Stürze vermeiden – Mobilität erhalten - Klinikverbund Südwest GmbH
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20<br />
Magazin<br />
Aus der Praxis der Seelsorge<br />
Oasen der Stille schaffen<br />
„Halb vier Uhr morgens,“ erzählt ein<br />
Betroffener, „ich bin hellwach, mein Herz<br />
rast, der linke Arm schmerzt, ein Ziehen,<br />
es kribbelt in der Hand, mir ist heiß und<br />
kalt gleichzeitig. Ich habe Angst. Den<br />
ganzen Tag über hatte ich Kopfschmerzen<br />
und einen leichten Schwindel. Doch<br />
jetzt was tun? Den Notarzt rufen: Was<br />
sage ich? Dass ich mich vor einem Herzinfarkt<br />
fürchte? Vielleicht ist es ja halb so<br />
schlimm. Vielleicht ist es auch nur meine<br />
Wetterfühligkeit. Oder sind es die Verspannungen?<br />
Ich bin in der letzten Zeit<br />
sehr im Stress.“<br />
Von Pfarrer Volker Weiß<br />
und Pfarrerin Margret Ehni<br />
Das war der Anfang einer längeren Krankengeschichte.<br />
Der Arzt stellte einige Tage<br />
später fest, die Schwindelanfälle kämen<br />
nicht vom Kreislauf oder vom Herzen <strong>–</strong> die<br />
Halswirbelsäule sei verspannt. Dazu kamen<br />
schlechte Blutfettwerte und der schon seit<br />
ein paar Jahren erhöhte Blutdruck. Trotz<br />
Massage, Wellness-Bäder und Cholesterin<br />
senkenden Medikamente fühlte er sich oft<br />
schlapp und den Anforderungen des Tages<br />
kaum gewachsen. Oft schmerzte die Wirbelsäule.<br />
Das ging an die Substanz. „ Ich habe<br />
mich oft dabei ertappt,“ sagte er, „dass ich innerlich<br />
klagte: mein Gott <strong>–</strong> warum? Brauchst<br />
du mich nicht mehr? In Gesprächen mit einer<br />
Seelsorgerin wurde mir klar, dass der Erfolg<br />
in meinem Beruf auch seine Schattenseiten<br />
hat.<br />
Mehr Entscheidungsbefugnis zu haben<br />
hieß auch mehr Verantwortung tragen und<br />
mehr Spannungen und Konflikte aushalten<br />
zu müssen.“ Dieses „Mehr“ hing unabdingbar<br />
mit einem „Weniger“ zusammen: Er fuhr<br />
weniger Fahrrad, er nahm sich weniger Zeit,<br />
um einmal die Seele baumeln zu lassen und<br />
nichts zu tun. Er verbrachte weniger Zeit mit<br />
der Familie. Er hatte immer mehr Mühe, zur<br />
Ruhe zu kommen. Seltener besuchte er Gottesdienste.<br />
Eine Stunde Ruhe und offen sein<br />
für die Nähe Gottes machte ihn nervös.<br />
Die Erkenntnis, dass seine Beschwerden<br />
mit seiner Lebenshaltung zusammenhängen,<br />
veranlassten ihn, neue Prioritäten zu setzen,<br />
um sein Leben in einer besseren Balance<br />
zwischen Anspannung und Entspannung<br />
zu gestalten: Ich werde meinem Körper<br />
und meiner Seele etwas gönnen, primär<br />
genügend Schlaf, vollwertige Ernährung,<br />
eineinhalb freie Tage pro Woche. Ich werde<br />
Situationen, die mich belasten und auch des<br />
Nachts verfolgen, mit einem Freund oder<br />
Seelsorger durchsprechen. Ich werde fünf<br />
Mal die Woche mein Wirbelsäulentraining<br />
und meinen Ausdauersport machen. Ich<br />
werde mir „Oasen der Stille“ schaffen, um<br />
die Nähe Gottes zu suchen: einen achtsamen<br />
Blick in die Luft, ein zweckfreies Gebet, das<br />
Notieren von Gedanken in ein Notizbuch, die<br />
Beschäftigung mit biblischen Weisheiten. Ich<br />
achte auf die „kleinen Freuden“ am Wegesrand<br />
des Lebens.<br />
Ein Leben hat körperliche, seelische, soziale,<br />
geistige und spirituelle Aspekte. Glaube ist<br />
zwar kein Medikament, das sich einsetzen<br />
lässt wie Aspirin gegen Schmerzen. Aber<br />
Spiritualität und gelebter Glaube helfen, Ressourcen<br />
eines Menschen zu mobilisieren durch<br />
Angebote des Vertrauens wie Gebet und Meditation,<br />
heilsame und segensreiche Begegnungen,<br />
Krankensalbung, Spaziergänge in<br />
der Natur und begeisternde Gottesdienste.<br />
„Dies verändert das innere Milieu,“ unterstreicht<br />
Hanne Seemann, Vizepräsidentin der<br />
Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie<br />
e.V, „und greift in die komplexen Funktionsabläufe<br />
ein, die Seele und Körper eng miteinander<br />
verbinden.“<br />
Margret Ehni und Volker<br />
Weiß betreuen die Patienten<br />
im Kreiskrankenhaus Calw<br />
seelsorgerlich