br />

„Mode setzt kunstvoll auf Eleganz und Schönheit des Körpers“, sagt Barbara Vinken. Foto: K. Rade<br />

„Das Geheimnis der Mode ist ihre List“<br />

Was steckt eigentlich dahinter,<br />

dass heute die Männer<br />

Anzüge tragen und Frauen<br />

Strumpfhosen? Und warum<br />

läuft die Unisex-Mode „unter<br />

einer besonders falschen<br />

Flagge”? Die Literaturwissenschaftlerin<br />

Barbara Vinken<br />

erzählt in ihrem neuen Buch<br />

Angezogen die Geschichte der<br />

Mode neu.<br />

Sie sprechen von der „neuen Hochbeinigkeit“<br />

der Frauen, die in Shorts und dunklen<br />

Strumpfhosen oder in Röhrenjeans Bein zeigen.<br />

Was ist daran so bemerkenswert?<br />

Vinken: Mein Anliegen war es, die Mode<br />

dem Monopol der Soziologie zu entreißen,<br />

sie stärker für einen ästhetischen Diskurs<br />

zu öffnen und mit dem Werkzeug der Literaturwissenschaften<br />

einer rhetorischen<br />

Analyse zu unterziehen. Dafür musste ich<br />

erst einmal das Phänomen erfassen: Was<br />

ziehen wir an und was machen wir dabei?<br />

Was ist der Stand der Dinge? Ich habe ver-<br />

Sie zitieren Hegel mit den Worten, dass der<br />

Anzug aus den Gliedmaßen „gestreckte<br />

Säcke mit steifen Falten“ mache. Dennoch<br />

prägt er seit 200 Jahren die Kleidung der<br />

Männer. Was macht ihn so unverzichtbar?<br />

Vinken: Der Anzug hat eine transzendierende<br />

Funktion: Er hebt den individuellen<br />

Körper im Amtskörper, in Korporationen auf<br />

und doppelt die bürgerliche Ethik. Der<br />

Anzug uniformiert seine Träger und schließt<br />

sie zu einer Identität zusammen, die das<br />

Individuum überdauert. Der Anzug ist das<br />

ikonische Kleidungsstück der Moderne; ihm<br />

war ein wirklich globaler Erfolg und eine<br />

fast klassische Beständigkeit beschieden.<br />

Was ist mit der Frauenmode passiert, während<br />

Männer Anzüge trugen und tragen?<br />

Vinken: Die Männermode, die sich gegen<br />

den französischen Höfling definiert, ist seit<br />

1830 relativ stabil. Die Frauenmode hinge-<br />

10 <strong>Einsichten</strong> – Das Forschungsmagazin Nummer 2 / 2013

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