30 KUNST & KULTUR GENERATION<strong>plus</strong>+ NORBERT PREIS IST »NEOLARDO« DER KREATIVE SCHAFFENSPROZESS DES GÖTTINGER KÜNSTLERS
[Gp-ws]. Mitte der 1960er lernte ich ihn kennen. Er überzeugte als Bassist in den überregional und sogar bundesweit erfolgreichen Beat- und Rockformationen namens „The Stones“, „Session Eight“, „Scarabaeus“ und „Fallen Dice“. Anlässlich des Kunstmarktes 1971 spielten wir zusammen in der 3-Mann-Band „Scara - baeus“ mit dem damals herausragenden Gitar risten Ezra Kurth in der voll besetzten Stadthalle. Beeindruckend damals: sein 8- Saiten Bass, der für <strong>die</strong> fetten groovigen Roots sorgte. Ich weiß noch, dass mir bei seinem Soundcheck, den ich an der Wand unter der Empore erlebte, <strong>die</strong> Hosenbeine flatterten . . . Wir spielten zusammen in Hannover, Heidelberg, Schweinfurt und natürlich auch im legendären „Center“, wo wir u. a. auch Andreas Lemberg kennen lernten. Im Jahr 1970 bekam er den Anstoß, <strong>sich</strong> der Malerei zu widmen. Er saß in einem Restau - rant und zeichnete – wie schon oft „Etwas“ auf einige der Bierdeckel. Als der Inhaber hinzutrat, ihm 100,- DM in <strong>die</strong> Hand drückte und sagte: „Kauf Dir davon Ölfarben und Leinwand. Fang an zu malen!“ Die Bier - deckel-Zeichnungen befinden <strong>sich</strong> noch heute im Archiv des Künstlers. Inspiriert durch <strong>die</strong> Werke von Salvatore Dali, begann Neolardos „Surrealistische Phase“ (1970 bis 1987). Als Autodidakt erarbeitete er <strong>sich</strong> <strong>die</strong> komplizierten Techniken der Ölmalerei und steigerte in kurzer Zeit <strong>die</strong> Qualität seiner Bilder derart, dass ihm empfohlen wurde, <strong>die</strong>se der Öffentlichkeit zu - gäng lich zu machen. Der damalige Göttinger Kulturdezernent Dr. Schilling nahm seine Bewerbung an. Neo - lardo konnte nun seine Werke (noch unter bürgerlichem Namen) erstmals 1970 (1. Kunst markt in Göttingen) und in Folge auf jedem weiteren Kunstmarkt bis z<strong>um</strong> Jahr 1976 ausstellen. Hier präsentierte er u. a. seinen Zyklus „Ars Moriendi“ und sein Werk „Rhythmus der Zeiten“, das von Galeristen hoch dotiert wurde. Dieses Bild befindet <strong>sich</strong> im Besitz des Künstlers und ist noch nicht z<strong>um</strong> Verkauf freige geben. Die Presse berichtete auch über seine Fassa - denmalereien, <strong>die</strong> zu den ersten in Deutsch - land zählten. Neolardo (Norbert Preis) erhielt Aufträge, ganze Clubs und Discotheken nach seinen Entwürfen ausz<strong>um</strong>alen und ne - benbei Werbegrafiken für Göttinger Firmen zu realisieren. Auf dem 2. Bildungsweg erwarb er 1982 <strong>die</strong> Allgemeine Hochschulreife und hatte ge - plant, in Berlin Kunst zu stu<strong>die</strong>ren. Dieses Ziel gab er auf, denn <strong>die</strong> Geburt seiner Toch - ter Anila relativierte seine Wunschvorstel - lun gen: Die Gründung einer Familie erlangte jetzt Priorität. So motiviert, begann Neo - lardo 1984 das Studi<strong>um</strong> der Zahnheilkunde an der Uni-Göttingen und erhielt 1989 seine Approba tion als Zahnarzt. 1987 vollendete er das letzte Werk seiner „Surrealistischen Phase“ und legte den Pinsel zur Seite. Gründe für <strong>die</strong> Zäsur in seinen künstlerischen Aktivitäten finden wir, wenn wir erkennen, dass er seine Energie ausschließlich seiner Familie (1990 kam sein Sohn Timothy zur Welt) und seinen Patien - ten in seiner Zahnarzt-Praxis widmete. Neolardos zweite schöpferische Phase begann im Jahre 2001. Für das Werk „Ocean Of Wet Dreams“ benötigte er ein ganzes Jahr. Er verfeinerte und optimierte seine in - dividuellen Techniken des Tupfens und Ein - reibens von Pigmenten exzessiv und wendet <strong>die</strong>se jetzt konsequent in seinem persönlich kreierten Malstil an. Die Begegnung mit einer wunderbaren Frau, <strong>die</strong> GENERATION<strong>plus</strong>+ KUNST & KULTUR 31 nicht nur seine Persönlichkeit und sein Privatleben positiv beeinflusste, sondern auch für ihn als Künstler eine wertvolle Inspiration wurde, leitete ihn zu einer Wand - lung, <strong>die</strong> in seinen neuen Werken zu erkennen ist: Sinnlich erotische Bilder – ArtEros – spannend, äußerst interessant und erregend sind sie Poesie für <strong>die</strong> Augen. Norbert Preis: „Und plötzlich weißt Du, dass es Zeit ist, etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen“. Seine Werke sind eine Homage an <strong>die</strong> Schönheit der Schöpfung. Als Künstler er - laubt er <strong>sich</strong>, das göttlich Schöne in erotisierenden Positionen darzustellen. Kenner der Kunstszene sind <strong>sich</strong> einig: Aus dem über 30-jährigen künstlerischen Schaf - fen hat <strong>sich</strong> Neolardo (Norbert Preis) <strong>die</strong> handwerklich technischen Voraussetzungen erarbeitet, <strong>um</strong> jetzt einen Malstil zu präsentieren, der nicht nur einen Erkennungswert aufweist, sondern auch nichts Vergleich - bares, weder national noch international, erkennen lässt. Die ungewöhnlichen, technisch aufwändigen Werke sind deshalb so faszinierend, weil sie <strong>sich</strong> keinem bekannten Schema annähern. <strong>Sie</strong> wirken, und das entspricht vollkommen dem Konzept des Künstlers, anfangs nur unterschwellig. Erst nach längerer Be - trachtung erschließen <strong>sich</strong> dem Be trachter verborgene Inhalte, <strong>die</strong> dann, überwiegend im Geiste des Betrachters, ein Neo lardo- Werk transparent, eindeutig oder mehr - deutig werden lassen. Die hohe Kunst seiner Malerei ist, dem Betrachter ungeahnte Weiten der Interpreta tion eines Bildes anzubieten.