LUZERN: Blick hinter die Postkartenseiten SCHWEIZER MARINE ...
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Kultur<br />
INFO<br />
Luzerner UntergRundgänge<br />
UntergRundgang «Transit im Untergrund»<br />
Der neuste Rundgang führt quer durchs Luzerner Aussenquartier<br />
zwischen Kasernenplatz und Bernstrasse und erzählt von den<br />
Jakobs-Pilgern, dem Transit von Verkehr und Arbeitskräften, rigorosen<br />
Heiratsverboten und der Spanischen Grippe.<br />
Öffentliche Führungen: Samstags, 2. Mai bis 13. Juni, jeweils<br />
14.30 Uhr, freitags, 15. und 29. Mai sowie 12. Juni, jeweils 19 Uhr.<br />
UntergRundgang I «Das andere Luzern»<br />
Auf dem Rundgang durch das Quartier rund um <strong>die</strong> Luzerner<br />
Baselstrasse geht es an zehn Stationen um das alltägliche Leben<br />
der Leute, <strong>die</strong> hier leben und gelebt haben. Erzählt werden Geschichten<br />
rund um das Vorstadtquartier, sowie Geschichten von<br />
Streiks, Beizen und Bocciabahnen, Gewerbe und Wohnen,<br />
Arbeit und Alltag.<br />
UntergRundgang II «Luzern im Fin de Siècle»<br />
Dieser Untergrundgang erzählt davon, wie <strong>die</strong> Polizei 1897 italienische<br />
Anarchisten bespitzelte, das Militär wegen des Maurerstreiks<br />
aufgeboten wurde, wie Luzern den Anschluss an <strong>die</strong> Gotthardbahn<br />
erhielt, <strong>die</strong> Bahnen verstaatlicht werden sollten, wie <strong>die</strong> Nordostbahn-Angestellten<br />
streikten, Kirche und Sozialdemokratie sich für<br />
mehr Arbeiterschutz einsetzten und sich dennoch weiter bekämpften.<br />
Darüber hinaus berichtet der Rundgang vom Alltag auf dem<br />
Polizeiposten im Untergrund und der Überbauung der Sentimatte.<br />
UntergRundgang III «Fremd sein – heimisch werden»<br />
Der dritte Rundgang zeigt, wie Fremdes und Andersartiges im<br />
Untergrund Zeichen setzte. Erzählt wird von Flüchtlingen, von<br />
schwierigen Einbürgerungen, Schulproblemen, von der jüdischen<br />
Gemeinde, aber auch von der Disziplinierung «Einheimischer» in<br />
den hiesigen Korrektionsanstalten. Zudem dreht sich der Rundgang<br />
um <strong>die</strong> unproblematischere Integration von Fremdem am Beispiel<br />
von heute typisch Schweizerischem wie Milchkaffee und Hörnli.<br />
UntergRundgang IV «Blattgold und Blechnapf»<br />
Die Zwanzigerjahre standen im Zeichen der kulturellen Erneuerung,<br />
der kühnen Träume und Ideen. An manchen Orten zeigte<br />
sich aber, dass <strong>die</strong>ses Jahrzehnt auch von Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot<br />
und politischen Turbulenzen geprägt war. Die Zeugnisse<br />
aus <strong>die</strong>ser Zeit sollen den Teilnehmenden <strong>die</strong>ses Rundgangs näher<br />
gebracht werden.<br />
Alle UntergRundgänge können auch für Gruppen gebucht werden.<br />
Geplant sind ausserdem weitere öffentliche Führungen. Treffpunkt<br />
ist jeweils vor dem Historischen Museum bei der Spreuerbrücke.<br />
Die Rundgänge dauern etwa zwei Stunden und kosten<br />
15 Franken pro Person. Informationen: www.untergrundgang.ch<br />
tergrund. Als um 1900 Druckwasserleitungen<br />
in <strong>die</strong> Hänge der Stadt gezogen<br />
wurden, kehrten sie dem Quartier den<br />
Rücken und liessen sich am Seeufer<br />
oder an den Hügeln Luzerns nieder.<br />
Zurück blieben <strong>die</strong> Mittellosen, <strong>die</strong> italienischen<br />
Bahnbauarbeiter, Taglöhner<br />
und Zimmermädchen. Und sie hatten es<br />
nicht leicht: So hinderten etwa rigorose<br />
Heiratsverbote <strong>die</strong> Armen an der Familiengründung,<br />
was viele zum Abwandern<br />
nach Zürich oder in andere Städte<br />
zwang. Zudem machten ihnen <strong>die</strong> hygienischen<br />
Verhältnisse zu schaffen.<br />
40 Prozent der Wohnungen verfügten<br />
damals über keinen Wasseranschluss,<br />
und der Gestank war manchmal fast<br />
unerträglich. Erst das Auftreten von Typhus<br />
und Cholera veranlasste <strong>die</strong> Stadt<br />
dazu, auch im Untergrund Wasserleitungen<br />
zu installieren. Doch wurden<br />
<strong>die</strong> Stadtväter dabei weniger von humanitären<br />
als von pekuniären Interessen<br />
getrieben; denn Typhus und Cholera<br />
verliehen dem Touristenmagnet Luzern<br />
kein besonders attraktives Image. Und<br />
dem galt es entgegenwirken.<br />
bordmagazin 2009<br />
Engagierte Gruppe: Die Geschichte der einfachen Leute ist genauso wichtig wie <strong>die</strong> der<br />
Reichen und Mächtigen.<br />
Heute ist der Untergrund <strong>die</strong> Heimat<br />
von Menschen aus rund siebzig Ethnien,<br />
fast 60 Prozent der Bevölkerung<br />
sind Ausländerinnen und Ausländer.<br />
Aber weil <strong>die</strong> Wohnungen noch immer<br />
günstig sind, leben hier auch viele Stu<strong>die</strong>rende<br />
und Neuzuzüger, <strong>die</strong> den Untergrund<br />
als Boxenstopp nutzen, bevor<br />
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bordmagazin 2009<br />
auch sie, wie <strong>die</strong> einstigen Begüterten,<br />
in ruhigere Gefilde ziehen. Denn im Minutentakt<br />
rauschen <strong>die</strong> Züge über den<br />
Bahndamm, der «BaBeL» längs durchschneidet.<br />
An <strong>die</strong>ser Stelle werden <strong>die</strong><br />
Reisenden in den Zügen auf <strong>die</strong> sich nähernde<br />
Station «Luzern» aufmerksam<br />
gemacht und beginnen, <strong>die</strong> Zeitungen<br />
Kultur<br />
zusammenzufalten oder ihre Laptops<br />
herunterzufahren. Das mache ich jeweils<br />
auch so. Doch heute blicke ich für<br />
einmal zu den Zügen hoch und sinniere<br />
darüber, wie <strong>die</strong> Steine des Bahndamms<br />
in mühseliger Arbeit aufeinander geschichtet<br />
und <strong>die</strong> Gleise verlegt worden<br />
sind, wie sich <strong>die</strong> Arbeiter und ihre Familien<br />
abends erschöpft in ihre engen<br />
Wohnungen zurückgezogen und über<br />
<strong>die</strong> Jahre hinweg den Untergrund für<br />
immer geprägt haben. Denn ohne den<br />
Untergrund, das ist uns nach der zweistündigen<br />
Tour klar geworden, hätte<br />
Luzern kaum gebaut werden können.<br />
Ohne solide Grundlage ist Wachstum<br />
nicht möglich, ebenso wie es ohne<br />
Kenntnisse kein Wissen gibt. Wenn ich<br />
das nächste Mal mit dem Zug in Luzern<br />
einfahre, wird «BaBeL» ein anderes Gesicht<br />
bekommen haben.<br />
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