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Magazin für lovecraft'sche Literatur und Phantastik - Luzifer Verlag

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Der Schein des Abendrotes am Horizont schwindet <strong>und</strong> macht der Dunkelheit Platz, die jetzt<br />

schneller den je über die uralte Nordsee fällt. Ein Blick auf meine Uhr verrät mir, dass es schon<br />

nach 20:00 Uhr ist.<br />

Neben einem der Bunker bleibe ich stehen. Ich lasse die Handfläche meiner rechten Hand über<br />

die graue, poröse Oberfläche des alten Betons wandern.<br />

Obwohl die Bunker von Menschhand erschaffene Fremdkörper in der Landschaft sind, wirken sie,<br />

als wären sie schon Jahrtausende Teil der unberührten Natur, als seien sie ein natürlicher Teil der<br />

Welt. Gespenstisch heult der Nordwind durch ihre dunklen Öffnungen, die wie offene, schwarze<br />

Mäuler aussehen <strong>und</strong> auf ein ahnungsloses Opfer zu warten scheinen.<br />

Je dunkler es wird, desto unwirklicher wird die Szenerie. Fast möchte man glauben, dass die Welt<br />

sich in einem schier ewiglichen Traum verfangen hat, der all die Jahrmillionen überdauert <strong>und</strong><br />

Teil der Wirklichkeit dieser Landschaft geworden ist.<br />

Der Eindruck wird von dem Nebel verstärkt, der langsam von der See her aufzieht.<br />

Schwer <strong>und</strong> dunstig, verdichtet er sich über den brausenden Wellen <strong>und</strong> bricht das weitgereiste<br />

Licht der fernen Sterne. Wie ein Heer von Geistern kommt er immer näher an den Strand. Und<br />

diese Geister flüstern mit zahllosen Stimmen. Im Nebel glaube ich Cecilias Gesicht zu erkennen.<br />

Ihre bleiche, Blut besudelte Hand scheint mir zuzuwinken <strong>und</strong> ihre imaginäre Stimme geht mit<br />

dem Wispern des Wassers eine Geist verwirrende Symphonie ein, während ihre toten Augen mir<br />

blass <strong>und</strong> fahl entgegenblicken.<br />

Ein fast stummer Aufschrei entringt sich meiner Kehle.<br />

Ich strecke meine Hände nach Cecilia aus. Doch ich kann sie nicht erreichen. Sie bleibt eins mit<br />

dem Nebel, der sie mit seinen gasigen Tentakeln umschlingt <strong>und</strong> letztendlich meinen Blicken<br />

entzieht. Ein fernes Phosphoreszieren durchbricht den Nebel; ein Licht, das sich wie flüssiger<br />

Leuchtstoff über das Meer verteilt.<br />

Ich weiß, dass es sich lediglich um Plankton handelt, doch in meinen Gedanken ist es Cecilias<br />

ruhelose Seele, die dieses eigentlichen so alltäglichen Phänomen verursacht.<br />

Ich sinke auf die Knie <strong>und</strong> grabe meine Hände tief in den kalten Sand, versuche meine Seele mit<br />

dem Boden zu vereinigen, der mir eigentlich fremd <strong>und</strong> unendlich alt vorkommen müsste. Das<br />

Meer hat an ihn an dieses Land gespült. Und doch scheint er Teil meiner Seele zu sein. Ich hebe<br />

meine Hände bis in Augenhöhe <strong>und</strong> lasse den Sand zwischen meinen Fingern hindurch zu Boden<br />

rieseln.<br />

Der Schmerz in mir wird immer schlimmer. Er nimmt zu, mit dem Nebel, der sich mehr <strong>und</strong> mehr<br />

verdichtet <strong>und</strong> mir den Blick auf den dunklen Horizont verweigert.<br />

Kalte Feuchtigkeit schlägt sich auf meinen Wangen nieder, mischt sich mit dem Salz meiner<br />

Tränen, die unwillkürlich aus meinen Augen zu fließen beginnen.<br />

Ich erhebe mich. Mein Körper fühlt sich ungewöhnlich schwer an. Zu schwer um sich zu<br />

bewegen. Ich spüre das bleierne Ziehen in meinen Armen <strong>und</strong> Beinen, das zentnerschwere<br />

Gewichte der Schuld <strong>und</strong> der Einsamkeit, die nie vergehen wird. Dennoch zwinge ich meine Füße<br />

vorwärts.<br />

Langsam gehe ich zurück zu dem Dünenweg. Es ist jetzt vollkommen dunkel geworden.<br />

Der Nebel kriecht hinter mir langsam übers Land. Ich beschließe, in der kleinen Wirtschaft noch<br />

ein Bier zu trinken. Immer schneller zieht der Nebel heran. Er verhüllt die Silhouetten der Häuser<br />

jetzt fast vollständig, zieht über die Straße <strong>und</strong> beginnt das hohe Ufergras des Fjordes zu<br />

bedecken. Ich schlage den Kragen meines Mantels höher, denn eine kühle Brise weht von der See<br />

her.<br />

Die Geräusche meiner Schritte werden vom Nebel geschluckt, als ich die Straße entlanggehe. Das<br />

fast sanfte Glosen der Lichtreklame über dem Eingang zur Wirtschaft scheint gespenstisch durch<br />

den Nebel.<br />

Hinter dem großen Fenster sind die vierschrötigen Burschen zu sehen, die bei Bier <strong>und</strong> Akvavit<br />

sitzen <strong>und</strong> sich so lautstark unterhalten, dass ihre Stimmen bis nach draußen dringen. Dem<br />

Aussehen nach muss es sich um Einheimische, Landwirte <strong>und</strong> Fischer handeln, die hier ihren<br />

Feierabend verbringen. Ich öffne die knarrende Tür <strong>und</strong> trete ein. Der Wirt nickt mir zu <strong>und</strong>

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