Hanno Richter - Boku
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der Pflanze gedeutet werden können, mit der sie ihren Wasserhaushalt zu entlasten<br />
sucht. Solche Reaktionen, etwa der vom Wasser-Regelkreis induzierte Spaltenschluss,<br />
beeinflussen die Photosynthese sehr stark, aber nur sekundär, indem sie die Aufnahme<br />
von CO2 verhindern. Hier erweist sich die Regelung des Wasserhaushaltes als ein<br />
Prozess, der der Photosynthese gegenüber eindeutig Priorität hat und daher zum<br />
Verständnis der Stoffproduktion am Standort vorausgesetzt werden muss.<br />
Überhaupt scheint der Wasserhaushalt der Pflanzen ein fortgeschrittenes Sta-<br />
dium der Evolution zu kennzeichnen: Mag die Photosynthese meinetwegen die<br />
Grundlage allen Lebens sein - der Wasserhaushalt ist die Grundlage des Landlebens<br />
der höheren Pflanzen! Photosynthese und Zellstoffwechsel waren bereits hoch entwick-<br />
elt, als die Wasserpflanzen an Land stiegen - den Wasserhaushalt mussten sie erst neu<br />
erfinden. Ich will das ein wenig erläutern.<br />
Die biochemischen Lebensvorgänge, also die Stoffumsetzungen im Protoplasma,<br />
können nur in wäßriger Phase ablaufen. Entscheidend ist aber nicht die Menge an<br />
verfügbaren H2O-Molekülen, sondern der Zustand, in dem sie sich befinden. Wasser ist<br />
nicht gleich Wasser! Der Pazifik ist zweifellos nicht ganz arm an Wassermolekülen; das<br />
hilft aber einem Schiffbrüchigen nichts, der bei Tahiti auf einem kleinen Floß im Meer<br />
treibt. Er muss verdursten, wenn er keine Anlage zur Destillation, also zur Reinigung des<br />
Wassers von gelösten Stoffen, mit sich führt. Ebenso gehen Kulturpflanzen ein, die man<br />
mit Meerwasser gießt: sie verwelken. Das Molekül H2O liegt im Meerwasser in einem<br />
Zustand vor, der für die meisten höheren Pflanzen unbrauchbar ist; die Meeresalgen<br />
sind jedoch an diesen Wasserzustand ebenso angepasst wie die Süßwasseralgen an<br />
denjenigen des Süßwassers.<br />
Der Begriff des Wasserhaushaltes ist jedoch für submerse Pflanzen des Meeres<br />
oder des Süßwassers völlig sinnlos; sie leben in einem weitgehend unveränderlichen<br />
Milieu, dessen Gehalt an Wassermolekülen sehr hoch ist und in dem der Zustand des<br />
Wassers, der hier ganz von den osmotisch wirksamen gelösten Stoffen abhängt, kaum<br />
schwankt. Bekanntlich sind die typischen Wasserpflanzen, die Algen, ihrem Milieu<br />
gegenüber sehr "offen": Sie bilden keinerlei Abschlussschichten aus, die Zellen stehen<br />
vielmehr in engem Kontakt mit der umgebenden Lösung, der sie Mineralstoffe,<br />
Kohlendioxid und Sauerstoff für ihren Stoffwechsel entnehmen. Die Algen können sich<br />
diese Offenheit leisten, da sie stets auf dem Wasserpotential ihres Milieus bleiben.<br />
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