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Von der Gnadenwahl

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genommen haben wird, ist in Andeutungen in Böhmes schriftlichen Antworten<br />

und Briefen enthalten. Denn gleich nach <strong>der</strong> Rückkehr aus dem Striegauischen<br />

setzt Böhme zur zweiten Verteidigungsschrift gegen Tilke an. Mit welchem<br />

Selbstbewußtsein er sich dem Gegner stellt, besagen die Sätze: »Ich habe meine<br />

Erkenntnis von Gott und nicht von euren Tand-Schulen, da ihr um Worte zanket<br />

und beißet als ein Hund um ein Bein« (Tilke II, 257). Ferner: »Ich habe meine<br />

Wissenschaft nicht von Wahn o<strong>der</strong> Meinungen wie ihr, son<strong>der</strong>n ich habe eine<br />

lebendige Wissenschaft in <strong>der</strong> Beschaulichkeit und Empfindlichkeit. Ich darf<br />

(d.h. brauche) keinen Doktor von <strong>der</strong> Schule dieser Welt dazu.« (Tilke II, 53).<br />

So ist Böhme überzeugt, daß er genug legitimiert sei, Stichhaltiges zum zentralen<br />

Thema zu sagen. Wenngleich die zweite Schutzschrift wi<strong>der</strong> Tilke als<br />

Traktat über die <strong>Gnadenwahl</strong> ausgegeben wird, hält es <strong>der</strong> Autor für nötig, sich<br />

in einer geson<strong>der</strong>ten Darlegung zu äußern. Daher heißt es im Begleitschreiben<br />

an den Striegauer Arzt Johann Daniel Koschwitz: »Ich bin aber bedacht, ein<br />

ganz Buch davon zu schreiben, sofern ich werde vernehmen, daß man mir nicht<br />

wird also giftig wi<strong>der</strong>streben ohne Erkenntnis, wes Geistes Kind ich sei.«<br />

Kaum ist Böhme von seiner dritten schlesischen Reise zurückgekehrt, macht er<br />

sich an die Arbeit <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schrift. Binnen weniger Wochen entsteht unser<br />

Buch »<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Gnadenwahl</strong>«. Schon am 8. Februar 1623 kann er das in den<br />

ersten Januartagen begonnene Manuskript abschließen. Dafür bleibt das offensichtlich<br />

vor <strong>der</strong> Reise begonnene kleine Werk »Die hochteure Pforte von göttlicher<br />

Beschaulichkeit« (Theoscopia) unvollendet. Und um die vier leer gebliebenen<br />

Blätter des Manuskripts zu nützen, schreibt Böhme tags darauf seine »Kurze<br />

Andeutung von dem Schlüssel zum Verstande göttlicher Geheimnisse«. Unter<br />

dem Titel »<strong>Von</strong> wahrer Buße — das zweite Büchlein« (De Poenitentia — Liber<br />

2) hat dieser Zusatz in späteren Ausgaben, so auch in <strong>der</strong> von 1730, Aufnahme<br />

gefunden. *<br />

*) Beide Schriften »Theoscopia« und »De Poenitentia II« sind in dem Band »Christosophia«<br />

— Ein christlicher Einweihungsweg (Insel Verlag Frankfurt 1991) enthalten.<br />

Wenn Leopold Ziegler das Buch »<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Gnadenwahl</strong>« zu den »tiefsten<br />

Erleuchtungen <strong>der</strong> ganzen Christenheit« rechnen möchte, dann bleibt nur noch<br />

anzufügen, wie Böhme seine Schrift selbst bewertet hat. In »Clavis o<strong>der</strong> Schlüssel«<br />

nennt er diesen Traktat »sehr scharf im Verstande und eines <strong>der</strong> klaresten<br />

unter meinen Schriften«. — Ungeachtet dieses Selbstzeugnisses verlangt <strong>der</strong><br />

Autor seinem Leser ein nicht unerhebliches Maß an Geduld und auch an Kongenialität<br />

ab. Gemeint ist die Bereitschaft, <strong>der</strong> spiralförmigen Denkbewegung<br />

Böhmes zu folgen und sich gleichsam von innen her diesem leidenschaftlichen<br />

Plädoyer zu nähern, das die Übermacht <strong>der</strong> göttlichen Gnade mit <strong>der</strong> Entscheidungsfreiheit<br />

des Menschen in Einklang zu bringen strebt.<br />

Was im Zusammenhang des Kommentars zu den christosophischen Schriften zu<br />

sagen war, in denen Böhme die Stationen eines christlichen Einweihungswegs<br />

bezeichnet, das gilt im Grunde auch hier: Je länger man sich mit Böhmes<br />

Aufzeichnungen befaßt, desto deutlicher wird, daß er nicht nur die Inhalte seines<br />

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