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Welt Auge - Volker Steinbacher

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Polen<br />

Oświęcim-Birkenau<br />

Als Kind entdeckte ich im<br />

Bücherregal meiner Eltern<br />

ein Buch. Es enthielt Bilder<br />

von Auschwitz und Birkenau<br />

- uns allen bekannt. Bilder<br />

des Grauens, die ich nicht<br />

verstehen konnte. Mit Fragen<br />

wendete ich mich an meine<br />

Eltern. Ihre Antworten waren<br />

und blieben für mich unbefriedigend.<br />

Mein Vater beschäftigte<br />

sich damals mit<br />

Hiroshima. Er war Sozialpolitiker<br />

und Arzt. Auch<br />

eine Form der Verarbeitung<br />

Meine Mutter war den Tätern<br />

ungewollt zu nahe gekommen.<br />

Sie schwieg. Mein Leben lang<br />

beschäfigte ich mich mit den<br />

Spuren, die diese Bilder bei<br />

mir hinterlassen hatten.<br />

Alles wurde daran gemessen.<br />

Ich wollte verstehen, wie<br />

solch eine Gewalt entstehen<br />

kann. Als mein Mann dieses<br />

Projekt begann, wußte ich<br />

sofort, dass ich meinen<br />

Stein dort ablegen muß. Eine<br />

Bildungsreise führte mich<br />

nach Krakau und somit auch<br />

nach Oświęcim-Birkenau. Dort<br />

gewesen zu sein, hat mich zu<br />

meinem Erstaunen auch erleichtert.<br />

Vielleicht, weil<br />

die Phantasie diesen Ort so<br />

monströs anwachsen ließ.<br />

Aber es gibt diesen Ort<br />

wirklich. In Polen, von<br />

Deutschen errichtet. Hier<br />

liegt mein Stein.<br />

Als Erinnerung dafür, zu<br />

welchen Grausamkeiten Menschen<br />

in der Lage sind und<br />

welche Demütigungen und Qualen<br />

sie ertragen, um weiterzuleben.<br />

Er liegt zwischen<br />

den ungezählten Steinen der Bahnschienen, die zur Rampe führen. An diesem<br />

Ort wurden die Menschen aller Völker und Religionen gezählt und selektiert.<br />

Oświęcim-Birkenau ist ein großer Friedhof.<br />

Der Stein liegt also auf einem großen Grab, nach alter jüdischer Tradition.<br />

Dafür, dass niemand die Toten schändet oder verleugnet.<br />

Dieses <strong>Auge</strong> sieht seinen Betrachter an.<br />

Gabriele Schmidt-<strong>Steinbacher</strong>, Frankfurt/Main<br />

2003

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