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Von der Gnadenwahl

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Vorrede des Autoris<br />

Kommentar<br />

Bereits die ersten Zeilen <strong>der</strong> Vorrede nennen den eigentlichen Kontrahenten,<br />

den <strong>der</strong> Verfasser ins Visier zu fassen gedenkt: Es ist »die Vernunft«. Böhme<br />

versteht darunter durchwegs den »kreatürlichen Wahn« (2) als den Inbegriff<br />

eines Mangels an tief loten<strong>der</strong> und umfassen<strong>der</strong> Erkenntnis. Wie fern Böhme<br />

einem etwaigen Erkenntnisskeptizismus o<strong>der</strong> Agnostizismus ist, besagt <strong>der</strong><br />

unmittelbare Kontext: Gottes Wesen und Wille sind sehr wohl erkennbar, und<br />

zwar nicht als Objekte in einem undefinierbaren, »fremden« Jenseits »außer<br />

dem Orte dieser Welt, hoch über dem Gestirne«. Vielmehr gelten nach wie vor<br />

die Worte, mit denen er etwa elf Jahre zuvor seine »Aurora« intoniert hat, wo es<br />

im 1. Kapitel heißt:<br />

»So man aber will von Gott reden, was Gott sei, so muß man fleißig erwägen die<br />

Kräfte in <strong>der</strong> Natur, dazu die ganze Schöpfung, Himmel und Erden.<br />

Der Ansatz von <strong>der</strong> Basis eines universalen Gottes- und Wirklichkeitsbildes ist<br />

somit da wie dort <strong>der</strong> gleiche. Daraus sind nun entsprechende Folgerungen für<br />

die Frage <strong>der</strong> Vorherbestimmung und Freiheit des Menschen zu ziehen. Auch<br />

diesbezüglich ist Böhmes Zielangabe bereits in den ersten Abschnitten <strong>der</strong><br />

Vorrede (2f.) klar: In einem »streitigen Wahn« ist <strong>der</strong> verhaftet, <strong>der</strong> von einer<br />

unabän<strong>der</strong>lichen göttlichen Vorherbestimmung (»Vorsatz«) ausgeht. Der bibelvertraute<br />

Verfasser faßt sogleich auch das Problem ins Auge, wonach die Hl.<br />

Schrift Wi<strong>der</strong>sprüchliches (»Contraria«) zum Thema sagt. Seine Aufgabe<br />

schließt demnach eine Auslegung kontroverser Stellen ein, wie sie seine theologischen<br />

Gegner ins Feld geführt haben.<br />

Der um brü<strong>der</strong>liches Einvernehmen bemühte Schreiber versäumt auch nicht, die<br />

wohlmeinende Absicht seines Tuns zu bekräftigen, ein Zug, den er trotz klarer<br />

Ablehnung <strong>der</strong> Position <strong>der</strong> »Gnadenwähler« bis ins letzte Kapitel hinein durchzuhalten<br />

gedenkt. Kennen wir von <strong>der</strong> ersten »Schutzschrift wi<strong>der</strong> Balthasar<br />

Tilke« her mancherlei polemische Wendungen, so hat Böhme den Geist <strong>der</strong><br />

Versöhnlichkeit längst zurückgewonnen, geht es ihm doch darum (5), die<br />

Ursachen von »Streit und Wi<strong>der</strong>willen, auch Spaltungen und Trennungen«<br />

aufzudecken, um zu »mehrerem Verstande des göttlichen Willens« (6) durchzudringen.<br />

Die Imagination des Baums, von <strong>der</strong> »Aurora« her wohlvertraut, dient<br />

dazu, die Gemeinschaft im Geist <strong>der</strong> »wirkenden Liebe im Seinsgrund Christi«<br />

(7) zu veranschaulichen.<br />

1. Kapitel: <strong>Von</strong> dem einigen Willen Gottes<br />

Daß Böhme alles an<strong>der</strong>e als ein naiver Bibelleser ist, zeigen die einleitenden<br />

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