Hanno Richter - Boku
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würde meinen, dass am Ende dieser Entwicklung eine einheitliche Pflanzenphysiologie<br />
stehen wird, die das Verhalten von Organismen (und nicht nur von Genen) unter natürli-<br />
chen wie unter künstlichen, vom Menschen geschafffenen Bedingungen beschreibt.<br />
Besonders fließende Übergänge finden sich dort, wo sich die Ökophysiologie mit<br />
dem Wasser beschäftigt. Hier sehen wir eine stete gegenseitige Beeinflussung, einen<br />
steten Austausch von Informationen zwischen mehr oder minder reinen Laborphysio-<br />
logen und denen, die vorwiegend im Freiland arbeiten. Das hängt damit zusammen,<br />
dass die moderne Messtechnik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts große Fort-<br />
schritte gebracht hat. Die haben zunächst zu unerwarteten Messergebnissen geführt<br />
und dann auch die theoretische Durchdringung des Gebietes, die bis etwa 1970 ziemlich<br />
vernachlässigt worden war, wieder in Schwung gebracht. Und dieser Prozess ist noch<br />
nicht zu Ende! Immer wieder tauchen neue Geräte auf, die bekannte Messgrößen einfa-<br />
cher oder präziser messen lassen, manchmal aber auch solche, die bisher völlig un-<br />
messbare Phänomene quantifizieren. Ein Beispiel: Es gibt seit dem Ende der Neunzi-<br />
gerjahre die Möglichkeit, den Sauerstoffgehalt in kleinen Volumina mit Miniatursensoren<br />
zu messen. Danach haben sich sehr bald neue Erkenntnisse über die Gasversorgung<br />
im Inneren von Baumstämmen eingestellt.<br />
Wir sehen hier sehr schön etwas, was oft von Naturwissenschaftlern und Techni-<br />
kern vergessen wird: Auch wenn uns die Theorie von irgend einem Phänomen vermuten<br />
läßt, dass es bedeutsam sein könnte, so beschäftigen wir uns doch erst damit, wenn wir<br />
ein geeignetes Messgerät haben, um es zu untersuchen. Selbst in den theoretischen<br />
Überlegungen werden jene Erscheinungen meistens unterbewertet, für die wir keine<br />
oder nur wenige experimentelle Daten haben. Der Naturwissenschaftler ist also von<br />
Geräten abhängig wie der Tiefseetaucher von der Sauerstoffflasche, das sollten wir nie<br />
vergessen. Es kann uns vor übertriebener Begeisterung über unsere eigene Klugheit<br />
schützen: Nicht sie hat die meisten Naturwissenschaften weitergebracht, sondern die<br />
verbesserten Geräte (hinter denen freilich andere kluge Köpfe stecken!).<br />
Da kann ich gleich noch etwas weiteres anbringen: Es ist auffällig, dass sehr viele<br />
jener Forscher, die weltweit auf höchstem Niveau Grundlagenfragen des Wasserhaus-<br />
haltes bearbeiten, ihrem Studium nach Landwirte, Forstwirte oder Kulturtechniker sind<br />
und an Instituten angewandter Richtung arbeiten. Natürlich fragt man sich, warum so<br />
viele Vertreter der angewandten Forschung sich mit dem Wasserhaushalt der Pflanzen<br />
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