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licken, daß es ihm darum geht, an<strong>der</strong>e auf den Weg einer spirituellen Entwicklung<br />
zu bringen. Es ist das Thema, das in seiner »Christosophia« bis hin zu<br />
praktischen Ratschlägen entfaltet worden ist. Gleichzeitig nimmt: Böhme kein<br />
Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, die jeweils zu erringende innere<br />
Erfahrung über das konfessionalistische »Maul- und Titelchristentum« zu<br />
stellen.<br />
Die Textgestaltung erfolgt nach den bisher angewandten Gesichtspunkten.<br />
Zugrundegelegt ist die maßgebliche Gesamtausgabe von 1730. Der Text wird<br />
ungekürzt geboten. Kapitelweise Erläuterungen und Fußnoten sollen dazu<br />
beitragen, an die Böhmeschen Gedanken heranzuführen. — Als Motto sei<br />
diesem Band ein Wort vorangeschickt, mit dem Jakob Böhme sein Buch »<strong>Von</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Gnadenwahl</strong>« beschließt:<br />
»Es lieget alles, was die Sonne bescheinet und <strong>der</strong> Himmel begreifet, sowohl die<br />
Hölle und alle Tiefen im Menschen; er ist ein unausschöpflicher Quel.«<br />
[Schwarzenbruck bei Nürnberg, Ostern 1991 — Gerhard Wehr]<br />
*<br />
Jakob Böhmes »<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Gnadenwahl</strong>« im Kontext von Leben und Werk<br />
In seinem Briefwechsel mit Reinhold Schnei<strong>der</strong> kommt <strong>der</strong> seit langem vergessene<br />
Philosoph Leopold Ziegler im August 1941 auf jenes »Schicksals-buch« zu<br />
sprechen, das Luthers Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Erasmus von Rotterdam darstellt:<br />
»De servo arbitrio — Vom geknechteten Willen«. Und Ziegler argumentiert:<br />
»Hier verzichtet <strong>der</strong> Mensch des Abendlandes restlos auf seine Menschenfreiheit,<br />
″ein Pferd, welches <strong>der</strong> Teufel reitet″, wenn es dem Herrgott nicht<br />
gefällt, diesen aus dem Sattel zu werfen und sich selber drauf zu setzen. Sehr<br />
ermutigt, dieser Verfratzung <strong>der</strong> Ebenbildlichkeit entgegenzutreten, hat mich<br />
Jakob Böhme, dessen Schriftchen über die <strong>Gnadenwahl</strong> ich zu den tiefsten<br />
Erleuchtungen <strong>der</strong> ganzen Christenheit rechnen möchte.«<br />
Dieser Hinweis des Philosophen ist geeignet, das Buch des Görlitzer Schusters<br />
— es ist wohl mehr als »ein Schriftchen« — vor einen großen geistesgeschichtlichen<br />
Horizont zu rücken. Hier wird kein geringeres Thema als das <strong>der</strong> Theologie<br />
und <strong>der</strong> Philosophie <strong>der</strong> Freiheit aufgeworfen. Vor allem geht es um die<br />
Reichweite dessen, was Luther die »Freiheit des Christenmenschen« genannt<br />
hat. Die Frage drängt sich auf: Verfügt <strong>der</strong> um Frieden und Bru<strong>der</strong>liebe bemühte<br />
Görlitzer Handwerker über den geistigen Heroismus, <strong>der</strong> nötig ist, um dem<br />
Wittenberger Reformator und dem Heer seiner beamteten Nachfolger entgegenzutreten?<br />
Ist das fromme Gemeindeglied nicht längst durch den Bannspruch<br />
seines lutherischen Seelsorgers, des Görlitzer Oberpfarrers Gregor Richter, in<br />
aller Öffentlichkeit als gefährlicher Ketzer gebrandmarkt?<br />
Nicht darum ist es Böhme zu tun, mit Martin Luther die Klinge zu kreuzen. Sein<br />
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