Hessische Wirtschaft
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TITEL risiko<br />
noch liegt die Vermutung nahe, dass die scheinbar recht widerwillige<br />
Auseinandersetzung mit dieser Thematik nicht nur aus mangelnder<br />
Relevanz, sondern vielmehr aus mangelnder Motivation resultiert.<br />
„Compliance“ beginnt<br />
in den Köpfen der Mitarbeiter<br />
Als Gründe für die Compliancemüdigkeit des Mittelstands werden in<br />
aller Regel die Argumente „zu wenig Zeit“ und „zu viel Aufwand“<br />
angeführt. Dass ein unternehmensweites Compliance-System nicht<br />
zum Nulltarif zu haben ist, liegt zwar auf der Hand. Der oben skizzierte<br />
Aufbau von „Schattenorganisationen“, der vielen Mittelständlern<br />
(zu Recht!) als abschreckendes Beispiel dient, ist jedoch alles andere<br />
als sinnvoll. Anstatt getrennte Compliance- und Risikomanagement-<br />
Organisationen zu unterhalten, die nebeneinander (und im schlimmsten<br />
Fall sogar gegeneinander) arbeiten sowie unterschiedliche IT-Systeme<br />
und Datenbestände nutzen, liegen in der stärkeren Integration<br />
dieser beiden Funktionen erhebliche Synergiepotenziale.<br />
Neben dem Aspekt der einfacheren Integration hat der Mittelständler<br />
gegenüber dem Großunternehmen bei der Implementierung ganzheitlicher<br />
Compliance-Programme noch einen weiteren entscheidenden<br />
Vorteil: „Compliance“ beginnt zuallererst in den Köpfen der<br />
Mitarbeiter. In praktisch allen Studien zu Compliance-Erfolgsfaktoren<br />
rangiert der gern und oft zitierte „Tone from the top“, ein klares<br />
Bekenntnis des Managements, ganz weit oben. Bei einem typischen<br />
(häufig ja noch inhabergeführten) Mittelständler sitzt der Chef in aller<br />
Regel aber sehr nahe an seinen Mitarbeitern – somit dient er als<br />
Identifikationsfigur und Vorbild im besten Sinne. Von den vielfältigen<br />
Vorteilen eines ganzheitlichen Compliance-Programms dürfte ein Mittelständler<br />
daher in mindestens so starkem Maße profitieren wie sein<br />
globalisierter Wettbewerber. Wenn er die beiden Hebel „Integration“<br />
und „Identifikation“ richtig in Bewegung setzt, sollte ihm die Implementierung<br />
eines solchen Programms aber deutlich weniger Aufwand<br />
und Kopfschmerzen bereiten.<br />
Eines muss hierbei jedoch klar sein: Die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften<br />
ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die Compliance<br />
leistet somit zwar einen unverzichtbaren Beitrag zur Risikovermeidung<br />
und Existenzsicherung eines Unternehmens. Originäre Wettbewerbsvorteile<br />
resultieren hieraus jedoch nicht. Diese entstehen erst,<br />
wenn Chancen intelligent genutzt und Risiken sorgfältig gesteuert<br />
werden – ein ganzheitliches Risikomanagement ist und bleibt daher<br />
der Schlüssel für die erfolgreiche Zukunft eines Unternehmens.<br />
Text: Prof. Dr. Roland Erben, Hochschule für Technik, Stuttgart, und Risk<br />
Management Association, München<br />
HESSISCHE WIRTSCHAFT | November 2014 13