12.11.2014 Aufrufe

Hessische Wirtschaft

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

TITEL risiko<br />

Bordeaux-Kiste als Risiko<br />

Vorausschauendes Denken ist bekanntlich eine Kernkompetenz von Risikomanagern. Insofern sei<br />

schon im Spätherbst ein Blick auf die Weihnachtssaison erlaubt. Viel Grund zur Vorfreude besteht<br />

hier allerdings nicht mehr – die Geschenke werden auch 2014 entweder recht bescheiden oder sogar<br />

ganz ausfallen. Das hängt auch mit dem Thema „Compliance“ zusammen.<br />

Während früher der Bordeaux<br />

kistenweise frei<br />

Haus geliefert wurde, die<br />

Kunstbildbände quasi im<br />

Stundentakt ankamen<br />

und opulente Fresskörbe<br />

dem Foyer so mancher<br />

Unternehmenszentrale<br />

die Anmutung einer<br />

Feinkost-Käfer-Dependance<br />

verliehen, wird im<br />

Advent 2014 eine schnöde<br />

Weihnachtskarte für<br />

viele das höchste der Gefühle sein. Geschuldet ist diese Bescheidenheit<br />

nicht etwa der befürchteten Rezession, sondern dem Reizthema<br />

„Compliance“. Die „Einhaltung von Gesetzen, Vorschriften und Regeln“<br />

– so ein gängiger Definitionsversuch – hat den Alltag vieler Unternehmen<br />

in den vergangenen Jahren dramatisch verändert.<br />

Zweifellos trieb die Geschenke- und Einladungs-Unkultur in der Vergangenheit<br />

teils abstruse Blüten, zweifellos war manchem Einkäufer<br />

jeglicher Anstand verloren gegangen und zweifellos wurde die<br />

Grenze zwischen „Aufmerksamkeit“ und „Bestechung“ oft schamlos<br />

überschritten. Daher war es auch dringend nötig, den „Grundsätzen<br />

des ehrbaren Kaufmanns“ wieder Geltung zu verschaffen, klare Grenzen<br />

zu setzen und diese auch kompromisslos zu verteidigen.<br />

Warnungen der<br />

Risikomanager überhört<br />

Trotz der ehrenwerten Motive betrachtet mancher Risikomanager die<br />

„Compliance-Welle“, die in den vergangenen Jahren über deutsche<br />

Unternehmen hinwegfegte, inzwischen mit zwiespältigen Gefühlen.<br />

Hatten die Risikomanager nicht lange und lautstark Maßnahmen gefordert,<br />

um die Schadenspotenziale durch betrügerische Handlungen<br />

endlich in den Griff zu bekommen? Und war dieser Wunsch nicht immer<br />

wieder wegen mangelndem Budget und unzureichender Kenntnisnahme<br />

des Managements abgeschmettert worden? Nachdem bei<br />

einigen prominenten Unternehmen spektakuläre Fälle von Bilanz-,<br />

Bestechungs- und Datenskandalen aufgedeckt wurden, konnte niemand<br />

mehr die Augen vor deren gravierenden direkten und indirekten<br />

Folgeschäden verschließen.<br />

Geld und Wille für<br />

Compliance-Programme<br />

waren plötzlich im Überfluss<br />

vorhanden.<br />

Allerdings wurden die<br />

Maßnahmen vielfach<br />

am Risikomanagement<br />

vorbei umgesetzt. Anstatt<br />

sich um eine Integration<br />

der „neuen“<br />

Risikokategorie „Non-<br />

Compliance“ in die bereits vorhandene Risikolandschaft eines Unternehmens<br />

zu bemühen, wurden quasi über Nacht neue Compliance-Abteilungen<br />

(mit teilweise hunderten von Mitarbeitern) aus<br />

dem Boden gestampft – und bis heute gibt es Unternehmen, in denen<br />

diese mit eigenen Prozessen und Datenstrukturen parallel zu und<br />

isoliert von anderen Abteilungen vor sich hinarbeiten. Die bisherige<br />

Rolle des Compliance-Officers (sofern es diesen überhaupt gab) bestand<br />

oft vor allem darin, als „Erfüllungsgehilfe“ für den Risikomanager<br />

zu fungieren und diesen mit Informationen über seine spezielle<br />

Kategorie von Risiken zu versorgen. In vielen Unternehmen hat<br />

sich dieses Verhältnis inzwischen jedoch umgekehrt: Heute gibt der<br />

Compliance-Officer den Ton an. Das Risikomanagement wird – überspitzt<br />

formuliert – nur noch geduldet, weil seine Abschaffung einen<br />

Compliance-Verstoß darstellen würde.<br />

Gerade in Anbetracht des Compliance-„Hypes“ in vielen Großunternehmen<br />

erscheint es überraschend, dass bei vielen Mittelständlern<br />

nach wie vor eine weit verbreitete Ignoranz gegenüber diesem Thema<br />

vorherrscht. Zumindest belegen zahlreiche Studien (und das nun<br />

schon seit Jahren und mit beunruhigender Regelmäßigkeit), dass kleine<br />

und mittelständische Unternehmen immer noch erheblichen Nachholbedarf<br />

auf diesem Gebiet haben. Teilweise mag dies noch durch<br />

den Umstand zu erklären sein, dass die schiere Anzahl der relevanten<br />

Gesetze, Vorschriften und Regelungen natürlich (auch) mit der Unternehmensgröße<br />

zusammenhängt: Einem Mittelständler, der seine Produkte<br />

ausschließlich im Taunus verkauft, können die gesetzlichen Vorschriften<br />

zur Produkthaftung in Patagonien herzlich egal sein. Den-<br />

Foto: maselkoo99/Fotolia<br />

12 HESSISCHE WIRTSCHAFT | November 2014

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!