Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft - Regionalverband ...
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Holger Balderhaar | Julia Busche | Marcus Lemke | Rüdiger Reyhn<br />
<strong>Potenzialanalyse</strong> <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Regionalökonomische Impulse für Stadt und<br />
Landkreis Göttingen durch ältere Menschen<br />
Beschäftigungspakt für Ältere im<br />
Eine Studie im Rahmen des Beschäftigungspaktes „50 plus - Erfahrung zählt!“ im Landkreis Göttingen<br />
Gefördert und unterstützt durch das
Herausgeber<br />
<strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen e.V.<br />
Barfüßerstraße 1, 37073 Göttingen<br />
info@regionalverband.de<br />
0551-5472810<br />
www.regionalverband.de<br />
in Kooperation mit dem<br />
Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der<br />
Universität Göttingen (ifh)<br />
Im auftrag von<br />
www.50plus-goettingen.de<br />
Göttingen, September 2006
Holger Balderhaar<br />
Kilian Bizer<br />
Julia Busche<br />
Gerd Cassing<br />
Wolf-Ekkehard Hesse<br />
Karsten Hiege<br />
Ullrich Kornhardt<br />
Marcus Lemke<br />
Steffen Reißig<br />
Rüdiger Reyhn<br />
<strong>Potenzialanalyse</strong> <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Regionalökonomische Impulse für Stadt und Landkreis Göttingen<br />
durch ältere Menschen
InhaltsverzeIchnIs<br />
1 Zusammenfassung 7<br />
2 Einführung und Aufgabenstellung 11<br />
Vorbemerkungen 11<br />
Das Modellprojekt “50plus – Erfahrung zählt!“ 15<br />
Methodisches Vorgehen 16<br />
3 Demographischer Wandel 18<br />
Analyse und Prognose 18<br />
Situation auf dem Arbeitsmarkt 22<br />
Anpassungsleistungen der Kommunen 23<br />
4 SeniorInnen in der Gesellschaft 26<br />
Altersbilder und Altersbegriffe 26<br />
Armut im Alter 32<br />
Seniorenarbeit 34<br />
Interessenvertretung in den Parteien 39<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) 41<br />
Überregionale Beispiele 42<br />
5 Initiativen für SeniorInnen 45<br />
Altenbericht und Stellungnahme zum Altenbericht 46<br />
Landesinitiative <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in NRW 47<br />
Landesinitiative <strong>Seniorenwirtschaft</strong> Niedersachsen 48<br />
Förderung des Ehrenamtes in Niedersachsen 50<br />
Exkurs: Mehrgenerationenhäuser 52<br />
6 <strong>Seniorenwirtschaft</strong> 54<br />
Begriffsbestimmung 54<br />
Kaufkraft von Senioren 55<br />
Senioren-marketing 58<br />
Einfach für alle: Universal Design 67<br />
Exkurs: <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Japan 68<br />
Exkurs: Demographischer Wandel in China 69<br />
4
7 Gestaltungsfelder der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> 71<br />
Wohnen 71<br />
Situation im Landkreis Göttingen (ifh) 107<br />
Handel 125<br />
Gesundheitswirtschaft, ambulante Pflege und Sport 141<br />
Finanzdienstleistungen 163<br />
Neue Medien und Telekommunikation 166<br />
Tourismus 173<br />
Mobilität im Alltag 179<br />
Seniorenbildung 182<br />
8 Perspektiven der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> 184<br />
9 Qualifizierung und Beratung 186<br />
Qualifizierung für den ersten Arbeitsmarkt 186<br />
Existenzgründungsberatung 190<br />
10 Handlungsempfehlungen 192<br />
Kommunen als Impulsgeber 192<br />
Handwerk und Wohnen 196<br />
Handel 199<br />
Ambulante Pflege 202<br />
Tourismus und Mobilität 203<br />
Neue Medien und Telekommunikation 205<br />
Finanzdienst-leistungen 205<br />
Die nächsten Schritte 206<br />
Literatur 208<br />
Internetlinks 214<br />
Abbildungsverzeichnis 219<br />
ANHANG<br />
Pflegesätze der Altenhilfeeinrichtungen im Landkreis Göttingen 221<br />
Pflegesätze der Altenhilfeeinrichtungen in der Stadt Göttingen 224<br />
Adressen der Alten- und Pflegeeinrichtungen in der<br />
Stadt Göttingen 226<br />
Adressen der Alten- und Pflegeheime im Bereich des<br />
Landkreises Göttingen 227<br />
5
Zwei sarkastische Definitionsversuche<br />
A) Gerontologie ist eine zunehmend erfolgreich benützte<br />
Strategie jüngerer Menschen, schon in jungen Jahren an<br />
der demographischen Alterung zu verdienen. Die GerontologInnen<br />
sind deshalb existentiell daran interessiert, dass<br />
niemand vorzeitig wegstirbt und den Alten die Probleme nicht<br />
ausgehen.<br />
B) Gerontologie ist eine kluge Strategie von Berufsfachleuten,<br />
sich durch die Beschäftigung mit hochbetagten Menschen<br />
auch noch mit 50 jung zu fühlen, was Personen, die sich mit<br />
Jugendfragen befassen, eindeutig schwieriger fällt.<br />
François Höpflinger<br />
1 François Höpflinger ist Titularprofessor für Soziologie an der Universität Zürich. Er beschäftigt sich vor<br />
allem mit Fragen zur Bevölkerungssoziologie.<br />
6
1 zusammenfassung<br />
Entwicklung und Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen für<br />
ältere KundInnen sind geeignet, Perspektiven für die wirtschaftliche Entwicklung<br />
der Stadt und des Landkreises Göttingen und darüber hinaus<br />
für die gesamte Region Südniedersachsen zu eröffnen. Seniorinnen und<br />
Senioren verfügen über eine hohe Kaufkraft. Der Anteil dieser Altersgruppe<br />
an der Gesamtbevölkerung ist in den vergangenen Jahren gestiegen – er<br />
wird auch weiter an Bedeutung gewinnen.<br />
Überlappt wird diese Entwicklung jedoch durch regionale Struktur- und<br />
Wachstumsprobleme, die sich unter anderem in deutlich geringeren<br />
Durchschnittseinkommen gegenüber prosperierenden Regionen Nordwest-Niedersachsens,<br />
z. B. dem Landkreis Leer, manifestieren.<br />
Die Wirtschaft in Stadt und Landkreis Göttingen wird sich der neuen<br />
Möglichkeiten, die sich aus dem demographischen Wandel ergeben,<br />
zunehmend bewusst. Bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen<br />
berücksichtigen viele Unternehmen die erhöhte Bedeutung der<br />
SeniorInnen auf den regionalen und überregionalen Märkten.<br />
Trotz vielfältiger punktueller Bemühungen in Stadt und Landkreis Göttingen<br />
mangelt es jedoch in vielen Gestaltungsfeldern der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
noch immer an ausreichender Anpassungsflexibilität der Anbieter. Das<br />
gilt sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor. Viele Facetten des<br />
demographischen Wandels werden in der aktuellen Geschäftspraxis und<br />
der strategischen Unternehmensausrichtung nur unzureichend berücksichtigt.<br />
Um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Standort sichern<br />
und entwickeln zu können, ist es deshalb erforderlich, den Gruppen der<br />
Älteren als Leistungserbringer und Leistungsbezieher eine noch höhere<br />
Aufmerksamkeit zu schenken, als dies bislang erfolgt ist.<br />
Die in der vorliegenden <strong>Potenzialanalyse</strong> aufgezeigten Handlungsansätze<br />
sollten deshalb konkretisiert und auf eine Umsetzung weiter geprüft<br />
werden. Ein in Nordrhein-Westfalen entwickeltes Ignoranz-Szenario zeigt<br />
die Konsequenzen für den Fall auf, dass die erforderlichen Anpassungsleistungen<br />
nicht erbracht werden.<br />
In Gestaltungsfeldern wie der ambulanten Pflege und dem seniorengerechten<br />
Wohnen bestehen – das zeigt die vorliegende Studie – unmittelbar<br />
neue Beschäftigungspotenziale. Beim Vorliegen persönlicher und fachlicher<br />
Eignung können in Sektoren wie diesen auch ältere Erwerbslose auf<br />
den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden – wenn auch möglicherweise<br />
nur im Rahmen prekärer Arbeitsverhältnisse. In den meisten anderen<br />
Gestaltungsfeldern dürften die Wirkungen aber eher mittelbar sein.<br />
2 Hiege, Karsten; Hesse, Wolf-Ekkehard (2006): “Regionalanalyse des Landkreises Göttingen – Basisdaten<br />
zu älteren Beschäftigten und Erwerbslosen“ (<strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen e.V.)<br />
3 Circel, Michael; Hilbert, Josef; Schalk, Christa (2004): “Produkte und Dienstleistungen für mehr Lebensqualität<br />
im Alter“, Institut für Arbeit und Technik, Gelsenkirchen, S. 103<br />
7
Die wichtigsten Perspektiven der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Stadt und Landkreis<br />
Göttingen liegen also primär in der Wirtschafts- und Strukturpolitik und<br />
weniger in der Beschäftigungspolitik. Damit stützt die vorliegende Studie<br />
eine wesentliche These, die bei der Bildung des Beschäftigungspaktes für<br />
Ältere im Landkreis Göttingen im Juli 2005 formuliert wurde.<br />
Nicht bestätigt werden kann jedoch, dass sich durch eine Nutzung der<br />
Möglichkeiten der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> älteren Erwerbslosen in größerem<br />
Umfang neue Beschäftigungsfelder eröffnen. Das gilt insbesondere<br />
angesichts der in der Regionalanalyse nachgewiesenen Bedeutung der<br />
Langzeitarbeitslosigkeit älterer Erwerbsfähiger im Landkreis Göttingen.<br />
Zu einer ähnlichen Bewertung kam Mitte September 2006 auch der Präsident<br />
des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg<br />
Braun. Er erklärte, die Initiative des Bundes werde kaum dazu beitragen,<br />
dass nennenswert viele ältere Erwerbslose in den Arbeitsmarkt integriert<br />
werden könnten. Brauns Einschätzung: Die Qualifizierung von Arbeitslosen<br />
wird nach wie vor vernachlässigt.<br />
Trotz positiver Grundstimmung bei Wirtschaft und Verbrauchern im<br />
Spätsommer 2006 fehlt es den Betrieben an Anreizen, ältere Arbeitslose<br />
einzustellen. Ob die neuen beschäftigungspolitischen Ansätze der Landes-<br />
und der Bundesregierung die Perspektiven für Ältere verbessern, lässt<br />
sich derzeit nicht abschätzen. Beim Abbau von Personal trennen sich<br />
viele Unternehmen nach wie vor eher von Älteren – die Volkswagen AG<br />
beispielsweise beim geplanten Personalabbau an mehreren Standorten in<br />
Niedersachsen und Nordhessen, ebenso gilt dies bei dem Einzelfall des<br />
Vorstandsvorsitzenden der BMW AG, der im Juli 2006 mit sechzig Jahren<br />
in den Ruhestand ging, obwohl er gern weitergearbeitet hätte.<br />
Der Sachverständigenkommission für den fünften Bericht zur Lage der<br />
älteren Generation in der Bundesrepublik ist zuzustimmen, wenn sie<br />
feststellt, dass alle Maßnahmen zur Erhöhung der Beschäftigungsquote<br />
Älterer letztlich nur greifen werden, wenn die Wirtschaft kräftig wächst<br />
und eine steigende Arbeitskräftenachfrage die Betriebe motiviert, auch<br />
Ältere einzustellen.<br />
Die vorliegende Studie will zum Abbau von Vorurteilen hinsichtlich der<br />
Qualifikation, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit von Älteren<br />
beitragen. Sie nimmt dabei unmittelbar Bezug auf das letzte der drei<br />
vordringlichen Aktionsfelder der Bundesregierung. Nachdrücklich plädieren<br />
die Autoren dafür, die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Stadt und Landkreis<br />
Göttingen unter dem Blickwinkel ihrer Lupenfunktion zu betrachten. Was<br />
für ältere Menschen gut und richtig ist, nützt in aller Regel auch Jüngeren.<br />
Umgekehrt gilt das nicht.<br />
Angesichts der Heterogenität der 50plus-Generationen wird darauf verzichtet,<br />
altersspezifische Angebotssegmentierungen vorzunehmen. So<br />
wird weder geraten, dem Beispiel Großräschens zu folgen und ein Seniorenkaufhaus<br />
zu installieren, noch wird der Erarbeitung eines regionalen<br />
Qualitätssiegels „seniorengerecht“ das Wort geredet.<br />
4 Bundesministerium für Familie, Senioren, Familie und Jugend (2005): „Potenziale des Alters in Wirtschaft<br />
und Gesellschaft. – Der Beitrag älterer Menschen zum Zusammenhalt der Generationen“, Berlin.<br />
8
Die Handlungsempfehlungen dienen vielmehr dazu, den Standort Landkreis<br />
Göttingen generationengerechter und damit zukunftsfähiger zu<br />
machen. Deshalb können sie auch als Elemente regionaler Bevölkerungspolitik<br />
angesehen werden: Wenn sich Wirtschaft und Gesellschaft stärker<br />
generationen- und damit altengerecht orientieren, tragen sie dazu bei,<br />
Abwanderungen zu verhindern und Anreize für Zuwanderung zu schaffen.<br />
Generationengerechtigkeit in Sektoren wie Handel, Handwerk und Tourismus<br />
wird damit zu einem Merkmal der Standortqualität.<br />
Bevölkerungspolitik umfasst in diesem Sinne nicht nur überregionale<br />
Arbeitsplatzwanderungen, sondern auch Alten- und Ausbildungswanderungen.<br />
Eine der Handlungsempfehlungen besteht darin, die Elterngeneration<br />
von Berufstätigen zu einem Umzug in den Landkreis Göttingen zu<br />
motivieren, u. a. mit dem Argument, nahe bei den Enkelkindern sein und<br />
sie betreuen zu können. Möglicherweise kann Älteren damit sogar ein<br />
Anreiz gegeben werden, auch die dritte Lebensphase in Deutschland zu<br />
verleben und auf einen Umzug ins Ausland zu verzichten.<br />
Wenn es gelingt, die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Göttingen<br />
positiver zu gestalten, wird dies auch nicht ohne Folgen für die Beschäftigung<br />
Älterer bleiben. Anders formuliert: Das oben genannte Wirtschaftswachstum<br />
innerhalb des Landkreises Göttingen kann nur erreicht werden,<br />
wenn Stadt- und Landkreis ihre Bevölkerungsentwicklung mindestens<br />
stabilisieren.<br />
Die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen beispielsweise zur Bildung<br />
von seniorenorientierten Anbieter-Gemeinschaften im Handwerk wirkt<br />
beschäftigungsstabilisierend. Im Idealfall gelingt es, Aufträge aus anderen<br />
Regionen zu akquirieren. Neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen<br />
auch im Tourismus durch eine stärkere Generationenorientierung der<br />
Angebote.<br />
Die ambulanten Pflegedienste im Landkreis rechnen selbst mit tief<br />
greifenden Strukturveränderungen im Zuge der erwarteten Veränderung<br />
der Pflegeversicherung. Viele Studien gehen davon aus, dass in den<br />
vergangenen Jahren bereits zahlreiche Arbeitsplätze durch das Altern<br />
der Gesellschaft entstanden sind. Sie für den Landkreis Göttingen zu<br />
quantifizieren war im Rahmen der vorliegenden Studie weder gefordert<br />
noch möglich. Deshalb lassen sich auch keine seriösen Aussagen darüber<br />
machen, welche Beschäftigungswirkungen ohnehin durch die Alterung im<br />
Landkreis Göttingen entstehen, und erst recht lässt sich nicht abschätzen,<br />
welche Folgerungen die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen nach<br />
sich ziehen würden.<br />
In der Gastronomie, bei leichten Pflegetätigkeiten, in der Arbeitnehmerüberlassung<br />
und in Dorfläden können also neue Arbeitsplätze entstehen.<br />
Der Teilnahmebeitrag des Landkreises Göttingen am Ideenwettbewerb<br />
des Bundes ging davon aus, dass zusätzliche Angebote für SeniorInnen<br />
auch von SeniorInnen erbracht werden können. Dieser Grundannahme<br />
kann nur bedingt zugestimmt werden. Zwar bestätigt der Einzelhandel,<br />
dass Auswahl und Einsatz von Personal kundenorientiert erfolgen müssen.<br />
Auch seniorengerechte Angebote im Bereich der Finanzdienstleistungen<br />
können von älteren Beratern seriös dargestellt werden. Insgesamt aber<br />
9<br />
Zusammenfassung
edingen seniorenorientierte Angebote nicht unmittelbar eine Beschäftigung<br />
von Personen, die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Bei<br />
Pflegedienstleistungen, die eine hohe körperliche Fitness voraussetzen,<br />
ist zweifelhaft, ob Ältere diesen Anforderungen entsprechen. Auch bei<br />
der Gründung von Existenzen haben Ältere immer noch mehr Probleme zu<br />
überwinden als Jüngere – insbesondere gilt das bei der Finanzierung.<br />
Dass die Bedürfnisse Älterer gute Wachstums- und Beschäftigungsperspektiven<br />
für solche Betriebe und Branchen eröffnen, die Produkte und<br />
Dienstleistungen für mehr Lebensqualität im Alter (<strong>Seniorenwirtschaft</strong>)<br />
liefern, zeigt sich bundesweit in der Vielzahl von Projekten der letzten<br />
Jahre. Vielfach kommen Impulse aus den Unternehmen selbst, häufig<br />
jedoch gehen sie auf kommunale Initiativen zurück.<br />
10
2 eInführung und<br />
aufgabenstellung<br />
Der Titel der vorliegenden Untersuchung “<strong>Potenzialanalyse</strong>: Regionalökonomische<br />
Impulse für Stadt und Landkreis Göttingen durch ältere<br />
Menschen“ im Rahmen des Projektes “50plus – Erfahrung zählt!“ markiert<br />
einen hohen Anspruch. Er leitet sich ab aus dem Ideenwettbewerb<br />
“Regionale Beschäftigungspakte für Ältere“ des Bundesministeriums für<br />
Wirtschaft und Arbeit (BMWA) aus dem Juni 2005. Nach dieser These führt<br />
die steigende Nachfrage Älterer nach seniorengerechten Produkten und<br />
Dienstleistungen auch zu Beschäftigungseffekten von Erwerbsfähigen,<br />
die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Mit dem zunehmenden<br />
Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung im Landkreis Göttingen und<br />
den Beschäftigungsproblemen Älterer verbindet die Studie damit zwei<br />
zentrale gesellschaftliche Herausforderungen, vor denen der Landkreis<br />
und darüber hinaus die gesamte Region Göttingen in Zusammenhang<br />
mit dem demographischen Wandel stehen.<br />
Die Autoren gehen davon aus, dass es sich hier um einen Prozess handelt,<br />
der weit über die neue EU-Förderperiode 2007–2013 hinausreicht.<br />
Der Prozess ist nicht im Detail vorhersehbar und erst recht nicht planbar.<br />
Viele Entwicklungslinien vollziehen sich auf den Märkten mit der ihnen<br />
eigenen Entwicklungsdynamik und -logik. Um die bestehenden Beschäftigungspotenziale<br />
ausschöpfen zu können, gilt es, die gesellschaftlichen<br />
Teilsysteme in ihrer Wirkungsweise zu erkennen. Insofern kann die Studie<br />
zwar wesentliche Gestaltungsfelder untersuchen, nicht aber den Anspruch<br />
erheben, alle relevanten Aspekte der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> zu analysieren.<br />
Gerade die Erhöhung der Erwerbsquote der mehr als 55 Jahre Alten bietet<br />
noch viele Ansatzpunkte. Modellrechnungen zeigen, dass es 21,4 Milliarden<br />
Euro oder ein Prozent Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt bringt,<br />
wenn man ein Viertel der heute nicht erwerbstätigen über 55-Jährigen in<br />
Beschäftigung bringt. Dazu reiche es sogar, wenn diese MitarbeiterInnen<br />
nur 50 Prozent der durchschnittlichen Produktivität erreichten.<br />
Bei der Bearbeitung ging es darum, den nur auf dem ersten Blick eindeutigen<br />
Begriff der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> zielgerichtet zu definieren und<br />
die Handlungsansätze zu ordnen. Bei der Recherche zeigte sich, dass<br />
so gut wie alle Gesprächs- und Interviewpartner im Untersuchungsraum<br />
ein hohes Maß an Interesse und Neugier am Thema <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
zeigten. Die meisten von ihnen bestätigten, dass es auf diesem Feld erheblichen<br />
Handlungsbedarf und damit große Entwicklungschancen gibt.<br />
Die wenigsten von ihnen haben sich nach eigenen Aussagen bislang<br />
systematisch mit der Fragestellung befasst. So gehörte die Bitte um Information<br />
über die Ergebnisse der Studie zu den Standardbemerkungen<br />
bei Abschluss der ExpertInnen-Gespräche.<br />
5 http://www.50plus-goettingen.de<br />
6 Ursula Staudinger, Professorin an der International University in Bremen, FAZ 19. September 2006,<br />
S. 19<br />
11<br />
vorbemerkungen
Bei der Diskussion um generationengerechtes Wirtschaften hat Deutschland<br />
im internationalen Vergleich einen erheblichen Nachholbedarf.<br />
Insbesondere Japan ist uns voraus. Innerhalb Deutschlands wird Nordrhein-Westfalen<br />
eine Vorreiterrolle attestiert – zumindest was den Stand<br />
der wissenschaftlichen Arbeit angeht. Deshalb widmet die vorliegende<br />
Studie diesen Ansätzen eigene Kapitel.<br />
Die Niedersächsische Landesregierung startete Anfang Mai 2006 – von<br />
der Öffentlichkeit und auch den Verantwortlichen in den Kommunen im<br />
Landkreis Göttingen weitgehend unbeachtet – die „Landesinitiative für<br />
generationengerechte Produkte und Dienstleistungen“. Mit dem Niedersächsischen<br />
Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit<br />
verabredete der <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen eine enge Kooperation,<br />
die sich – wie im Folgenden dargestellt – in einem ersten Schritt in<br />
der gemeinsamen Ausrichtung von Veranstaltungen manifestiert.<br />
Die Vorlage der <strong>Potenzialanalyse</strong> markiert den Auftakt zu einem öffentlichen<br />
Diskurs, der die bisherige Diskussion über die Auswirkungen des<br />
demographischen Wandels in der Region fortführt und um neue Aspekte<br />
ergänzt. Mit dem Auftraggeber abgestimmt wurde der Vorschlag, nach<br />
Vorlage der Studie Ende 2006/Anfang 2007 jeweils mit Partnern vertiefende<br />
Veranstaltungen zu verschiedenen Schwerpunkten zu geben. Dies<br />
geschieht zum einen in der Absicht, für Praktiker besonders wichtige<br />
Einzelaspekte näher zu beleuchten, andererseits wird damit der Prozesscharakter<br />
der Aufgabenstellung unterstrichen.<br />
Die Initiative „50plus – Erfahrung zählt!“ sieht sich darüber hinaus als<br />
wesentlicher Bestandteil der europäischen Beschäftigungsstrategie, der<br />
„Lissabon-Strategie“. Sie umfasst sämtliche Maßnahmen zur wirtschaftlichen,<br />
sozialen und ökologischen Erneuerung der EU. Im März 2000 hatte<br />
der Europäische Rat auf seiner Tagung in Lissabon diese auf zehn Jahre<br />
angelegte Strategie angenommen, mit deren Hilfe sich die EU bis 2010<br />
zur weltweit dynamischsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsregion<br />
entwickeln soll. Im Sinne dieser Strategie treibt eine starke Wirtschaft die<br />
Schaffung von Arbeitsplätzen voran und fördert soziale und ökologische<br />
Maßnahmen, welche wiederum eine nachhaltige Entwicklung und sozialen<br />
Zusammenhalt gewährleisten.<br />
Die vorliegende Studie stellt kein Konzept zur Umsetzung der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
im Landkreis Göttingen dar. Sie untersucht vielmehr Auswirkungen<br />
des demographischen Wandels auf den Landkreis Göttingen,<br />
analysiert den Bedarf von SeniorInnen auf Teilmärkten und leitet daraus<br />
Empfehlungen für Einzelmaßnahmen ab. Wie im Folgenden dargestellt<br />
wird, kommt den Kommunen dabei eine wichtige Funktion als Impulsgeber<br />
zu.<br />
Unter <strong>Seniorenwirtschaft</strong> werden nach dem Teilnahmebeitrag des Landkreises<br />
Göttingen am Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für<br />
Wirtschaft und Arbeit aus dem Juli 2005 die Entwicklung und Vermarktung<br />
von Produkten und Dienstleistungen für ältere Kundinnen und Kunden<br />
12
verstanden. Danach ist die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> geeignet, neue Perspektiven<br />
für die wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises Göttingen zu<br />
eröffnen.<br />
Untersuchungsgebiet ist der Landkreis Göttingen mit der Stadt Göttingen<br />
als Oberzentrum und den Mittelzentren Duderstadt und Hann. Münden.<br />
Berücksichtigt wurden die bestehenden Verflechtungen des Landkreises<br />
Göttingen innerhalb Südniedersachsens. Für eine sachgerechte Analyse<br />
und Einschätzung der Region Göttingen wurden Vergleichsanalysen und<br />
-daten des Bundes, der Länder, Regionen und Gemeinden sowie der EU herangezogen.<br />
Dazu gehören die Ergebnisse der Regionalanalyse im Rahmen<br />
des Projektes “50plus – Erfahrung zählt!“, also Arbeitsmarkt-, Branchen-,<br />
Konjunktur- und Strukturdaten. Durch Vergleiche mit dem Bundes- und<br />
Landesdurchschnitt sowie der Entwicklung in vergleichbaren Regionen<br />
wird der Entwicklungsprozess im Untersuchungsraum analysiert.<br />
Angesichts der finanziellen Restriktionen, unter denen Bund, Länder und<br />
Kommunen leiden, können neue Beschäftigungsmöglichkeiten für über<br />
50-jährige Menschen im öffentlichen Sektor – wenn überhaupt – nur in<br />
äußerst geringem Umfang entstehen. Der Fokus der Untersuchungen lag<br />
deshalb im Sektor der privaten Anbieter.<br />
Da nach dem o. g. Teilnahmebeitrag das Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten<br />
auf Anbieterseite zu den wichtigsten Aufgaben gehört, zählen<br />
die Leistungsanbieter in der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> zu den wesentlichen Zielgruppen.<br />
In der Untersuchung wurde viel Wert auf die unterschiedlichen<br />
Aspekte des Seniorenmarketings gelegt. Diese Erkenntnisse können sich<br />
Investoren und Anbieter generationengerechter Produkte und Dienstleistungen<br />
nutzbar machen.<br />
Erklärtes Ziel ist es, dass private Anbieter, zu denen auch Einrichtungen<br />
der Weiterbildung zählen, diese Hinweise zur Grundlage eigener Initiativen<br />
(wie Businessplänen) machen und ihr Portfolio modifizieren. Ein<br />
Automatismus, demzufolge diese neuen Angebote auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
für Menschen ab 50 schaffen, existiert nicht. Die<br />
Ergebnisse bieten jedoch die Grundlage für seniorengerechtes Marketing<br />
und Produktgestaltung in bestehenden Unternehmen des Landkreises<br />
sowie bei Existenzgründern.<br />
Die vorliegende Studie richtet sich außerdem an die kommunalpolitisch<br />
Verantwortlichen in Stadt und Landkreis Göttingen sowie den kreisangehörigen<br />
Städten, Gemeinden und Samtgemeinden. Darüber hinaus werden<br />
Hinweise gegeben für die Positionierung des Landkreises Göttingen<br />
sowie der anderen Partner im <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen im<br />
Rahmen der Ende Mai 2006 in Wolfsburg gestarteten „Landesinitiative<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>“. Zu den Zielgruppen zählen also auch Landes- und<br />
Bundespolitik.<br />
7 Die in diesem Zusammenhang erforderliche Diskussion über Altersbilder und Altersbegriffe erfolgt im<br />
Kapitel „Altersbilder und Altersbegriffe“.<br />
13<br />
Einführung und<br />
Aufgabenstellung
Die aus dem o. g. Teilnahmebeitrag im Sommer 2005 abgeleitete Themenstellung<br />
der Studie ist breit angelegt. Sie umfasst viele Bereiche<br />
wirtschaftlicher und sozialer Tätigkeiten im Landkreis Göttingen. Bei den<br />
Analysen hat sich gezeigt, dass diese Aufgabe äußerst umfassend ist.<br />
Die Autoren haben sich deshalb auf elf Gestaltungsfelder konzentriert und<br />
dafür konkrete Ansatzpunkte für Anpassungsmaßnahmen analysiert. Zu<br />
den Voraussetzungen für die Umsetzung zählen jedoch in den meisten<br />
Fällen weitergehende Marktanalysen und Machbarkeitsstudien.<br />
Nur einen kurzen Überblick geben die Autoren über die unterschiedlichen<br />
Facetten der für die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> so wichtigen Gesundheitswirtschaft.<br />
Da sich hier am ehesten Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere<br />
abzeichnen, konzentrieren sie sich auf die ambulante Pflege, deren Bedeutung<br />
in den nächsten Jahren zunehmen dürfte.<br />
Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere unter dem Aspekt des demographischen<br />
Wandels und ihre Bedeutung als Konsumenten und Produzenten<br />
werden ausführlich dargestellt. Dabei besitzt die Frage nach den<br />
Perspektiven für die wirtschaftliche Entwicklung in Stadt und Landkreis<br />
Göttingen durch die Entwicklung und den Absatz spezieller Produkte und<br />
Dienstleistungen für Ältere einen hohen Stellenwert. Untersucht werden<br />
Erkenntnisse über erfolgreiche Konzepte der Senioren. Dabei wurde<br />
anhand mehrerer Handlungsvorschläge überprüft, ob und inwieweit sich<br />
diese Konzepte im Landkreis Göttingen umsetzen lassen, ob Anpassungsbedarf<br />
besteht und wie die Umsetzung erfolgen kann.<br />
An der Bearbeitung der <strong>Potenzialanalyse</strong> waren zahlreiche Institutionen<br />
beteiligt. Zu danken ist insbesondere dem Ministerium für Soziales, Frauen,<br />
Familie und Gesundheit des Landes Niedersachsen, dem Volkswirtschaftlichen<br />
Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen<br />
(das für die Bearbeitung von Kapitel „Handwerk im demographischen<br />
Wandel“ verantwortlich zeichnet), dem Institut für Sozialpädagogik und<br />
Soziologie der Lebensalter der Universität Kassel, der Handwerkskammer<br />
Hildesheim-Südniedersachsen, Kreishandwerkerschaft Südniedersachsen,<br />
der AOK-Geschäftsstelle Göttingen, der Wolfsburg AG und dem Seniorenbüro<br />
der Stadt Braunschweig. Intensiv war auch die Kooperation mit den<br />
anderen Akteuren des Projektes „50plus – Erfahrung zählt!“, insbesondere<br />
mit der Stadt Göttingen und dem Landkreis Göttingen.<br />
Von besonderer Bedeutung bei Vorbereitung und Durchführung der Senioren-Workshops<br />
war die Unterstützung des Kolping-Familienferienzentrums<br />
Duderstadt, des Ortsvereins Hann. Münden des Kreisverbandes<br />
Göttingen der Arbeiterwohlfahrt (AWO), des Kreisverbandes Göttingen der<br />
Senioren-Union, der Arbeitsgemeinschaft 60plus des SPD-Unterbezirks<br />
Göttingen, der Freien Altenarbeit Göttingen sowie der Seniorenbeiräte der<br />
Stadt Göttingen und der Samtgemeinde Dransfeld sowie des Landesseniorenrates<br />
Niedersachsen.<br />
8 Beispielsweise hängt die Umsetzbarkeit des Vorschlags “Seniorenkaufhaus“ von zahlreichen Faktoren<br />
(und insbesondere von den handelnden Personen) ab, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung<br />
nicht analysiert werden konnten.<br />
14
Zu danken ist zudem der Wirtschaftsförderung Region Göttingen (WRG)<br />
GmbH, dem Stadtmarketing Duderstadt, der Wirtschaftsförderung und<br />
Erschließungsgesellschaft Hann. Münden, Göttingen Tourismus e.V., der<br />
Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung der Stadt<br />
Göttingen (GWG GmbH), dem Center-Management des Kauf Parks Göttingen,<br />
der Heimat GmbH (Hann. Münden), der Larsen-Frels Gewerbe- und<br />
Industrie-Immobilien GmbH und dem Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümerverein<br />
Duderstadt e.V.<br />
Großer Dank gilt auch den zahlreichen Gesprächspartnern, die hier nicht<br />
namentlich genannt sind, für ihre wertvollen Hinweise und Vorschläge.<br />
Der Landkreis Göttingen hat sich im Juli 2005 unter dem Motto “50plus<br />
– Erfahrung zählt!“ am Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für<br />
Arbeit und Soziales beteiligt. Das Projekt wurde Anfang September 2005<br />
als eines von insgesamt 62 regionalen Modellvorhaben im Rahmen des<br />
Programms “Perspektive 50plus – Beschäftigungspakte für Ältere in den<br />
Regionen“ ausgewählt.<br />
Die vorliegende <strong>Potenzialanalyse</strong> ist Bestandteil von vier wissenschaftlichen<br />
Untersuchungen, die der <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen e.<br />
V. in Kooperation mit dem Verein für prospektive Entwicklungen (ZOOM<br />
e. V.) sowie weiteren Partnern als Grundlage der geplanten Umsetzungsmaßnahmen<br />
erstellt hat. In einer “Betriebsstudie” wird die Situation<br />
älterer Beschäftigter in den Unternehmen der Region und deren altersbezogene<br />
Personalpolitik analysiert. Während die Regionalanalyse die<br />
Beschäftigungssituation Erwerbsfähiger im Landkreis Göttingen darstellt,<br />
identifiziert die <strong>Potenzialanalyse</strong> Defizite im bisherigen Angebot an Produkten<br />
und Dienstleistungen mit Älteren als Zielgruppe. Sie versucht damit,<br />
Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen ab 50plus<br />
aufzuzeigen.<br />
15<br />
Einführung und<br />
Aufgabenstellung<br />
Das moDellprojekt<br />
“50plus – erfaHrung<br />
zäHlt!“<br />
Abbildung 1: Verbindungen der drei<br />
Studien untereinander<br />
(Geumann/<strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen)
metHoDIscHes<br />
vorgeHen<br />
In einer vierten Studie zu Best-Practice-Ansätzen in anderen europäischen<br />
Ländern werden die entwickelten erfolgreichen Ansätze einer regionalisierten<br />
Beschäftigungsförderung für ältere Menschen zusammengetragen,<br />
um diese für die Region nutzbar zu machen. In allen Untersuchungen werden<br />
die Kategorien Alter, Geschlecht und Migration/Herkunft analysiert.<br />
Die <strong>Potenzialanalyse</strong> knüpft direkt an vorliegende Untersuchungen zur<br />
demographischen Entwicklung sowie zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung<br />
des Landkreises Göttingen an. Diese wurden in jüngerer<br />
Vergangenheit mehrfach untersucht – so durch das Institut für Regionalforschung<br />
(IfR) an der Universität Göttingen, das Niedersächsische Institut für<br />
Wirtschaftsforschung (NIW) und den <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen<br />
e. V. NIW und IfR haben im Auftrag des <strong>Regionalverband</strong>s im Juni 2000 auf<br />
der Grundlage einer Stärken-Schwächen-Analyse ein regionales Entwicklungskonzept<br />
(REK) für die Arbeitsmarktregion Göttingen/Northeim vorgelegt.<br />
Darüber hinaus hat das IfR im Rahmen der Studie „Südniedersachsen<br />
– Kompetenzregion oder Problemregion“ wichtige Erkenntnisse über die<br />
Situation im Landkreis Göttingen geliefert (2003).<br />
Als Bestandteile des Modellvorhabens der Raumordnung (MoRo) „Infrastruktur<br />
und demographischer Wandel“ hat der <strong>Regionalverband</strong> in den<br />
Jahren 2004 bis 2006 Beiträge zur demographischen Entwicklung der<br />
Region geleistet. Im Auftrag des Landkreises Göttingen hat der <strong>Regionalverband</strong><br />
am 17. Juni 2005 eine Arbeitstagung zum Thema „Der demographische<br />
Wandel – Herausforderung im Landkreis Göttingen“ ausgerichtet.<br />
Im Rahmen der Workshops wurde insbesondere die Notwendigkeit der<br />
Qualifizierung von Erwerbsfähigen (lebenslanges Lernen) deutlich.<br />
Zur Bearbeitung der o. g. Aufgabenstellung liegen für den Landkreis<br />
Göttingen nur wenige empirische Daten vor. Es war deshalb erforderlich,<br />
Zahlen von der Bundes- und Landesebene auf Stadt und Landkreis zu<br />
projizieren und dabei eigene Berechnungen anzustellen. Im Wesentlichen<br />
wurde die <strong>Potenzialanalyse</strong> im Jahr 2006 auf der Basis unterschiedlicher<br />
methodischer Ansätze erarbeitet.<br />
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Jeweils sechs- bis achtstündige Umfragen wurden im Fachmarktzentrum<br />
Grone (30. Mai), in den Innenstädten Göttingen (13. Juni),<br />
Duderstadt (27. Juni) und Hann. Münden (22. Juni), im Einkaufszentrum<br />
Ebergötzen (2. Juni). Zu den Ergebnissen zählen 250 ausgefüllte<br />
Fragebögen zu den Themen Wohnen im Alter, Einkaufen, Nutzung<br />
neuer Medien.<br />
Gespräche mit den Bürgermeisterinnen der Flecken Bovenden und<br />
Adelebsen und den Bürgermeistern der kreisangehörigen Gemeinden<br />
bzw. deren Beauftragten.<br />
Gespräche mit der Stadtverwaltung Göttingen und Kreisverwaltung<br />
Göttingen.<br />
16
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Die narrativen Gesprächsrunden mit zwei bis 22 Teilnehmern, die sich<br />
im Vorfeld bereits kannten, wurden extern moderiert. Sie wurden mit<br />
den jeweiligen Mitveranstaltern vorbereitet und begannen mit Kurzstatements<br />
von zwei Personen. Die Ergebnisse aus den Gesprächsrunden<br />
stellen Beurteilungen aus der Perspektive der Betroffenen dar und<br />
ergänzen die empirischen und theoretischen Ausführungen. Die Zitate<br />
werfen unterschiedliche und assoziative Schlaglichter auf einzelne<br />
Themenkomplexe der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> und sind nicht repräsentativ.<br />
Möglicherweise unterschätzen einige der GesprächsteilnehmerInnen<br />
den Erkenntnisstand der Verantwortlichen in den Unternehmen. Bekannt<br />
ist, dass auch viele Personal- und Unternehmensberater die<br />
Situation anders einschätzen als die zitierten SeniorInnen aus dem<br />
Landkreis Göttingen. Den Wert der Gesprächsrunden bringt folgendes<br />
Zitat auf den Punkt: „Ich freue mich, dass endlich einmal jemand uns<br />
ältere Leute fragt.“<br />
Sieben von WIDserve (Gleichen) moderierte, jeweils rund dreistündige<br />
narrative Gesprächsrunden mit Seniorinnen und Senioren (22. Mai in<br />
Göttingen: Freie Altenarbeit, Alten-WG am Goldgraben; 1. Juni und 30.<br />
August in Rosdorf: Kreisverband Göttingen der Senioren-Union; 21.<br />
Juni in Hann. Münden: Ortsverein Hann. Münden des Kreisverbandes<br />
Göttingen der Arbeiterwohlfahrt (AWO), 30. Juni: Stadt Dransfeld, Seniorenbeirat<br />
der Samtgemeinde Dransfeld; 18. Juli: in Hann. Münden:<br />
Arbeitsgemeinschaft 60plus des SPD-Unterbezirks Göttingen; 28. Juli<br />
in Duderstadt: Familienferienzentrum am Pferdeberg),<br />
Situationsanalyse durch einen Seniorenscout in den Innenstädten von<br />
Göttingen und Duderstadt<br />
schriftliche Befragung von Vermietern in Duderstadt<br />
schriftliche Befragung aller Pflegedienste in Stadt und Landkreis Göttingen<br />
Akteurinterviews zu spezifischen Gestaltungsfeldern der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Literaturrecherche/Internetrecherche<br />
Besuche von Fachkongressen in Bonn, Bremen, Hannover und Wolfsburg<br />
durch die Autoren der Studie.<br />
9 Zitat aus Seniorenrunde AWO Hann. Münden am 21. Mai 2006.<br />
17<br />
Einführung und<br />
Aufgabenstellung
analyse unD<br />
prognose<br />
Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung<br />
im Landkreis Göttingen<br />
(Quelle: NLS-Online,<br />
Berechnungen ifh Göttingen)<br />
3 demographIscher Wandel<br />
Die Bedeutung der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> für die Regionalentwicklung ergibt<br />
sich aus dem demographischen Wandel, der in Südniedersachsen bereits<br />
weit fortgeschritten ist und Anpassungsleistungen von Wirtschaft und<br />
Gesellschaft erfordert. Dass die Einschätzungen über die Auswirkungen<br />
des demographischen Wandels durchaus differieren, zeigte sich u. a. an<br />
einem Streitgespräch zwischen Herwig Birg und Albrecht Müller. 0<br />
Nach der aktuellen Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Landesamtes<br />
Niedersachsen wird die Einwohnerzahl im Landkreis Göttingen<br />
von heute gut .000 auf knapp .000 im Jahr 0 0 zurückgehen. Das<br />
entspricht einem Minus von , Prozent.<br />
Insgesamt am davon im Alter von … bis … Jahren<br />
Jahresende 0 - 14 15 - 29 30 - 49 50 - 64 65 und älter<br />
00 264.285 14,2% 20,5% 31,6% 17,0% 16,7%<br />
0 0 260.478 12,8% 21,7% 29,3% 18,2% 18,1%<br />
0 0 252.668 12,4% 19,4% 26,4% 23,0% 18,8%<br />
Damit einher geht eine deutliche Verschiebung im Altersaufbau. Grund<br />
hierfür sind hauptsächlich die niedrige Geburtenrate, die schon seit langem<br />
nicht mehr das für eine langfristige Bestandserhaltung notwendige Niveau<br />
erreicht, sowie eine kontinuierlich ansteigende Lebenserwartung.<br />
Angesichts der engen Verflechtungen innerhalb der Region Göttingen<br />
und der Tatsache, dass der demographische Wandel in den Landkreisen<br />
Northeim und Osterode am Harz besonders ausgeprägt ist, sind kurze Ausführungen<br />
über die Gesamtregion erforderlich. Die Einwohnerzahl dieser<br />
aus den Landkreisen Göttingen, Northeim und Osterode a. H. bestehenden<br />
Region wird nach der Prognose des Niedersächsischen Landesamtes für<br />
Statistik von 2004 bis 2020 um neun Prozent abnehmen. Dabei wird es<br />
zu erheblichen Verschiebungen der Bevölkerungsanteile zwischen den<br />
Teilräumen und zwischen den Altersgruppen kommen. Dies wirkt sich auf<br />
die Nachfrage nach Arbeitsplätzen, Wohnungen und Infrastruktur aus:<br />
Der Anteil der Personen im Alter von 45 und mehr Jahren steigt von 44,4<br />
Prozent auf 52,1 Prozent. Während bisher der größere Teil der Regionsbevölkerung<br />
unter 45 Jahre alt war, so wird im Jahre 2020 der größere<br />
Teil über 45 Jahre alt sein.<br />
10 FAZ vom 28. August 2006, S. 32 u. 33. Bis zu seiner Emeritierung 2004 lehrte Birg, der als Demograph<br />
weltweit bekannt ist, an der Universität Bielefeld. Er erregte mit seiner These Aufsehen, Deutschland<br />
steuere auf einen jahrzehntelangen Niedergang zu. Albrecht Müller, Leiter der Planungsabteilung im Kanzleramt<br />
unter Willy Brandt und Helmut Schmidt und Autor des Bestsellers „Die Reformlüge“ behauptet:<br />
Das Land kann die Herausforderung meistern.<br />
11 Vgl. Abbildung 2<br />
18
Der Anteil des Landkreises Göttingen an der Regionsbevölkerung steigt<br />
von 53,3 Prozent auf 56,0 Prozent. Damit findet eine weitere relative Konzentration<br />
der Einwohner im Untersuchungsraum statt.<br />
Die Alterung setzt sich aus unterschiedlichen Trends in den einzelnen<br />
Altersgruppen zusammen:<br />
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Die Zahl der Kinder (0–14 Jahre) geht in der Region um nahezu ein<br />
Viertel zurück. Dabei unterscheidet sich die Stadt Göttingen mit leichten<br />
Zuwachserwartungen deutlich vom umgebenden ländlichen Raum mit<br />
Rückgängen bis zu einem Drittel.<br />
Die Altersgruppe der Heranwachsenden (15–24 Jahre) nimmt in Stadt<br />
und Landkreis Göttingen um ca. 20 Prozent ab.<br />
Die Zahl der jüngeren Erwerbstätigen (25–34 Jahre) wird in Stadt und<br />
Landkreis Göttingen noch etwas ansteigen, in den Landkreisen Northeim<br />
und Osterode jedoch stärker sinken.<br />
Besonders gravierend wird sich die Altersgruppe der 35–44-Jährigen<br />
verkleinern um fast ein Viertel im Landkreis Göttingen (ohne Stadt), um<br />
gut ein Drittel in der Stadt Göttingen und sogar um nahezu die Hälfte<br />
in den Landkreisen Northeim und Osterode am Harz.<br />
Die Generation der 45–54-Jährigen geht in der Region um ca. sechs<br />
Prozent zurück, am stärksten in der Stadt Göttingen mit 15,5 Prozent.<br />
Im übrigen Landkreis Göttingen ist dagegen mit einem Zuwachs von<br />
5,5 Prozent zu rechnen.<br />
Im Mittel um ein Viertel anwachsen wird die Altersgruppe der älteren<br />
Erwerbsfähigen (55–64 Jahre). Der Zuwachs schwankt zwischen 5<br />
Prozent im Landkreis Osterode und 38 Prozent in der Stadt Göttingen<br />
bzw. 34 Prozent im Landkreis Göttingen (ohne Stadt).<br />
19<br />
Demographischer Wandel<br />
Abbildung 3: Verschiebung<br />
der Altersanteile in der Region<br />
Südniedersachsen
Abbildung 4: Bevölke-<br />
rungsentwicklung in der<br />
Region Göttingen 2004-<br />
2020 (Prozent)<br />
nach Alter und Kreisen<br />
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Die Zahl der jüngeren Senioren (65–74 Jahre) nimmt in der Region leicht<br />
ab (3,8 Prozent). Hierbei stehen einem leichten Zuwachs in der Stadt<br />
Göttingen (3,7 Prozent) geringe Verluste von 1,7 Prozent im Landkreis<br />
Göttingen (ohne Stadt) und etwas stärkere Verluste in den anderen<br />
Landkreisen gegenüber.<br />
Die Generation der Hochaltrigen (75 Jahre und älter) nimmt in der<br />
Region Göttingen um 14 Prozent zu – mit nur geringen Unterschieden<br />
in den einzelnen Kreisen.<br />
Zu deutlichen Unterschieden wird es in der regionalen Verteilung der<br />
Alterskohorten kommen. Dies wird beim Vergleich der Landkreise nach<br />
ihren siedlungsstrukturellen Merkmalen deutlich. Der Landkreis Göttingen<br />
gilt aufgrund seiner höheren Einwohnerdichte als „verdichteter Kreis“, die<br />
Landkreise Northeim und Osterode am Harz als “ländliche Kreise“. Während<br />
im “verdichteten“ Landkreis Göttingen im Jahre 2020 die Jüngeren<br />
(unter 45-Jährige) noch die Mehrzahl bilden (52,4 Prozent), wird in den<br />
„ländlichen“ Kreisen Northeim und Osterode a. H. diese Alterskohorte<br />
zur Minderheit (42,1 Prozent). Umgekehrt wird sich der Anteil der Älteren<br />
(über 45-Jährige) verhalten: im Landkreis Göttingen 2020 der kleinere, in<br />
den Nachbarkreisen der größere Teil. Trotz dieses Trends wird im Prognosezeitraum<br />
der verdichtete Kreis in Zukunft den größeren Teil der Älteren<br />
(51,1 Prozent ) übernehmen. Das liegt an den Änderungsraten für die ältere<br />
Generation, die im Landkreis Göttingen mit 11,4 Prozent deutlich höher<br />
ausfällt als in den Landkreisen Northeim und Osterode (2,2 Prozent).<br />
12 Vgl. Abbildung 5<br />
13 Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2002): “Aktuelle Daten zur Entwicklung der Städte,<br />
Kreise und Gemeinden“<br />
20
Alterskohorten Verdichteter Kreis Ländliche Kreise Region Göttingen<br />
(Landkreis Göttingen) (Landkreis Northeim und<br />
Landkreis Osterode am<br />
Harz)<br />
2004 2020 2004 2020 2004 2020<br />
Unter 45 Anzahl 156.383 132.445 119.326 83.779 275.709 216.224<br />
Alters-Anteil 59,2 52,4 51,5 42,1 55,6 47,9<br />
Reg.-Anteil 56,7 61,3 43,3 38,7 100,0 100,0<br />
Veränd. -15,3 -29,8 -21,6<br />
Über 45 Anzahl 107.902 120.223 112.500 115.018 220.402 235.241<br />
Alters-Anteil 40,8 47,6 48,5 57,9 44,4 52,1<br />
Reg.-Anteil 49,0 51,1 51,0 48,9 100,0 100,0<br />
Veränd. 11,4 2,2 6,7<br />
Zusammen Anzahl 264.285 252.668 231.826 198.797 496.111 451.465<br />
Alters-Anteil 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0<br />
Reg.-Anteil 53,3 56,0 46,7 44,0 100,0 100,0<br />
Veränd. -4,4 -14,2 -9,0<br />
Interessant ist auch eine Darstellung der Entwicklung der Zahl der Menschen<br />
bis 50 Jahre und über 50 Jahre. Aus der folgenden Abbildung wird<br />
ersichtlich, dass die jüngeren Altersgruppen bis 50 Jahre bis zum Jahr 2020<br />
im Landkreis Göttingen anteilsmäßig abnehmen, während die Altersgruppen<br />
ab 50 Jahre deutliche Zuwächse erfahren. Besonders auffällig ist der<br />
relativ starke Rückgang bei den 30- bis 49-Jährigen in diesem Zeitraum (von<br />
31,6 Prozent auf 26,4 Prozent) und umgekehrt die starke Zunahme bei den<br />
50- bis 64-Jährigen um 6 Prozentpunkte (von 17 Prozent auf 23 Prozent).<br />
Die altersmäßige Zusammensetzung der Erwerbspersonen entwickelt<br />
sich noch ausgeprägter als die der Bevölkerung. Unter Berücksichtigung<br />
der derzeitigen altersspezifischen Erwerbsquoten lässt sich eine<br />
Projektion des künftigen Altersaufbaus des Erwerbspersonenpotenzials<br />
ableiten (vgl. Abbildung 7). Legt man die Personen im Alter von 15 bis<br />
64 Jahren als beschäftigungsrelevant zugrunde, so zeigt sich, dass der<br />
demographische Wandel deutliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt<br />
in der Region haben wird.<br />
14 In der Projektion des Erwerbspersonenpotenzials sind gleichbleibende altersspezifische Erwerbsquoten<br />
bis zum Jahr 2020 unterstellt.<br />
21<br />
Demographischer Wandel<br />
Abbildung 5: Entwicklung der<br />
Alterskohorten nach Raumtypen<br />
(Quelle: NLS-Online)<br />
Abbildung 6: Entwicklung des Altersaufbaus<br />
der Bevölkerung im Landkreis<br />
Göttingen NLS-Online;<br />
Berechnungen ifh Göttingen
Abbildung 7: Prognose des<br />
Erwerbspersonenpotenzials<br />
im Landkreis Göttingen<br />
Quelle: NLS; Berechnungen<br />
Cassing<br />
sItuatIon auf Dem<br />
arbeItsmarkt<br />
Altersgruppe<br />
2004 2020<br />
Anzahl Anteil Anzahl Anteil Veränderung<br />
15 - 34 47070 36,1% 45589 37,8% 1,6%<br />
35 - 54 69825 53,6% 56985 47,2% -6,4%<br />
55 - 64 13345 10,2% 18083 15,0% 4,7%<br />
gesamt 130240 100,0% 120657 100,0%<br />
Zum einen fällt der zahlenmäßige Rückgang bei den Erwerbspersonen<br />
bis 2020 mit 7,4 Prozent erheblich höher aus als der allgemeine Bevölkerungsrückgang<br />
im Landkreis Göttingen. Damit stehen der Wirtschaft insgesamt<br />
weniger Arbeits- bzw. Nachwuchskräfte zur Verfügung, wodurch<br />
der Wettbewerb der Unternehmen um qualifizierte Facharbeitskräfte<br />
zunehmen wird. Dadurch wächst die Gefahr, dass es in Teilbereichen der<br />
Wirtschaft zu einem Fachkräftemangel und in der Folge zu Produktionsengpässen<br />
kommt.<br />
Zum anderen ergeben sich bis 2020 Verschiebungen in der altersmäßigen<br />
Zusammensetzung des Erwerbspersonenpotenzials im Landkreis Göttingen.<br />
Der Anteil der mittleren Altersgruppe bei den Erwerbspersonen<br />
sinkt von 53,6 Prozent auf 47,2 Prozent, während die älteren Erwerbspersonen<br />
ab 55 Jahre anteilsmäßig drastisch zulegen (von 10,2 Prozent auf<br />
15 Prozent).<br />
In der Fachdiskussion über die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Stadt<br />
und Landkreis Göttingen und in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt<br />
ist eine deutliche Segmentierung zu beobachten. Das Projekt „50plus<br />
– Erfahrung zählt“ macht deutlich, dass neben Frauen, Ostdeutschen,<br />
Langzeitarbeitslosen und MigrantInnen auch die über 50-Jährigen eine<br />
Zielgruppe sind, deren Zugangsmöglichkeit auf den ersten Arbeitsmarkt<br />
durch staatliche Förderung unterstützt werden soll. Diese Förderpolitik<br />
wird von einigen Arbeitsmarktexperten kritisiert. Für immer kleinere<br />
Gruppen würden immer speziellere Instrumente definiert.<br />
Kritiker argumentieren damit, dass durch den Abbau von Kündigungsschutzes<br />
und Alterszuschlägen in Tarifverträgen eine nachhaltigere<br />
Wirkung entfaltet werden könnte. Durch die Einführung Intelligenterer<br />
Zeitkonten sowie altersgerechte Arbeitsplätze, Betriebsabläufe und Entlohnungsbedingungen<br />
könnten auch die Tarifparteien für mehr Beschäftigung<br />
Älterer sorgen. Insgesamt müssten die Anreize abgebaut werden, Ältere<br />
aufs Abstellgleis zu schieben.<br />
15 Vgl. Abbildung 7<br />
16 Hiege, Karsten; Hesse, Wolf-Ekkehard (2006): “Regionalanalyse des Landkreises Göttingen“<br />
17 Fickinger, Nico: “Auf dem Abstellgleis“, FAZ vom 6. September 2006, S. 15<br />
22
In den vergangenen Jahren ist bei den Verantwortlichen in den Städten und<br />
Gemeinden eine Sensibilisierung für die Bedeutung des Themas demographischer<br />
Wandel eingetreten. Das wurde u. a. deutlich während eines<br />
Bürgermeistertreffens des Städte- und Gemeindebundes im Landkreis<br />
Göttingen Ende Juni 2006 in Duderstadt. Die Diskussionen bezogen sich<br />
auch auf die Beteiligung des <strong>Regionalverband</strong>es am Modellvorhaben der<br />
Raumordnung (MoRo) „Infrastruktur und demographischer Wandel“.<br />
Bei Kommunalbefragungen im Juni und Juli 2006 im Rahmen von “50plus<br />
– Erfahrung zählt!“ bezeichneten zehn der elf kreisangehörigen Gemeinden<br />
den demographischen Wandel als wichtiges Thema. So verwies der<br />
Flecken Bovenden darauf, dass bereits Anfang der 90er-Jahre Arbeitskreise<br />
zu den Bereichen Kultur und Freizeit von Senioren und Wohnen<br />
im Alter eingerichtet worden seien. Aus den damaligen Diskussionen<br />
entstand die Wohnanlage Korbhof, in der Betreutes Wohnen durch die<br />
AWO angeboten wird. Außerdem ist dort eine generationenübergreifende<br />
Begegnungsstätte angesiedelt. Die Bürgermeisterin führt den hohen<br />
Anteil an Senioren in ihrer Gemeinde auch auf diese Aktivitäten zurück.<br />
Durch die Nähe zu Göttingen und die Attraktivität der Wohngebiete ist es<br />
Bovenden in den vergangenen Jahren gelungen, aus anderen Regionen<br />
Senioren anzuwerben, die in der Nähe ihrer Kinder und Großkinder wohnen<br />
wollen. Der Flecken Bovenden verfolgt bei der Siedlungsentwicklung<br />
eine Doppelstrategie. Neben die Sanierung vorhandenen Wohnraums<br />
unter Berücksichtigung von Senioren- und Behinderteninteressen tritt die<br />
Ausweisung neuen Baulandes für jüngere Familien. Beispielsweise im<br />
Neubaugebiet Am Junkernberg soll auch das Mehr-Generationen-Wohnen<br />
ermöglicht werden. Inzwischen ist auch eine hochwertige Pflegeeinrichtung<br />
mit 78 Betten entstanden. Von der Volksheimstätte werden weitere<br />
48 Wohnungen “Am Teiche“ vermietet.<br />
Die Stadt Duderstadt verfolgt ein Konzept der Anpassung an den demographischen<br />
Wandel z. B. dadurch, dass sie das Bauen in den Ortskernen<br />
propagiert. Das gilt auch für die Ortsteile an der Peripherie. In den<br />
vergangenen Jahren wurden bereits zwei Kindergärten im Rahmen von<br />
Zusammenlegungen geschlossen.<br />
In Hann. Münden wurden Betreuungseinrichtungen erweitert. Von einem<br />
Gesamtkonzept zur Anpassung an den demographischen Wandel spricht<br />
die Verwaltungsleitung allerdings ebenso wenig wie die Samtgemeinde<br />
Dransfeld. In Dransfeld ist eine Fülle von Initiativen tätig, so z. B. das<br />
Internetcafé im Jugendheim. Dort findet seit 1993 jährlich in der Stadt-<br />
18 Dieses Thema wurde erstmals ausdrücklich während eines Workshops am 24. Oktober 2003 in<br />
Stadtoldendorf von den Hauptverwaltungsbeamten und weiteren Fachleuten aus den Verwaltungen<br />
erörtert. Die Veranstaltung im Landkreis Holzminden war ausgerichtet worden vom Niedersächsischen<br />
Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) sowie dem<br />
<strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen. Moderiert und vorbereitet wurde sie vom Institut für Entwicklungsplanung<br />
und Strukturforschung GmbH (ies) an der Universität Hannover.<br />
19 In Kooperation mit verschiedenen Partnern hat der <strong>Regionalverband</strong> im Anschluss an diese Veranstaltung<br />
das Thema weiterbearbeitet, so etwa im Rahmen der Modellprojekte in Gleichen, Hardegsen, Holzminden<br />
und Bad Sachsa/Walkenried. Eine im Rahmen des MoRo konzipierte Wanderausstellung wurde im Jahre<br />
2006 u. a. im Kreishaus Göttingen sowie in den Rathäusern in Adelebsen und in Ebergötzen gezeigt.<br />
Aktiv beteiligt hat sich der <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen auch an der Konzipierung der Bündnisse<br />
für Familie innerhalb des Landkreises Göttingen.<br />
23<br />
Demographischer Wandel<br />
anpassungsleIstungen<br />
Der<br />
kommunen
halle ein Seniorennachmittag statt, der von bis zu 400 Seniorinnen und<br />
Senioren besucht wird. Kleinere Veranstaltungen dieser Art gibt es z. B.<br />
auch in Niemetal.<br />
Der Flecken Adelebsen hat erkannt, dass er zu den ersten Gemeinden<br />
im Landkreis gehört, in denen schon jetzt ein deutlicher Bevölkerungsrückgang<br />
erfolgt. Die Bürgermeisterin setzt auf die Anwerbung jüngerer<br />
Familien und verweist auf die Bedeutung der im Juli 2005 erfolgten<br />
Ausstellung „Demographischer Wandel“ des <strong>Regionalverband</strong>es. Sie sei<br />
maßgeblich gewesen bei der Gründung des Adelebser Bündnisses für<br />
Familie. Ausgehend vom Bündnis für Familie und in Zusammenarbeit mit<br />
der Gemeindeverwaltung und dem Diakonischen Pflegedienst wurde<br />
im Frühjahr 2006 ein Antrag auf ein Mehrgenerationenhaus beim Land<br />
gestellt. Seit Anfang 2006 finden regelmäßige Eltern-Kind- und Vater-Kind-<br />
Treffen statt, zu denen auch Bewohnerinnen des betreuten Wohnens des<br />
Alma-Luisen-Stifts eingeladen werden. Darüber hinaus gibt es Projekte<br />
der Begegnung zwischen der Albert-Schweitzer-Schule und den Kindergärten<br />
des Ortes.<br />
Die Gemeinde Gleichen setzt nach einem Ratsbeschluss und der Vorbereitung<br />
im Rahmen des Modellvorhabens der Raumordnung des <strong>Regionalverband</strong>es<br />
ein auf mehrere Jahre angelegtes Anpassungskonzept zum Betrieb<br />
der Kindergärten um. Vergleichbare Maßnahmen sollen in den nächsten<br />
Jahren auch für die Grundschulen erfolgen. Ein aus Lehrern, Politikern und<br />
Fachleuten gebildeter Arbeitskreis soll Kriterien für die vermutlich erforderliche<br />
Schließung von zwei Grundschulen im Gemeindegebiet erarbeiten.<br />
Dabei soll auch der Aspekt der Vermarktung bzw. Umnutzung bisheriger<br />
Grundschulgebäude berücksichtigt werden. Zu den konkreten Ergebnissen<br />
des Mitte 2005 gegründeten Bündnisses für Familie zählt die Einrichtung<br />
eines Linientaxis, dessen Betrieb u. a. mit Arztpraxen abgestimmt wurde.<br />
Außerdem erfolgte eine altersübergreifende Kinderbetreuung. In Gleichen<br />
hat sich ein Seniorentanz etabliert, der vom DRK organisiert wird.<br />
Auch die Gemeinde Friedland sieht sich vor gravierenden Veränderungen<br />
in der Grundschulstruktur und will das Angebot von Ganztagsschulen prüfen.<br />
Bei den politisch Verantwortlichen hat das Thema demographischer<br />
Wandel nach Einschätzung des Bürgermeisters eine hohe Bedeutung<br />
erlangt, allerdings meint er, dass es noch nicht Thema von „Geburtstagsrunden“<br />
sei. Die Gemeinde organisiert regelmäßig Erzählcafés, die von<br />
der Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinde moderiert werden und zu<br />
denen jeweils 20 bis 50 Personen kommen. Mit Gemeindeunterstützung<br />
finden z. B. über den Kulturring Chorabende statt. Ausgerichtet wurden<br />
zudem Veranstaltungen zu den Themen „Erben und Vererben“, Demenz<br />
und Patientenverfügungen. In Gieboldehausen unterstützt die Samtgemeindeverwaltung<br />
einen Mittagstisch, der sich zweimal im Monat speziell<br />
an Senioren richtet.<br />
24
Eher zurückhaltend äußert sich auch der Bürgermeister der Gemeinde<br />
Rosdorf. Der demographische Wandel als wichtiges Thema sei von den<br />
Politikern erkannt worden, es sei allerdings bei vielen BürgerInnen noch<br />
nicht recht angekommen. Die Gründung des lokalen Bündnisses für Familie<br />
wird in Rosdorf als Ansatz gesehen, BürgerInnen aktiv zum Thema<br />
demographischer Wandel einzubinden. Lediglich die Verwaltungsspitze<br />
der Samtgemeinde Gieboldehausen erklärt, der demographische Wandel<br />
sei für die Samtgemeinde noch kein spezifisches Thema, das gelte auch<br />
für den Rat.<br />
Mehrere Gemeinden, so der Flecken Bovenden, die Samtgemeinde Dransfeld<br />
und Radolfshausen sowie die Gemeinde Rosdorf und Friedland haben<br />
beim Geografischen Institut der Universität Göttingen gemeindebezogene<br />
Bevölkerungsprognosen in Auftrag gegeben.<br />
25<br />
Demographischer Wandel
altersbIlDer unD<br />
altersbegrIffe<br />
4 senIorInnen In der<br />
gesellschaft<br />
Keine Seniorengeneration konnte im Leben so viel erleben wie die heutige.<br />
Viele alte Menschen sind aktiv und unternehmungslustig, sie gestalten<br />
ihr Leben ereignisreich. Wissenschaft, Medizin und Technik erlauben es,<br />
körperliche Fitness, Potenz, Wissen und Selbstbewusstsein bis weit ins<br />
hohe Alter zu erhalten. Die heutigen Senioren wollen möglichst lange ihre<br />
Gesundheit und Vitalität bewahren, ihre Selbstständigkeit erhalten, aktiv<br />
am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, lust- und leistungsfähig bleiben,<br />
aktiv und passiv genießen, auch im Alter mit Zukunftsperspektiven leben<br />
und ihre mögliche Pflegebedürftigkeit unter humanen Bedingungen erleben.<br />
Ein Indiz für die immer jünger werdenden Senioren ist der Wandel in den<br />
Wertvorstellungen: Traditionelle Werte wie Sparsamkeit, Bescheidenheit<br />
und Genügsamkeit verlieren bei den „nachwachsenden“ Senioren an Bedeutung,<br />
und Werte wie Toleranz, Aufgeschlossenheit und Unabhängigkeit<br />
werden wichtiger. Viele Menschen, die aus dem Berufsleben ausscheiden,<br />
wollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben.<br />
Diese wachsenden Potenziale der Älteren können nach Einschätzung von<br />
Prof. Dr. Clemens Geißler von der Deutschen Gesellschaft zur Förderung<br />
der Forschung im Alter als Triebkräfte der gesellschaftlichen Entwicklung<br />
gesehen werden. Dabei bezieht sich Geißler hauptsächlich auf die Gruppe<br />
der SeniorInnen in der nachberuflichen Phase. Die schlummernden Potenziale<br />
der Senioren dürften nicht unbeachtet bleiben. Vielmehr wohne<br />
dem demographischen Wandel eine Chance inne. Statt die älteren Menschen<br />
als Objekte zu behandeln, müsse man sie als für die Gesellschaft<br />
verantwortlich handelnde Subjekte in den Blick rücken. Neben einem<br />
reichen Schatz an Erfahrungswissen verfüge die Gruppe der Senioren<br />
über ein hohes marktbezogenes Nachfragepotenzial. „Dem Wandel der<br />
Altersstruktur entsprechend nimmt die Bedeutung der Älteren als (regionale)<br />
Nachfragemacht zu.“ Die Nachfrage nach Gütern und insbesondere<br />
nach Dienstleistungen habe erhebliche positive Auslastungs- und<br />
Arbeitsmarkteffekte. „Regional- und Stadtmarketing, das diese Effekte<br />
nicht gebührend beachtet, ist in Gefahr, ähnliche Fehler zu machen wie die<br />
Werbewirtschaft, die, auf Jüngere fixiert (‘Jugendwahn’), vor den Älteren<br />
und dem Alter eher ‘Angst’ zu haben scheint.“<br />
Altern ist als ein kontinuierlicher Prozess in der Entwicklung des Menschen<br />
zu verstehen. Er findet in jeder Lebensphase statt: durch Veränderung<br />
der physiologisch-biologischen Gegebenheiten, der Werthaltungen und<br />
Einstellungen sich selbst und der Umwelt gegenüber sowie durch die<br />
äußerliche Stellung des Einzelnen in seinem Lebensraum. Die einzelnen<br />
Phasen dieser Entwicklung werden durch Faktoren wie durch gesundheitliche<br />
Einbußen beeinflusst.<br />
1 Geißler, Clemens (2003): “Für einen Perspektivenwechsel: Die Potenziale des Alters als Triebkräfte<br />
gesellschaftlicher Entwicklung“. In: Raumforschung und Raumordnung. Heft 5/2003, 61. Jahrgang, S.<br />
395–403<br />
2 Ebd., S. 398<br />
3 Ebd., S. 398<br />
26
Aufgrund der uneinheitlichen Entwicklung lassen sich nur schwer eindeutige<br />
Altersbegriffe bzw. Altersbilder formulieren. Bei der Beschreibung von<br />
Alterungsprozessen schwingt unbewusst oder bewusst eine normative<br />
Altersgrenze mit. Der individuelle Lebenslauf wird häufig in Lebensphasen<br />
unterteilt, die einen Höhepunkt und eine Abnahme oder einen Abbau beinhalten.<br />
Die Bewertung dieser Vorgänge manifestiert sich in den Altersbegriffen<br />
und -bildern. Diese unterliegen einem deutlichen gesellschaftlichen<br />
Wandel. Insbesondere in den letzten 30 Jahren haben sich tradierte<br />
Altersbilder und dadurch auch die Altersbegriffe stark verändert.<br />
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird als Senior bezeichnet, wer die<br />
“Altersgrenze“ erreicht und seine Berufstätigkeit beendet hat. Als das<br />
Deutsche Reich unter Bismarck am Ende des 19. Jahrhunderts die Altersversorgung<br />
einrichtete, wurde die Altersgrenze auf 70 Jahre festgelegt.<br />
Das entsprechende Altersbild eines zufriedenstellenden Lebensabends<br />
bestand darin, von den Nachkommen versorgt und gepflegt zu werden,<br />
nicht mehr arbeiten zu müssen, passiv, als Zuschauer, in den Genuss von<br />
sozialen Aktivitäten zu gelangen.<br />
Dieses Altersbild hat sich heute radikal geändert. Während der Bearbeitung<br />
der Studie traten in Hannover die Rolling Stones mit dem 63-jährigen<br />
Leadsänger Mick Jagger auf, am selben Tag war eine 53-jährige Ärztin<br />
aus Nikolausberg über 5000 Meter schnellste Frau beim Altstadtlauf in<br />
Göttingen. Mit sieben Weltmeister- und sechs Europameistertiteln scheut<br />
ein 63-jähriger Sportdozent der Universität Göttingen keine sportliche<br />
Konkurrenz von Studenten, die 40 Jahre jünger sind als er.<br />
Für viele ältere Menschen ist der Seniorenbegriff also nicht mehr passend.<br />
Die Gesprächsrunden im Landkreis Göttingen bestätigten dies: Eine ca.<br />
60 Jahre alte Frau erlebte es als stigmatisierend, als Seniorin bezeichnet<br />
zu werden. Sie würde gerne als Jungseniorin angesprochen werden. Hier<br />
müsse ein Umdenken stattfinden. In einem anderen Gespräch wurde<br />
betont, dass das Wort “alt“ in unserer Gesellschaft immer noch negativ<br />
besetzt sei. Der Begriff „junge Menschen“ sei gesetzlich definiert, nicht<br />
aber der Begriff „Senior“. „Es wird immer nur von Alten gesprochen oder<br />
von Grufties. Da kommt man gar nicht gegen an. Eigentlich müssten wir<br />
die Jüngeren öfter zur Rede stellen und etwas gegen die Diskriminierung<br />
tun. Der Jugendwahn ist doch eigentlich ungebrochen.“<br />
Aufgrund verschiedener Formen von Vorruhestandsregelungen, Frühverrentung<br />
und Altersteilzeit beenden heute viele Menschen ihre Berufstätigkeit<br />
mit 55 oder 58 Jahren. Statistisch haben sie dann noch etwa ein<br />
Drittel ihres Lebens vor sich. Durch die Verlängerung des Ruhestandes,<br />
4 Damals erreichten nur zwei Prozent der Bevölkerung dieses Lebensalter. Die durchschnittliche<br />
Lebenserwartung betrug 45 Jahre. Die Altersgrenze wurde erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg auf 65<br />
Jahre reduziert.<br />
5 Ob dies von den Betroffenen auch so zufriedenstellend erlebt wurde (und wird), sei dahingestellt.<br />
6 Gesprächsrunde am 30. Juni 2006 mit dem Seniorenbeirat Dransfeld<br />
7 In Schweden gibt es speziell für den Bereich der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> im direkten Vergleich zu deutschen<br />
Verhältnissen einige Unterschiede. Als Erstes fällt auf, dass Ältere und Altern in der sehr egalitären<br />
schwedischen Gesellschaft weniger negativ belegt sind. Durch die “schwedische Reichsorganisation<br />
der Rentner“ (Pensionärernas Riksorganisation, PRO) verfügen die Senioren über eine starke Lobby und<br />
einen mit einer Gewerkschaft vergleichbaren Einfluss.<br />
8 Gesprächsrunde am 1. Juni 2006 in Rosdorf<br />
27<br />
SeniorInnen in der<br />
Gesellschaft
eine Erhöhung der durchschnittlichen Lebensdauer und die besseren Aktivitätsressourcen<br />
hat sich aus einer ehemals passiv durchlebten “Restzeit“<br />
eine eigenständige Lebensphase entwickelt.<br />
Anfang September 2006 beschäftigte sich eine Tagung der Evangelischen<br />
Akademie Hofgeismar mit der „Kunst des Alterns“. Der Wiener Soziologe<br />
Professor Dr. Anton Amann forderte einen sachgemäßen Diskurs über<br />
das Altern. Die gegenwärtige Diskussion verlaufe „verquer“, so seine<br />
These. Auf der einen Seite werde das Alter hochgejubelt und behauptet,<br />
die Alten verfügten über große Kaufkraft und könnten neue Lebensstile<br />
verwirklichen, auf der anderen Seite würden die Alten als Bürde und Last<br />
bezeichnet, für die Gesellschaft, für den Staat und für sich selbst. Die<br />
Tagung selbst befasste sich intensiv mit der Frage, wie Ältere für ehrenamtliche<br />
Tätigkeit gewonnen werden können.<br />
Die Studie von PriceWaterhouse Cooper (PWC) differenziert diese These<br />
und weist darauf hin, dass in der bisherigen Unternehmenspraxis häufig<br />
Umsetzungsfehler bei der Ansprache Älterer auftreten, wie z. B. der<br />
„Seniorenteller-Effekt“ (Unterschätzung) oder der „Silver-Surfer-Effekt“<br />
(Überschätzung der Zielgruppe).<br />
Nicht nur WissenschaftlerInnen bemühen sich um eine Beschreibung<br />
dieser neuen Lebensphase, 0 auch im Marketing wird in den letzten Jahren<br />
verstärkt diese neue Zielgruppe in den Blick genommen. Die neue Konsumentengruppe<br />
wird mit den unterschiedlichen Begriffen umschrieben:<br />
die „Jungen-Alten“, die „Jungsenioren“, „Best Age 50plus“, „Silvergeneration“,<br />
„Silversurfer“, „Silver Consumer“, „Golden Oldies“, „Generation<br />
Gold“, „Best Ager“, „Master Consumer“, „Woopies“ oder gar „Selpies“<br />
– um nur einige Beschreibungsversuche zu nennen. Die Vielfalt dieser<br />
phantasievollen Begriffsschöpfungen symbolisiert die Unsicherheit der<br />
Anbieter gegenüber den Nachfragergruppen.<br />
Da es keine überzeugende Alternative gibt und der Seniorenbegriff durchaus<br />
auch mit Respekt und Anerkennung geprägt ist, wird vorgeschlagen,<br />
diese Bezeichnung konsequent und selbstbewusst zu benutzen und auf<br />
verschämte Umschreibungen zu verzichten.<br />
In der mehrere Jahrzehnte umfassenden Altersspanne des Seniorenlebens<br />
sind unterschiedliche Generationen mit unterschiedlichem zeitgeschichtlichen<br />
Hintergrund, Sozialisationen, Konsum- und Technikerfahrungen<br />
vertreten. Dieser Trend der Differenzierung der Altersgruppe geht mit einer<br />
Differenzierung der Lebensstile einher: Die jetzigen Alten zeichnen sich<br />
durch unterschiedliche Lebensstile auch innerhalb der Generation aus, die<br />
sich zukünftig noch weiter ausdifferenzieren werden. Von der Gruppe der<br />
Senioren zu sprechen ist daher unangemessen, es ist eine sehr heterogen<br />
zusammengesetzte Gruppe, die sich mindestens so stark untergliedern<br />
lässt, wie es von der Jugendkultur her bekannt ist.<br />
9 PWC-Studie: “Generation 55+, Chancen für Handel und Konsumgüterindustrie“, S. 19<br />
10 Die Gerontologie beschäftigt sich als Wissenschaft vom Altern u. a. mit dem Altersbegriff und der<br />
Definition von Altersstilen. Derzeit werden 150 bis 180 Altersstile identifiziert.<br />
11 Abkürzung für “well-off old people“, für gut situierte alte Menschen<br />
12 Kurzform von “second life people“, für Menschen im zweiten Lebensalter<br />
28
Auftragsgemäß befasste sich die Studie mit den Altersgruppen der über<br />
50-Jährigen. Diese Zielgruppendefinition impliziert eine Reihe von Fragestellungen.<br />
Ob wirtschafts- oder beschäftigungspolitische Maßnahmen<br />
auf Zielgruppen ausgerichtet werden sollten, die nach dem Alter definiert<br />
werden, ist ebenso zweifelhaft wie die Frage, ob sich die Vermittelbarkeit<br />
eines 55-Jährigen gravierend von der einer 49-Jährigen unterscheidet und<br />
ob nicht vielmehr die Frage nach der Qualifikation bzw. der Dauer der<br />
Arbeitslosigkeit relevanter als das Geburtsdatum ist. Nicht das Alter ist<br />
also bestimmender Faktor für die Lebensperspektive, sondern Aspekte<br />
wie Integration, Mobilität, körperliche und geistige Fitness. Mithilfe einer<br />
Clusteranalyse des Frankfurter Marktforschungsinstituts T.E.A.M. wurden<br />
auf Basis von 200 ausführlichen explorativen Interviews mit 50- bis<br />
90-jährigen Verbrauchern sechs verschiedene Seniorentypen identifiziert,<br />
die sich in ihren Einstellungen und in ihrem Konsumverhalten voneinander<br />
unterscheiden.<br />
Die anspruchsvollen Konsumfreudigen (Typ 1) kommen unter den Senioren<br />
mit am häufigsten vor: Sie haben Spaß am Aussuchen und Einkaufen und<br />
geben auch entsprechend Geld aus. Sie sind finanziell gut situiert und<br />
haben hohe Qualitätsansprüche.<br />
Die wertkonservativen Genießer (Typ 2) sind traditionsverbundene Senioren,<br />
die nach einem langen Arbeitsleben endlich ihren Alltag genießen<br />
wollen. Beim Einkauf und Konsum legen sie auch Wert auf Qualität; sind<br />
aber grundsätzlich eher sparsam und der Ansicht, dass preiswerte Produkte<br />
heute meist genau so gut sind wie teure.<br />
Die ausgabebereiten Innovatoren (Typ 3) lieben die Abwechslung, sind<br />
Neuem gegenüber aufgeschlossen und probieren gern neue Produkte<br />
aus. Auch sie legen großen Wert auf Qualität; sie geben dafür lieber<br />
etwas mehr Geld aus.<br />
13 Team für effiziente angewandte Marktpsychologie (2004): “Die unterschätzte Generation“. Frankfurt<br />
29<br />
SeniorInnen in der<br />
Gesellschaft<br />
Abbildung 8: Senio-<br />
rentypen bei den über<br />
50-Jährigen
Die sparsamen Zurückgezogenen (Typ 4) entsprechen am ehesten dem<br />
traditionellen Vorstellungsbild alternder Senioren, sind inzwischen aber<br />
die kleinste Personengruppe. Sie stehen Neuem eher ablehnend gegenüber,<br />
sind grundsätzlich sehr sparsam und kaufen generell preiswerte<br />
Produkte.<br />
Die risikoscheuen Traditionalisten (Typ 5) sind die konservativsten unter<br />
den Senioren. Sie sind sehr sicherheitsbewusst, kaufen lieber altbewährte<br />
Produkte und sind dabei sehr markentreu.<br />
Die erlebnishungrigen Aktiven (Typ 6) sind sehr unternehmungslustig,<br />
fühlen sich jung und fit und lieben die Abwechslung. Beim Einkauf sind sie<br />
aber sehr wählerisch und achten auf ein angemessenes Preis-Leistungs-<br />
Verhältnis.<br />
Diese Seniorentypen verdeutlichen, dass die Generation der heute über<br />
50-Jährigen, also der zukünftigen Seniorengeneration, differenziert betrachtet<br />
werden muss. Diese Erkenntnis, dass es sich hierbei um eine<br />
attraktive Zielgruppe handelt, setzt sich gerade unter Marketingfachleuten<br />
immer mehr durch. Die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen bestimmt das<br />
Konsumverhalten. Besonders die Typen 1, 3 und 6 sind für das Seniorenmarketing<br />
interessant. Sie machen zusammen 55 Prozent aus.<br />
Diese Vielschichtigkeit in den verwandten Begriffen zeigt, dass sich ein<br />
durchgehender gesellschaftlicher Konsens nicht herstellen lässt. Erst<br />
recht finden sich alle der so gruppierten Personen nicht komplett in den<br />
Begriffen wieder. Wer Impulse für die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> benennen will,<br />
kann aber auf eine Definition von Begriffen nicht verzichten. Die Autoren<br />
der Studie unterscheiden bei den über 50-Jährigen zwischen den Produzenten<br />
sowie den Konsumenten von Produkten und Dienstleistungen.<br />
Zu der letztgenannten Kategorie gehören auch die über 50-Jährigen in<br />
ihren verschiedenen Funktionen innerhalb der Gesellschaft. Auf dem<br />
Arbeitsmarkt sind die über 50-Jährigen Zielgruppen mit besonderen<br />
altersspezifischen Risiken. Im Bereich des Konsums unterscheiden die<br />
Autoren folgende Zielgruppen:<br />
Die “Jungsenioren“ (etwa 60–70 Jahre) sind körperlich und geistig aktiv.<br />
Das Teilnahmebedürfnis ist groß, wichtig sind für sie v. a. Freizeit- und Bildungsangebote,<br />
soziale Kontakte und bürgerschaftliches Engagement.<br />
“Senioren“ (etwa 70–80 Jahre) können im Allgemeinen selbstständig<br />
ihren Lebensalltag bewältigen, jedoch aufgrund teilweise reduzierter<br />
körperlicher Leistungsfähigkeit weniger aktiv auftreten und sind u. U. mit<br />
längeren Krankheitsphasen konfrontiert. Die Pflegefallwahrscheinlichkeit<br />
liegt allerdings noch unter fünf Prozent.<br />
In der Gruppe der “Hochbetagten“ (über 80 Jahre) sinkt die Beteiligung am<br />
gesellschaftlichem Leben, die Pflegefallwahrscheinlichkeit steigt leicht an.<br />
Gerade bei Älteren, deren Ehepartner gestorben sind, nimmt das Problem<br />
der Vereinsamung zu. In dieser Altersgruppe gewinnt die Pflegeeignung<br />
30
der Wohnung im Zusammenhang mit aufsuchender Betreuung an Bedeutung,<br />
ebenso die ambulante und die stationäre Pflege. Jedoch sind auch<br />
unter den Hochbetagten 80 Prozent nicht pflegebedürftig.<br />
Inzwischen befassen sich auch Messeveranstalter gezielt mit den<br />
Bedürfnissen von SeniorInnen. So richten Euroforum The Conference<br />
Company und „seniorenmarkt.de“ am 15. und 16. November 2006 den<br />
„Zukunftsmarkt 70plus“ aus. Dargestellt werden gute Praxisbeispiele aus<br />
verschiedenen Branchen wie Finanzdienstleistungen, Handels- und Produktkonzepte,<br />
Verpflegungs- und Managementkonzepte für SeniorInnen<br />
und Wohnformen.<br />
Exkurs: Soziodemographische Einteilung der Zielgruppen<br />
In der Literatur herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Zielgruppendefinition<br />
allein über das Alter nicht ausreicht und dass das biologische<br />
Alter des Menschen wenig über individuelle Präferenzen aussagt. In<br />
Ergänzung zu den angesprochenen Differenzierungsversuchen stellt das<br />
vom Heidelberger Sinus-Institut entwickelte Modell des Sinus-Milieus eine<br />
recht exakte Konsumprofilierung dar. Nach der Definition des Instituts fassen<br />
soziale Milieus Menschen zusammen, die sich in Lebensauffassung<br />
und Lebensweise ähneln, die also so etwas wie subkulturelle Einheiten<br />
innerhalb der Gesellschaft bilden. Es erfolgt eine Einteilung nach Werteorientierungen<br />
und Lebenszielen, nach Einstellung zu Arbeit, Freizeit<br />
und Konsum, zu Familie und Partnerschaft, nach Zukunftsperspektiven,<br />
politischen Grundüberzeugungen und Lebensstilen. Die Abgrenzungen<br />
markieren keine scharfen Grenzen, vielmehr gibt es fließende Übergänge,<br />
Zwischenformen und Überschneidungen.<br />
14 Steffens et al. (2004), S. 9<br />
15 http://www.euroforum.de/p1100528<br />
31<br />
SeniorInnen in der<br />
Gesellschaft<br />
Abbildung 9: Idee der Seni-<br />
orenwirtschaft (Geumann/<br />
<strong>Regionalverband</strong>)
Abbildung 10: Sinus-Milieus<br />
Quelle: Grey Global Group<br />
armut Im alter<br />
Die oben genannte Darstellung hat die Grey Global Group in einer weitergehenden<br />
Studie auf die über 50-Jährigen bezogen. Danach sind in<br />
der Sinus A23 Gruppe („Traditionsverwurzelte“) 87 Prozent über 50 Jahre<br />
alt. Bei den „Modern Performers“ sind dagegen nur knapp neun Prozent<br />
über 50 Jahre.<br />
Diese differenzierte Darstellung wird im Folgenden nicht weiter genutzt.<br />
Bei der Analyse der möglichen Beschäftigungseffekte der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
spielt sie nur eine untergeordnete Rolle. Sie wurde dennoch<br />
erwähnt, weil sie ein wichtiges Instrument im Marketing ist und bei der<br />
Entwicklung neuer Produkte und Entwicklungen relevant sein kann.<br />
Obwohl es sich bei der derzeitigen Seniorengeneration um die reichste<br />
handeln dürfte, die es je gegeben hat, gibt es auch in Deutschland zahlreiche<br />
Ältere, die als arm zu bezeichnen sind. Es besteht die Gefahr, dass<br />
deren Zahl künftig steigen wird und die Schere zwischen Arm und Reich<br />
weiter auseinandergeht. Wer sich mit <strong>Seniorenwirtschaft</strong> befasst, kann<br />
diesen Aspekt nicht ignorieren.<br />
Nach einer Definition der Europäischen Union ist arm, wem weniger als 60<br />
Prozent des Durchschnittseinkommens pro Monat zur Verfügung steht. In<br />
Deutschland liegt diese Grenze nach dem aktuellen Armutsbericht bei 938<br />
Euro. Auch für den Begriff des Existenzminimums gibt es unterschiedliche<br />
Einschätzungen. Berechnungen des Arbeitslosengeldes II orientieren sich<br />
an dem soziokulturellen Existenzminimum. Es liegt für Alleinstehende<br />
bei 7.356 Euro jährlich. Deutlich höher liegt mit knapp 1.000 Euro das<br />
pfändungsfreie Existenzminimum.<br />
16 Michael, Grey (2003): Berechnung Grey Strategic Planning.<br />
32
Nach dem SGB XII haben Personen ab dem 65. Lebensjahr Anspruch auf<br />
Grundsicherung, wenn der Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln<br />
bestritten werden kann. Nicht alle Anspruchsberechtigten kennen diese<br />
Rechtslage. Andererseits gibt es viele, die ihre Rechte zwar kennen, sie<br />
aber nicht wahrnehmen, weil sie sich scheuen, der Allgemeinheit zur<br />
Last zu fallen.<br />
Während bislang viele NeurentnerInnen und Pensionäre über eine<br />
durchgängige Erwerbsbiographie verfügen, haben viele der künftigen<br />
Renten- und Pensionsbezieher geringere Ansprüche z. B. gegenüber<br />
den Rentenkassen. Vielfach wird nicht mehr durchgängig gearbeitet, die<br />
Berufstätigkeit wird vielmehr in prekären Arbeitsverhältnissen ausgeübt.<br />
Dazu gehören Teilzeitarbeitsverhältnisse, Tätigkeiten auf Honorarbasis und<br />
(projektorientierte) befristete Tätigkeit. Altersarmut, insbesondere unter<br />
alleinstehenden Frauen, existiert nach wie vor, doch das Verarmungsrisiko<br />
hat sich bei älteren Menschen gegenüber den 60er- und 70er-Jahren<br />
stark verringert.<br />
Ein weiterer Aspekt ist der Beschluss der Bundesregierung, schrittweise<br />
die Rente mit 67 einzuführen. Künftige wirtschaftliche Probleme älterer<br />
Personen dürften also multifaktoriell bedingt sein. Wer in der Erwerbsbiographie<br />
erhebliche Lücken aufweist, verfügt in der Regel auch über<br />
weniger sozialen Rückhalt. Personen, die durchgehend berufstätig sind<br />
oder aber freiwillig nicht arbeiten, leben in vielen Fällen gesundheitsbewusster<br />
und sind weniger anfällig für Drogenprobleme. In der soziologischen<br />
Forschung werden auch Zusammenhänge zwischen einem hohen<br />
Bildungsgrad und der Fähigkeit zu perspektivischer Lebensplanung hergestellt.<br />
Faktoren wie diese tragen dazu bei, das Armutsrisiko im Alter zu<br />
erhöhen. Sie erschweren zudem die Bemühungen auch von Kommunen,<br />
ältere Personen aus der Einsamkeit zu holen und in das gesellschaftliche<br />
Leben zu integrieren.<br />
Viele der heute angebotenen Produkte und Dienstleistungen für SeniorInnen<br />
sind noch immer teuer und ähneln Luxusartikeln. Die <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
steht vor der Aufgabe, preiswerte und gleichwohl qualitativ<br />
hochwertige Produkte zu erschwinglichen Preisen anzubieten.<br />
Nach Einschätzung der Verantwortlichen der Stadt- und Gemeindeverwaltungen<br />
im Landkreis Göttingen ist die Armut im Alter bislang noch<br />
kein zentrales Thema. Ökonomische Probleme Älterer sind danach zwar<br />
vorhanden, können aber noch nicht pauschal als Armut qualifiziert werden.<br />
Zudem sind die Probleme meist nicht offen erkennbar. Betroffene<br />
schildern die Probleme, wenn überhaupt, eher verschämt. Viele derjenigen,<br />
die jetzt im Rentenalter sind, haben Kriegs- und Nachkriegszeiten<br />
kennengelernt und sind es gewohnt, bescheiden und sparsam zu leben.<br />
Vielfach herrschen, gerade auf dem Land, intakte Familienverhältnisse<br />
mit gegenseitiger materieller Unterstützung vor. Bei der Erbringung von<br />
Dienstleistungen, z. B. im Handwerk, spielt die gegenseitige Unterstützung<br />
eine große Rolle.<br />
17 Prof. Dr. Fred Karl, FB Sozialwesen der Universität Kassel, am 7. Juli 2006 in Kassel<br />
33<br />
SeniorInnen in der<br />
Gesellschaft
senIorenarbeIt<br />
Nach Ansicht der Kommunen besteht aber die Gefahr, dass sich die wirtschaftliche<br />
Situation Älterer in den nächsten Jahren verschlechtert. Die<br />
Ankündigung der Bundesregierung, dass in den nächsten Jahren deutliche<br />
Rentenanpassungen nicht zu erwarten sind, ist dabei nur ein Faktor. Eine<br />
zunehmende Bedeutung dürfte zudem die Tatsache erlangen, dass durch<br />
den Bevölkerungsrückgang gerade in der Fläche die Mieten und damit für<br />
Hauseigentümer die Einnahmemöglichkeiten sinken. Der demographische<br />
Wandel wird auch auf die Immobilienpreise durchschlagen und damit den<br />
Verkauf von Eigentum erschweren.<br />
Weitere Aspekte sind das zunehmende Auseinanderfallen von Familien und<br />
die Singularisierung der Gesellschaft. Der Bürgermeister der Gemeinde<br />
Friedland beobachtet, dass manche Ältere bei der Bewirtschaftung ihrer<br />
Häuser überfordert sind. In den Häusern dieser Gemeinde wie auch in anderen<br />
Teilen des Kreisgebiets besteht bei vielen Immobilien in Privatbesitz<br />
erheblicher Sanierungs- und Modernisierungsbedarf. Wenn mittelfristig<br />
die Einkommen Älterer zurückgehen, steigen tendenziell die Ausgaben<br />
der Sozialhilfeträger.<br />
Deutlich wird also, dass die erwarteten Impulse, die die <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
für die Regionalentwicklung auslöst, relativiert und in Anbetracht<br />
der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme vieler SeniorInnen bewertet<br />
werden müssen.<br />
Seniorenarbeit wird in vielfältigen gesellschaftlichen Bereichen geleistet:<br />
von Wohlfahrtsverbänden oder Gewerkschaften bis hin zum Kleingartenverein<br />
und Ehemaligentreffen von Unternehmen. Im Folgenden wird ein<br />
Überblick mit Schwerpunkt auf die kommunalen Aktivitäten gegeben.<br />
Kreisangehörige Städte und Gemeinden<br />
Im Rahmen von Kommunalbefragungen im Juni und Juli 2006 gaben für<br />
die Seniorenarbeit sechs der elf kreisangehörigen Kommunen klare Zuständigkeiten<br />
in Fachämtern bzw. Fachbereichen an. In Friedland und Gleichen<br />
liegt die Zuständigkeit bei der Gleichstellungsbeauftragten, in Adelebsen,<br />
Staufenberg und Rosdorf beim Bürgermeister bzw. der Bürgermeisterin.<br />
Mit Ausnahme der Stadt Hann. Münden halten alle Verwaltungsspitzen<br />
Seniorenfragen für ein Querschnittsthema.<br />
Die spezifisch auf SeniorInnen zugeschnittenen Angebote der Stadt- und<br />
Gemeindeverwaltungen im Landkreis Göttingen – mit Ausnahme der Stadt<br />
Göttingen – orientieren sich eher am klassischen Altersbild. Wenngleich<br />
Veranstaltungen wie Kaffeenachmittage wichtige Foren der Begegnung<br />
und des Austauschs von SeniorInnen sind und für die Veranstalter häufig<br />
viel Aufwand und Mühe bedeuten, zeugen sie weder von besonderer<br />
Kreativität noch berücksichtigen sie, dass viele SeniorInnen über diese<br />
Veranstaltungen hinaus vielfältige Interessen haben, von denen zumindest<br />
einige auch von den Kommunen aufgegriffen werden könnten.<br />
34
Bereits im Oktober 1993 hat die Gemeinde Rosdorf damit begonnen, das<br />
Konzept des Erzählcafés als Zeitzeugenprojekt und Mehrgenerationendialog<br />
umzusetzen. Jeden letzten Freitag im Monat findet dort ein Mehrgenerationendialog<br />
mit den vielfältigsten Themen statt. Das Erzählcafé hat<br />
auch das Rosdorfer Kochbuch herausgegeben und zeichnet verantwortlich<br />
für diverse andere Bildungsveranstaltungen. Das Erzählcafé ist Mitglied<br />
im lokalen Bündnis für Familie. Außerdem hat die Gemeinde Rosdorf ein<br />
Internetcafé eingerichtet, das auf die Interessen von SeniorInnen ausgerichtet<br />
ist. Jeder Ortsrat veranstaltet einmal jährlich eine Seniorenausfahrt<br />
und eine Seniorenweihnachtsfeier. Monatliche Kaffeenachmittage finden<br />
in fast allen Ortschaften statt. SeniorInnen treffen sich auf privater Basis<br />
sowie in Vereinen und Verbänden, in Kirchen und Gewerkschaften sowie<br />
in vielfältigen anderen Zusammenhängen wie etwa den Freiwilligen Feuerwehren.<br />
Festzuhalten bleibt jedoch, dass es immer schwieriger wird, bestehende<br />
Angebote aufrechtzuerhalten. Es fehlt vielfach noch immer an der Bereitschaft<br />
zu ehrenamtlicher Tätigkeit. Viele ehrenamtlich tätige SeniorInnen<br />
werden in immer neue Arbeitszusammenhänge eingebunden und sind<br />
damit vielfach überfordert.<br />
Spezielle, von den Kommunen unterstützte Netzwerke für SeniorInnen<br />
sind eher die Ausnahme. In Bovenden gehört dazu die erweiterte Nachbarschaftshilfe<br />
der AWO.<br />
Ende September 2006 fand die „Seniorenmesse Bovenden“ statt – eine<br />
Premiere für den Flecken. Genutzt wurde die Veranstaltung von 30<br />
Dienstleistern und Organisationen aus den Bereichen Reisen, Finanzen,<br />
Gesundheit, Vorsorge, Sport, Sicherheit, Betreuung, Versorgung, Beruf<br />
und Freizeit. Zielsetzung war es, über das traditionelle kommunale<br />
Angebot „gemeinsames Kaffeetrinken“ hinaus die unterschiedlichen<br />
Ansprüche und Bedürfnisse von SeniorInnen darzustellen. In der neuen<br />
Kommunalwahlperiode ab dem 1. November 2006 sollen die wichtigsten<br />
der im Bürgerhaus vermittelten Impulse aufgegriffen und die Arbeit des<br />
Seniorenbeirats erweitert werden. Bei den Referaten ging es z. B. um<br />
strukturelle Änderungen in der Altersvorsorge, gesunde Ernährung im<br />
Alter, Prävention und Rehabilitation am Wohnort, Erhaltung von Gesundheit<br />
und Aktivität, Wohnformen im Alter und besondere medizinische<br />
Dienstleistungen für Diabetiker.<br />
In Dransfeld wird die Initiative „Atempause“ unterstützt, in der Betreiber<br />
von Pflegediensten und Mitglieder des Seniorenbeirats sowie Einzelpersonen<br />
mit dem Ziel kooperieren, niedrigschwellige Betreuungsangebote<br />
anzubieten. Konkrete Planungen: LaienhelferInnen besuchen SeniorInnen,<br />
gehen mit ihnen spazieren, lesen ihnen etwas vor, klönen mit ihnen, hören<br />
gemeinsam Musik oder singen und basteln. Eine Fördergruppe soll sich<br />
künftig zweimal im Monat treffen und SeniorInnen einladen, gemeinsam<br />
kreativ zu werden. Ein Kreis von Helfern soll in einem 40-stündigen Lehrgang<br />
auf diese Arbeit vorbereitet werden. Die Initiative „Atempause“ ist<br />
eingebunden in das Projekt „Niedrigschwellige Betreuungsangebote“, wie<br />
es bereits von der Sozialstation Göttingen-Ost als Modellvorhaben von der<br />
Landesregierung zusammen mit den Pflegekassen gefördert wird.<br />
35<br />
SeniorInnen in der<br />
Gesellschaft
In Friedland wurde der Biete-Hole-Austausch eingerichtet. Angelegt wurde<br />
eine Kartei, in der Hilfsangebote wie etwa Einkaufshilfe und Gartenarbeit<br />
mit der entsprechenden Nachfrage zusammengeführt wird. In Radolfshausen<br />
wird derzeit versucht, die Initiativen in einzelnen Mitgliedsgemeinden<br />
zur Organisation von Reisen für SeniorInnen aufeinander abzustimmen.<br />
Als besonders wichtiges Netzwerk innerhalb des Landkreises gilt die<br />
Nachbarschaftshilfe Friedland-Rosdorf.<br />
Adelebsen setzt z. B. im Rahmen des Bündnisses für Familie auf intergenerative<br />
Zusammenarbeit. Begonnen wurden Initiativen wie Erzählcafé<br />
und regelmäßige Frühstückstreffen. Die Vorträge, zu denen eingeladen<br />
wird, sind meist generationenübergreifend ausgerichtet und behandeln<br />
vorwiegend medizinische Themen wie etwa die Gesundheitsprophylaxe.<br />
Von Oktober bis Dezember 2005 fand in Adelebsen einmal wöchentlich<br />
ein Kurs des Gleichstellungsbüros für Frauen mit einem kombinierten<br />
Bewegungs- und Ernährungsangebot sowie der Anleitung für Entspannungsübungen<br />
statt. Wiederholungen sind für Oktober 2006 geplant.<br />
Vorgesehen ist ein Kurs zum Thema Wechseljahre. In Zusammenarbeit mit<br />
den Landfrauen sollen spezielle Angebote für Seniorinnen wie Vorträge,<br />
Führungen, Lesungen, Musik und Ausflüge gestaltet werden. Aufgebaut<br />
werden Netzwerke zwischen dem Adelebser Bündnis für Familie und<br />
bestehenden Senioren- und Seniorinnengruppen. Zentrales Angebot der<br />
Stadt Hann. Münden ist die Seniorenbegegnungsstätte, die die Arbeiterwohlfahrt<br />
mit Unterstützung der Stadt am Tanzwerder betreibt. Die<br />
Samtgemeinde Radolfshausen vergibt – mit den Einwohnerzahlen als<br />
Schlüssel – Mittel an die Seniorenarbeit der Mitgliedsgemeinden.<br />
Ergänzt werden die Angebote der Kommunen im Landkreis Göttingen<br />
durch die Arbeit von Seniorenbeiräten, -beauftragten und -obleuten. Sie<br />
erschöpft sich allerdings in den meisten Kommunen in der Vorbereitung<br />
von Weihnachts- und Adventsfeiern, Kaffeenachmittagen und Ausflügen.<br />
Beispielsweise in Gieboldehausen kümmern sich die Seniorenobleute der<br />
Mitgliedsgemeinden um Fachvorträge, z. B. zur Abfassung von Testamenten.<br />
Außerdem erfolgen Besichtigungen von Altenheimen.<br />
Gesamteindruck: Die Organisation von Veranstaltungen bezieht sich meist<br />
auf Gemeinde- bzw. Ortsteilebene. In manchen Fällen ist es schwierig, für<br />
Veranstaltungen und gemeinsame Reisen ausreichend Teilnehmer zu finden.<br />
In der Gemeinde Rosdorf nehmen Mitglieder der Seniorenvertretung<br />
an allen Fachausschusssitzungen mit beratender Stimme teil. Informationsveranstaltungen<br />
zur Patientenverfügung wurden bereits vor längerer<br />
Zeit, einmal auch in Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten,<br />
durchgeführt und stießen auf breite Resonanz.<br />
Landkreis Göttingen<br />
Mit Beschlussfassung vom 10. Mai 2006 hat der Kreistag die Kreisverwaltung<br />
aufgefordert, eine Publikation herauszugeben, die neben der<br />
allgemeinen Präsentation vorhandener Einrichtungen auch Ideen für bürgerschaftliches<br />
Engagement und aktive Freizeitgestaltung beinhaltet. Nach<br />
einem Kreistagsbeschluss vom 19. Juli 2006 will der Landkreis Göttingen<br />
einen runden Tisch “Senioren“ einrichten.<br />
36
Nach Angaben der Kreisverwaltung ist der demographische Wandel für<br />
den Landkreis Göttingen ein wichtiges Thema. Zwar liegt bislang kein<br />
Gesamtkonzept vor, doch fördert der Landkreis im Rahmen konkreter<br />
Aufgabenstellungen die Anpassungsfähigkeit gesellschaftlicher Einrichtungen.<br />
So werden zwei Honorarkräfte mit jeweils 500 Euro monatlich für<br />
die Gestaltung der ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfe Friedland-Rosdorf<br />
finanziert. Die offizielle Zuständigkeit für Seniorenfragen liegt im Sozialamt,<br />
als Querschnittsthema der Kreisverwaltung nimmt das Sozialamt die<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong> jedoch nicht wahr. Ein Seniorenbeirat wurde auf der<br />
Ebene des Landkreises wegen der erforderlichen Basisnähe der Städte<br />
und Gemeinden nicht eingerichtet.<br />
Der derzeitige Altenhilfeplan des Landkreises Göttingen stammt aus dem<br />
Jahr 1984. Altenhilfe ist ein klassisches Aufgabenfeld der Landkreise und<br />
der kreisfreien Städte. Sie fasst gesetzliche Maßnahmen und Initiativen zur<br />
Förderung und Unterstützung alter Menschen zusammen. Das kann in Institutionen<br />
oder in offener Weise geschehen. Offen meint dabei nicht allein<br />
die räumliche Anlage, sondern den hohen Grad an Unverbindlichkeit für die<br />
Klientinnen und Klienten. So ist beispielsweise ein Altenheim “Einrichtung<br />
der Altenhilfe”, unabhängig davon, ob eine gemeinnützige Organisation<br />
die Alten- und Pflegeheime unterhält oder ein Gewerbebetrieb, beide<br />
sind “Träger der Altenhilfe”. Auch ambulante Dienste sind “Einrichtungen<br />
der Altenhilfe”. Sozialstationen sind Häuser, die betreuungsbedürftigen<br />
Menschen Alten- und Krankenpflege in der jeweils eigenen Wohnung<br />
gegen Entgelt zukommen lassen. Mitarbeit dort ist Teil der professionellen<br />
Pflege. Außerdem wird unter Altenhilfe auch eine Form der Sozialbetreuung<br />
verstanden, losgelöst von pflegerischen oder hauswirtschaftlichen<br />
Betreuungsformen, die z. B. von der Caritas und der Diakonie, also im<br />
Rahmen der Kirchengemeinden, angeboten werden.<br />
Im Vorwort der erwähnten Ausgabe heißt es, es sei nicht darum gegangen,<br />
ein „hochwissenschaftliches, statistisches Werk“ oder ein „soziales Telefonbuch“<br />
vorzulegen. Vielmehr wünschte man sich „einen transparenten<br />
Plan, mit dem gearbeitet werden könnte“ und der „sich als eine Hilfe<br />
für die Beteiligten erweisen“ würde. Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis<br />
zeigt, wie vielfältig das Thema SeniorInnen im Landkreis Göttingen bearbeitet<br />
wurde: Die vielfältigen Angebote, Dienste und Einrichtungen<br />
wurden untersucht und die Ergebnisse der Arbeitsgruppe “Altenhilfeplanung“<br />
vorgelegt. Diese Arbeitsgruppe erarbeitete auf der Basis der<br />
Bestandsaufnahme Maßnahmen, die der Ausweitung, Verbesserung und<br />
bedürfnisorientierten Weiterentwicklung der Altenhilfe dienen sollten. In<br />
nahezu allen untersuchten Bereichen der Altenhilfe sind die angestrebten<br />
Veränderungen insbesondere qualitativer Art. Im Vorwort heißt es außerdem:<br />
„Die projektorientierten Maßnahmen bedürfen fortlaufender Überprüfung<br />
und Weiterentwicklung.“ Und: „Bei aller Lust zum Handeln, die<br />
– hoffentlich – aus dieser Planungsarbeit entsteht, sind alle aufgefordert,<br />
eigene Vorstellungen vom Altern zu überdenken und Selbstbestimmung,<br />
Partizipation und Ganzheitlichkeit des alten Menschen zur Grundlage und<br />
Richtschnur des Handelns zu machen.“<br />
18 Vorwort aus der Altenhilfeplanung, August 1985<br />
37<br />
SeniorInnen in der<br />
Gesellschaft
Die Ende Mai 2006 gestartete Landesinitiative für generationengerechte<br />
Produkte und Dienstleistungen ist in der Kreisverwaltung zwar zur Kenntnis<br />
genommen worden, eine ausführliche inhaltliche Befassung mit den<br />
Leitlinien des Landes ist bis Juli 2006 noch nicht erfolgt. Die meisten SeniorInnen<br />
verfügen im Landkreis nach Einschätzung der Kreisverwaltung über<br />
gute Kenntnisse über die Verfügbarkeit von Pflegediensten. Weniger gut<br />
sind die Kenntnisse zu den unterschiedlichen Wohnformen. Offensichtlich<br />
sehen die Pflegedienste eine Information älterer Kreisbewohner zu diesem<br />
Thema nicht gerade als Schwerpunkt an. Mitarbeiter der Kreisverwaltung<br />
halten zuweilen Vorträge zu seniorenrelevanten Fragen – wie z. B. im März<br />
2006 zur Frage der Pflegebedürftigkeit vor den Landfrauen in Northeim.<br />
Stadt Göttingen<br />
Der demographische Wandel hat spezifische Auswirkungen auf Göttingen<br />
als Universitätsstadt und Oberzentrum. Die Stadt, deren Verwaltung über<br />
eine eigene Seniorenberatungsstelle verfügt, geht von einer Stagnation der<br />
Bevölkerungszahl für die nächsten 15 Jahre aus. Bei der Einrichtung ihres<br />
Seniorenbeirates hat die Stadt Anfang der 90er-Jahre Neuland betreten<br />
und war auch für andere Gemeinden im Landkreis Göttingen wegweisend.<br />
Zwar werden die Seniorenbeiräte in der NGO nicht erwähnt, dennoch hat<br />
sich dieses Gremium in Göttingen nach Einschätzung der Stadt etabliert.<br />
Der Seniorenbeirat ist ehrenamtlich und unabhängig tätig. Er ist vertreten<br />
in Gremien wie Bauausschuss, Jugendhilfeausschuss, Sozialausschuss,<br />
Kulturausschuss und dem Unterausschuss Grone. In den Ausschüssen<br />
haben die SeniorenvertreterInnen Antragsrecht. Auch im Unterausschuss<br />
“die Soziale Stadt in Grone“ arbeiten SeniorenvertreterInnen.<br />
Als zentrale Veranstaltung richtet die Stadt den “Tag der Göttinger Senioren“<br />
aus. Die Veranstaltung hatte in den vergangenen Jahren (1996,<br />
1999, 2001, 2004) drei Säulen:<br />
Informationsstände verschiedener Göttinger Organisationen, Vereine,<br />
Verbände, insbesondere aus dem Bereich der Wohlfahrtspflege. Zu den<br />
Themenbereichen der Veranstaltung gehörten unter anderem Beratung,<br />
Wohnen, Pflege, Freizeitgestaltung. Einem Unterhaltungsprogramm mit<br />
Café im Großen Saal folgte ein politisches Forum, moderiert vom Seniorenbeirat<br />
als politisches Vertretungsgremium der älteren Bevölkerung in<br />
Göttingen.<br />
Im Juli 2006 legte die Stadt Göttingen die dritte aktualisierte Auflage des<br />
Seniorenwegweisers vor. Wichtigste Kapitel: Beratung und Information,<br />
Pflege und Entlastung, Wohnen und Freizeit. Die Stadt Göttingen stellt<br />
darüber hinaus kostenlose Broschüren zu Themen wie Vorsorgevollmacht,<br />
Betreuungsrecht, Patientenverfügung, Erben und Vererben, Pflegeversicherung,<br />
Pflege zu Hause und Sozialhilfe und Grundsicherung zur Verfügung.<br />
Darüber hinaus existieren u. a, ein Wegweiser “Jugend, Gesundheit<br />
und Soziales in Stadt und Landkreis Göttingen“ und eine Broschüre des<br />
Göttinger Tageblatts unter dem Titel „Leben im Alter in Göttingen und in<br />
Südniedersachsen“.<br />
19 Gespräch mit der Sozialdezernentin Dr. Dagmar-Schlapeit-Beck am 23. Mai 2006<br />
38
Die Verwaltung moderiert eine Vielzahl von Netzwerken und begleitet sie.<br />
Eine wichtige Aufgabe sieht sie auch im Bereich Qualitätsentwicklung.<br />
Nach Schätzungen der Stadtverwaltung leben 55 Prozent der BürgerInnen<br />
allein. Viele davon sind nicht mehr berufstätig – nicht wenige leiden unter<br />
Vereinsamung. Das Interesse an Bürgerforen in Anlehnung an die Altenbegegnungsstätten<br />
werde in den letzten Jahren stärker. Um der Isolation<br />
der älteren Generation entgegenzuwirken, wurde im Stadtteil Grone mit<br />
Unterstützung des Landes ein Nachbarschaftszentrum/Mehrgenerationenhaus<br />
gebaut. Die Stadtverwaltung hat nach eigenen Angaben einen guten<br />
Überblick über die Angebote, die es für SeniorInnen im Stadtgebiet gibt.<br />
Außer einer Wohnberatungsstelle gibt es nach ihrer Darstellung kaum<br />
etwas, was die Stadt Göttingen nicht vorweisen kann.<br />
Auch mit planerischen Mitteln will die Stadt auf die demographische Entwicklung<br />
frühzeitig reagieren. Geschaffen werden sollten Wohnangebote<br />
für ältere Menschen, die über die bisherigen Angebote hinausgehen. So<br />
wird das Baugebiet “Dawe“ in Grone als generationsübergreifendes Baugebiet<br />
(Familien und ältere Menschen) mit besonderen Angeboten im Einzelhausbereich<br />
und in der Gestaltung der öffentlichen Flächen entwickelt.<br />
Damit wird deutlich, dass SeniorInnen ein besonderes “Marktsegment“<br />
für den Immobilienmarkt sind.<br />
Der Bereich der Göttinger Innenstadt bzw. der City-nahe Bereich soll mit<br />
seiner Vielzahl und Vielschichtigkeit an Angeboten als bevorzugter Wohnstandort<br />
für ältere Menschen ausgebaut werden. Bei Stadtumbauprogrammen<br />
und bei der Sanierung von Wohngebäuden will die Stadtverwaltung<br />
auf die Interessen dieser Bevölkerungsgruppe besonders achten. Dazu<br />
gehören Vielfalt und Lebendigkeit, aber auch maßgeschneiderte Angebote<br />
(z. B. Mehrgenerationenhaus in Grone). Teilhabe- und Beteiligungsangebote<br />
sollen deshalb gefördert werden.<br />
Entwickelt werden sollen auch abgestimmte Kultur, Sport- und Freizeitangebote<br />
mit entsprechender Erreichbarkeit durch den öffentlichen<br />
Personennahverkehr (ÖPNV). Ältere Menschen haben gesundheitliche<br />
Bedürfnisse, sowohl in der täglichen Verpflegung wie auch im medizinischen<br />
Bereich. Hierauf kann sich das Angebot der öffentlichen und privaten<br />
Dienstleistung einrichten. Ziel ist die Sicherung der Nahversorgung<br />
im fußläufig erreichbaren Wohnumfeld. Im Rahmen der städtebaulichen<br />
Planung (z. B. städtebauliches Leitbild) und bei der Planung der Stadtinfrastruktur<br />
wird der Gender-Aspekt (hier definiert auf Seniorinnen) besonders<br />
berücksichtigt. Ziel ist die Gestaltung eines Wohn- und Lebensumfelds,<br />
das die Bedürfnisse älterer Menschen im Blick hat.<br />
Die Parteien versuchen seit vielen Jahren, die staatliche und die kommunale<br />
Seniorenarbeit voranzubringen. Die großen Volksparteien und die FDP<br />
haben Arbeitsgemeinschaften gebildet, die die Interessen von SeniorInnen<br />
parteiintern und innerhalb der Gesellschaft vertreten.<br />
Die Senioren-Union der CDU ist tätig im Rahmen des CDU-Kreisverbandes<br />
Göttingen. Sie will im Sinne der Ziele der CDU an der politischen Meinungs-<br />
und Willensbildung mitwirken. Zentrales Anliegen ist die Förderung des<br />
39<br />
SeniorInnen in der<br />
Gesellschaft<br />
Interessenvertretung<br />
In Den<br />
parteIen
Miteinanders der Generationen. Deshalb befasst sich die Senioren-Union<br />
der CDU mit Themen wie Nachbarschaftshilfe, Ausbau von Mehrgenerationenhäusern,<br />
Förderung von Seniorenwohnungen und Einrichtung von<br />
Seniorenvertretungen. Erkenntnis: Noch nie seien die Älteren so gesund,<br />
so gut ausgebildet und so kompetent gewesen. Deshalb sei es durchaus<br />
sinnvoll, dass ein geeigneter 70-Jähriger im Rahmen der Ganztagsbetreuung<br />
Kindern bei den Schularbeiten hilft. 0<br />
Die SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus ist tätig auf der Ebene des Unterbezirks<br />
Göttingen. Ihr gehören alle SPD-Mitglieder ab dem 60. Lebensjahr an<br />
– das sind ca. 250.000 bundesweit. Die AG SPD 60plus ist eigenständig.<br />
Sie hat einen eigenen organisatorischen Aufbau und sie fasst Beschlüsse.<br />
60plus-Gliederungen gibt es auf allen Ebenen der SPD: im Ortsverein, im<br />
Unterbezirk bzw. Kreisverband, im Bezirk, auf Landesebene und schließlich<br />
auf Bundesebene. Die AG SPD 60plus hat das Antrags- und Rederecht für<br />
den Parteitag auf der jeweiligen Ebene.<br />
In Göttingen sind außerdem die GRAUEN als Interessenvertretung der<br />
über 60-Jährigen aktiv. Die Grauen treten dafür ein, dass die Interessenvertretung<br />
für SeniorInnen auf deren Konsuminteressen und -bedürfnisse<br />
ausgedehnt werden. Das gelte auch gegenüber den Herstellern von<br />
Produkten und Dienstleistungen. Die Grauen verstehen sich als Generationenpartei.<br />
Ihr Motto ist „Jung und Alt gemeinsam“. Die Partei hat deutlich<br />
weniger Mitglieder als die Senioren-Union oder die Arbeitsgemeinschaft<br />
SPD 60plus. Stark vertreten sind Frauen über 60.<br />
Seit dem 22. September 2001 verfügt auch die FDP über eine eigene<br />
Seniorenorganisation. Ziel der Arbeit des „Bundesverbands Liberale Senioren“<br />
ist es, durch Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse in Politik<br />
und Gesellschaft die Interessen älterer Menschen wahrzunehmen, den<br />
gesellschaftlichen Stellenwert der älteren Generation hervorzuheben sowie<br />
das Generationenverständnis zu fördern. Dies soll im Geiste liberaler<br />
europäischer Tradition durch die Zusammenarbeit sowie den Gedanken-<br />
und Erfahrungsaustausch mit anderen Seniorenvereinigungen erfolgen.<br />
Die Liberale Senioren, die in Göttingen über eine Vertretung verfügen,<br />
wollen dazu beitragen, dass Bürger für ehrenamtliche Tätigkeiten für die<br />
Beratung älterer Menschen gewonnen werden können. Außerdem fördern<br />
sie die Zusammenarbeit mit Jugendorganisationen zur Stärkung eines<br />
gegenseitigen Generationsverständnisses, die Planung und Durchführung<br />
von Veranstaltungen.<br />
Der Senioren-Schutz-Bund SSB „Graue Panther e. V.“ wurde 1975 gegründet.<br />
Seit 1996 sind die Vereine in den Städten und Gemeinden<br />
selbstständig und arbeiten in Eigenverantwortung. Sie sind Mitglied im<br />
Bundesdachverband und ihre Mitglieder können die Angebote des Generationenverbundes<br />
Graue Panther nutzen (z. B. Fortbildungen). Auch<br />
in Göttingen bestand bis 1996 eine Gruppe engagierter SeniorInnen, die<br />
2001 einen eigenständigen und förderungswürdigen Verein Senioren-<br />
Schutz-Bund Graue Panther Südniedersachsen (SSB) gegründet haben, die<br />
Anzahl der aktiven Mitglieder liegt bei 17. Der Verein soll dem Schutz alter<br />
20 http://www.seniorenunion.cdu.de/<br />
21 http://www.ag60plus.de/servlet/PB/menu/1107821/index.html<br />
40
und behinderter Menschen dienen (ab 60 Lebensjahre) und bezweckt die<br />
Durchsetzung einer individuellen Lebensgestaltung in Selbstbestimmung<br />
– insbesondere auch beim Betreuungsrecht. Dieses Ziel bezieht sich auf<br />
alle älteren BürgerInnen einschließlich der Bewohner von Altenheimen<br />
und Alteneinrichtungen sowie auf Langzeitpatienten. Dazu gehört die<br />
Durchsetzung, Ausgestaltung und Absicherung einer neuen Alterswürde<br />
in Gesundheit und Lebensqualität nach den neuesten Erkenntnissen der<br />
Geriatrie und einer besonderen Altenpflege im Bund der Generationen<br />
– bis zum würdigen Sterben. Der Verein setzt sich u. a. für nachfolgende<br />
Ziele ein: Einrichtung von Beratungsstätten gegen Hilflosigkeit und Verzweiflung,<br />
Einsatz für selbstbestimmte, familienähnliche und wohnliche<br />
Strukturen in Alten- und Pflegeheimen sowie Psychiatrie, Auflösung menschenunwürdiger<br />
Anstalten, Schutz vor Schufa-Willkür; Einrichtung und<br />
Führung von Begegnungsstätten Alt–Jung und Einsatz für neue Lebens-<br />
und Wohnformen (besonders im Generationenverbund).<br />
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO e.<br />
V.) tritt als Interessenvertretung der älteren Generationen vor allem dafür<br />
ein, dass jedem Menschen ein selbstbestimmtes Leben im Alter möglich<br />
ist und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.<br />
Alten Menschen soll ermöglicht werden, sich aktiv am gesellschaftlichen<br />
Leben zu beteiligen, und dies soll sich auch im öffentlichen Meinungsbild<br />
widerspiegeln. Unter dem Dach der BAGSO arbeiteten im Juli 2006 92<br />
Verbände, Organisationen und Initiativen der freien Altenarbeit zusammen.<br />
Über ihre Mitglieder vertritt die BAGSO nach eigenen Angaben<br />
mehr als zwölf Millionen ältere Menschen in Deutschland. Grundthese:<br />
Die vielschichtigen Interessen der älteren Generationen können von den<br />
einzelnen Mitgliedsorganisationen oft nur in spezifischen, sie betreffenden<br />
Teilgebieten aufgegriffen werden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft versteht<br />
sich daher als Forum verschiedener Ansätze der Arbeit mit älteren<br />
Menschen. Sie macht die gemeinsamen Anliegen in der Öffentlichkeit<br />
bekannt und vertritt sie gegenüber den politisch Verantwortlichen, um<br />
so in der Altenarbeit und Altenpolitik auf allen Ebenen beratend und verbessernd<br />
zu wirken.<br />
Im Abstand von jeweils drei Jahren richtet die BAGSO den Deutschen<br />
Seniorentag aus: Am 29. Mai 2006 fand der 8. Deutsche Seniorentag<br />
unter dem Motto „Alter als Chance“ in Bonn statt. Der Seniorentag 2003<br />
stand in Hannover unter dem Motto „Senioren – Aktiv in Europa“. Bereits<br />
im 14. Jahrgang erscheinen vierteljährlich BAGSO-Nachrichten, eine<br />
Fachzeitschrift für Aktive in Seniorenarbeit und Seniorenpolitik. Jede<br />
Ausgabe behandelt ein aktuelles Leitthema wie etwa „Wohn(t)räume“,<br />
„Hören und Sehen“, „Lernen mal anders“ oder „Internet macht‘s möglich“.<br />
Darüber hinaus gibt die BAGSO Faltblätter, Informationsbroschüren und<br />
Publikationen heraus.<br />
Die BAGSO hat Fachkommissionen und Arbeitsgruppen gegründet, die<br />
verbandsübergreifend zusammengesetzt sind, so dass jede Thematik von<br />
Vertreter/-innen aus den Organisationen behandelt wird, die in diesem<br />
Bereich ihren Arbeitsschwerpunkt haben. Die Ergebnisse dieser Arbeit<br />
werden für Positionspapiere und Rundschreiben genutzt.<br />
41<br />
SeniorInnen in der<br />
Gesellschaft<br />
bunDesarbeItsgemeInscHaft<br />
Der<br />
senIorenorganIsatIonen<br />
(bagso)
ÜberregIonale<br />
beIspIele<br />
Die Fachkommission “Pflege“ war bei Einführung und Umsetzung der<br />
Pflegeversicherung beratend tätig. Sie hat das BAGSO-Positionspapier<br />
„Qualität der Pflege in stationären Einrichtungen“ entworfen und die Initiative<br />
zur Entwicklung des BAGSO-Qualitätssiegels „Seniorengerechtes<br />
Leben und Wohnen“ ergriffen. Darüber hinaus hat sie Stellungnahmen<br />
zum Pflegekräftebedarf in der ambulanten und stationären Altenpflege,<br />
zur Einführung von Fallkostenpauschalen (DRGs), zur Zukunft der Pflegeversicherung<br />
und zum Vorschlag der Rürup-Kommission zur Reform der<br />
Pflegeversicherung erarbeitet. Fachgruppen sind zudem zu den Schwerpunkten<br />
Ehrenamt und Selbsthilfe tätig.<br />
Das Leistungsportfolio der meisten Kommunen in Deutschland umfasst<br />
auch die Seniorenarbeit. Umfang und Ausrichtung der Dienstleistungen<br />
für und mit SeniorInnen sind aber unterschiedlich.<br />
Besonders vielfältig ist die Seniorenarbeit in Braunschweig. Sie nimmt<br />
in Niedersachsen und darüber hinaus eine Vorreiterrolle ein. Ausdruck<br />
hierfür sind die Wiederaufnahme der Altenhilfeplanung im Jahr 2005, die<br />
Entwicklung eines Leitbildes “Braunschweig – lebenswert auch im Alter“<br />
sowie die umfangreichen Informationen auf der städtischen Homepage.<br />
Außerdem haben die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Braunschweig<br />
die Möglichkeit, sich per E-Mail einen Newsletter “Seniorenbüro aktuell“<br />
kostenfrei zuschicken zu lassen (im Einzelfall auch per Post).<br />
An der Überarbeitung der Altenhilfeplanung in Braunschweig wird deutlich,<br />
dass sich an den klassischen Zielen der Altenarbeit nichts Wesentliches<br />
ändert, sondern die Aufgabenfelder wie z. B. im Bereich der sozialen<br />
und kulturellen Angebote für ältere Menschen ausgebaut werden. Diese<br />
Maßnahmen können dazu beitragen, dass sich in der Gesellschaft ein<br />
verändertes Bild vom Alter niederschlägt und über die klassische Seniorenarbeit<br />
auch Akteure aus der Wirtschaft eingebunden werden. Am 20.<br />
Dezember 2005 hat der Rat der Stadt Braunschweig ein Leitbild verabschiedet.<br />
Zu den Adressaten gehören neben der Gesellschaft im Ganzen und<br />
der Gesetzgeber die Träger von Angeboten und Dienstleistungen, örtliche<br />
Akteure wie Wohnungsbaugenossenschaften, die Stadt als Anbieter und<br />
als Verantwortliche für Infrastruktur, Koordination und Planung.<br />
Die Arbeit des Seniorenbüros hat sich in den letzten Jahren verändert.<br />
Bedingt durch Mittelkürzungen und Personaleinsparungen führt das Seniorenbüro<br />
weniger die Veranstaltungen selber durch. Vielmehr sorgt es<br />
einerseits dafür, dass die bestehenden Projekte erhalten bleiben. Dazu<br />
gehört, dass ehrenamtlich tätige Menschen in ihrer Arbeit unterstützt<br />
werden, evtl. auftretende Kompetenzprobleme im jeweiligen Leitungsteam<br />
geklärt werden oder für engagierte Menschen Fortbildungen organisiert<br />
werden. Da es immer schwerer werde, die Menschen für ehrenamtliches<br />
Engagement zu motivieren, sei es wichtig, dass das Seniorenbüro eine<br />
begleitende Rolle in der Seniorenarbeit einnehme. Darüber hinaus hat<br />
es Initiativen und Ideen angeregt und ins Leben gerufen, so z. B. eine<br />
Fahrradlern-AG für ältere Mitbürger, die lange kein Fahrrad mehr gefahren<br />
22 http://www.braunschweig.de/senioren<br />
23 http://www.braunschweig.de/soziales_senioren/senioren/broschueren_14.html<br />
42
sind. In Zusammenarbeit mit der Polizei wurden Kurse und Stadtfahrten<br />
durchgeführt. Ein anderes Beispiel ist ein Seniorenkreis, der ehrenamtlich<br />
junge Existenzgründer berät und so die eigenen Erfahrungen weitergibt.<br />
Oftmals sei es schwierig und dauere Jahre, bis die Angebote etabliert<br />
seien. Das Seniorenbüro verfügt durch seine hauptamtlichen MitarbeiterInnen<br />
über den langen Atem, so dass aus Ideen auch langfristig laufende<br />
Projekte werden.<br />
Das Veranstaltungsprogramm für Seniorenbildung wird von der Arbeitsgemeinschaft<br />
der Seniorenbildungsträger herausgegeben. Mitglieder sind<br />
verschiedene Wohlfahrtsverbände, Senioreninitiativen, Sportvereine, Museen,<br />
Hochschulen und Institutionen der Erwachsenenbildung. Die Auflage<br />
liegt bei 6.000 Exemplaren. Durch das Veranstaltungsprogramm entsteht<br />
neben dem Seniorenwegweiser, der auch vom Seniorenbüro herausgebracht<br />
wird und vor allem Beratungsangebote für Ältere Menschen beinhaltet,<br />
ein vielgestaltiges Bild an Aktivitäten für und von SeniorInnen.<br />
Das Seniorenbüro der Stadt Braunschweig, in dem derzeit 14 Mitarbeiter<br />
und Mitarbeiterinnen arbeiten, gibt in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft<br />
der Senioren-Bildungsträger halbjährlich ein Veranstaltungsprogramm<br />
„Seniorenbildung auf einen Blick“ heraus. Auch diese Auflage<br />
liegt bei 6.000 Exemplaren. In Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft<br />
der Wohlfahrtsverbände veranstaltet das Seniorenbüro jährlich einen<br />
„Tag der Senioren“. Im Jahr 2006 fand die Veranstaltung am 21. Juli mit<br />
54 Marktständen in der Innenstadt statt. Gezeigt werden soll, dass SeniorInnen<br />
fest im gesellschaftlichen Leben eingebunden sind. Beteiligt<br />
waren 2006 die Verkehrswacht Braunschweig, Wohnungsgesellschaften,<br />
Wohnstifte und Altenheime, Seniorenorganisationen der Parteien und<br />
Reisebüros. Die Braunschweiger Zeitung veröffentlichte am 19. Juli 2006<br />
eine Senioren-Kontaktbörse.<br />
Im Sommer 2005 hat die aus fünf Ortsteilen mit 11.000 Einwohnern<br />
bestehende Gemeinde Schauenburg (Kreis Kassel) den Fachbereich<br />
Sozialwesen der Universität Kassel mit der Bearbeitung der Studie „Älter<br />
werden in Schauenburg“ beauftragt. In Schauenburg ist jeder Fünfte<br />
älter als 50 Jahre, jeder Vierte ist älter als 60 Jahre. Zehn Prozent der<br />
Einwohner sind über 80 Jahre. Die Gemeinde lässt erforschen, wie sie<br />
den demographischen Wandel aktiv gestalten kann. Neu ist der Ansatz,<br />
bereits Menschen ab 40 Jahre in die Planungen mit einzubeziehen. Die<br />
Gemeindeverwaltung hat festgestellt, dass insbesondere die Bevölkerung<br />
in den früheren Neubaugebieten stark altert. Außerdem ist das bestehende<br />
ÖPNV-Angebot in Gefahr. Der Fachbereich Sozialwesen hat im<br />
Spätsommer 460 Einwohner befragt und darüber hinaus Gesprächskreise<br />
in einigen Ortsteilen durchgeführt. Außer “vielen Fragezeichen“ ergaben<br />
die Interviews Visionen, die für die Wissenschaftler verblüffend waren: So<br />
bekundeten einige Einwohner Interesse an Alten-WGs – erstaunlicherweise<br />
gehören dazu auch alteingesessene Dorfbewohner. Aktuelle Zielsetzung<br />
ist, dass aus den Befragungen sowie aus den Gesprächskreisen konkrete<br />
Projekte entwickelt werden und die Moderation Schritt für Schritt an die<br />
Verantwortlichen der Gemeinden zurückgegeben wird.<br />
24 Überschrift: „Marathon nicht mehr. Aber ist das ein Grund auf der Couch zu versauern? Sie sucht<br />
lockeren Herrn ab siebzig mit Humor.“<br />
43<br />
SeniorInnen in der<br />
Gesellschaft
Der Regionalverbund K.E.R.N. e. V. vertritt die Städte Kiel, Eckernförde,<br />
Rendsburg, Neumünster sowie den Kreis Rendsburg-Eckernförde. Der<br />
Regionalverbund wurde – ebenso wie der <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen<br />
– Ende 2003 in einem bundesweiten Wettbewerb vom Bundesamt<br />
für Bauwesen und Raumordnung als eine Modellregion zur Bewältigung<br />
des demographischen Wandels ausgewählt. Im Rahmen des bis Ende<br />
2005 laufenden MoRo sollten Strategien und Projekte entwickelt werden,<br />
um die Region auf den bevorstehenden demographischen Wandel einzustellen<br />
und die Bedürfnisse einer zukünftig älteren Gesellschaft auch als<br />
wirtschaftliche Chance für die Region zu begreifen. Die Region will sich<br />
mit dem Leitbild „Lebensqualität ein Leben lang“ profilieren.<br />
Dabei geht es um eine ausgewogene Entwicklung für alle Altersgruppen.<br />
Wirtschaft und Infrastruktur lassen sich aus Sicht des Regionalverbunds<br />
nur dann umbauen, wenn für jüngere Menschen Arbeitsplätze und das<br />
Lebensumfeld attraktiv sind. Um die Wachstumschancen des demographischen<br />
Wandels zu nutzen, wurden gemeinsam mit Industrie, Handel,<br />
Handwerk, Dienstleistern und Kommunen Ideen entwickelt und Strategien<br />
erarbeitet. K.E.R.N. hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in<br />
der Verbände und Unternehmen aus Wohnungswirtschaft, Tourismus,<br />
Gesundheitswirtschaft, Verkehrsbetriebe, Regionalplanung sowie die<br />
Volkshochschule des Kreises Plön vertreten sind.<br />
44
5 InItIatIven für senIorInnen<br />
Zitate wie die Folgenden aus den Gesprächsrunden werfen Schlaglichter<br />
auf die unterschiedlichen Themen, die SeniorInnen beschäftigen. Auf kommunaler<br />
sowie auf Landes- und auf Bundesebene versuchen Regierungen<br />
und Parlamente, diese Themen für SeniorInnen aufzugreifen.<br />
„Wer pensioniert wird, verkriecht sich zu Hause. Die Vereinsamung ist ein<br />
riesiges Problem. Es ist schwierig, mit anderen in Kontakt zu kommen.<br />
In bestehende Zirkel kommt man kaum rein.“ (Rosdorf)<br />
„Wir werden zu alt, Altern ist eine Last. Ich bin zwar noch rüstig, brauche<br />
aber unbedingt Gesellschaft. Sich um Gesellschaft zu kümmern ist aber<br />
mühsam.“ (Göttingen)<br />
„In Mielenhausen haben wir 1975 unser Gemeinschaftshaus gekriegt.<br />
Wir haben damals vereinbart, dort nicht über Politik und Krankheiten<br />
zu reden. Es ist dann eine sehr schöne Gruppe zusammengewachsen,<br />
inzwischen sind aber viele von denen verstorben. Wir haben Alten-<br />
Nachmittage veranstaltet und es aber nicht geschafft, für die Gruppe<br />
Nachwuchs zu kriegen. Jetzt haben wir uns entschlossen, von Bürgerbegegnung<br />
anstatt von Altennachmittagen zu sprechen.“ (Hann.<br />
Münden)<br />
„Man sollte einen Austausch Jung und Alt organisieren. Einigen fehlt<br />
die Oma, die auf die Kinder aufpassen kann. Den Älteren fehlt die Hilfe<br />
beim Einkaufen oder bei Reparaturen in der Wohnung.“ (Göttingen)<br />
„Ich wohne mit meinem Mann in einer Doppelhaushälfte, dennoch<br />
habe ich wenig Kontakt zu meinen Nachbarn. Im Winter sieht man sich<br />
manchmal wochenlang gar nicht.“ (Rosdorf)<br />
„Ich brauche Gesellschaft. Die kriege ich aber nur mit viel Mühe. Häufig<br />
lade ich Leute ein, die laden mich aber nicht wieder ein.“ (Göttingen)<br />
Anfang Juli 2006 haben z. B. neun Bundestagsabgeordnete von CDU, SPD,<br />
FDP und den Grünen fraktionsübergreifend vorgeschlagen, die Generationengerechtigkeit<br />
als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. Damit soll<br />
verhindert werden, dass politische Entscheidungen gefällt werden, die<br />
den jungen oder noch nicht geborenen Generationen Handlungsspielräume<br />
verbauen. Die Schuldenaufnahme der öffentlichen Hand soll damit<br />
begrenzt werden. Da Lasten und Probleme gerecht verteilt werden sollen,<br />
sollen sich Rentnerinnen und Rentner durch Nullrunden an der Lösung<br />
von Finanzproblemen beteiligen. Im Gegenzug sollen für die Jungen die<br />
Beiträge steigen und die private Vorsorge an Bedeutung gewinnen.<br />
„Zukunftschancen durch Produkte und Dienstleistungen für mehr Lebensqualität<br />
im Alter“ – so lautet der Titel einer Projektinitiative, mit der das<br />
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Chancen<br />
und Potenziale des Alters betonen und zu einem modernen Altersbild beitragen<br />
will. Produkte, Güter und Dienstleistungen des täglichen Lebens<br />
sollen stärker auf die Bedürfnisse und Wünsche der älteren Menschen<br />
abgestimmt werden. Zugleich soll die Wirtschaft einen Schub erhalten,<br />
45
altenberIcHt unD<br />
stellungnaHme<br />
zum altenberIcHt<br />
denn in der älteren Generation steckt – auch ökonomisch – enormes<br />
Potenzial. Rund 300 Milliarden Euro jährlich beträgt das Konsumbudget<br />
der Menschen über 60 Jahre.<br />
Um die politischen und gesellschaftlichen Aktivitäten älterer Menschen<br />
zu beleuchten und zu fördern, hat das Bundesministerium für Familie,<br />
Senioren, Frauen und Jugend den 5. Altenbericht der Bundesregierung<br />
unter das Thema “Potenziale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft<br />
– Der Beitrag älterer Menschen zum Zusammenhalt der Generationen” gestellt.<br />
Die interdisziplinär zusammengesetzte Kommission unter Leitung<br />
von Prof. Dr. Andreas Kruse hat den Altenbericht am 30. August 2005 der<br />
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend übergeben.<br />
Schon während der Erarbeitungsphase haben die Sachverständigen den<br />
Dialog mit relevanten gesellschaftlichen Akteuren gesucht und an Veranstaltungen<br />
mit Seniorenorganisationen sowie mit Wirtschaft, Politik und<br />
Wissenschaft mitgewirkt. Es wurden gemeinsame Fachtagungen und<br />
Workshops zu zentralen Themen des Altenberichts durchgeführt; daneben<br />
gab es Konsultationen mit den Kirchen. Damit hat die Kommission bereits<br />
in der Erarbeitungsphase einen Beitrag zur Neubestimmung der Politik für<br />
ältere Menschen im gesellschaftlichen Diskurs geleistet.<br />
Die Handlungsempfehlungen der Kommission befassen sich mit den<br />
Schwerpunktthemen Erwerbsarbeit, Bildung, Einkommenslage im Alter,<br />
Chancen der <strong>Seniorenwirtschaft</strong>, Familie und private Netzwerke, Engagement<br />
und Teilhabe älterer Menschen und ältere MigrantInnen. Diskutiert<br />
wurden Fragen wie diese:<br />
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�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
Was kann getan werden, um das in unserer Gesellschaft zurzeit vorherrschende,<br />
eher negativ akzentuierte Altersbild zu beeinflussen?<br />
Welche Stärken habe ältere Menschen und wie sind diese Stärken für<br />
neue soziale Rollen in einer sich wandelnden Gesellschaft nutzbar zu<br />
machen?<br />
Welche Rahmenbedingungen sind nötig, um die Bereitschaft zur Nutzung<br />
der Potenziale des Alters zu fördern?<br />
Was bedeutet die Alterung der Gesellschaft für Konsum, Produktion<br />
und Dienstleistungssektor?<br />
Welche Bildungsangebote für SeniorInnen müssen bereitgestellt werden<br />
"Lebenslanges Lernen" zu unterstützen?<br />
Wie gelingt eine bessere Integration älterer MigrantInnen?<br />
25 Den Auftakt von insgesamt fünf Veranstaltungen zu dieser Thematik bildete am 8. Februar 2006 der<br />
Workshop „Wohnen und <strong>Seniorenwirtschaft</strong>“ im Institut für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen. Am 19.<br />
Mai 2006 beschäftigte sich ein Workshop in Berlin mit dem Thema Handwerk. Es folgten im Juni 2006<br />
„Wellness-Tourismus“ und im August 2006 „Finanzdienstleistungen“, bevor eine große Abschlusstagung<br />
im Herbst 2006 die Ergebnisse zusammenfassen und vorstellen wird.<br />
26 http://www.bmfsfj.de/Kategorien/Publikationen/Publikationen,did=78114.html<br />
46
Das Bundeskabinett hat sich Anfang Juli 2006 auf eine Stellungnahme<br />
zu dem Bericht verständigt. Zentrale Aussage: Ältere Menschen sind<br />
ein Aktivposten in der Gesellschaft. Die Bundesregierung sieht sich<br />
bestätigt, den eingeleiteten Wechsel hin zu einem neuen Leitbild des<br />
Alters fortzuführen. „Das Bild des Alters hat sich in den vergangenen<br />
Jahrzehnten entscheidend gewandelt“, erklärte die Bundesministerin für<br />
Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ursula von der Leyen, anlässlich<br />
des Kabinettsbeschlusses. „Viele ältere Menschen sind körperlich und<br />
geistig fit. Sie verfügen über Fachwissen und jahrzehntelange berufliche<br />
Erfahrung. Und sie haben dank ihres Alters auch mehr Lebenserfahrung<br />
als die Jüngeren. Das sind Ressourcen, auf die wir nicht länger verzichten<br />
dürfen“, so von der Leyen.<br />
Die demographische Entwicklung in Deutschland bewirke, dass sich die<br />
Altersstruktur der Bevölkerung deutlich verändert. Sinkende Geburtenziffern<br />
und ein gleichzeitiges Älterwerden der Gesellschaft führten dazu, dass<br />
der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung weiter wachse.<br />
Diese Herausforderung werde derzeit vor allem unter ökonomischen<br />
Gesichtspunkten diskutiert. Dabei sei der Wandel der Altersstruktur auch<br />
eine Chance für die Gesellschaft, die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt.<br />
Die Bundesregierung, so die Ankündigung der Ministerin, werde ihre Anstrengungen<br />
verstärken, die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer<br />
deutlich zu verbessern. Diese Bemühungen seien im Kontext mit dem<br />
Beschluss der Bundesregierung zu sehen, das Renteneintrittsalter auf 67<br />
Jahre zu erhöhen. An diesem Beschluss halte die Bundesregierung fest.<br />
Die Altenberichtskommission vertrete in dieser Frage keine einheitliche<br />
Position: Ein Teil der Mitglieder spricht sich dagegen aus, ein anderer<br />
unterstützt die Haltung der Bundesregierung.<br />
„Wir werden verdeutlichen, dass Kompetenz, Kreativität und persönliche<br />
Weiterentwicklung nicht mit dem Eintritt in das höhere Lebensalter enden“,<br />
so von der Leyen. Diese Überzeugung zu vermitteln geht nicht ohne die<br />
aktive Beteiligung der älteren Menschen. Ihre Einbeziehung werde maßgeblich<br />
dazu beitragen, ein positives Leitbild des Alters in das Bewusstsein<br />
der Öffentlichkeit zu rufen. Hier setze die Idee der Mehrgenerationenhäuser<br />
an. Sie seien eine Antwort darauf, die Potenziale des Alters zu nutzen,<br />
denn sie böten Älteren oder Menschen, deren Angehörige weit entfernt<br />
wohnen, Möglichkeiten, Netzwerke zur Alltagsbewältigung zu knüpfen<br />
und soziale Beziehungen aufzubauen.<br />
Inzwischen haben sich mehrere Bundesländer, Kommunen und auch Industrie-<br />
und Handelskammern für den Auf- und Ausbau der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
engagiert. Das Land Nordrhein-Westfalen unterhält beim Institut Arbeit<br />
und Technik in Gelsenkirchen eine eigene Geschäftsstelle <strong>Seniorenwirtschaft</strong>.<br />
Die Landesregierung will Impulse geben zu einer Schließung der<br />
Lücken zwischen Angebot und Nachfrage. Das erfolgt in Bereichen wie<br />
Freizeitgestaltung, Wohnen, haushaltsnahe Dienstleistungen, Tourismus,<br />
neuen Medien, Telekommunikation, im Handel und bei den Finanzdienstleistungen.<br />
Die Geschäftsstelle veranstaltete 2005 eine erste europäische<br />
Konferenz zur <strong>Seniorenwirtschaft</strong>.<br />
47<br />
Initiativen für SeniorInnen<br />
lanDesInItIatIve<br />
senIorenwIrtscHaft<br />
In nrw
lanDesInItIatIve<br />
senIorenwIrtscHaft<br />
nIeDersacHsen<br />
Der zuständige Landesminister Armin Laschet, Minister für Generationen,<br />
Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen hat im<br />
November 2005 auf der Messe vitactiv in Essen den „Innovationspreis<br />
2005 – Technik und Dienstleistungen für das Alter“ verliehen, mit dem<br />
Sonderpreis „Wohnen und personenbezogene Dienstleistungen“. Mit ihm<br />
wurde einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt, welche neuen Produkte<br />
und Dienstleistungen es für ältere Menschen gibt. Prämiert wurden z. B.<br />
neu gestaltete Leselupen, eine praktische Einkaufs- und Handtasche oder<br />
ein elektrisch oder mechanisch verstellbares Toilettensystem.<br />
Die vitactiv ist der größte Markt für Engagement und Ehrenamt älterer<br />
Menschen in NRW. Seniortrainerinnen und Senior-Experten, Leih-Großeltern,<br />
Aktive aus Sportvereinen und Kirchengemeinden, SeniorenOnline,<br />
Nachbarschaftshilfe, Senioren-Beiräte, Politikerinnen und Politiker, Zeitungsmacher<br />
und Fotografinnen, Bastler und Tüftlerinnen, Schauspieler<br />
und Kindergarten-Vorleserinnen und Geschichtenerzähler, geben Einblicke<br />
in die Vielfalt des gesellschaftlichen Engagements Älterer.<br />
Die Angebote sollten Lust auf Bewegung vermitteln. Die Aussteller stellten<br />
gesundheitsorientierte Informationen dar, also Tipps für wohnortnahe<br />
Bewegungsangebote und aktivierende Mit-Mach-Aktionen. Auf der vitactiv<br />
gab es Oasen mit Anregungen für Entspannung und Gesundheitsförderung<br />
im Alltag: Stressabbau durch Atemtraining zum Beispiel, rückenfreundliche<br />
Massage, die harmonisierende Klangliege, den naturnahen Bauerngarten,<br />
die praktischen Tipps und Produkte für bekömmliche Ernährung und erholsamen<br />
Schlaf. Bei Gesundheits-Selbsthilfegruppen haben chronisch<br />
Erkrankte und ihre Angehörigen Verständnis gefunden, Rat und eine<br />
Kontaktadresse für zu Hause.<br />
Die Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, Mechthild<br />
Ross-Luttmann, hat im Mai 2006 die Leitlinien der neuen Seniorenpolitik<br />
für Niedersachsen vorgestellt. Erreicht werden soll ein breiter Dialog<br />
über die Herausforderungen, vor allem aber auch über die Chancen der<br />
Gesellschaft des langen Lebens. Hintergrund ist der Wandel in der seniorenpolitischen<br />
Diskussion: Das neue Bild vom Alter nimmt Abschied<br />
von einseitigen Sichtweisen wie “Altenlast”, “Rentenlast”, “Pflegelast”.<br />
Gebraucht wird nach Einschätzung des Landes ein Bild vom Alter, das<br />
die Vielfältigkeit dieser Generation umfasse und deutlich mache, dass die<br />
längere Lebenszeit zunächst einmal ein großartiger Gewinn ist – für jede<br />
und jeden Einzelnen ebenso wie für die Gesellschaft insgesamt.<br />
Das Land will deutlich machen, dass der demographische Wandel keine<br />
Katastrophe ist. Vielmehr sollen die darin liegenden Chancen erkannt<br />
und aufgegriffen werden. Zwar ist das Alter häufig mit Einschränkungen<br />
verbunden, doch war keine Altengeneration jemals zuvor so gesund und<br />
so gut ausgebildet wie die heutige. Keine Generation verfügte über ein<br />
so großes Spektrum an Kompetenzen und Interessen und war so gut finanziell<br />
abgesichert. Und nicht zuletzt: Keine Altengeneration zuvor hatte<br />
eine positivere Einstellung zum eigenen Alter.<br />
48
Handlungsbedarf besteht nach Einschätzung des Ministeriums im Hinblick<br />
auf besondere Zielgruppen wie ältere Menschen mit Behinderungen,<br />
ausländischer Herkunft und Hochbetagte. Auch in Zeiten knapper Kassen<br />
gelte es, Impulse für eine neue Seniorenpolitik zu setzen und den großen<br />
Erfahrungsschatz älterer Menschen besser für die gesamte Gesellschaft<br />
zu nutzen.<br />
Am 24. Mai 2006 richtete das Ministerium eine Veranstaltung „Altern<br />
als Chance“ aus. Die Ankündigung ist offensichtlich nicht in allen Gemeinden<br />
des Landkreises Göttingen angekommen. Lediglich Bovenden,<br />
Gieboldehausen, Friedland, Hann. Münden und Staufenberg haben von<br />
diesem Termin erfahren. Die dort vorgestellten „Leitlinien für eine moderne<br />
Seniorenpolitik in Niedersachsen“ wurden bis Juli 2006 in den Gemeindeverwaltungen<br />
und Gremien nicht nennenswert diskutiert. Lediglich die<br />
Gleichstellungsbeauftragte des Fleckens Adelebsen hat sich nach eigenen<br />
Aussagen mit den Leitlinien inhaltlich beschäftigt.<br />
Die am 30. Mai 2006 in Wolfsburg gegründete „Landesinitiative für seniorengerechte<br />
Produkte und Dienstleistungen“ zielt darauf ab, die Chancen<br />
der demographischen Entwicklung für die Wirtschaft, Gesellschaft und<br />
Politik zu untersuchen sowie die Realisierung der Umsatz- und Beschäftigungspotenziale<br />
zu fördern. Vermittelt werden soll ein differenziertes Bild<br />
des Alterns und Alters in der Gesellschaft. Die Initiative, für die zum 1.<br />
September 2006 bei der Wolfsburg AG eine mit Landesmitteln finanzierte<br />
Geschäftsstelle eingerichtet wurde, will dazu beitragen, dass Menschen<br />
über 50 mit ihren Erwartungen, Bedürfnissen und Wünschen ausreichend<br />
Beachtung finden. Berücksichtigt werden sollen die unterschiedlichen sozialen<br />
und regionalen Bedingungen und Bedürfnisse dieser Zielgruppen.<br />
Verbessert werden sollen Kommunikation, Wissenstransfer und die Vernetzung<br />
der Akteure untereinander. Die Landesinitiative will die Stärken,<br />
Angebote, Produkte und Initiativen unter Berücksichtigung des demographischen<br />
Wandels identifizieren und daraus strategische Vorschläge entwickeln.<br />
Neue Themen sollen identifiziert, anwendungsorientierte Projekte<br />
mit verschiedenen Partnern entwickelt, organisiert und begleitet werden.<br />
Zunächst will die Initiative einen Dialog mit dem Innovationsnetzwerk Niedersachsen<br />
führen, um zum einen die für die Landesinitiative relevanten<br />
Innovationsprozesse in die Netzwerkknoten einfließen zu lassen und zum<br />
anderen Impulse für die Innovationsförderung zu geben.<br />
Die Initiative beabsichtigt, Studien in Auftrag zu geben. Sie will Marktanalysen<br />
durchführen, Trends identifizieren und Potenziale ausloten. Die<br />
Ergebnisse werden durch Newsletter, Tagungen und Seminare verbreitet.<br />
Geplant ist ein Workshop zu neuen Wohnformen, der am 29. November<br />
2006 in Celle stattfinden soll. Mobilität für SeniorInnen ist das erste Thema,<br />
das Anfang 2007 in Wolfsburg behandelt werden soll.<br />
Einen Schwerpunkt wird die Landesinitiative auf die Zukunftsbereiche mit<br />
hohem Beschäftigungspotenzial legen. Nach Angaben des Ministeriums<br />
besteht Interesse daran, die mit dem <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen<br />
begonnene Kooperation zu vertiefen und zu verstetigen. Die Entwicklung<br />
27 Gespräch am 5. Juli 2006 in Hannover<br />
49<br />
Initiativen für SeniorInnen
förDerung Des<br />
eHrenamtes In<br />
nIeDersacHsen<br />
neuer angepasster Freizeitangebote soll Niedersachsen als Region mit<br />
hoher Lebensqualität für ältere Menschen noch attraktiver machen. Die<br />
bisherigen Kompetenzen und Aktivitäten sollen besser vernetzt werden.<br />
Dabei können Dienstleistungen entwickelt werden, die für alle Regionen<br />
nutzbar sind. Die Landesinitiative setzt sich für ein zielgruppenorientiertes<br />
Marketing ein. Sie strebt Zielvereinbarungen z. B. mit Sparkassen und<br />
Kooperationen mit Verantwortlichen aus den Bereichen Tourismus und<br />
Gesundheitswirtschaft an. Die nationale und internationale Positionierung<br />
und Profilierung Niedersachsens zum Thema generationengerechte<br />
Produkte soll unterstützt werden. Der Beitritt des Landes Niedersachsen<br />
in das Netzwerk europäischer <strong>Seniorenwirtschaft</strong> SEN@ER soll hierzu<br />
Möglichkeiten bieten. In Gang gesetzt werden soll ein sich selbst verstärkender<br />
nachhaltiger Prozess.<br />
Die Landesinitiative soll als kooperatives Netzwerk in Form eines runden<br />
Tisches sowie als Koordinierungskreis der strategischen Ausrichtung<br />
mit einer kleinen operativen Geschäftsstelle arbeiten. Teilnehmer sind<br />
Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung, Politik, SeniorInnen<br />
und Interessenverbänden. Zu einzelnen Gestaltungsfeldern können sich<br />
eigenständige Netzwerkknoten bilden, die projektbezogen und branchenübergreifend<br />
arbeiten. Die Organisation und Arbeit der Knoten werden<br />
vorhandene Ressourcen und Kompetenzen nutzen.<br />
Die Landesvereinigung für Gesundheit Niedersachsen e. V. (Hannover)<br />
bearbeitet die vom Land geförderten Projekte “Niedersächsische Landesagentur<br />
Generationendialog“ und „Informationsbüro für niedrigschwellige<br />
Betreuungsangebote“. Darüber hinaus koordiniert die Landesvereinigung<br />
den landesweiten Arbeitskreis „Alter(n) und Gesundheit“, der viermal im<br />
Jahr in Hannover tagt. Die Förderlandschaft im Seniorenbereich bezeichnet<br />
die Landesvereinigung als „leider sehr unübersichtlich“, es fehle eine<br />
Bündelung bestehender Programme. Eine Bestandsaufnahme wäre aus<br />
Sicht der Landesvereinigung spannend, aber auch zeitaufwendig.<br />
Das ehrenamtliche Engagement in Vereinen, Verbänden und sozialen Netzwerken<br />
hat in Deutschland lange Tradition und große Bedeutung. Insgesamt<br />
engagieren sich mehr als zwei Drittel der Bundesbürger regelmäßig<br />
ehrenamtlich. In Deutschland gab es 2005 rund 594.000 Vereine. Jedes<br />
Jahr werden 15.000 Vereine neu eingetragen. Pro 100.000 Einwohner gab<br />
es 1960 160 Vereine, heute sind es bereits 725. In der Stadt Göttingen sind<br />
rund 1.000 Vereine registriert, im übrigen Landkreis weitere 700.<br />
Das Statistische Bundesamt hat in einer Zeitverwendungserhebung für<br />
2001 ein Jahresvolumen von insgesamt 96 Mrd. Stunden unbezahlter<br />
Arbeit (Haus- und Gartenarbeit, handwerkliche Tätigkeiten, Einkaufen,<br />
Haushaltsplanung, Pflege und Betreuung, Ehrenamt/Hilfen) ermittelt. Von<br />
28 Ehrenamt bezeichnet ein (öffentliches) unbezahltes Amt wie ein traditionelles Ehrenamt (wie ein<br />
Schöffe). In anderen Sprachen fehlt der Begriff mit gleicher Bedeutung. Ehrenamtliches Handeln meint<br />
ein freiwilliges, deshalb auch Freiwilligenarbeit oder bürgerschaftliches Engagement oder zivilgesellschaftliches<br />
Engagement. Im englischen Sprachraum heißt es durchgehend Volunteering, was den<br />
freiwilligen Charakter betont.<br />
50
diesem unbezahlten Arbeitsvolumen erbringen Menschen im Alter über 65<br />
Jahre 24 Prozent. Erst ab einem Alter von ca. 75 Jahren ist ein deutliches<br />
Absinken des freiwilligen Engagements erkennbar.<br />
Als Aktivposten der Gesellschaft nutzen viele Ältere Menschen ihre Fähigkeiten<br />
und geben das, was sie in ihrem Lebensverlauf gewonnen haben,<br />
an die nachfolgenden Generationen weiter. SeniorInnen initiieren und<br />
beteiligen sich an Projekten im Gemeinwesen. Sie bringen sich mit ihrem<br />
Erfahrungswissen ein und verknüpfen so das Engagement für andere mit<br />
einem persönlichen Gewinn.<br />
Die Freiwilligenakademie Niedersachsen (fan) organisiert das Qualifizierungsprogramm<br />
ELFEN im Auftrag der Landesregierung. Sie möchte<br />
erfahrene Menschen gewinnen, die Projekte fördern, Einzelpersonen,<br />
Initiativen und Vereine beraten, Kommunen in der Engagementförderung<br />
unterstützen sowie bei der Suche nach Finanzmitteln helfen. Durch<br />
Fortbildungskurse vorbereitet, sollen sie mit lokalen Anlaufstellen der<br />
Freiwilligenarbeit und Kommunen aktiv werden. Ziel der Qualifizierung ist<br />
es, die Teilnehmenden zu eigenständig arbeitenden Engagement-Lotsen<br />
weiterzubilden. 0 Als ein Beispiel können die Projekte Wunschgroßelternvermittlung<br />
in Braunschweig und Hardegsen gesehen werden. Hier<br />
werden mit dem Ziel der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />
Wunschgroßeltern für Kinder, deren Eltern berufstätig sind, vermittelt.<br />
Ehrenamtliche Arbeit ist unverzichtbar und stellt den sozialen Kitt der<br />
Gesellschaft dar.<br />
Angebote im Ehrenamt können auch als Indikatoren für Nachfragepotenziale<br />
Älterer gewertet werden. Für die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> entscheidend<br />
ist die Frage, ob aus gut funktionierenden Angeboten im Ehrenamt auch<br />
tragende Geschäftsideen, z. B. für Existenzgründungen, werden können.<br />
Am Beispiel der so genannten Gesellschaftsdamen zeigt sich die Problematik<br />
besonders gut: Meist sind es SeniorInnen, die sich ehrenamtlich<br />
als GesprächspartnerInnen für ältere Menschen zur Verfügung stellen,<br />
um die Einsamkeit älterer Menschen zu mildern. Im Jahr 2004 machte<br />
sich eine Göttingerin selbstständig und begann als Gesellschaftsdame zu<br />
arbeiten. Nach ihren Erfahrungen gibt es für diese Dienstleistung durchaus<br />
eine Nachfrage. Es gebe vereinsamte Damen, die nicht nur über ausreichend<br />
finanzielle Ressourcen verfügen, sondern auch bereit seien, diese<br />
Dienstleistung zu entlohnen. Nach Aussage der Wolfsburg AG gibt es<br />
für die Etablierung von Gesellschaftsdamen bundesweit eine Reihe von<br />
Initiativen. Mehrfach wurde der Versuch unternommen, die Arbeit zu professionalisieren,<br />
meist mit wenig Erfolg. Sobald die Betreuungsleistung<br />
aber in Rechnung gestellt werde, sinke die Nachfrage.<br />
29 Freiwilligenakademie Niedersachsen, Trygve Heinrichson, Projektleiter, c/o Freiwilligenzentrum<br />
Hannover, Im üstra ServiceCenter City, Karmarschstr. 30–32, 30159 Hannover, Tel. 0511 300344-6, info@<br />
freiwilligenakademie.de, http://www.freiwilligenakademie.de<br />
30 http://www.freiwilligenakademie.de/ELFEN-Curriculum_kurz_Mai.pdf, 31. August 2006<br />
31 http://www.muetterzentrum-braunschweig.de/register_frame.html<br />
32 Cassing, Gerhard (2005): “Generationen-Netzwerk Südniedersachsen. Modellplanung zur generationsübergreifenden<br />
Infrastrukturentwicklung“, S. 120<br />
33 Selbst ein Betrag von zehn Euro pro Betreuungsstunde zuzüglich fünf Euro Anfahrtskosten führte<br />
häufig dazu, dass die Nachfrage einbrach. Nach Beobachtung der Wolfsburg AG waren es häufig die<br />
Älteren selbst, die nicht bereit waren, diese Dienstleistung zu honorieren. Noch häufiger aber waren es<br />
Angehörige, die diesen professionalisierten Ansatz im Keim erstickten.<br />
51<br />
Initiativen für SeniorInnen
exkurs:<br />
meHrgeneratIonen-<br />
Häuser<br />
Dieses Beispiel zeigt, dass es zwischen ehrenamtlicher und bezahlter<br />
Arbeit ein Spannungsverhältnis gibt. Potenziell besteht immer die Gefahr,<br />
dass ehrenamtliche Arbeit bezahlte Arbeit verdrängt. Das gilt insbesondere<br />
auch deshalb, weil ehrenamtliche Arbeit häufig kompetent und professionell<br />
geleistet wird. Aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive können sich<br />
allerdings beide Sektoren gut ergänzen, um die Anpassungsfähigkeit an<br />
den demographischen Wandel zu verbessern.<br />
In der Regel wird ehrenamtliche Arbeit nur von denjenigen geleistet, die<br />
über ein Einkommen verfügen – aus Vermögen oder aus der Berufstätigkeit<br />
des Ehepartners. Wer keine bezahlte Arbeit findet, ist in der Regel nicht<br />
bereit, ehrenamtliche Arbeit zu leisten. Ehrenamtliche Arbeit ist somit<br />
beschäftigungspolitisch weitgehend neutral.<br />
Wenn aber durch die ehrenamtliche Arbeit die Anpassungsfähigkeit des<br />
Standortes verbessert und er somit gestärkt wird, kann ehrenamtliche<br />
Arbeit einen Beitrag zur Sicherung der Bevölkerungszahlen und somit<br />
ein Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten. Mittelbar kann sie damit<br />
auch zur Beschäftigungssicherung bzw. zum Beschäftigungsausbau<br />
beitragen.<br />
„Dialog kann nicht gelingen, wenn sich die Altersgruppe in verschiedenen<br />
Häusern treffen. Deswegen sollten wir mal intensiver über<br />
Mehr-Generationen-Häuser nachdenken.“ (Hann. Münden)<br />
„Dass die Kontakte untereinander nicht immer so gut sind, wissen wir.<br />
Das soll u. a. durch Mehrgenerationenhäuser aufgebrochen werden.“<br />
(Rosdorf)<br />
„Ich habe früher im ASC für Senioren gearbeitet. Bei mir in der Gegend<br />
sterben die Männer alle weg. Ich lade oft Frauen zum Kaffeetrinken ein,<br />
die Leute wollen miteinander reden. Es müsste mehr Möglichkeiten<br />
zur persönlichen Begegnung geben.“ (Rosdorf)<br />
„Das Treffen mit anderen ist wichtig, um das Alleinsein zu unterbrechen.<br />
Frage mich, wie kann man das Alleinsein älterer Menschen<br />
unterbinden?” (Göttingen)<br />
Die Landesregierung startete 2003 das Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser.<br />
Zielsetzung der Mehrgenerationenhäuser ist es, die Begegnung<br />
und Kommunikation der Generationen fördern. Diese Einrichtungen sind<br />
offene Tagestreffpunkte für Jung und Alt, in denen vielfältige Aktivitäten<br />
und Serviceangebote möglich sind. Es handelt sich dabei aber nicht um<br />
Wohnprojekte. Der Bund hat dieses Programm 2006 übernommen und bis<br />
2010 sollen in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt Mehrgenerationenhäuser<br />
entstehen, die jährlich mit 40.000 Euro aus Bundesmitteln für<br />
52
einen Zeitraum von maximal fünf Jahren gefördert werden. Die Bundesregierung<br />
will dadurch die Begegnung, Kommunikation und Zusammenhalt<br />
der Generationen untereinander mit Mehrgenerationenhäusern als<br />
Familien unterstützende Zentren fördern. Mehrgenerationenhäuser sollen<br />
bürgerschaftliches Engagement erschließen, Zusammenhalt erfahrbar<br />
machen und Alltagskompetenzen und Erziehungswissen weitergeben.<br />
Der wechselseitige Austausch von Wissen und Erfahrung soll u. a. junge<br />
Eltern in ihrer Erziehungskompetenz stärken und älteren Menschen die<br />
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtern.<br />
34 Entwurf einer Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Sachverständigenkommission<br />
für den 5. Altenbericht, S. 27<br />
53<br />
Initiativen für SeniorInnen
egrIffsbestImmung<br />
6 senIorenWIrtschaft<br />
Idee und Konzept einer eigenständigen “<strong>Seniorenwirtschaft</strong>“ sind in der<br />
Bundesrepublik noch jung. Zwar hat es bereits in den 70er-Jahren des<br />
vergangenen Jahrhunderts erste zaghafte Versuche gegeben, den bereits<br />
damals so benannten “Seniorenmarkt“ systematisch in den Blick zu nehmen<br />
und auch wissenschaftlich zu erkunden. Die Bemühungen blieben<br />
jedoch zum einen wegen des zu geringen Interesses der Wirtschaft und<br />
zum anderen wegen fehlender ökonomischer Potenziale der Älteren zu<br />
dieser Zeit de facto erfolglos (Altenbericht, S. 234). Seit Beginn der 80er-<br />
Jahre lässt sich eine langsame Entdeckung des „Seniorenmarktes“ erkennen,<br />
was sich u. a. am Beispiel der kommerziellen Werbung verdeutlichen<br />
lässt: Waren in den 70er- und frühen 80er-Jahren ältere Menschen vor<br />
allem Objekt der pharmazeutisch ausgerichteten Werbebotschaften, so<br />
hat sich seither das Bild zunehmend gewandelt. Heute findet man ältere<br />
Menschen als Werbeträger für zahlreiche Konsumgüter und Dienstleistungsangebote.<br />
Für die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Stadt und Landkreis Göttingen<br />
werden hiermit folgende Oberziele definiert:<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
Verbesserung der gesellschaftlichen Anerkennung von SeniorInnen,<br />
Erhalt der Selbstständigkeit bis ins hohe Alter,<br />
Impulse für die Regionalentwicklung,<br />
Beschäftigungsförderung für die Gruppe 50plus.<br />
Mit <strong>Seniorenwirtschaft</strong> ist der Teil der Wirtschaft gemeint, der sich systematisch<br />
mit den Bedürfnissen und Konsumwünschen älterer Menschen<br />
beschäftigt und neue und/oder angepasste Produkte und Dienstleistungen<br />
anbietet. Hauptbranchen sind Bildung/Freizeit/Tourismus, Ernährungswirtschaft,<br />
Wohnen/Dienstleistungswirtschaft, Transport, Handwerk sowie<br />
Medizin/Gesundheit/Pflege. Ebenso wie in anderen Regionen sind in Stadt<br />
und Landkreis Göttingen Idee und Konzept einer eigenständigen <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
noch relativ jung. Auf europäischer Ebene macht sich das SEN@<br />
ER – <strong>Seniorenwirtschaft</strong> Netzwerk Europäischer Regionen dafür stark, im<br />
demographischen Wandel eine wirtschaftliche Chance zu sehen.<br />
Im Jahre 2003 betrugen die Ausgaben der Haushalte von Menschen über<br />
60 Jahre 308 Milliarden Euro, das ist fast ein Drittel der Gesamtausgaben<br />
für den privaten Verbrauch in Höhe von 987 Milliarden Euro. Die SeniorInnen<br />
haben also als Konsumentengruppe eine enorme Bedeutung.<br />
Obwohl sich die Marktforschung schon lange mit der demographischen<br />
Alterung befasst, gibt es nur wenige greifbare Praxiskonzepte. Das traditionelle<br />
Seniorenbild wandelt sich zum aktiven und genussorientierten<br />
Senior, der über hohe Zeit- und Kaufkraftressourcen verfügt. Studien ergaben,<br />
dass die älteren Konsumenten dabei vor allem auf intensive und<br />
privilegierte Kundenbeziehungen sowie auf Service und Qualität setzen.<br />
Gleichzeitig sind Senioren firmen- und markentreue Kunden. Befragungen<br />
renommierter Institute zeigen, dass Senioren vor allem Klarheit in der<br />
35 Sprich: sien’äter<br />
54
Kommunikation erwarten. Derzeit empfindet sich diese Zielgruppe als zu<br />
wenig “beworben“, da Werbemaßnahmen zu stark auf junge Zielgruppen<br />
fokussieren.<br />
Gerade für Ältere gibt es jedoch noch immer Hindernisse im Umgang mit<br />
Produkten. Hersteller sind sich oftmals der spezifischen Interessen und<br />
Anliegen der älteren Generation nicht ausreichend bewusst. Die Bemühungen<br />
der Wirtschaft, den wachsenden, in wenigen Jahrzehnten riesigen<br />
Markt zu bearbeiten, sind bislang bestenfalls in Ansätzen auszumachen.<br />
Wenn aber Industrie, Handel und Dienstleister nicht lernen, stärker auf<br />
die Wünsche und Bedürfnisse der älteren Menschen einzugehen, werden<br />
sie auf einem wichtigen Markt das Nachsehen haben.<br />
Dabei geht es gar nicht mal nur um die ältere Generation. Auch Jüngere<br />
ärgern sich häufig über schwierig zu öffnende Verpackungen, schlecht<br />
lesbare Hinweise, unverständliche Bedienungsanleitungen. Unter dem<br />
Stichwort <strong>Seniorenwirtschaft</strong> eröffnen sich große Marktchancen, mit intelligenten<br />
Produkten und Dienstleistungen eine generationenübergreifende<br />
Kundschaft zu gewinnen.<br />
Auch im aktuellen Altenbericht für die Bundesregierung wird die <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
als Impulsgeber für Wachstum und Beschäftigung verstanden.<br />
Untersuchungen, beispielsweise die Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse<br />
(AWA) des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) oder<br />
der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zeigen, dass es sich bei der<br />
älteren Generation ab 70 um eine interessante Zielgruppe handelt, die<br />
im Vergleich zu früheren Generationen ökonomisch interessanter, aktiver<br />
und meist länger gesund, aber auch sehr heterogen ist. Japan und auch<br />
die USA gelten als Länder, in denen die Einstellung der Wirtschaft auf<br />
die älter werdende Kundschaft mit am weitesten fortgeschritten ist. Ein<br />
funktionierender und ausreichender Seniorenmarkt ist eine Voraussetzung<br />
dafür, dass es zu einem „aktiven Altern“ im Sinne des Paradigmas der<br />
Weltgesundheitsorganisation von 2002 kommen kann.<br />
Unter dem Begriff <strong>Seniorenwirtschaft</strong> werden also spezifische Handlungsansätze<br />
konkretisiert und in Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten<br />
Partnern so umgesetzt, dass das Angebot an altenorientierten und altengerechten<br />
Produkten und Dienstleistungen nachhaltig verbessert wird. Zentrales<br />
Anliegen der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> ist es, die Lebenssituation älterer<br />
BürgerInnen nachhaltig zu verbessern, den Stellenwert der SeniorInnen<br />
ab 70 Jahren als souveräne und qualitativ wie quantitativ bedeutsame gesellschaftliche<br />
Gruppe der Volkswirtschaft darzustellen und zu verbreiten<br />
sowie Unternehmen und andere Einrichtungen zu einer Ausweitung ihres<br />
Produkt- und Dienstleistungsangebotes für ältere Menschen anzuregen.<br />
Im Rahmen des Projektes “50plus – Erfahrung zählt!“ macht die Regionalanalyse<br />
detaillierte Aussagen zur Kaufkraft der BewohnerInnen von Stadt<br />
und Landkreis Göttingen. Sie differenziert dabei auch nach Altersstufen.<br />
Das Durchschnittseinkommen aller Steuerpflichtigen des Untersuchungsraumes<br />
liegt im statistischen Mittel des Landes. Landesweit betrug das<br />
Bruttodurchschnittseinkommen der Steuerpflichtigen im Jahr 2001 knapp<br />
36 DSSW-Studie, S. 4<br />
55<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
kaufkraft von<br />
senIoren
Abbildung 11: Einkommensver-<br />
teilung der über 50-jährigen im<br />
Landkreis Göttingen<br />
Quelle: eigene Berechnung auf<br />
Basis von Daten des NLS und<br />
GEROSTAT<br />
32.300 Euro im Jahr. Dabei reicht die Spanne der Durchschnittseinkommen<br />
zwischen den einzelnen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten von<br />
rund 20.400 bis 62.500 Euro. Das Durchschnittseinkommen im Landkreis<br />
Göttingen lag zwischen 32.000 und 34.000 Euro. Es gibt Unterschiede zwischen<br />
den Kommunen. Göttingens direkte Nachbargemeinden Gleichen,<br />
Rosdorf und Dransfeld bewegen sich bis auf wenige Ausnahmen in der<br />
gleichen statistischen Einkommensstufe wie die Universitätsstadt. Mit<br />
einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 36.000 bis 38.000 Euro<br />
liegt Bovenden innerhalb des Landkreises vorn. Die Stadt Göttingen wurde<br />
in die mittlere von neun Kategorien für Einkommen zwischen 32.000 und<br />
34.000 Euro eingestuft. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die über<br />
50-Jährigen jetzt auch zur Generation der Erben der Aufbaugeneration<br />
gehören.<br />
Nach Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel weist der Seniorenmarkt derzeit<br />
Ähnlichkeiten mit dem Markt in der Nachkriegszeit auf. Die Nachfrage sei<br />
vorhanden, aber die Produkte fehlten. Diese Bewertung erscheint viel zu<br />
weitgehend: In der Nachkriegszeit fehlte es an elementaren Gütern und<br />
Dienstleistungen. Dieser Nachholbedarf ist in der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
derzeit bestenfalls in einigen Teilsegmenten erkennbar. Meyer-Hentschel/<br />
Meyer-Hentschel ist deshalb nur insofern zuzustimmen, als der Markt<br />
für Senioren derzeit Chancen bietet, die auf anderen Teilmärkten zu den<br />
großen Ausnahmen gehören.<br />
Nach der Erhebung des Landesamtes für Statistik von 2001 wurden die<br />
höchsten Durchschnittseinkommen in Niedersachsen vor allem im Umland<br />
der Städte Hannover, Braunschweig und Wolfsburg sowie Hamburg oder<br />
Bremen festgestellt. In den Ballungszentren selbst waren die Einkommen<br />
pro Haushalt etwas niedriger. Die Statistiker führen diesen Effekt auf die<br />
Arbeitsmarktsituation zurück. Danach gibt es in Großstädten zwar mehr<br />
und besser bezahlte Arbeitsplätze, aber viele Familien wohnen lieber im<br />
Umland. Im Landkreis Göttingen scheint dies nicht so deutlich ausgeprägt<br />
zu sein, die in etwa dem Landesdurchschnitt entspricht. Zur Einschätzung<br />
des Kaufkraftpotenzials können auch die Pro-Kopf-Einkommen herangezogen<br />
werden. Diese liegen im Landkreis Göttingen bei 10.875 Euro<br />
pro Jahr. Damit liegt es deutlich unter dem Durchschnitt des Landes<br />
Niedersachsen (12.697 Euro) und des Bundes (11.727 Euro). Wie sich die<br />
Kaufkraft anteilsmäßig innerhalb der Altersgruppe der über 50-Jährigen<br />
verteilt, zeigt folgendes Diagramm:<br />
37 NLS 2001<br />
38 “Seniorenmarketing 2006/2007”, Edition Horizont 2006, S. 16<br />
39 Daten NIW, Bezugsjahr 2005 (vgl. Regionalanalyse)<br />
56
Das Gesamteinkommen der Bewohnerinnen und Bewohner des Landkreises<br />
einschließlich der Stadt Göttingen beläuft sich auf 4,46 Mrd. Euro<br />
– pro Person 17.000 Euro pro Jahr. Nach Berechnungen der Gesellschaft<br />
für Konsumforschung (GfK), Nürnberg, beläuft sich der jährliche Einzelhandelsumsatz<br />
im Landkreis Göttingen auf 1,47 Mrd. Euro. 23 Prozent aller<br />
Bewohnerinnen und Bewohner des Landkreises haben das 60. Lebensjahr<br />
überschritten. Sie verfügen über eine Einzelhandelsnachfrage von über<br />
320 Mio. Euro. Allein die Rentenbezüge aller Rentnerinnen und Rentner<br />
in Stadt und Landkreis Göttingen belaufen sich auf 458 Mio. Euro jährlich.<br />
In diesem Betrag sind Einkommen aus Vermögen (Mieten, Zinsen,<br />
Dividenden) noch nicht einmal enthalten.<br />
Die Ausgaben der Haushalte von Menschen im Alter von 60 Jahren und<br />
darüber machten im Jahr 2003 mit 308 Mrd. Euro fast ein Drittel der Gesamtausgaben<br />
für den privaten Verbrauch in Deutschland aus. Nach einer<br />
Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist<br />
die Konsumquote der Personen zwischen 65 und 75 Jahren mit 84 die<br />
höchste aller Altersgruppen. Die DIW-Forscher gehen davon aus, dass sich<br />
der Anteil von Haushalten der über 75-Jährigen bis zum Jahr 2050 verdoppeln<br />
wird. Die altersspezifischen Ausgaben werden nach Einschätzung des<br />
DIW künftig zunehmen. Dazu gehören Waren und Dienstleistungen für die<br />
Gesundheits-, Unterhaltungs- und Freizeitbranche. Auch Pharmaindustrie,<br />
Medizintechnik und die Ausstatter von Gesundheitsdiensten erwarten eine<br />
höhere Nachfrage. Ebenso steigen bei älteren Menschen in der Regel die<br />
Ausgaben für die Bereiche Energie und Wohnen.<br />
Momentan richten sich viele Unternehmen darauf ein, sich im Produktbereich<br />
auf die Ansprüche von SeniorInnen einzustellen. Wesentlich langsamer<br />
verläuft der Prozess bei den Dienstleistern. Ein Grund könnte darin<br />
liegen, dass die Generation der heutigen SeniorInnen selten dazu bereit<br />
ist, für zusätzliche altersspezifische Dienstleistungen wie die Gartenpflege<br />
zu bezahlen. Dies kann sich ändern, wenn die Generation der heutigen<br />
Doppelverdiener ins Rentenalter kommt.<br />
Eine Vielzahl neuerer Studien weist darauf hin, dass mit der heutigen<br />
Seniorengeneration eine neue Verbraucherzielgruppe herangewachsen<br />
ist, die mit der bisherigen Kriegs- und Nachkriegsgeneration nur noch<br />
wenig gemeinsam hat. Die heutigen Senioren werden zwar von der Lebenserwartung<br />
her immer älter, von ihren Einstellungen her aber immer<br />
jünger. Ein erstes Indiz für die immer jünger werdenden Senioren ist der<br />
Wandel bei den Wertvorstellungen: Traditionelle Werte wie Sparsamkeit,<br />
Bescheidenheit und Genügsamkeit verlieren bei den „nachwachsenden“<br />
Senioren zunehmend an Bedeutung, und moderne Werte wie Toleranz,<br />
Aufgeschlossenheit und Unabhängigkeit werden immer wichtiger.<br />
Ein zweites Indiz für die immer jünger werdenden SeniorInnen sind deren<br />
Einstellungen zum Kauf und Konsum. Die Senioren von heute definieren<br />
sich weniger über das Lebensalter, sondern über ihre psychische Verfassung,<br />
über ihre Lebenseinstellung und ihr Konsumverhalten. Es gilt<br />
unterschiedliche Verbrauchergruppen bei den über 50-Jährigen zu differenzieren,<br />
über die Marketingexperten Bescheid wissen müssen, wenn<br />
57<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
senIoren-<br />
marketIng<br />
sie seniorengerechte Produkte anbieten und adäquat bewerben und damit<br />
das Marktpotenzial der heutigen Seniorengeneration erschließen wollen,<br />
oder wenn sie auch nur im Dialog mit der Zielgruppe bleiben wollen.<br />
Die gesamte Generation über 50 wird in den kommenden Jahrzehnten<br />
zur wichtigsten Gruppe von Konsumenten in Deutschland. Das Zentrum<br />
der Gesellschaft wird bis dahin längst jenseits der 14- bis 49-Jährigen<br />
liegen, die von der Wirtschaft bisher besonders umworben worden sind.<br />
Durch die langjährige Konsumflaute und die öffentliche Diskussion ist den<br />
Unternehmen bewusst geworden, dass sie zunehmend vom Konsumverhalten<br />
der Generation 50plus abhängig werden. Die über 50-Jährigen<br />
disponieren über mehr als die Hälfte der Kaufkraft und des Geldvermögens<br />
in Deutschland. Sie kaufen 45 Prozent aller Neuwagen, 50 Prozent aller<br />
Gesichtspflegemittel und buchen 35 Prozent aller Pauschalreisen. 0<br />
„In der Werbung werden die Senioren manchmal wie Bekloppte dargestellt.“<br />
(Rosdorf)<br />
„In der Werbung wird doch gar nicht mehr deutsch gesprochen. Wir<br />
werden vom Denglisch überflutet. Das Wort von den No-Go-Areas<br />
ist doch schon wieder ein neuer Begriff, der über uns hereinbricht.“<br />
(Rosdorf)<br />
„Das Englische stört mich nicht. Und die Zeitung berichtet doch jetzt<br />
sehr viel über Senioren. Neulich wurde über einen Besuch von Senioren<br />
bei der Telekom berichtet zum Thema Handy-Nutzung, das war<br />
sehr gut.“ (Rosdorf)<br />
„Den Aspekt der Sprache sollte man nicht dramatisieren, das ist doch<br />
eine Modeerscheinung, die auch wieder verschwinden wird. Schließlich<br />
haben die Deutschen mit der Anglisierung als Erste begonnen. Viele<br />
junge Menschen nutzen englische Begriffe, ohne sie zu verstehen. Das<br />
Wort Outdoor-Jacke kann doch kaum jemand übersetzen.“ (Rosdorf)<br />
„Wir sind mit der deutschen Sprache groß geworden und sollen nun<br />
Denglisch lernen, das ist doch unmöglich.“ (Rosdorf)<br />
„Cityshoppingboulevard ist auch so ein scheußliches Wort. Ich bin bislang<br />
noch nicht shoppen gegangen, ich habe immer noch eingekauft.<br />
Outdoor-Kleidung und Coffee-Shop, es gibt viele dieser fürchterlichen<br />
Worte.“ (Rosdorf)<br />
Als zentrale Funktion der Betriebswirtschaftslehre bietet das Marketing<br />
Unternehmen und Organisationen einen systematischen Ansatz, um Entscheidungen<br />
markt- und kundenorientiert zu treffen. Alle Maßnahmen, die<br />
diesem Ziel untergeordnet sind, können je nach Ansatz auch auf indirekt<br />
marktrelevante Bereiche eines Unternehmens ausgeweitet werden. Marketing<br />
wird daher auch als Unternehmensprozess verstanden, bei dem<br />
40 Frischer Wind. Die Macht der jung gebliebenen Alten; in: Wirtschaftswoche Nr. 28/2006, S. 51<br />
58
ein Unternehmen Absätze planmäßig vorbereitet, durchführt und sichert.<br />
Zum Marketing gehört auch, neue Märkte zu erschließen und vorhandene<br />
Märkte zu erweitern.<br />
SeniorInnen werden häufig identifiziert mit dem Bild hilfsbedürftiger älterer<br />
Menschen, die sich mit vielen Handicaps auseinandersetzen müssen. Die<br />
Realität sieht ganz anders aus. Selbst bei den über 85-Jährigen bestreiten<br />
mehr als zwei Drittel ihren Alltag selbstständig, sind als Verbraucher aktiv<br />
und möchten wie Jüngere am Leben teilhaben. Andererseits wird das<br />
Image des “superaktiven“ genießenden Senioren transportiert, der in der<br />
Werbung durch Luftsprünge eines älteren Herrn symbolisiert wird. Ältere<br />
Menschen lehnen solche Werbebilder in der Regel ab.<br />
Die Kaufkraft der Älteren hat es sich Schritt für Schritt zur Nummer eins<br />
entwickelt. Konsumfreude älterer Personen wird in der Literatur auch als<br />
„eine neue Lust in reifer Schale“ bezeichnet. Die Entdeckung der neuen<br />
Konsumentengruppen setzt jedoch eine differenzierte Auseinandersetzung<br />
mit ihrer Lebenswirklichkeit und ihren Wünschen voraus. Noch im Jahr<br />
1992 stimmten nur 26 Prozent der 50- bis 75-Jährigen der Aussage zu:<br />
„Ich mache mir lieber ein schönes Leben, anstatt immer mehr zu sparen.“<br />
Zehn Jahre später hatte sich dieser Anteil verdoppelt. Selbstbewusstsein<br />
ist dabei ein zentraler Wert. Viele Vertreter der Generation 50plus – der<br />
SeniorInnengeneration von morgen – glauben, dass sie es sich verdient<br />
haben, gut zu leben. Aus ihrer Lebenserfahrung heraus bewegen sie<br />
sich sicher und überlegt. Sie haben gelernt, mit Geld umzugehen. Sie<br />
wissen, wo man günstig einkauft, aber auch, wo die Selbstverwöhnung<br />
kostspieliger ist. Viele der Älteren haben gelernt, mit Werbesprüchen<br />
umzugehen. Sie wissen auch, wer es ist, der ihnen ihre Wünsche vermeintlich<br />
von den Augen abliest. Doch es ist problematisch, Zielgruppen<br />
ausschließlich demographisch zu definieren. Vielmehr muss auch die<br />
Psychographie bemüht werden. In einer nahezu altersfreien Gesellschaft<br />
zählen insbesondere die Lebenseinstellung der Zielgruppen, ihr Lebensstil,<br />
ihre Gewohnheiten, ihre Vorlieben und ihre Vorurteile. Veigel spricht von<br />
einer Generation, die älter wird, ohne zu altern. Marketingfachleute unterscheiden<br />
deshalb zwischen wirklichem, erscheinendem und gefühltem<br />
Alter (real age, look age und feel age).<br />
Festzuhalten ist, dass der Markt für SeniorInnen derzeit Chancen bietet,<br />
die auf anderen Teilmärkten zu den großen Ausnahmen gehören. Wie<br />
unten im Einzelnen dargelegt wird, gibt es in einzelnen Marktsegmenten<br />
in Stadt und Landkreis Göttingen Angebotsdefizite. Folgender Aussage<br />
von Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel ist zuzustimmen: Die wachsende<br />
Zahl älterer Menschen ändert die Spielregeln auf vielen Märkten. Das gilt<br />
insbesondere für kundenbetriebene Märkte. Unternehmen, denen die Sensibilität<br />
für diese Änderungen fehlt, werden schwierige Zeiten erleben.<br />
41 Ulrich Veigel (CEO Grey Worldwide GmbH) während des Fachkongresses “Zukunftsmarkt 60plus“<br />
– Konsum- und Verbraucherschutz in einer älter werdenden Gesellschaft“ am 29. Mai 2006 in Bonn<br />
42 Bernd M. Michael (CEO der Grey Global Group Europe, Middeleast and Africa) auf derselben Veranstaltung<br />
43 „Warum ignoriert das Marketing die reichste Generation aller Zeiten – die 50plus-Generation“, in:<br />
Jahrbuch „Seniorenmarketing 2006/2007“, Meyer-Hentschel, Meyer-Hentschel (Hrsg.)<br />
44 Ulrich Veigel (CEO Grey Worldwide GmbH) während des Fachkongresses “Zukunftsmarkt 60plus“<br />
– Konsum- und Verbraucherschutz in einer älter werdenden Gesellschaft“ am 29. Mai 2006 in Bonn<br />
59<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Die Befriedigung dieser Konsumbedürfnisse ist unternehmerische Aufgabe<br />
und deutlich von der traditionellen Altenhilfe als öffentliche Aufgabe abzugrenzen.<br />
Die verstärkte Beachtung und Aktivierung der wirtschaftlichen<br />
Nachfrage- und Kaufkraftpotenziale kann auch als eine gesellschaftliche<br />
Aufgabe der Wirtschaft gesehen werden, für dessen Erfüllung der Staat<br />
oder die Kommune möglichst günstige Rahmenbedingungen schaffen<br />
kann. Die Kommunen können vor allem in Kooperation mit der Wirtschaft<br />
daran arbeiten, dass sich das Bild des Alter(n)s verändert und im Bereich<br />
der Produkte und Dienstleistungen keine Altersdiskriminierung vollzieht.<br />
Der Begriff der “<strong>Seniorenwirtschaft</strong>“ setzt sich mit diesen wirtschaftlichen<br />
Gestaltungsherausforderungen und Wachstumsperspektiven einer alternden<br />
Gesellschaft auseinander. Im Gegensatz zu den Akteuren in der<br />
Altenhilfeplanung (Städte und Gemeinden, Kirchen, Wohlfahrtsverbände,<br />
Erwachsenenbildung, etc.) gibt es im Handlungsfeld der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Akteure, die man bislang nicht mit dem Begriff der Senioren in<br />
Verbindung gebracht hat: Industrieunternehmen, Unternehmensverbände<br />
(z. B. Tourismus, Wohnungswirtschaft), Kammern oder auch Gewerkschaften.<br />
Produktpolitik/Konzeption<br />
„Warum eigentlich seniorengerechte Produkte? Warum werden die<br />
Produkte nicht ganz normal und massenweise, also auch preiswert, im<br />
Supermarkt angeboten? Ich will den Dosenöffner nicht als Ergotherapie-<br />
Produkt im Orthopädie-Fachgeschäft kaufen!“ (Göttingen)<br />
Aufgabe der vorliegenden Studie ist es nicht, die Seniorengerechtigkeit<br />
von Produkten zu analysieren. Sie will gleichwohl deutlich machen, dass<br />
sich viele Hersteller mit der Frage der Seniorengerechtigkeit beschäftigen;<br />
inzwischen ist eine große Vielfalt an Produkten auf dem Markt.<br />
Beispielsweise die Otto Bock Health Care als Weltmarktführer in der<br />
Orthopädietechnik, die Produkte gezielt für den Markt der SeniorInnen<br />
entwickelt, die unter Diabetes, Osteoporose sowie Gefäß- oder Atemwegserkrankungen<br />
leiden. Das Unternehmen entwickelt Medizintechnikprodukte,<br />
die zur Wundversorgung sowie zur Beatmungstherapie eingesetzt<br />
werden. Aber auch Mobilitätshilfen wie Elektromobile und Rollstühle und<br />
Pflegehilfsmittel im Heimbereich gehören in das Produktportfolio. Dass<br />
die SeniorInnen mit sinkenden Zuzahlungen der Krankenkassen rechnen<br />
müssen, ist zunächst ein Problem für die Patienten – es ist aber auch eine<br />
Herausforderung für die weitere Unternehmensentwicklung.<br />
Doch die Defizite im Angebot sind unübersehbar. Viele Anbieter erkennen<br />
nicht, dass die mit steigendem Alter auftretenden Probleme mit den Augen<br />
und dem Gehör, verringerte Kraft, Beweglichkeit und Geschicklichkeit<br />
sich auch in anderen Bedürfnissen niederschlagen. Andererseits entsteht<br />
zuweilen der Eindruck, dass die meisten Produkte eher für behinderte<br />
Senioren entwickelt wurden.<br />
So fordert das Institut für Arbeit und Technik, die Konsumartikelhersteller<br />
müssten sich stärker an den Wünschen Älterer orientieren. Mit maßgeschneiderten<br />
Angeboten könne die Kauflust älterer Menschen gesteigert<br />
60
werden. Ältere Kunden seien besonders kritisch und erwarteten gute<br />
Qualität. Als Konsumenten hätten sie langjährige Erfahrung: „Dieser Zielgruppe<br />
kann man nichts vormachen. Die Menschen sind gut informiert<br />
und wollen nicht als Dumme behandelt werden.“<br />
Nach neueren Marktforschungsstudien haben viele Unternehmen immer<br />
noch Schwierigkeiten, für die ältere Generation die richtige Produktstrategie<br />
zu finden. Vielfach wird das Flickwerk der Lösungen kritisiert.<br />
Manche Seniorenprodukte können als Beleidigung für die Intelligenz der<br />
Älteren aufgefasst werden – mehr noch: Sie kommen nicht selten mit<br />
“Krüppel-Design“ daher. Es fehlt bei der Entwicklung konkreter Produkte<br />
eben noch immer an Kreativität. Die Bedürfnisse der SeniorInnen werden<br />
nicht ausreichend untersucht. So liegt das Durchschnittsalter der Harley<br />
Davidson-Käufer bei 58 Jahren – und das meist georderte Extra ist die<br />
Sitzheizung.<br />
Vor der Herausforderung, bessere Produkte für Alt und Jung zu konzipieren<br />
und sie gut zu vermarkten, stehen alle Branchen. Dabei profitieren<br />
einige Branchen und ihre Unternehmen besonders vom demographischen<br />
Wandel. Das gilt insbesondere für Hersteller von Produkten aus dem<br />
Gesundheitswesen sowie der Medizintechnik, wie die Elektrokonzerne<br />
Siemens und Philipps oder das große mittelständischen Unternehmen<br />
Otto Bock in Duderstadt. Auch die Pharma- und die Nahrungsmittelindustrie<br />
werden die Gewinner sein. Gute Marktchancen haben auch die<br />
Hersteller von so genannter weißer Ware wie Herde, Kühlschränke und<br />
Waschmaschinen.<br />
Fertigkost ist für viele SeniorInnen attraktiv. Sie haben das höchste Risiko<br />
für Krankheiten und gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Gesundheitsprobleme<br />
hängen häufig direkt oder indirekt mit der Ernährung zusammen.<br />
Zu beobachten sind ein veränderter Nährstoffbedarf und veränderte Essgewohnheiten.<br />
Durch gesenkten Energiebedarf bei gleichbleibendem Bedarf<br />
an Nährstoffen wie Vitaminen und Spurenelementen kommt es oft zur<br />
Mangelversorgung. Deshalb müssen seniorengerechte Portionen kleiner<br />
und kalorienärmer sein, aber mehr Nährstoffe aufweisen. Bei der Produktpalette<br />
ist zu beachten, dass SeniorInnen aufgrund der biologischen<br />
Veränderungen mit zunehmendem Alter andere Bedürfnisse haben. Die<br />
Produkte sollten darauf abgestimmt sein und weniger Salz, Fett, Zucker<br />
etc. enthalten, ohne dabei an Qualität oder Geschmack zu verlieren.<br />
Auch der eher für die jüngeren Zielgruppen produzierende Sportartikelhersteller<br />
Adidas wendet sich an SeniorInnen. Aber nicht mit einem<br />
Schuh für rheuma- oder anderweitig geplagte Füße: Adidas registrierte<br />
die Beliebtheit des als Gelenk schonend geltenden Walking unter Älteren<br />
und entwickelte schon für die Herbstkollektion 2003 den ersten speziellen<br />
Walking-Schuh.<br />
Auch die Möbelhersteller nutzen die Chancen durch die wachsende<br />
Käuferschicht der Generation 50plus. Nach einer Untersuchung des Statistischen<br />
Bundesamtes geben die Senioren über 70 rund 40 Prozent ihres<br />
Einkommen für Wohnen aus, die jüngere Generation nur 30 Prozent. Von<br />
45 Hanne Meyer-Hentschel, ebd.<br />
61<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
der Kauflust der älteren Generation profitieren die klassischen Möbelhersteller.<br />
Manche Designermarken ignorieren die spezifischen Bedürfnisse<br />
der Älteren und gehen keine Kompromisse ein. Die Billigmöbelbauer<br />
entsprechen oft nicht den Qualitätsanforderungen der Älteren.<br />
Zu den seniorengerechten Produkten gehören außerdem Flachbildschirme<br />
sowie spezielle Flaschen- und Dosenöffner, Senioren-Portemonnaies,<br />
Greifarme, Knopf-Annähhilfen, Knopfschließer, Knietische, Rückenkratzer,<br />
Sicherheitslöffel, Rillenbecher, Anti-Rutsch-Tabletts, Senioren-Hausschuhe,<br />
Videolupen, TV-Vergrößerer, Lesestäbe, Vergrößerungsblätter, Fernseh-<br />
Spezialbrillen, sprechende Uhren, sprechende Reisewecker, Lastenroller,<br />
Gießarme für die Gartenpflege etc. Inzwischen gibt es bundesweit eine<br />
riesige Bandbreite seniorengerechter Produkte.<br />
In der Unterhaltungselektronik sind die Ansätze, intelligent auf die Generation<br />
50plus zuzugehen, eher zaghaft. Computer- und Handyhersteller<br />
sehen durch jahrelange hohe Wachstumsraten keinen Anlass, ihre bisherige<br />
Unternehmensstrategie zu ändern und auch Produkte für bestimmte<br />
Zielgruppen, wie die Generation 50plus zu entwickeln. Da Handys und<br />
Computer zur Grundausstattung jedes Haushalts gehören, ändert sich die<br />
Produktstrategie der Unternehmen langsam. So hat der Computerhersteller<br />
Fujitsu Siemens im Mai 2006 den Simplico auf den Markt gebracht und<br />
ihn als revolutionär einfachen PC bezeichnet, den jeder versteht. Leichte<br />
Bedienbarkeit, gute Lesbarkeit und mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnete<br />
Menüführung sollen dafür sorgen, dass die ältere Generation<br />
ihre Berührungsängste gegenüber der neuen Technik ablegen. Letztlich<br />
ist eine einfache Bedienung nicht nur für die Zielgruppe 50plus wichtig,<br />
sondern für jede Zielgruppe. Selbst in der Gruppe der über 60-Jährigen<br />
halten 61 Prozent Navigationsgeräte in Autos für sinnvoll. Nach Angaben<br />
von Georg Fuhrmann von der Abteilung Unternehmensentwicklung der<br />
Metro AG gab es Überraschungen bei der Nutzung von Self-Scanning-<br />
Kassen. Viele Ältere waren bereit, sich mit dieser neuen Technologie<br />
auseinander zu setzen.<br />
Der Mobilfunkbetreiber Vodafone und sein Kooperationspartner Vitaphone<br />
haben inzwischen das erste Handy auf den Markt gebracht, das<br />
sich auf die wesentlichen Funktionen beschränkt. Das Handy besitzt nur<br />
drei Tasten und eine Freisprecheinrichtung. Über die rote Notruftaste<br />
wird sofort zu dem rund um die Uhr besetzten Vitaphone-Service-Center<br />
verbunden, das im Notfall den Rettungsdienst benachrichtigt. Die gelben<br />
und grünen Tasten können mit den Handy- bzw. Telefonnummer der<br />
Familienangehörigen oder Nachbarn belegt werden. Bisher nutzen nur<br />
5.000 Vodafone-Kunden diesen monatlich 12,45 Euro teuren Service.<br />
Fünf Euro erhält davon Vitaphone. In Japan sind die bunten, modernen<br />
Seniorenhandys bereits Renner.<br />
Zu den interessanten Produkten gehören ein bequemer Duschklappsitz,<br />
der Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit, Behinderten oder<br />
älteren Menschen das Duschbad erleichtert, und ein verstellbarer Bade-<br />
46 Broschüre „Sunnywalz – Das Leben genießen“, Versandhaus Walz GmbH, 88336 Bad Waldsee<br />
47 “Zukunftsmarkt 60plus – Konsum- und Verbraucherschutz in einer älter werdenden Gesellschaft“ am<br />
29. Mai 2006 in Bonn<br />
62
wannensitz, der sich in jede handelsübliche Badewanne sicher einhängen<br />
lässt. Der Sitz benötigt keine festen Einbauten. Ähnlich hilfreich ist auch<br />
ein verstellbarer Toilettensitz.<br />
Eine für Senioren und motorisch beeinträchtigte Menschen entwickelte<br />
ergonomische Sitzliege, die verschiedene Einstiegshöhen und eventuell<br />
klappbare Armlehnen aufweist, ist damit bequem und funktional. Ein<br />
geschlossener TV-Stereo-Kopfhörer mit integriertem Lautstärkeregler im<br />
Kabel, einfach an den Fernseher anschließbar, mit hoher Sprachverständlichkeit<br />
und guter Reproduktion des Fernsehtons bietet mehr Komfort<br />
beim Fernsehen. Das geschlossene Design sorgt für den Hörenden für<br />
eine Dämmung der Umgebungsgeräusche. Am Lautstärkeregler lassen<br />
sich rechter und linker Kanal getrennt auf das Hörvermögen einstellen.<br />
Mobile Hörverstärker unterstützen das Gehör situationsgerecht. Ein leichter<br />
Kinnbügelhörer kann so was wie eine „Lesebrille“ für die Ohren sein:<br />
Immer dann zur Hand, wenn man ihn braucht, hört er auch das „Kleingedruckte“.<br />
Zwei ohrnahe Mikrofone übertragen Stimmen und Geräusche<br />
in Stereoton und ermöglichen so räumliches Hören. Die Lautstärke der<br />
dynamischen Hörersysteme kann individuell und situationsgerecht eingestellt<br />
werden.<br />
Ein Telefon mit Funk-Notrufsystem, zuschaltbarer optischer Signalgebung,<br />
gut greifbarem Hörer und einstellbarer Lautstärke für Hörer, Lautsprecher<br />
und Tonruf erleichtert ebenso das Telefonieren wie eine extra große<br />
Anzeige, die die Rufnummer des Anrufers verrät. Ein Mechanismus, der<br />
Türen automatisch verriegelt, wird inzwischen in viele Häuser eingebaut.<br />
Leuchtdioden zeigen den jeweiligen Betriebszustand an. Ergänzt werden<br />
diese technischen Einrichtungen durch eine Fernsteuerung für Beleuchtung,<br />
die Jalousien und andere Haustechnik wie Licht oder Temperatur<br />
bedienen. Raumspartüren (z. B. eine Schiebetür) verzichten ganz oder<br />
teilweise auf den Drehbereich herkömmlicher Türen, so kann Raum besser<br />
genutzt werden. Ein Liftsystem hebt und senkt fast alle Sitzmöbel und<br />
Betten auf Rollstuhlhöhe, so kann man selbstständig ohne Kraftaufwand<br />
auf ein normales Sitzmöbel und von dort wieder zurück in den Rollstuhl<br />
gelangen.<br />
Körpergerecht geformte Holzstiele ermöglichen Körperbehandlung an<br />
schwer erreichbaren Stellen. Der Anbieter eines Frühstücksbretts, das<br />
sicher und rutschfest auf der Tischplatte steht und verschiedene Utensilien<br />
in Löchern sicher unterbringt, wendet sich nicht nur an ältere Kundinnen<br />
und Kunden. Greifzangen und Haken zum Aufheben von Gegenständen<br />
können Hilfe bieten, Knöpfhilfen ermöglichen das Zuknöpfen von Kleidungsstücken<br />
mit nur einer Hand. Eine ergonomische Schreibhilfe eignet<br />
sich für Menschen, die in Händen und Fingern bewegungseingeschränkt<br />
sind. Der Knauf ist drehbar und lässt sich leicht führen. Mit einem Stechgießer<br />
lassen sich Saft- und Milchtüten einhändig öffnen und entleeren.<br />
Neuerdings sind auch Wecker auf dem Markt, die nicht klingeln, sondern<br />
vibrieren. So kann auch derjenige geweckt werden, der sein Hörgerät<br />
herausgenommen hat und dennoch pünktlich aufstehen will.<br />
63<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Das Projekt “Sentha – Seniorengerechte Technik im häuslichen Alltag“<br />
wurde von einer interdisziplinären Forschergruppe ins Leben gerufen, um<br />
die Bedürfnisse Älterer an Produkte des häuslichen Alltags zu untersuchen.<br />
Es werden auch neue, seniorengerechte Produkte entwickelt (Institut für<br />
Produkt- und Prozessgestaltung der Universität der Künste Berlin – Forschergruppe<br />
sentha). Insbesondere Konzepte, die an der Verbesserung<br />
von Serviceleistungen ansetzen und z. B. dem Wunsch nach besserer<br />
Erreichbarkeit, klarer Orientierung, Kundenberatung, Ruhe an der Kasse<br />
und Einpackhilfen gerecht werden, können auch altersübergreifende<br />
Nutzenvorteile schaffen.<br />
Kommunikationspolitik/Promotion<br />
Viele Produkte – z. B. im Bereich der Unterhaltungselektronik, vom<br />
Computer bis zum Handy – verfügen zwar potenziell über einen hohen<br />
Mehrwert für Senioren, zielgruppenadäquate Produktinformation und Produktgestaltung<br />
erfolgen jedoch nicht ausreichend. Wer seniorengerechte<br />
Produkte vermarkten will, muss sich mit der Frage beschäftigen, wie<br />
ältere Verbraucherinnen und Verbraucher angesprochen werden wollen.<br />
Die Produkte müssen den Bedürfnissen dieser Zielgruppen entsprechen,<br />
dürfen aber nicht seniorengerecht heißen. Insbesondere dürfen sich die<br />
KäuferInnen nicht stigmatisiert fühlen. Gerade die 50- bis 65-Jährigen sehen<br />
sich selbst nicht als “Senioren”. Sie kaufen keine “Seniorenprodukte”,<br />
wollen keine Ghetto-Waren und keine Ghetto-Werbung, so die Erkenntnis<br />
des Zentralverbandes der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Dies gilt<br />
vor allem mehr in Bereichen, in denen sich das Alter noch ignorieren<br />
lässt. Ein Produkt, das als Seniorenware angeboten wird, setzt sich am<br />
Markt nicht durch, wie ein Beispiel aus den USA zeigt. Der Autokonzern<br />
Mercedes hat dort die Modelle seiner neuen R-Klasse als Autos für die<br />
“Empty-Nesters“ angeboten, d. h. für ältere Menschen, deren Kinder flügge<br />
geworden sind. Viele Autohändler beschwerten sich und verlangten,<br />
die Werbung einzustellen. Niemand kaufe ein Auto, mit dem er sich als<br />
Senior zu erkennen gibt.<br />
Viele Produkte wären zwar für SeniorInnen nützlich, eine zielgruppenadäquate<br />
Produktinformation und Produktgestaltung erfolgt jedoch nicht<br />
ausreichend. Die Deutschen Gesellschaft für Gerontotechnik plädiert<br />
deshalb dafür, von benutzergerechten Produkten zu sprechen. Was für<br />
Senioren gut ist, nutzt in aller Regel auch jüngeren Konsumenten. Dies<br />
gilt aber nicht im Umkehrschluss. Produkte, die junge Leute bedienen<br />
können, wie z. B. Handys mit extrem kleinen Knöpfen, sind nicht unbedingt<br />
für Senioren geeignet. Die Deutschen Gesellschaft für Gerontotechnik<br />
bezeichnet deshalb – sprachlich etwas gewagt – Senioren als “Lupe aller<br />
Konsumenten“.<br />
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen beklagt,<br />
dass es eine mangelnde Transparenz über die Vielfalt dieser Produkte<br />
gibt. Außerdem haben viele Ältere Schwierigkeiten, diese Produkte<br />
48 Seniorentag Nordrhein-Westfalen „Altern als Chance“ am 29. Mai 2006 in Bonn, Geschäftsführerin<br />
Martina Koepp<br />
49 Dr. Erika Neubauer Seniorentag Nordrhein-Westfalen „Altern als Chance“ am 29. Mai in Bonn<br />
64
auch zu beziehen. Befragungen haben ergeben, dass nur 28 Prozent der<br />
Unternehmen sich stärker auf die Zielgruppe Älterer einrichten. 0 Dies<br />
hängt mit dem sich nur zögerlich verändernden Altenbild zusammen. Der<br />
Geschäftsführer des Stadtmarketings Duderstadt bestätigt, dass sich viele<br />
Einzelhandelsbetriebe scheuen, in ihren Werbeaussagen Ältere direkt<br />
anzusprechen. Sie fürchten Imageverluste bei den Angehörigen anderer<br />
Altersgruppen. Von dieser These hält das Ministerium der Generationen,<br />
Familie, Frauen und Integration des Landes NRW wenig. Es räumt allerdings<br />
ein, dass in den Köpfen mancher Marktteilnehmer noch immer so<br />
etwas wie Jugendwahn besteht. Es dauere lange, bis sich daran etwas<br />
ändere. Werbung für Senioren sei heute nicht mehr stigmatisierend. Die<br />
Deutsche Gesellschaft für Gerontotechnik beobachtet sogar, dass die<br />
Bereitschaft der Unternehmen, sich mit seniorengerechten Produkten<br />
auseinander zu setzen, deutlich gestiegen ist.<br />
Trendsetter passen ihre Produkte den Bedürfnissen Älterer an. Und sie<br />
schaffen den Spagat, seniorenkompatible Produkte nicht als „alt“ zu vermarkten.<br />
Berühmt wurde das mutige Konzept für die Marke Nivea Vital.<br />
Ab 1995 brachte Hersteller Beiersdorf die Serie “Nivea Vital – Pflege für<br />
die reife Haut“ auf den Markt. Die Produkte gehören zu den ersten, die<br />
sich an Frauen über 50 Jahren richten. Da Haut sich mit den Jahren offensichtlich<br />
ändert, wird ein „reifes“ Produkt in diesem Segment als legitim<br />
wahrgenommen. Die Marke wurde jedoch beworben mit einer dem modernen<br />
Lifestyle entsprechenden Kampagne (Agentur: TBWA), in deren<br />
Mittelpunkt eine sportlich-elegante Frau mit grauen Haaren und einem<br />
alterslosen Gesicht steht. Motto: „50 ist klasse.“ Heute ist die Tagescreme<br />
der Serie eine der drei meistverkauften in Deutschland.<br />
Die Älteren sind immer häufiger in Werbekampagnen zu sehen, sei es<br />
in TV-Spots der Sparkasse, von Mercedes oder beim Bierbrauer Veltins.<br />
Werbeexperten rügen, dass alte Leute in der Werbung noch häufig als<br />
Klischees, z. B. als kauziger Alter, netter Opa oder Strandwanderer und<br />
nicht in ihrer Lebenswirklichkeit dargestellt werden. Es müsse umgedacht<br />
werden.<br />
Einige Anbieter nutzen allerdings altersbedingte Verhaltensweisen und<br />
Informationsdefizite aus. Die Verbraucherberatung weist auf die Themen<br />
Haustürgeschäfte, Verkaufsfahrten mit den immer wieder angesprochenen<br />
Wärmedecken und Gewinnversprechen hin. Offensichtlich fühlen sich<br />
auch manche KundInnen von Kreditinstituten und Versicherungsgesellschaften<br />
zuweilen zu einem überhasteten Vertragsabschluss gedrängt.<br />
Nach Angaben der Verbraucherzentralen gibt es nur in Ausnahmefällen<br />
spezifische Klagen aus Seniorensicht. Meist wird die Kritik generationenübergreifend<br />
geäußert.<br />
50 Dr. Beate Wieland, Ministerium der Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW,<br />
am 29. Mai in Bonn<br />
51 Gespräch mit Hubertus Werner am 12. Juni 2006 in Duderstadt<br />
52 Dr. Beate Wieland, am 29. Mai 2006 in Bonn<br />
53 narrative Gesprächsrunde am 28. Juli 2006 in Familienferienzentrum am Pferdeberg in Duderstadt<br />
65<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Distributionspolitik<br />
Während das traditionelle Seniorenmarketing unter dem Stichwort Mangel-<br />
oder Defizitmodell noch von einem generellen Nachlassen aller Fähigkeiten<br />
mit zunehmendem Alter ausging, berücksichtigt die Werbung heute, dass<br />
manche Potenziale älterer Menschen durchaus anwachsen. So verfügen<br />
Ältere beispielsweise häufiger über einen reichhaltigeren Wortschatz<br />
als Jüngere. Gerade aber die richtige Einschätzung der Besonderheiten<br />
älterer Kunden ist im Verkauf wichtig. Für den Vertrieb gilt die Maxime:<br />
Nicht über das Alter der Kunden reden, aber immer daran denken. So ist<br />
zu berücksichtigen, dass in der Regel im Alter die Sehfähigkeit abnimmt.<br />
Das gilt zum Beispiel für das räumliche Sehen und die damit verbunden<br />
Orientierungsprobleme in großen Räumen.<br />
Es kann vorkommen, dass ältere Kunden Produkte nicht finden, obwohl<br />
sie schon des Öfteren in dem Laden eingekauft haben. Das führt zu<br />
Misserfolgserlebnissen, mit der Konsequenz, dass dieser Laden nicht<br />
mehr aufgesucht wird.<br />
Im Marketing werden drei Gruppen unterteilt: die tatsächlichen, die ehemaligen<br />
und die möglichen Kunden. Bei der ersten Gruppe geht es darum,<br />
die Kundenbedürfnisse zu erkennen und Sortiment- bzw. Serviceleistungen<br />
anzupassen und ggf. Mitarbeiter zu schulen. Dabei ist zu beachten, dass<br />
sich nur die wenigsten tatsächlichen Kunden äußern, wenn sie unzufrieden<br />
sind. Jeder Beschwerde sollte deshalb nachgegangen werden. Dazu<br />
dient auch ein Beschwerdekasten. Es ist wichtig, die Zielgruppen mit<br />
ihren Bedürfnissen und Wünschen zu kennen. Ältere Verbraucher klagen<br />
häufig über die Öffnung von Verpackungen. Sie wechseln den Hersteller,<br />
wenn sie mit einer Verpackung unzufrieden waren. Häufig funktionieren<br />
Öffnungsmechanismen wie Aufreißfäden nicht. Das gilt nicht zuletzt für<br />
Wurst und Käse. Die Größe von Verpackungen ist ein häufig geäußertes<br />
Problem von Senioren. Sie haben häufig Probleme beim Entnehmen von<br />
Ware aus den Regalen. Auch beim Transport kommen sie mit großen<br />
Mengen und/oder sperrig verpackten Produkten schlecht zurecht. Senioren<br />
sind oft Singles und brauchen meistens nur eine kleine Portion einer<br />
Mahlzeit. Entweder gibt es diese nur in geringer Auswahl oder sie sind<br />
teurer als größere Packungen.<br />
Die Kaufentscheidung der “reifen Generation” wird zukünftig oftmals<br />
über den Erfolg und den Fortbestand von Unternehmen entscheiden.<br />
Wer in Zukunft wachsen will, muss seine Produktentwicklung und sein<br />
Marketing verstärkt auf die “reifen” Kunden ausrichten – er muss also sein<br />
Unternehmen “demographiefest” machen. Aber nicht jedes Unternehmen<br />
kann auf diesem Markt ohne weiteres bestehen und das Potenzial einfach<br />
abschöpfen. Die “Generation 55plus” stellt höhere und differenziertere<br />
Anforderungen an Hersteller, Handel und Dienstleistungsunternehmen<br />
als die junge Kundschaft, die ihr Geld häufig weniger kritisch ausgibt.<br />
Hersteller und Handel benötigen also Strategien, mit denen sie auf dem<br />
“reifen Markt” der Zukunft erfolgreich auftreten können. Der demographische<br />
Wandel ist für alle Geschäftsmodelle relevant, auch für die, die<br />
sich nur an junge Kunden wenden.<br />
66
Ältere Personen legen offenbar besonderen Wert auf gute persönliche<br />
Beratung. Das gilt im Einzelhandel direkt, aber auch bei der Informationseinholung<br />
in Verbraucherzentralen. Dr. Erika Neubauer von der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
der Seniorenorganisationen (BAGSO, Bonn) regt<br />
deshalb Kooperationen zwischen Verbraucherzentralen und Seniorenverbänden<br />
an. Herbert Lechner von der Gesellschaft für Konsumforschung AG<br />
in Nürnberg sieht enge Grenzen bei der Discounterisierung des Handels.<br />
Die Zuwächse bei den großen Discountern nehmen schon jetzt ab. Das<br />
hat auch etwas mit dem demographischen Wandel zu tun. Die Fixierung<br />
auf den Preis geht zurück, es geht immer mehr um den Mehrwert eines<br />
Produktes und die Beratungsdienstleistung.<br />
Universal Design hat den Anspruch, Funktion, Komfort und Ästhetik positiv<br />
miteinander zu vereinen, also einfach für Jung und Alt, für Behinderte und<br />
Nichtbehinderte ganz individuell nach ihrem jeweiligen Wissens- und Erfahrungsstand<br />
problemlos genutzt werden zu können und gut auszusehen.<br />
Es soll gerade nicht der Eindruck entstehen, dass Produkte für eine ganz<br />
spezielle Zielgruppe und deren spezielle Bedürfnisse gestaltet wurden.<br />
Wer auf seniorengerechte Produkte angewiesen ist, schätzt es besonders,<br />
wenn seine Gebrauchsgegenstände keinen “geriatrischen Touch“ haben,<br />
sondern “normal“ aussehen und niemandem auffallen. Technologien sollen<br />
sich an die Bedürfnisse von Menschen anpassen, nicht umgekehrt.<br />
Die Fortschrittsformel kann nicht mehr lauten: schneller, kleiner, schöner,<br />
sondern: einfacher, größer, besser. Qualitätsverbesserungen kommen<br />
allen zugute, oft sind es Vereinfachungen, die nicht mit Zusatzkosten<br />
verbunden sind. Zielsetzung ist also, Komplexität moderner Produkte<br />
zu reduzieren, statt wie bislang nur das technisch Mögliche auch in ein<br />
Gerät aufzunehmen. Barrierefreiheit beginnt danach an der Schwelle zur<br />
Wohnung genauso wie an der zum Internet.<br />
Noch ist die Jugend eine stil- und marktbeherrschende Zielgruppe, obwohl<br />
die Alten über ein jährliches Einkommen verfügen, das in die Hunderte<br />
von Milliarden Euro geht. Universal Design bringt zwar Vorteile für alle,<br />
jedoch ignorieren die meisten Hersteller dieses Thema, als befürchte man,<br />
ein Negativ-Image aufzubauen. So bringt das Design-Magazin „form“ das<br />
Beispiel des “Senioren-Porsche“ Cayenne, in den auch Rheumapatienten<br />
bequem einsteigen können. Statt das als Verkaufsargument aufzugreifen,<br />
fürchtet der Sportwagenhersteller um sein jugendliches Image.<br />
Die “jungen Alten“ von morgen werden ihren individuellen Lebensstil beibehalten<br />
wollen. Das Alter wird das einzige gemeinsame Merkmal sein,<br />
dass sie untereinander verbinden wird, sie werden also keine eindeutige<br />
Zielgruppe bilden, die man klar umreißen und bedienen könnte. Wer Produkte<br />
so gestaltet, dass sie für alle Altersgruppen funktionieren, erweitert<br />
seinen Kundenkreis. Das Leben geht weiter und mit ihm der Wunsch,<br />
sich selbstständig in der Umwelt bewegen zu können. Voraussichtlich ab<br />
54 Bonn, 29. Mai 2006<br />
55 Vgl. Pöppel, Ernst, in: form 206, Sonderheft: Universal Design, Juli/August 2006<br />
http://www.form.de/data/u/Universal_Design.pdf, S. 4ff.<br />
67<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
eInfacH fÜr alle:<br />
unIversal DesIgn
exkurs:<br />
senIorenwIrtscHaft<br />
In japan<br />
2035 werden die SeniorInnen die Mehrheit der Konsumenten stellen. Ihre<br />
Wünsche kommen allen zugute: einfache Dinge, die Intelligenz als Gestaltungsleistung<br />
verstehen, nicht als aufgepfropfte technische Funktion.<br />
Jung entwirft für Alt: Die meisten Gestalter könnten Enkel der angepeilten<br />
Generation Plus sein. Um Fehleinschätzungen auszuschalten und zugleich<br />
Stereotype zu erforschen, nutzte das Berliner Projekt sentha einen Seniorenbeirat,<br />
der Erfahrungen und Eindrücke aus der eigenen Lebenswelt in<br />
die Gestaltung und Bewertung von neuen Produkten einbrachte.<br />
BSH Bosch hat das Konzept „Design für alle“ eingeführt, also eine<br />
Produktgestaltung für junge Menschen und Senioren. Bisher hatte das<br />
Unternehmen keine Seniorenprodukte hergestellt, inzwischen ist eine<br />
Waschmaschine im Programm, die mit großem Display und Klarschrift<br />
statt Symbolen sowie je vier große Tasten rechts und links davon ausgestattet,<br />
mit der die meisten Nutzer zurechtkommen.<br />
Reine Seniorenmöbel sucht man beim Polstermöbelhersteller im westfälischen<br />
Spenge vergebens. Das Unternehmen bietet den Älteren altengerechte<br />
und seniorengerechte Möbel an. Die Generation 50plus ist stolz<br />
auf ihr Alter, aber nicht bereit, Spezialmöbel für Betagte zu kaufen. Häufig<br />
sind Sitzhöhe, Tiefe der Sitzfläche oder die Armlehnen verstellbar. Zum Programm<br />
gehört auch ein Sessel mit motorisierter Neigevorrichtung, damit<br />
das Aufstehen leichter fällt. Das sind alles Funktionen, die auch die junge<br />
Generation schätzt. Für die Bequemlichkeit gibt es keine Altersgrenze.<br />
Japans Senioren sind fit, schlank, aktiv und wohlhabend. Sie sind eine<br />
Macht im Land. Derzeit ist jeder fünfte der rund 127 Millionen Einwohner<br />
über 65 Jahre alt, mit steigender Tendenz. 2015 wird jeder Vierte, 2050<br />
jeder Dritte Rentner sein. Japans Einwohner haben die weltweit höchste<br />
Lebenserwartung, und Japan führt wegen der geringen Geburtenrate<br />
beim weltweiten Trend der rapide alternden Gesellschaften. Anders als<br />
in Deutschland ist das Pensions- und Rentenalter mehr eine statistische<br />
Größe. Fast jeder Japaner arbeitet nach Ende seines ersten Berufslebens<br />
weiter. Er macht sich selbstständig oder übernimmt eine Stelle als Teilzeitkraft,<br />
Putzhilfe oder Wachmann. Die wenigsten Japaner verlassen sich auf<br />
die strapazierten Rentenkassen. Die Privatvorsorge ist für sie seit vielen<br />
Jahren eine Selbstverständlichkeit.<br />
Die finanzielle Absicherung der japanischen Senioren ist insgesamt sehr<br />
gut. Sie sind eine sehr attraktive, wachsende und heftig umworbene<br />
Zielgruppe. Nach Schätzungen des japanischen Wirtschaftsministeriums<br />
hat allein der so genannte “Silbermarkt“ für Pflege-, Gesundheits- und<br />
Hilfsprodukte ein Volumen von 30 Mrd. Euro. Analysten erwarten davon<br />
einen kräftigen Wachstumsschub, da Japans Senioren mehr als die<br />
anderen Bevölkerungsgruppen ausgegeben und immer mehr zu einer<br />
wichtigen Konjunkturstütze werden. Vor allem die Reisebranche und die<br />
Vermögensverwalter schätzen die Pensionäre. Das Reisebüro Kintetsu<br />
56 Herwig, Oliver: „Die jungen Alten“, form 206, Sonderheft: Universal Design, Juli/August 2006<br />
http://www.form.de/data/u/Universal_Design.pdf, S. 3–8<br />
68
international bietet 200 Interessenclubs an, mit denen Gleichgesinnte<br />
Weltreisen unternehmen. Die Finanzinstitute schalten aufwendige Werbespots,<br />
die sich an diese Kunden richten, und bieten auf sie zugeschnittene<br />
Dienstleistungen.<br />
Japanische Mobilfunkgesellschaften bieten Handys mit größeren Tasten<br />
an. Sie sind einfacher zu bedienen als die High-Tech-Turboversionen für die<br />
Jugend. Japans größter Sanitärhersteller entwickelt laufend neue Toiletten<br />
und Badezimmereinrichtungen für ältere Kunden, die im reinlichkeitsbedachten<br />
Japan auch von der jüngeren Generation sehr geschätzt werden.<br />
Ein Beispiel ist eine Toilette, die sich von allein öffnet und selbstständig<br />
reinigt. Sie kann auf Wunsch mit verschiedenen Stützfunktionen für pflegebedürftige<br />
Menschen geliefert werden. Die Kosmetikbranche geht sehr<br />
offensiv auf die Seniorengeneration zu. Marktführer Shiseido veranstaltet<br />
in Kaufhäusern und Pflegeheimen Seminare für “erfolgreiches Altern“<br />
und investiert darüber hinaus auch in die Forschung für entsprechende<br />
Produkte. Ein Beispiel ist ein Pulver, das mithilfe nanotechnologischer<br />
Lichtspiegelungen Falten kaschiert.<br />
Die japanischen Hersteller vermeiden es, beim Produktmarketing das<br />
Alter in den Vordergrund zu stellen. Die Pensionäre fühlen sich nicht alt<br />
und wollen auch entsprechend behandelt und angesprochen werden. Die<br />
Marketingabteilungen vieler Unternehmen haben sich deshalb auf das<br />
Konzept „Universal Design“ verständigt, dass die Nutzung quer durch alle<br />
Altersgruppen suggeriert. Das Nobelwarenhaus Matsuya auf der Tokioter<br />
Glitzermeile Ginza hat etwa 200 Universal Design-Produkte im Sortiment,<br />
die oft ganz unauffällig Altersprobleme kaschieren. Beispiele sind modische<br />
Garderobe mit weiter geschnittenen Schultern oder größeren<br />
Knopflöchern, rutschfeste Badematten oder extra laute Wecker.<br />
Noch sind nur sieben von 100 Chinesen älter als 65 Jahre. Weil die Geburtenzahlen<br />
infolge der Einkindpolitik der Regierung seit 1980 sinken und<br />
weil gleichzeitig die Lebenserwartung der Chinesen noch steigt, wird es<br />
jedoch bald mehr alte und weniger junge Chinesen geben. Schon in 20<br />
Jahren wird sich der Anteil der Bürger über 65 Jahre in China verdoppelt,<br />
in 40 Jahren mehr als verdreifacht, vielleicht sogar vervierfacht haben.<br />
Obwohl die Einkindpolitik vor allem auf dem Lande nicht ausnahmslos<br />
durchgehalten worden ist, wurde das Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern<br />
nachhaltig gestört. Chinesische Familien wünschen sich vor<br />
allem Söhne, auch weil nur Söhne traditionell zum Unterhalt der Eltern<br />
verpflichtet sind. Wenn das erste Kind eine Tochter ist, dürfen die Eltern auf<br />
dem Land noch einmal versuchen, einen Sohn zu bekommen. Ultraschalldiagnostik<br />
und selektive Abtreibungen sorgen dafür, dass zweite oder gar<br />
dritte Geburten meist Söhne werden. Schon in 15 Jahren werden mehr als<br />
30 Millionen junge Chinesen keine einheimische Frau finden können.<br />
Viele junge Chinesen in den Städten sind Einzelkinder. Wenn sie heiraten,<br />
stellt sich die Frage, ob die junge Familie irgendwann einmal für vier alte<br />
Menschen sorgen kann und ob der Tradition entsprechend die junge Frau<br />
eher die Eltern ihres Mannes als ihre eigenen pflegen soll. Hinzu kommt,<br />
dass es für die Mehrheit der Chinesen, die immer noch auf dem Lande<br />
69<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
exkurs:<br />
DemograpHIscHer<br />
wanDel In cHIna
lebt, praktisch keine soziale Sicherheit jenseits der eigenen Familie und<br />
der Kinder gibt. Zudem geht der Verstädterungsprozess mit der Auflösung<br />
der erweiterten Familie und der Durchsetzung der Kernfamilie einher, was<br />
die Versorgung der Alten im Haushalt erschwert.<br />
Die Abwanderung unterbeschäftigter Bauern in die Stadt sorgt weiterhin<br />
dafür, dass die Wirtschaft Arbeiter findet. Weil die Familien die Absicherung<br />
der Alten immer weniger leisten können, stellt sich die Frage<br />
nach der Belastbarkeit des chinesischen Staates. Noch betragen Chinas<br />
Staatsschulden rund ein Sechstel seines Bruttoinlandsprodukts. Aber die<br />
Übernahme „fauler“ Kredite der Staatsbanken an die Staatsbetriebe allein<br />
würde die Staatsschulden mehr als verdoppeln. Die Kapitaldeckung für<br />
mindestens einen Teil der künftigen Rentenansprüche der Städter, die<br />
Chinas Führung anstrebt, setzt die Weiterentwicklung der Kapitalmärkte<br />
und angemessene Kapitalerträge voraus. Während der Westen erst reich<br />
wurde und jetzt ergraut, wird China also grau sein, bevor es wirklich reich<br />
geworden sein kann.<br />
57 FAZ vom 11. September 2006, S. 12<br />
70
7 gestaltungsfelder der<br />
senIorenWIrtschaft<br />
Das Altern der Gesellschaft ist nicht nur mit Belastungen und Risiken<br />
verbunden, sondern es bietet auch Perspektiven für Wirtschaft und<br />
Beschäftigung. Der Begriff <strong>Seniorenwirtschaft</strong> greift diese Chancen auf<br />
und macht deutlich, dass alte Menschen nicht eher Last für das soziale<br />
System sind, sondern eine bisher vernachlässigte wirtschaftlich potente<br />
und politisch starke Gruppe, deren Gewicht in den nächsten Jahren weiter<br />
zunehmen wird.<br />
Die übergeordneten Ziele der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> sind gesellschaftspolitischer<br />
Natur und zielen darauf ab, SeniorInnen mehr Möglichkeiten zur<br />
Teilhabe und zur Selbstverwirklichung zu eröffnen und ihre Lebensqualität<br />
zu verbessern. Zum anderen sind sie ökonomisch orientiert und wollen<br />
zur Erschließung der Kundengruppe SeniorInnen beitragen und die Wirtschaft<br />
dahin gehend sensibilisieren, angemessene Produkte und Dienstleistungen<br />
für Ältere zu entwickeln und zu vermarkten.<br />
Die bisherigen Erfahrungen vor allem in Nordrhein-Westfalen zeigen, dass<br />
sich eine so verstandene (Sozial-)Politik für ältere Menschen durchaus<br />
mit dem marktwirtschaftlich orientierten Denken von Unternehmen in<br />
Einklang bringen lässt und dass es im Interesse des Gemeinwohls ist,<br />
diese unterschiedlichen Ziele zusammenzubringen.<br />
Eine klar konzipierte seniorenorientierte Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung<br />
erfolgt weder bei der Stadt noch im Landkreis Göttingen. Sowohl<br />
die Verwaltungschefs der kreisangehörigen Kommunen als auch Gesellschaften<br />
wie WRG, GWG und Wirtschaftsförderung- und Erschließungsgesellschaft<br />
Hann. Münden bestätigen, dass ihre Arbeit nicht spezifisch<br />
seniorenorientiert ausgerichtet ist. Insbesondere bei WRG und GWG wird<br />
aber attestiert, dass die Senioren angesichts ihrer steigenden Bedeutung<br />
in der Gesellschaft erhöhter Aufmerksamkeit bedürfen. Dies gelte jedoch<br />
weniger für öffentliche Initiativen als für die strategische Ausrichtung<br />
privater Leistungsanbieter.<br />
Als zentraler Wert unserer Gesellschaft ist Wohnen Ausdruck von Individualität,<br />
Selbstbestimmung, Repräsentation und Lebensqualität und ist<br />
damit ein wichtiger Faktor in der <strong>Seniorenwirtschaft</strong>. Ältere Menschen<br />
verbringen mit zunehmendem Alter einen immer größeren Teil ihrer Zeit<br />
zu Hause. Durch gesundheitliche Einschränkungen verringert sich der Aktionsradius,<br />
und die Bedeutung des Wohnumfeldes für die Lebensqualität<br />
steigt. Beziehungen und Kontaktmöglichkeiten bieten Unterstützung und<br />
gleichzeitig die Möglichkeit, eigene Fähigkeiten aktiv ins Gemeinschaftsleben<br />
einzubringen. Besonders für allein lebende Menschen spielt dieser<br />
Aspekt eine wichtige Rolle. Abgesehen vom ideellen Wert der eigenen<br />
Wohnung tragen zusätzlich die oft niedrigen Mieten (aufgrund langjähriger<br />
Mietverhältnisse) dazu bei, dass die Bereitschaft, das vertraute Umfeld<br />
zu verlassen, gering ist. Doch dem Wunsch des Verbleibens in der heimischen<br />
Umgebung bei aufkommender Pflegebedürftigkeit sind in der<br />
Praxis oft Grenzen gesetzt. Diese bestehen einerseits in der Finanzierung<br />
71<br />
woHnen
von Unterstützungsdienstleistungen, deren Qualität und Koordination,<br />
aber auch im zunehmenden Verlust familiärer Hilfepotenziale, z. B. durch<br />
die hohe Arbeitsmobilität der jüngeren Generationen.<br />
In den vergangenen Jahren wurden technologische Neuerungen entwickelt,<br />
die das Leben in den eigenen vier Wänden unterstützen. Trotz der<br />
genannten Probleme verfügen ältere Menschen heute über eine Vielzahl<br />
von Möglichkeiten und Hilfen, ihr Leben in den eigenen vier Wänden selbstbestimmt<br />
so lange wie möglich weiterzuführen. In den verschiedenen<br />
Wohnformen und Wohnbedürfnissen spiegeln sich die soziokulturellen Unterschiede<br />
wider. Abhängig von Alter, Wohnort, Familienstand, Haushaltsgröße,<br />
Vermögen, Bildungsstand und eventuellem Migrationshintergrund<br />
bestehen höchst unterschiedliche Voraussetzungen und Ansprüche bzw.<br />
Fähigkeiten, das Wohnen im Alter zu planen und gestalten. Angesichts<br />
fortschreitender gesellschaftlicher Ausdifferenzierung von Lebensstilen<br />
ist davon auszugehen, dass sich diese Unterschiede, vor allem unter<br />
den “jüngeren Älteren“, weiter ausprägen werden und dass mit höchst<br />
differenzierten Nachfragemustern zu rechnen ist.<br />
Die Nachfrage nach altengerechten Wohnformen wird aufgrund der demographischen<br />
Veränderungen in den kommenden Jahren zunehmen.<br />
Für bestimmte Altersgruppen lassen sich generalisierende Annahmen<br />
bezüglich ihrer Wohnbedarfe treffen :<br />
Die Wohnbedürfnisse der “Jungsenioren“ (etwa 60–70 Jahre) sind durch<br />
Komfort- und Freizeitorientierung geprägt. Aufgrund der meist vorangegangenen<br />
Konsolidierung der Wohnsituation ist die Mobilität in dieser<br />
Lebensphase relativ gering. 0<br />
Im Alter der “Senioren“ (etwa 70–80 Jahre) entstehen die ersten Bedarfe<br />
für vorpflegerische Hilfeleistungen, die häufig noch Komfortcharakter<br />
haben, aber dazu beitragen, eine selbstständige Lebensführung aufrechtzuerhalten.<br />
Nun werden dementsprechend Wohnraumanpassungsmaßnahmen,<br />
Betreutes bzw. Service-Wohnen und Angebote der Altenhilfe<br />
interessant.<br />
In der Gruppe der “Hochbetagten“ (über 80 Jahre) steigt die Pflegefallwahrscheinlichkeit<br />
an. In dieser Altersgruppe gewinnt die Pflegeeignung der<br />
Wohnung im Zusammenhang mit aufsuchender Betreuung an Bedeutung<br />
(z. B. ausreichende Bewegungsflächen, Ausstattung des Badezimmers<br />
und Dienstleistungen wie hauswirtschaftliche Hilfen, Essen auf Rädern<br />
etc.), ebenso die ambulante und auch die stationäre Pflege.<br />
Im Gegensatz zu Begriffen wie seniorengerecht, altengerecht, behindertenfreundlich<br />
und barrierearm, die unterschiedlich ausgeprägte Formen<br />
der Gebäudeausstattung und Umfeldgestaltung im Hinblick auf die Bedürfnisse<br />
Älterer und behinderter Menschen beschreiben, ist “Barrierefreiheit“<br />
ein gesetzlich festgelegtes baulich-technisches Qualitätsmerkmal.<br />
58 Steffens et al. 2004, S. 7<br />
59 Eichener 2004<br />
60 Vgl. auch LTS 2005: “Perspektiven der Wohnungsnachfrage. Wohnungsprognose 2010/2015“, Wohnungsnachfragemuster<br />
nach Lebensphasen, S. 15<br />
61 Steffens et al. 2004, S. 9<br />
72
Das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf Bundesebene<br />
schreibt Barrierefreiheit für neu gebaute oder zu sanierende öffentliche<br />
Räume vor. Barrierefrei bedeutet, dass jeder Mensch alle Bereiche seines<br />
Lebensraums betreten, befahren und weitgehend ohne fremde Hilfe benutzen<br />
kann. “Barrierefrei” bezieht sich nicht nur auf das Wohnen Älterer,<br />
sondern im Sinne von “Universal Design“ auf alle: Alte, Junge, Kinder, Kranke<br />
und Behinderte. Die Niedersächsische Bauordnung schreibt seit 2003<br />
vor, dass bei Neubauten mit mehr als vier Wohnungen, die Wohnungen<br />
eines Geschosses barrierefrei sein müssen. In jeder achten Wohnung<br />
eines Gebäudes müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein<br />
Bad und die Küche oder Kochnische zusätzlich rollstuhlgerecht sein, wenn<br />
dies nicht mit unverhältnismäßigem Mehraufwand verbunden ist.<br />
Die DIN 18 025 Teil 2 legt die Standards für behinderten- und pflegegerechten<br />
Wohnraum fest. Sie enthält Vorgaben zu notwendigen Bewegungsflächen,<br />
zur Vermeidung von Stufen und Schwellen beim Zugang zur<br />
und innerhalb der Wohnung sowie notwendige Türbreiten und Höhen von<br />
Bedienungselementen. DIN 18 025 Teil 2 hat sich nach ihrer Einführung<br />
zum Standard für altersgerechtes Bauen entwickelt, dessen Einhaltung<br />
bei Neubauten Mehrkosten in einer Größenordnung von lediglich rund<br />
fünf Prozent erfordert.<br />
Normgerecht “barrierefrei“ wird bisher in erster Linie im öffentlichen Raum,<br />
in Pflegeeinrichtungen sowie bei neuen Objekten gebaut. Barrierefreiheit<br />
in älteren Gebäuden umzusetzen ist baulich schwierig (vielfach fehlt Platz<br />
für einen Lift) und meist unwirtschaftlich.<br />
Der Begriff “seniorengerecht“, der streng genommen auch die Qualität<br />
des Wohnumfeldes umfasst, wird im Folgenden lediglich auf die technisch-bauliche<br />
Eignung der Wohnung für das Leben im Alter bezogen. Es<br />
sind Fragen wie diese zu diskutieren: Welche Ansprüche bestehen an das<br />
Wohnen im Alter? Wie wohnen Menschen über 50 in Stadt und Landkreis<br />
Göttingen? Welche Angebote gibt es und wo liegen Versorgungsdefizite?<br />
Welche Strategien verfolgen Anbieter bezüglich der wachsenden Nachfragergruppe<br />
der SeniorInnen?<br />
Die Antworten auf diese Fragen lassen ein Bild entstehen, das Chancen<br />
oder Defizite im Bereich Wohnen im Untersuchungsraum aufzeigen. Anschließend<br />
werden aktuelle Trends benannt und Vorbilder aus anderen<br />
Regionen vorgestellt. Daraus werden Handlungsempfehlungen für Sicherung<br />
und Schaffung von Beschäftigung durch die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> im<br />
Bereich des Wohnens abgeleitet und bewertet. Die verschiedenen Wohnangebote<br />
für ältere Menschen werden gesondert untersucht. Ausgehend<br />
von dem quantitativ umfangreichsten Bereich des traditionellen Wohnens<br />
im eigenen Zuhause, prüft die Studie das Angebot im Bereich des so<br />
genannten Betreuten oder Service-Wohnens, dem Wohnen in stationären<br />
Einrichtungen (Alten bzw. Pflegeheime) und untersucht einige der in den<br />
letzten Jahren entstandenen neuen Wohnformen, beispielsweise das<br />
selbst organisierte gemeinschaftliche Wohnen in Hausgemeinschaften.<br />
62 KDA 2005<br />
63 http://www.baurecht.de/landesbauordnung-niedersachsen.html<br />
64 Steffens 2005, S. 15<br />
73<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Wohnen zu Hause<br />
„Wir haben ein Haus im Grünen für uns alleine. Als unsere Kinder ausgezogen<br />
sind, wollte meine Frau unbedingt, dass wir ins Erdgeschoss<br />
ziehen. Heute bin ich froh darüber, dass sich meine Frau durchgesetzt<br />
hat. Jetzt haben wir nur noch vor dem Haus Stufen.“ (Hann. Münden)<br />
„In der Altstadt von Hann. Münden ist praktisch kein Haus seniorengerecht.<br />
Fahrstühle kann man auf dem Hof nicht bauen – das wird nicht<br />
genehmigt. Innerhalb der Häuser geht das erst recht nicht. In Hann.<br />
Münden stehen schon 200 Häuser leer, die nicht vermietbar sind.“<br />
(Hann. Münden)<br />
„Viele Ältere würden gerne in der Innenstadt wohnen, aber nur, wenn<br />
es dort auch Fahrstühle gebe. Es wäre doch prima, wenn man die Wohnebenen<br />
der Häuser miteinander verbinden würde und für mehrere<br />
Gebäude auf dem Hinterhof Fahrstühle installieren würde. Ich würde<br />
mich an der Vorbereitung gerne beteiligen und eine Bestandsaufnahme<br />
machen.“ (Duderstadt)<br />
„Ich bin jetzt 80 und habe mich auf mein Alter eingestellt. Man muss<br />
akzeptieren, alt zu werden. Ich reise gerne, man muss aber auch eine<br />
altersgerechte Wohnung haben. Ich habe nur ein ganz großes Problem,<br />
das Schneeschippen im Winter, das schaffe ich einfach nicht.“ (Hann.<br />
Münden)<br />
„Ich wohne im zweiten Stock. Das Treppensteigen macht mir nichts<br />
aus, ich habe neue Kniegelenke. Am Armband habe ich einen Sender,<br />
darüber bin ich mit dem ASB verbunden, der auch einen Schlüssel für<br />
meine Wohnung hat. Das kostet zwar 35 Euro im Monat, ist mir aber<br />
sehr wichtig. Bei Pflegestufe I übernimmt die Pflegekasse diese Kosten<br />
bei einem Eigenanteil von 8 Euro. Teilweise übernehmen das auch die<br />
Krankenkassen nach einer geriatrischen Diagnose, wenn z. B. Sturzgefahr<br />
besteht. Die Frage ist doch nur, wer informiert die Senioren darüber?“<br />
(Hann. Münden)<br />
„Ich bin schon in zwei Heimen angemeldet, aber will so lange wie<br />
möglich in meiner Wohnung bleiben. So lang man noch selbstständig<br />
wohnen kann, macht man das, bedeutet auch Freiheit und Individualität!”<br />
(Göttingen)<br />
„Ich wohne mit meiner Tochter und meiner Enkeltochter zusammen.<br />
Für meine Tochter erledige ich den ganzen Schriftverkehr. Neulich war<br />
ich eine Woche weg, als ich zurückkam, fand ich einen Zettel auf den<br />
Küchentisch. Dort hieß es, es wird Zeit, dass Du zurück bist, Du fehlst<br />
uns.“ (Hann. Münden)<br />
„In meine Dusche komme ich nicht mehr rein, deshalb kommt immer<br />
eine junge Frau, die mich zweimal die Woche duscht. Ein Umbau der<br />
Dusche würde 2.000 Euro kosten. Die Baugenossenschaft hat mir gesagt,<br />
dass das meine Krankenkasse bezahlen müsste. Da ich aber noch nicht<br />
in der Pflegeversicherung bin, zahlt sie nicht.“ (Göttingen)<br />
74
Bei der Wertschätzung des Wohnens zu Hause wird oft übersehen, dass<br />
der eigene Wohnraum eine Reihe von Risiken aufweist. Dies können Treppen,<br />
Stufen, Stolperfallen an Teppichen und Barrieren sein. Besonders in<br />
Altbauten bergen schadhafte Installationen, geringe Bewegungsflächen,<br />
unfallträchtige Badezimmer mit fehlenden Haltegriffen oder Türschwellen<br />
erhebliche Einschränkungen und Verletzungsgefahren. Eine rechtzeitige<br />
Anpassung des Wohnraums an die veränderten Bedürfnisse des Alters<br />
kann so einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Eigenständigkeit leisten<br />
und einer Pflegebedürftigkeit entgegenwirken.<br />
Die altersgerechte Anpassung einer Wohnung – z. B. durch Installation<br />
von Haltegriffen und Geländern, den Einbau eines Aufzuges oder Treppenlifters,<br />
die Beseitigung von Türschwellen oder die Installation einer<br />
bodengleichen Dusche – tragen dazu bei, körperliche Beeinträchtigungen<br />
zu kompensieren. Anpassungsmaßnahmen müssen individuell auf die<br />
spezifische Wohnsituation zugeschnitten sein und am besten so gestaltet<br />
werden, dass sie erweitert werden können. Deshalb sind qualifizierte Beratungsangebote<br />
wichtig. Bereits kleine Maßnahmen, wie das Umstellen<br />
der Möbel und die Entfernung von Stolperfallen, können risikomindernd<br />
sein und die Wohnqualität erhöhen. Darüber hinaus sind auch Hilfe- und<br />
Betreuungsmöglichkeiten (Familie, Hausnotrufsysteme, ambulante Dienste)<br />
bedeutsam, um auch bei entstehendem Pflegebedarf nicht umziehen<br />
zu müssen.65<br />
Gesunde ältere Menschen, also solche, die keine Leistungen aus der<br />
Pflegeversicherung erhalten, lassen sich statistisch praktisch nicht von<br />
anderen Altersgruppen unterscheiden. Um dennoch zu Aussagen über<br />
die Quantitäten des Wohnstatus älterer Menschen in den Kommunen<br />
des Untersuchungsraums zu kommen, wurden Daten des Niedersächsischen<br />
Landesamtes für Statistik (NLS) in Verbindung mit weiteren<br />
regionalstatistischen Studien ausgewertet. Sie geben Auskunft über die<br />
Altersstruktur in den Gemeinden und über den Bestand an Wohngebäuden<br />
und Wohneinheiten. Die Landestreuhandstelle berechnet die so genannte<br />
Eigenheimquote, die eine Annäherung an das Verhältnis der im Eigentum<br />
und zur Miete wohnenden Bevölkerung ermöglicht.<br />
Es erscheint sinnvoll bezüglich des Wohnens im Alter zwischen Mietern<br />
und Bewohnern von Eigentum zu differenzieren, da sich trotz ähnlicher<br />
Probleme unterschiedliche Lösungen zur Steigerung der Lebensqualität<br />
zu Hause anbieten. Mieter sind auf den Wohnungsmarkt und dessen<br />
Angebot angewiesen und müssen evtl. den Wohnort wechseln, falls die<br />
derzeitige Wohnung ein Verbleiben im Alter nicht erlaubt. Eigentümer sehen<br />
sich mit der Verantwortung konfrontiert, die Anpassung ihrer Wohnung<br />
an die Bedürfnisse des Alterns selbst zu organisieren, zu gestalten und<br />
zu finanzieren, sofern sie planen, ihren Lebensabend dort zu verbringen.<br />
Zwar existiert auf Bundesebene eine ganze Reihe von Untersuchungen bezüglich<br />
der Wohnwünsche und Probleme älterer Menschen, auf regionaler<br />
Ebene sind derartige Informationen jedoch nur für Teilräume verfügbar.66<br />
Um eine realitätsnahe Einschätzung der Situation in Stadt und Landkreis<br />
65 Vgl. Bertelsmannstiftung et al. (Hrsg.) 2005, S. 13<br />
66 GEWOS 2005: “Göttingen 2020.- Wohnungsmarktanalyse und –prognose“<br />
75<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Göttingen zu erhalten, führte der <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen<br />
Bürgerbefragungen an verschiedenen Orten des Landkreises durch. Zwar<br />
kann die Befragung aufgrund der geringen Größe der Stichprobe nicht<br />
als repräsentativ gelten, dennoch liefert sie, durch andere Daten ergänzt,<br />
einen Querschnitt, um die in der Literatur beschriebenen Annahmen zu<br />
prüfen.<br />
Im Anschluss wird das Angebot altengerechten Wohnraums und dessen<br />
Verfügbarkeit in Stadt und Landkreis Göttingen beschrieben. Dies bezieht<br />
sich vor allem auf Mietwohnungen. Regionalspezifisch wurden dazu Angaben<br />
einiger größerer Anbieter der in Stadt und Landkreis ansässigen<br />
gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften ausgewertet. Die Ergebnisse<br />
einer Befragung der Mitglieder des Haus- und Grundeigentümervereines<br />
Duderstadt erlauben stichprobenartig (28 Fälle) Rückschlüsse auf die<br />
Situation kleinerer Anbieter. Die Hypothese unterstellt, dass diese Anbietergruppe<br />
über geringere Investitionskapazitäten bei gleichzeitig höheren<br />
Betriebskosten verfügt und nicht so stark auf die Nachfragerbedürfnisse<br />
eingeht wie Großunternehmen, die sich gezielter und professioneller am<br />
Markt positionieren.<br />
Abgefragt wurde, was für den Einzelnen (sowohl als Nachfrager als auch<br />
Anbieter) unter seniorengerechtem Wohnen verstanden wird. Zusätzlich<br />
wurden Interviews mit Vertretern von Wohnungsunternehmen, Betreibern<br />
von Wohneinrichtungen, Beratungseinrichtungen, dem Mieterverein<br />
Göttingen, Vertretern von Kommunalverwaltungen, der Architektenkammer<br />
Niedersachsen und dem Ministerium für Soziales, Frauen, Familie<br />
und Gesundheit durchgeführt. Makler- und Hausverwaltungsfirmen<br />
wurden telefonisch befragt. Ergänzend dazu gingen auch Ergebnisse<br />
von Studien der GEWOS zur Wohnungsmarktsituation und -Entwicklung<br />
Niedersachsen/Bremen und in Göttingen, Bovenden und Rosdorf in die<br />
<strong>Potenzialanalyse</strong> ein.<br />
Der Untersuchung der Angebote in Stadt und Landkreis Göttingen liegt die<br />
Annahme zugrunde, dass zwischen den Städten Göttingen, Duderstadt<br />
und Hann. Münden und dem übrigen Teil des Landkreises teilweise große<br />
Unterschiede hinsichtlich Wohnungsangeboten und Gebäudebestand<br />
bestehen. Das gilt auch für Infrastruktur, Versorgung und Erreichbarkeit.<br />
Wie in der Regionalanalyse des <strong>Regionalverband</strong>es dargestellt, lebten am<br />
31. Dezember 2005 im Untersuchungsraum 90.247 Menschen über 50<br />
Jahre. Im Bezugsjahr 2004 gehörten 31.201 der Altersgruppe zwischen 50<br />
und 60 an (11,8 Prozent der Gesamtbevölkerung), 28.477 Personen waren<br />
zwischen 60 und 70 (10,8 Prozent von Gesamt) und 30.599 Menschen älter<br />
als 70 Jahre alt (entspricht 11,6 Prozent).67 Die über 50-Jährigen machen<br />
damit einen Anteil von 34,3 Prozent der Gesamtbevölkerung in Stadt und<br />
Landkreis Göttingen aus.<br />
Für das Jahr 2004 wurde einen Bestand von 53.968 Gebäuden mit insgesamt<br />
121.162 Wohnungen im gesamten Landkreis ermittelt.68 Daraus<br />
ergibt sich die von der LTS (Landestreuhandstelle) berechnete Eigenheim-<br />
67 NLS 2004, Bevölkerungsstand<br />
68 NLS 2004, Gebäude- und Wohnungsfortschreibung<br />
76
quote. Gebäude mit ein und zwei Wohnungen werden laut Mikrozensus<br />
2004 zu über 90 Prozent von den Eigentümern selbst genutzt. Auf dieser<br />
Basis wurde die Eigenheimquote für die Gemeinden des Landkreises<br />
gebildet.69 Demzufolge liegt die durchschnittliche Eigenheimquote des<br />
gesamten Landkreises bei 46,7 Prozent (Daten von 2004), für den Durchschnitt<br />
der ländlichen Gemeinden (ohne die Stadt Göttingen, Duderstadt<br />
und Hann. Münden) jedoch bei 79,3 Prozent. Die Stadt Göttingen weist eine<br />
Eigenheimquote von lediglich etwas über 27 Prozent auf. In Duderstadt<br />
liegt sie bei 80 Prozent und in Hann. Münden beträgt sie 51 Prozent.70 Es<br />
zeigt sich also, dass die Anteile regional stark variieren und die ländlichen<br />
Gemeinden des Landkreises weitaus höhere Eigenheimquoten als die<br />
städtischen Räume aufweisen.<br />
An der Straßenbefragung im Sommer 2006 nahmen insgesamt 251<br />
Menschen aus der Altersgruppe 50plus teil. Davon waren 97 Männer<br />
(38,6 Prozent) und 154 Frauen, 33,9 Prozent gehörten zur Gruppe der<br />
50- bis 59-Jährigen, 41,4 Prozent waren zwischen 60 und 69 und 24,7<br />
Prozent über 70. Befragte aus der Stadt Göttingen gaben zu 57 Prozent<br />
(78 Befragte) an, in einem eigenen Haus bzw. einer Eigentumswohnung<br />
zu leben, 44 Prozent wohnen zur Miete. In der Stadt Duderstadt (25 Befragte)<br />
leben 56 Prozent in Eigentum und 44 Prozent zur Miete, in Hann.<br />
Münden (37 Befragte) waren es 51 Prozent gegenüber 49 Prozent Mietern.<br />
Die 103 Befragten aus dem übrigen Kreisgebiet gaben an, zu 86 Prozent<br />
in eigenem Wohnraum zu leben, nur 14 Prozent wohnen zur Miete. Insgesamt<br />
leben 31,8 Prozent der Befragten zur Miete, 15 Prozent in einer<br />
Eigentumswohnung und 53 Prozent in eigenem Haus, es ergibt sich also<br />
ein Mieter-Eigentümerverhältnis von eins zu zwei. Damit bestätigt das<br />
Ergebnis der Befragung die o. g. Statistik. Der Anteil der Eigentümer ist<br />
in allen Altersgruppen ungefähr gleich.<br />
69 LTS Wohnortblitzlicht 2004<br />
70 Es ist anzunehmen, dass die Eigenheimquote bei über 50-Jährigen im Vergleich zum Durchschnitt<br />
der Gesamtbevölkerung um einige Prozentpunkte höher liegt.<br />
77<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Abbildung 12: Eigenheim-<br />
quote (eigene Berechnung<br />
mit Daten der LTS)
Abbildung 13:Wohnformen,<br />
Ergebnisse der Bürger-<br />
umfrage<br />
Die meisten Befragten sind Eigentümer. Ihnen fällt die Verantwortung der<br />
Wohnungsgestaltung selbst zu. Somit sind sie, auch unter Aspekten der<br />
Beschäftigungsförderung, die Hauptzielgruppe für Handwerksdienstleistungen<br />
und wohnungsbezogene Produkte.<br />
Ein Viertel der Befragungsteilnehmer lebt allein. 55 Prozent leben in Zweipersonenhaushalten<br />
und die restlichen 20 Prozent in Haushalten mit drei<br />
oder mehr Personen. Dies entspricht weitgehend den durchschnittlichen<br />
Haushaltsgrößen dieser Altersgruppe in Niedersachsen. Mehr als die<br />
Hälfte (55 Prozent) der Befragten gaben an, bereits in Rente zu sein, 6,3<br />
Prozent beziehen eine Pension, 20 Prozent sind noch erwerbstätig und<br />
knapp 20 Prozent erwerbslos.<br />
58 Prozent fühlen sich, unabhängig vom Bildungsstand, ausreichend über<br />
das “Wohnen im Alter“ informiert. Diese Aussage muss dahingehend relativiert<br />
werden, dass nicht näher spezifiziert wurde, was unter ausreichend<br />
verstanden wird. Es zeigt sich jedoch, dass sich die Mehrheit bereits mit<br />
dem Thema auseinandergesetzt hat und weiß, dass das Wohnen im Alter<br />
mit speziellen Bedingungen und Anforderungen verbunden ist. Damit ist<br />
aber noch nicht sichergestellt, dass sich der Einzelne über seine Wohnwünsche<br />
im Klaren ist und die bestehenden Möglichkeiten kennt. Hier<br />
kann Wohnberatung wichtige Leistungen erbringen.<br />
In welchem Umfang Kriterien seniorengerechten Wohnens bekannt sind<br />
und wahrgenommen werden, zeigt sich an den Antworten auf die Frage<br />
„Was macht für Sie seniorengerechtes Wohnen aus?“. Hier wurden vor<br />
allem der Zugang zur Wohnung, die Ausstattung des Badezimmers und<br />
das Fehlen von Türschwellen genannt. Auch sah fast die Hälfte der Befragten<br />
die Breite der Innentüren als wichtiges Kriterium einer seniorengerechten<br />
Wohnung an. Der Zuschnitt der Räume (34 Prozent), die Beratungsangebote<br />
(24 Prozent) und andere Kriterien (10 Prozent) spielen eine<br />
71 NLS Mikrozensus 2004, S. 27<br />
78
untergeordnete Rolle. Dies entspricht weitgehend der von Anbieterseite<br />
beschriebenen Auffassung von Seniorengerechtigkeit. Auch im Rahmen<br />
einer von der GEWOS durchgeführten Untersuchung zur Mieterzufriedenheit<br />
im Auftrag der Volksheimstätte gehörte der Zugang zur Wohnung und<br />
die Ausstattung des Badezimmers zu den meistgeäußerten Wünschen<br />
bezogen auf eine altersgerechte Wohnung.<br />
Interessant ist, dass Eigentumswohnungen hinsichtlich der Zugänglichkeit,<br />
Breite der Innentüren und Schwellenfreiheit sowie Bewegungsflächen<br />
innerhalb der Wohnung am ehesten den Kriterien des seniorengerechten<br />
Wohnens entsprechen. Auch nicht näher spezifizierte andere Kriterien<br />
sind hier am häufigsten vorhanden. Erhöhte Toilettensitze finden sich am<br />
häufigsten in Einfamilienhäusern, die Ausstattung mit bodengleichen<br />
Duschen vor allem in Mietwohnungen.<br />
79<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Abbildung 14: „Was macht für sie<br />
seniorengerechtes Wohnen aus?“,<br />
Ergebnisse der Bürgerumfrage<br />
Abbildung 15: Eigenschaften<br />
von Wohnungen, Ergebnisse<br />
der Bürgerumfrage
Abbildung 16: Eignung<br />
derzeitiger Wohnungen,<br />
Ergebnisse der Bürger-<br />
umfrage<br />
Durchschnittlich bewerten Eigentümer die Qualität ihrer Wohnung bezüglich<br />
des Alterns zu Hause deutlich höher als Mieter. Insgesamt finden<br />
knapp 28 Prozent ihre Wohnung absolut ausreichend geeignet, 40,6 Prozent<br />
eingeschränkt ausreichend; 25,8 Prozent meinen, ihre Wohnung sei<br />
nicht besonders gut geeignet und 5,7 Prozent geben an, ihre Wohnung sei<br />
absolut ungeeignet. Es zeigt sich, dass eine Nachfrage für Maßnahmen<br />
der Wohnungsanpassung im Privatsektor bei mehr als zwei Drittel der<br />
Befragten in unterschiedlichem Umfang besteht.<br />
Im Mietsektor halten lediglich 18 Prozent ihre Wohnung für absolut auseichend<br />
geeignet, immerhin 46 Prozent der Befragten für nicht besonders<br />
gut oder absolut ungeeignet. Dies weist darauf hin, dass der Bedarf an<br />
seniorengerecht ausgestatteten Mietwohnungen, trotz in den letzten<br />
Jahren im Zuge von Sanierungen hinzugekommener Wohnungen und<br />
neu gebauter Anlagen, nicht ausreichend gedeckt ist. Hier besteht die<br />
Möglichkeit bzw. Notwendigkeit, mittels handwerklicher Dienstleistungen<br />
nachzurüsten oder neue Angebote zu schaffen.<br />
Auf die Frage, ob geplant sei, dauerhaft in der eigenen Wohnung zu<br />
bleiben, ergaben sich nur geringe Unterschiede, auch innerhalb der<br />
verschiedenen Altersgruppen. Durchschnittlich geben 55 Prozent an,<br />
sie wollten zu Hause bleiben, 27 Prozent schränken diesen Wunsch mit<br />
“wenn möglich“ ein, aber immerhin 18 Prozent planen einen weiteren<br />
Umzug. Dabei ist die Bereitschaft bzw. Erwartung eines weiteren Umzugs<br />
bei den Jüngeren um einige Prozentpunkte höher (23 Prozent bei den bis<br />
60-Jährigen, 17 Prozent der bis 70-Jährigen und noch 12 Prozent der über<br />
70-Jährigen). Daran zeigt sich, dass eine überraschend hohe Mobilität im<br />
letzten Lebensabschnitt besteht und dementsprechend eine Nachfrage<br />
nach seniorengerechtem Wohnraum.<br />
Unabhängig von Alter und Bildung hatte sich nur ein Viertel der Befragungsteilnehmer<br />
bereits konkret mit einem Umbau ihrer Wohnung auseinandergesetzt.<br />
Auf die Frage, inwieweit sie bereit wären, einen finanziellen<br />
Beitrag zur Umgestaltung zu leisten (wobei der Umfang der Beteiligung<br />
nicht näher spezifiziert war), gaben immerhin 41 Prozent der Mieter, 61<br />
Prozent der Eigentumswohnungsbesitzer und 79 Prozent der Hausbesitzer<br />
an, sich finanziell engagieren zu wollen.<br />
80
Um diese Nachfrage bzw. das dahinter stehende Kaufkraftpotenzial abzuschätzen,<br />
sind ergänzende Daten über die jeweilige Einkommenssituation<br />
und den Umfang der erforderlichen Umbauten nötig. Dies konnte jedoch<br />
im Rahmen dieser Befragung nicht ermittelt werden. Soweit liefern die<br />
Antworten vor allem Hinweise darauf, dass das Bewusstsein einer Eigenverantwortung<br />
für dieses Thema relativ ausgeprägt ist. Dementsprechend<br />
besteht großes Interesse an Handwerksdienstleistungen aus einer Hand,<br />
70 Prozent der bis 50- bis 70-Jährigen und sogar 75 Prozent der über 70-<br />
Jährigen gaben an, dies bei Umgestaltungsmaßnahmen zu bevorzugen.<br />
Gefragt, wie man im Falle eines Umzuges am liebsten wohnen würde,<br />
ergaben sich unerwartete Ergebnisse. Im Durchschnitt aller Antworten<br />
zeigte sich, dass der Wunsch, in einer Seniorenwohnanlage zu leben, an<br />
erster Stelle steht (21 Prozent). Danach kommt das Wohnen in einer seniorengerechten<br />
Miet- oder Eigentumswohnung, das in allen Altersgruppen<br />
etwa gleich beliebt ist. Die Nachfrage nach seniorengerechten Mietwohnungen<br />
ist in Duderstadt und Hann. Münden am höchsten.<br />
Mit durchschnittlich 17 Prozent besteht großes Interesse an selbst organisierten<br />
Wohn- oder Hausgemeinschaften, am größten ist es unter den<br />
Jungsenioren und in der Stadt Göttingen. Dies kann als Hinweis auf die<br />
soziostrukturellen gesellschaftlichen Veränderungen (Stichwort Individualisierung)<br />
einerseits und die veränderten Einstellungen zum Alter andererseits<br />
gedeutet werden. Der Anteil derer, die das Alter mit der Familie<br />
erleben möchten, ist mit zehn Prozent insgesamt gering. Im ländlichen<br />
Raum sind es immerhin 17 Prozent. Dort sind familiäre Strukturen, um<br />
eine Versorgung im Alter zu ermöglichen, noch stärker vorhanden als in<br />
den Städten.<br />
Erwartungsgemäß ist das Pflegeheim als bevorzugter Alterswohnsitz am<br />
unpopulärsten und wird vor allem von älteren Senioren angestrebt. Die<br />
relativ geringe Präferenz des Mehrgenerationenwohnens, das vorwiegend<br />
von den Jungsenioren gewählt wurde, lässt sich mit dem bis dato geringen<br />
81<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Abbildung 17: Wohnformen-<br />
präferenz bei Umzug,<br />
Ergebnisse der Bürger-<br />
umfrage
Abbildung 18: „Welche der<br />
folgenden Wohnformen würden<br />
Sie im Falle eines Umzuges<br />
bevorzugen?“ (Nach Alter)<br />
Ergebnisse der Bürgerumfrage<br />
Verbreitungs- und Bekanntheitsgrad erklären, auch wenn es in Stadt und<br />
Landkreis Göttingen bereits eine Reihe derartiger Angebote gibt und weitere<br />
geplant sind. Möglicherweise begründet sich das geringe Interesse<br />
daran mit dem Wunsch Älterer nach Ruhe sowie einer Umgebung, die<br />
speziell für sie gestaltet wurde.<br />
Nach Beobachtungen von Maklern aus dem Landkreis Göttingen befassen<br />
sich viele Menschen bereits in der ersten Hälfte ihres sechsten<br />
Lebensjahrzehnts mit der Frage, wie sie im Alter wohnen wollen. Das<br />
Interesse an dieser Fragestellung hat demnach in den Jahren 2005 und<br />
2006 deutlich zugenommen. Häufig wird ein Zusammenhang zwischen<br />
dem Bildungsstand und der Langfristigkeit des Planungshorizonts beobachtet.<br />
Diese Korrelation bestätigte sich durch die Bürgerbefragung des<br />
<strong>Regionalverband</strong>es allerdings nicht. Der Informationsstand zum Thema<br />
Wohnen im Alter war hier durch alle Bildungsgruppen auch bei den 50- bis<br />
60-Jährigen etwa gleich verteilt. Viele dürften, einfach aus der Alltagspraxis<br />
mit älteren Angehörigen oder Bekannten heraus, bereits eine Vorstellung<br />
über ihre eigene Zukunft und die damit verbundenen Probleme des Alterns<br />
gewonnen haben.<br />
Die Anpassung des Wohnraums an das Alter scheitert häufig am organisatorischen<br />
Aufwand und der Finanzierung. Es wird oft übersehen, dass<br />
es eine Reihe von Fördermöglichkeiten gibt. Diese sind jedoch meist an<br />
eine bestehende, gesundheitliche oder finanzielle Bedürftigkeit gebunden.<br />
Bei Erwerbsunfähigkeit, z. B. durch Arbeits- und Wegeunfälle oder<br />
Berufskrankheiten, werden u. U. Zuschüsse für Umbaumaßnahmen gezahlt,<br />
wenn sie die Rehabilitation unterstützen. Geregelt wird dies durch<br />
das Bundesversorgungsgesetz (BVG), das Opferentschädigungsgesetz<br />
(OEG) oder das Schwerbehindertengesetz (SchwbG). Wohnumfeldverbessernde<br />
Maßnahmen für Pflegebedürftige – z. B. Türverbreiterungen,<br />
fest installierte Rampen und Lifte, die Einrichtung eines Bades und der<br />
Einbau oder Umbau von Mobiliar wie eine Küchenschrankabsenkvorrichtung,<br />
das Ersetzen einer Badewanne durch eine Dusche – können durch<br />
die Pflegeversicherung bezahlt werden, wenn dadurch im Einzelfall die<br />
häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst<br />
selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt<br />
wird.<br />
72 Gespräch mit Veronika Frels von Larsen-Frels Immobilien am 11. Mai 2006<br />
82
Bei einem Eigenanteil von zehn Prozent wird ein Zuschuss von höchstens<br />
2.557 Euro pro Maßnahme gezahlt. Ändert sich die Pflegesituation, kann<br />
eine weitere Maßnahme in Anspruch genommen werden. Einkommensabhängig<br />
werden Leistungen nach dem SGB XII, als Hilfe in besonderen<br />
Lebenslagen, für Menschen mit sehr geringem Einkommen und für pflegebedürftige<br />
Menschen erbracht, die nicht durch die Pflegeversicherung<br />
eingestuft sind.<br />
Wohnungsanpassungen, die das selbstständige Leben zu Hause ermöglichen,<br />
werden von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich unterstützt.<br />
Die Landesregierung fördert den Wohnungsumbau für Schwerbehinderte<br />
mit zinslosen Darlehen.<br />
Seit 1999 unterstützt das Land den Bau neuer Altenwohnungen in einer<br />
sozialen Staffelung für Haushalte mit geringen und mit mittleren Einkommen.<br />
Vorrangig gefördert werden Objekte des Betreuten Wohnens.<br />
Schwerpunkt der Förderung des Mietwohnungsbaus ist die Förderung<br />
von Modernisierungsmaßnahmen im Wohnungsbestand. Damit sollen<br />
neue Sozialbindungen für Wohnungssuchende mit niedrigen Einkommen<br />
begründet werden. Eine Neubauförderung bei Mietwohnungen erfolgt für<br />
Altenwohnungen und für Ersatzbauvorhaben in Sanierungs- und Unterkunftsgebieten.<br />
Vorrang haben hierbei Maßnahmen, die die Sozialstruktur<br />
eines Wohngebietes verbessern. Im Übrigen werden zukunftsweisende<br />
Projekte im Wohnungsbau berücksichtigt. Dazu gehören Projekte mit<br />
bedarfsgerechten Mischungen von Sozialwohnungen und freifinanziertem<br />
Wohnungsbau sowie allgemeinen Mietwohnungen, Alten- und<br />
Behindertenwohnungen einschließlich der erforderlichen Betreuungsangebote.<br />
Auch generationenübergreifendes Wohnen sowie Vorhaben im<br />
Zusammenhang mit städtebaulichen Maßnahmen in städtebaulichen<br />
Sanierungsgebieten sind von besonderer Bedeutung.<br />
Das Mietrecht billigt Mietern die Möglichkeit der Wohnraumanpassung im<br />
Bedarfsfall zu. 2001 hat der Bundesgesetzgeber den Vermieter verpflichtet,<br />
baulichen Veränderungen oder sonstigen Einrichtungen zuzustimmen, die<br />
für eine behindertengerechte Nutzung der Wohnung oder des Zugangs<br />
zu ihr erforderlich sind. Der Vermieter kann sich jedoch das Recht vorbehalten,<br />
den Mieter zum Rückbau im Falle des Auszuges zu verpflichten.<br />
Die Umsetzung der Maßnahmen muss jedoch, soweit der Vermieter<br />
keine Veranlassung sieht, selbst aktiv zu werden, von den Mietern selbst<br />
getragen werden.<br />
Im folgenden Abschnitt wird das Angebot an Mietwohnungen, die seniorengerechte<br />
Eigenschaften aufweisen, untersucht. Dabei liegt ein<br />
Schwerpunkt bei den gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften, da diese<br />
einerseits ein großes Angebot bereitstellen (niedersachsenweit elf Prozent<br />
aller Mietwohnungen) und andererseits aufgrund ihrer Einbindung in ihren<br />
Verband gut über das Marktgeschehen, auch bezüglich des demographischen<br />
Wandels, informiert sind. Es werden Tagungen zum Thema<br />
73 Sozialnetz Hessen 2006<br />
74 MSFFG Niedersachsen 2006<br />
75 Mieterlexikon 2005, S. 340<br />
76 VDW Niedersachsen, 2006<br />
83<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
“Wohnen im Alter“ veranstaltet und eigene Studien und Mieterevaluationen<br />
durchgeführt. Viele private Anbieter haben sich hingegen noch nicht auf<br />
die zukünftigen Nachfrageverschiebungen eingestellt.<br />
Dass SeniorInnen eine wichtige Zielgruppe für Wohnungsunternehmen<br />
sind, zeigt eine Reihe von Studien, beispielsweise eine Untersuchung im<br />
Auftrag des VDW zu Niedersachsen und Bremen und „Göttingen 2020<br />
– Wohnungsmarktanalyse und -prognose“. Der wirtschaftliche Erfolg der<br />
Wohnungsunternehmen hängt nicht zuletzt von ihrer Anpassungsfähigkeit<br />
an die sich verändernde Nachfrage ab. Angesichts des Bevölkerungsrückgangs<br />
stehen außerhalb der Zentren schon jetzt viele Wohnungen leer.<br />
Statt eines relativ einheitlichen Angebots liegen die Wachstumsmöglichkeiten<br />
in den Teilmärkten spezialisierter Wohnformen. Auch besteht eine<br />
hohe Nachfrage nach preiswertem Wohnraum für Geringverdiener.<br />
Die Frage, inwieweit ältere Bestände im Rahmen der anstehenden Erneuerungszyklen<br />
geeignet sind, mit barrierefreiem Standard im Sinne<br />
der DIN 18025 Teil 2 nachgerüstet zu werden, stellt sich vor allem für die<br />
Wohnungsbestände der Nachkriegszeit. Eine große Anzahl von Siedlungen<br />
aus den 50er- und 60er-Jahren hat einen hohen Anteil an MieterInnen, die<br />
hier bereits seit über 40 Jahren wohnen. Sie kommen in ein Alter, in dem<br />
sie nicht mehr ohne Hilfe, Betreuungsangebote oder bauliche Verbesserungen<br />
in ihren Wohnungen bleiben können. Für die Wohnungen besteht<br />
Erneuerungs- und Investitionsbedarf. Umfang und erforderliche bauliche<br />
Eingriffsintensität zur Umrüstung hängen vom Gebäudetyp und der Bausubstanz<br />
ab. Für die unmittelbaren Nachkriegsbestände mit kleinteiligen<br />
Grundrissen und minimalem Ausstattungsstandard sind die Grenzen der<br />
technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit häufig erreicht. Dies gilt<br />
auch für Bautypen, die z. B. über Hochparterrewohnungen verfügen oder<br />
die über Aufzüge auf halber Geschosshöhe erschlossen wurden. Abhängig<br />
von den baulichen Strukturtypen ist deshalb auch mit intensiven baulichen<br />
Eingriffen nicht immer Barrierefreiheit zu erreichen.<br />
Wenn Modernisierungen des Bestandes vorgenommen werden, versuchen<br />
die befragten Wohnungsunternehmen, Kriterien des seniorengerechten<br />
Wohnens so weit als möglich umzusetzen. Explizit barrierefreie<br />
Wohnungen entstehen vor allem im Zuge von Neubauten; bei Modernisierungen<br />
werden vorrangig Umbauten der Badezimmer und Verbesserungen<br />
des Zugangs zur Wohnung umgesetzt. Wie von den Anbietern<br />
“Seniorengerechtigkeit“ definiert wird, zeigt die Abbildung 19. Meist wird<br />
die Umsetzung dieser Ansprüche bei Modernisierungen jedoch von der<br />
bautechnischen Machbarkeit beschränkt.<br />
Als wichtigste Eigenschaften werden der Zugang zur Wohnung und die<br />
Ausstattung des Badezimmers betrachtet, da sich in diesen Bereichen<br />
die größten Erschwernisse und Unfallrisiken ergeben. Mehr als die Hälfte<br />
der Befragten hielt das Fehlen von Türschwellen und die Breite der<br />
Innentüren für wichtige Merkmale einer seniorengerechten Wohnung.<br />
Beratungsangebote oder andere Kriterien sind für die Anbieter von geringerer<br />
Bedeutung.<br />
77 Wohnungsmarktprognosen der Landestreuhandstelle; VDW (2004): “Wohnungsmarktentwicklung in<br />
Niedersachsen und Bremen 2020“; GEWOS 2004<br />
78 Vgl. Steffens et al. 2004, S. 39<br />
84
Zwischen fünf und zehn Prozent der Wohnungen der gemeinnützigen<br />
Wohnungsunternehmen der Städte Göttingen und Hann. Münden sind<br />
seniorengerecht bzw. barrierefrei ausgestattet. Der Begriff “seniorengerecht“<br />
bezeichnet unterschiedliche Standards, je nach Baualter und<br />
Struktur der Gebäude.<br />
Im Rahmen von Neubauprojekten der Städtischen Wohnungsbau Göttingen<br />
GmbH werden Erdgeschosswohnungen weitgehend barrierefrei<br />
gebaut (z. B. am Alfred-Delp-Weg auf den Terrassen in Göttingen).<br />
Insgesamt wird ein Wohnungs-Mix-Konzept verfolgt, das die soziale<br />
Durchmischung der Quartiere erhalten und das Entstehen von Ghettos<br />
bestimmter Bevölkerungsgruppen (z. B. auch alter Menschen) verhindern<br />
will. Wenn möglich, wird bei Sanierungen ein Fahrstuhl eingebaut; Türen<br />
werden verbreitert und Gegensprechanlagen eingebaut (z. B. am Tegeler<br />
Weg in Geismar). Die Städtische Wohnungsbau GmbH bietet älteren umzugswilligen<br />
Mietern Hilfestellungen. Zum einen besteht die Möglichkeit<br />
eines Umzuges innerhalb des Bestandes, zum anderen die des Umbaus<br />
auf Nachfrage, z. B. beim Badezimmer, wobei Maßnahmen bis zu 14.000<br />
Euro nicht zwangsläufig zu Mieterhöhungen führen. Die andere Variante<br />
ist ein Umzug in die Anlagen des Betreuten Wohnens (51 Wohnungen in<br />
der Reinhäuser Landstraße und 32 am Ingeborg-Nahnsen-Platz, wo eine<br />
Kooperation mit dem städtischen Altenzentrum ermöglicht wird).<br />
Die Wohnungsgenossenschaft Göttingen e. G vermietet etwa 4.400<br />
Wohnungen, vorwiegend im Stadtgebiet Göttingen. Die Wohnungen im<br />
Erdgeschoss werden im Zuge von Modernisierungen schrittweise zu<br />
Seniorenwohnungen umgerüstet. Eine Betreuung für ältere Menschen<br />
erfolgt über die Mieterberatung. Auch veranstaltet die Wohnungsgenossenschaft<br />
Informationsveranstaltungen für Mitglieder, u. a. zum Thema<br />
Seniorenwohnen. Neubauten werden nach der Niedersächsischen Bauordnung<br />
mit barrierefreien Wohnungen im Erdgeschoss und mit Fahrstühlen<br />
ausgestattet.<br />
85<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Abbildung 19: Kriterien senioren-<br />
gerechten Wohnens, Ergebnisse<br />
der Anbieterumfrage
Mit einem Bestand von insgesamt ca. 2.500 Wohnungen in Bovenden,<br />
Rosdorf, Niedernjesa, der Südstadt und am Holtenser Berg betreibt die<br />
Volksheimstätte in Geismar am Tannenweg eine generationengemischte<br />
Wohnanlage mit ca. 250 Wohnungen, von denen etwa ein Achtel seniorengerechte<br />
Kriterien erfüllt. Dies bezieht sich auf die Zugänge zu den<br />
Wohnungen, bodengleiche Duschen und Türverbreiterungen. Im Zuge<br />
von Sanierungen wird etwa die Hälfte der EG-Wohnungen nach und nach<br />
barrierefrei umgerüstet, wenn möglich werden Fahrstühle eingebaut und<br />
Türen verbreitert. Bausubstanz und Rentabilitätsabwägungen setzen hier<br />
jedoch Grenzen. Bei Problemen älterer Mieter wird mit den Betroffenen<br />
ein Betreuungskonzept erarbeitet; kostenlos werden Hilfestellungen, auch<br />
bezüglich von Wohnalternativen, vermittelt. Auf Mieterwunsch werden<br />
Anpassungen, beispielsweise Badezimmersanierungen durchgeführt, die<br />
je nach Umfang auf die Miete umgelegt werden.<br />
Die für Ältere oft mühsame Hausreinigung hat die Volksheimstätte Göttingen<br />
einem Dienstleister übertragen. Das Konzept zur Verbesserung der<br />
Wohnbedingungen für ältere Menschen wird kontinuierlich weiterentwickelt,<br />
so finden zweimal im Jahr Informationsveranstaltungen statt, darüber<br />
hinaus lädt die Mitgliederbetreuerin zu Nachmittagsveranstaltungen<br />
ein, bei denen bestimmte Themen diskutiert werden können.<br />
Die Wohnungsbaugenossenschaft Eichsfeld mit 395 Wohnungen unterhält<br />
vorwiegend Altbauten in Duderstadt, Gieboldehausen und Lindau, bei<br />
denen die Möglichkeiten zum seniorengerechten Umbau substanzbedingt<br />
eingeschränkt sind. Derzeit gibt es keine konkret seniorengerechten Angebote.<br />
Allerdings versucht die Gesellschaft, auf die Bedürfnisse älterer<br />
Mieter mit Umbaumaßnahmen zu reagieren. Derzeit ist die Errichtung von<br />
vier Stadtvillen im Zentrum Duderstadts mit barrierefreien Erdgeschosswohnungen<br />
geplant.<br />
Auch der gemeinnützige Bauverein Hann. Münden bietet in seinen<br />
Wohnungen im Stadtgebiet Hann. Münden in geringem Umfang altengerechtes<br />
Wohnen (bezogen auf den Zugang, die Breite der Innentüren,<br />
Schwellenfreiheit und Ausstattung des Badezimmers) und barrierefreies<br />
Wohnen an. Darüber hinaus wird eine Anlage des Betreuten Wohnens in<br />
Kooperation mit der AWO betrieben.<br />
Alle genannten Unternehmen beteiligen sich aktiv an Maßnahmen zur<br />
Wohnumfeld- und Quartiersgestaltung. Bei der Planung wird nach Bevölkerungsgruppen<br />
differenziert, vorwiegend nach alleinstehenden Personen<br />
und solchen mit Migrationshintergrund. Aufgrund geringer öffentlicher<br />
Förderung und allgemeiner Angebotsüberhänge wird derzeit von den<br />
Wohnungsgesellschaften wenig Neubau betrieben. Auf die Frage, mit<br />
welchen Mitteln das Angebot seniorengerechter Wohnungen gesteigert<br />
werden könnte, antworteten sowohl viele Wohnungsunternehmen als<br />
auch die „Klein-Vermieter“, dass zusätzliche öffentliche Förderungen und<br />
eine höhere Nachfrage nach altengerechten Wohnformen sowie eine<br />
finanzielle Eigenbeteiligung der Mieter dies bewirken könne.<br />
Im Gegensatz zu den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen hat sich<br />
der Trend zur Schaffung zielgruppenspezifischer Angebote bei vielen privaten<br />
Wohnungsunternehmen noch nicht durchgesetzt. Nur wenige der<br />
86
efragten Mitglieder des Haus und Grund-Ortsvereins Duderstadt (sie<br />
haben durchschnittlich zehn Wohnungen im Bestand) bieten seniorengerechten<br />
Wohnraum an. Neubau- und Modernisierungsaktivitäten werden<br />
in geringerem Umfang durchgeführt als bei großen Unternehmen. Höhere<br />
Betriebskosten und insgesamt geringere Investitionsvolumen bedingen<br />
eine langsamere Anpassung.<br />
Dies zeigt sich auch bei der Analyse der Wohnungsanzeigen in Tageszeitungen<br />
und auf Nachfrage bei Maklern und Verwaltungsfirmen. Explizit<br />
seniorengerechte Angebote sind selten und vor allem in den hochpreisigen<br />
Segmenten und bei neu gebauten Eigentumswohnungen oder<br />
Eigenheimen zu finden. Hier verwirklichen einige Bauträger barrierefreie<br />
Gebäude mit modernster technischer Ausstattung. Viele Firmen wiesen<br />
darauf hin, Göttingen sei eine junge Stadt, seniorengerecht ausgestatteten<br />
Wohnungen seien nicht nachfragegerecht.<br />
Mit ihrem im Entwurf 2006 diskutierten städtebaulichen Leitbild verfolgt<br />
die Stadt Göttingen das Ziel, die Attraktivität des Standortes für SeniorInnen<br />
zu erhöhen. So ist in der Kernstadt die Stärkung seniorengerechter<br />
Wohnformen geplant. Quartiere aus den 50er- und 60er-Jahren mit überalterter<br />
Bevölkerung sind für die Anpassung des Wohnungsbestandes<br />
vorgesehen (z. B. Klausberg, Geismar, Leineberg, Grone und Südstadt).<br />
Im Rahmen des Quartiersmanagements sollen integrationsfördernde,<br />
heterogene Bevölkerungsstrukturen unterstützt werden. Die Wohnungsbauförderung,<br />
die sich derzeit auf sozial Schwache konzentriert, soll auch<br />
auf barrierefreien Wohnraum für SeniorInnen ausgeweitet werden. Dies<br />
betrifft das gesamte Spektrum der Daseinsvorsorge, also auch Wohnmöglichkeiten<br />
für ältere Menschen, die über die bisher vorherrschenden<br />
Angebote hinausgehen.<br />
Das Baugebiet “Dawe“ in Grone wird als generationsübergreifendes Baugebiet<br />
(Familien und ältere Menschen) mit gezielten Angeboten im Einzelhausbereich<br />
und in der Gestaltung der öffentlichen Flächen entwickelt. Bei<br />
Stadtumbauprogrammen und bei der Sanierung von Wohngebäuden wird<br />
unter dem Motto “Vielfalt und Lebendigkeit, aber auch maßgeschneiderte<br />
Angebote“ mit dem Ziel, Teilhabe und Partizipationsangebote zu fördern,<br />
auf die Gruppe der Älteren eingegangen. Die Stadt Göttingen konstatiert<br />
Defizite vor allem bei den preiswerteren Angeboten. In manchen Seniorenwohnanlagen<br />
gibt es zwar relativ günstige Wohnungen mit qualitativ<br />
guter Ausstattung, es bestehen jedoch oft jahrelange Wartezeiten. Dies<br />
wird auch von Trägern privater Seniorenwohnanlagen wie in Groß Schneen<br />
und Duderstadt bestätigt.<br />
In unterschiedlichem Umfang haben sich die Gemeinden des Landkreises<br />
auf die zu erwartenden Veränderungen eingestellt. So wurde vielfach<br />
mit der Ausweisung von Senioren- oder Mehrgenerationenwohnanlagen<br />
in den Bebauungsplänen reagiert. Auf diese Weise entstand z. B. die<br />
Seniorenwohnanlage am Korbhofe in Bovenden mit Unterstützung der<br />
Gemeinde, für das Baugebiet am Junkernberg ist die Umsetzung eines<br />
79 Städtebauliches Leitbild der Stadt Göttingen bis 2020, S. 6–8<br />
87<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Mehrgenerationenprojektes geplant, am Kattenbühl in Hann. Münden plant<br />
ein irischer Investor eine auf 20.000 Quadratmeter angelegte Wohnanlage<br />
mit Seniorenwohnungen.<br />
Angesichts des demographischen Wandels und den starken Veränderungen<br />
auf dem Wohnungsmarkt sowie einer Vielzahl neuer Angebote<br />
kommt der Wohnberatung eine besondere Bedeutung zu. Ziel ist es,<br />
die Möglichkeiten von baulich-technischen Maßnahmen in bestehenden<br />
Wohnungen aufzuzeigen und konkrete Vorschläge für die praktische<br />
Durchführung zu machen. 0 Die zentrale Aufgabe der Wohnberatung beschränkt<br />
sich aber nicht auf reine Beratungsleistung, sondern umfasst auch<br />
praktische Hilfe, Begleitung und organisatorische Unterstützung bei der<br />
Planung und Durchführung von Anpassungsmaßnahmen. Falls sich eine<br />
Wohnsituation als ungeeignet erweist, werden Alternativen aufgezeigt.<br />
Das gilt insbesondere dann, wenn die Wohnung im vierten Stock ohne<br />
Aufzug liegt oder keine Kontakte zum Umfeld bestehen. In solchen Fällen<br />
gilt es, die Entscheidung zu treffen, welches Wohnangebot den eigenen<br />
Wünschen am besten entspricht und verfügbar sowie bezahlbar ist.<br />
Auch die Entwicklung altersgerechter Wohnangebote durch die Beratung<br />
von Wohnungsunternehmen zählt zu den Aufgaben der Wohnberatung.<br />
Wohnberatung richtet sich hauptsächlich an ältere und behinderte Menschen.<br />
Ein großer Teil von ihnen lebt alleine und kann deshalb nicht auf<br />
Hilfeleistungen durch einen Partner zurückgreifen. Nach Erfahrungen aus<br />
NRW werden 85 Prozent der Anpassungen in Wohnungen für hilfs- und<br />
pflegebedürftige Menschen durchgeführt. Die Arbeitsgruppe Wohnen der<br />
Enquetekommission „Situation und Zukunft der Pflege in NRW“ zeigte,<br />
dass Anpassungsmaßnahmen erheblichen Einfluss auf den Pflegebedarf<br />
nehmen. Durch sie kann ein Pflegebedarf vermieden oder zumindest<br />
reduziert werden. Wenn das SGB XI auch keine direkte Beteiligung der<br />
Pflegekassen an der Wohnberatung vorsieht, bietet es doch die Möglichkeit<br />
zur Kostenbeteiligung an Wohnungsanpassungsmaßnahmen.<br />
Eine kommunale Wohnberatung bzw. Wohnungsanpassungsberatung<br />
existiert in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden nicht. Die Stadt<br />
Göttingen unterhält eine Seniorenberatungsstelle, die vorwiegend im Bereich<br />
der Informationsvermittlung tätig ist und die Hilfesuchenden darüber<br />
hinaus psycho-sozial begleitet. Eine vergleichbare Stelle existierte bis vor<br />
wenigen Jahren auch im Landkreis; sie wurde gestrichen. Die ebenfalls<br />
von der Stadt unterhaltene Behindertenberatungsstelle verfügt über<br />
größere Kompetenzen hinsichtlich der Wohnungsanpassungsberatung.<br />
Die MitarbeiterInnen sind auch als GutachterInnen für Barrierefreiheit im<br />
öffentlichen Raum tätig. Sie können wichtige Erfahrungen für den Ausbau<br />
einer kooperativen Wohnberatung in Stadt und Landkreis Göttingen<br />
beitragen.<br />
Auch der Allgemeine Sozialdienst (ASD) von Stadt und Landkreis (Gesundheitsamt)<br />
führt – auch aufsuchende – Wohnungsberatungen durch.<br />
Zielgruppen sind vor allem Bedürftige im Sinne des SGB XI und Menschen<br />
80 BMFSFJ 1998<br />
81 BMG 2002<br />
82 Braubach 2003, S. 22<br />
83 Vgl. Steffens et al. 2004, S. 72<br />
88
mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen, denen z. B. bei der Antragstellung<br />
für die Pflegeversicherung oder bei der Suche nach ambulanten<br />
Pflegediensten geholfen wird. Auch Wohnungsumgestaltungsberatung<br />
mit dem Ziel des Verbleibens im angestammten Umfeld und dessen Finanzierung<br />
fällt in den Aufgabenbereich des ASD. Nach ASD-Angaben ist<br />
vor allem bei Klientel mit wenig Geld große Motivationsarbeit nötig, um<br />
sie von dem Nutzen der Anpassung bzw. Umsetzung von Maßnahmen zu<br />
überzeugen. Der Sozialdienst des Gesundheitsamtes ist mit sechs Stellen<br />
besetzt, jede/-r MitarbeiterIn ist für einen Stadtteil Göttingens und eine<br />
Gemeinde des Landkreises zuständig, darüber hinaus gibt es Nebenstellen<br />
in Hann. Münden und Duderstadt. Es wird eine Lücke zwischen der<br />
Beratungsnotwendigkeit bei steigendem Bedarf gegenüber dem Rückbau<br />
der Beratungsangebote aufgrund leerer Kassen gesehen.<br />
Die Krankenkassen bieten teilweise telefonische Beratungsdienste an.<br />
Im Rahmen der “Sturzprophylaxe“ führt die AOK als einzigem Krankenversicherer<br />
auch Hausbesuche durch. Allerdings wird die Beratung von<br />
derselben Person durchgeführt, der auch die Bedürftigkeitskontrolle unterliegt.<br />
Dass die Beratung an die Frage gekoppelt ist, ob ein Anspruch<br />
berechtigt ist, steigert jedoch die Hemmschwelle, die Leistung in Anspruch<br />
zu nehmen. Wohlfahrtsverbände und Nachbarschaftshilfen bieten in den<br />
Gemeinden ebenfalls in verschiedenem Umfang Hilfestellungen zur Verbesserung<br />
der Wohnsituation an.<br />
Handwerkliche Kooperationen unter dem Stichwort “Service aus einer<br />
Hand“ sind bezüglich der Wohnungsanpassung noch am Anfang. Derzeit<br />
gilt die Tischlerfirma Seeland aus Gleichen als Vorreiter, auch einige<br />
Sanitätshäuser und Sanitärfirmen bieten bereits Service aus einer Hand<br />
an. Das Kapitel Handwerksdienstleistungen geht im Anschluss näher auf<br />
diesen Sektor ein.<br />
Auch die Niedersächsische Architektenkammer bietet in Ko-Finanzierung<br />
mit dem Land kostenlose Beratungen hinsichtlich der baulichen Gestaltung<br />
altengerechten Wohnraums an. Der Mieterverein hat das Seniorenwohnen<br />
zwar nicht als separates Beratungssegment im Programm, überlegt<br />
jedoch, dies wegen hoher Nachfrage in den Service aufzunehmen. Eine<br />
private Gesundheitsberatung in Friedland bietet neben Ernährungs- und<br />
Bewegungsberatung auch Hilfestellungen zur Prävention von Verletzungen<br />
im heimischen Umfeld an. Die Sozialdienste der Krankenhäuser bieten<br />
Unterstützung für die Zeit nach einem stationären Aufenthalt an, u. a.<br />
auch zur Umgestaltung des Wohnumfeldes.<br />
Angesichts der Vielzahl von Institutionen und unterschiedlicher Spezialisierung<br />
der Beratungsangebote kann eine zentralisierte Beratungsinstanz<br />
dazu beitragen, Impulse für die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> im Sektor Wohnen zu<br />
geben.<br />
Die meisten Verantwortlichen der Kommunalverwaltungen gehen nicht<br />
davon aus, dass eine Wohnberatungsstelle in alleiniger Trägerschaft einer<br />
Kommune eingerichtet werden könnte. Wenn überhaupt lasse sich dieses<br />
Angebot interkommunal oder durch den Landkreis Göttingen schaffen.<br />
84 Gespräch mit Diplom-Pflegewirtin Silvia Hermeier am 7. Juni 2006<br />
89<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
In der Samtgemeinde Dransfeld könne daran möglicherweise der Fachbereich<br />
Bauen, Umwelt und Ordnung beteiligt werden. Die Stadt Duderstadt<br />
vertritt die Auffassung, dass zur Lösung eines solchen Problems<br />
auch die Kreiswohnungsbaugesellschaft einen Beitrag leisten sollte. Der<br />
Bürgermeister der Gemeinde Friedland beabsichtigt, den Gedanken einer<br />
Wohnungsberatung aufzugreifen und im Rahmen eines Erzählcafés zu<br />
thematisieren. Auch der Bürgermeister der Gemeinde Gleichen hält die<br />
Idee grundsätzlich für gut und wird sie im Rahmen des Bündnisses für<br />
Familie in Altenclubs diskutieren. Auch die Stadt Hann. Münden hält die<br />
Idee für diskussionswürdig, geklärt werden müsse allerdings die Frage<br />
des Bedarfs.<br />
Auch Wohnungstauschbörsen existieren auf gemeindlicher Ebene nicht.<br />
Die Idee wird u. a. in Adelebsen, Bovenden und Gieboldehausen für sinnvoll<br />
gehalten. Im Ansatz wurde in Staufenberg bereits versucht, eine solche<br />
Initiative zu starten. Es zeigte sich jedoch dort, dass die meisten älteren<br />
Personen in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung bleiben wollen – selbst<br />
wenn Haus oder Wohnung nach Auszug oder Tod von Familienangehörigen<br />
viel zu groß geworden sind. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Adelebsen<br />
kann sich vorstellen, ein solches Angebot interkommunal zu gestalten. In<br />
Gleichen heißt es, da keine altengerechten Wohnungen vorhanden seien,<br />
fehle für das Funktionieren einer Wohnungstauschbörse die Basis. In<br />
Ebergötzen wird darauf verwiesen, dass die personelle Ausstattung der<br />
Samtgemeinde Radolfshausen ein solches Angebot nicht zulasse.<br />
Betreutes Wohnen<br />
“Wir werden zu alt, Altern ist eine Last. Ich bin zwar noch rüstig, brauche<br />
aber unbedingt Gesellschaft. In meinem Haus wohnen viele junge<br />
Leute, die grüßen zwar, aber mehr auch nicht. Sich um Gesellschaft zu<br />
kümmern ist aber mühsam.” (Göttingen)<br />
„Man muss den älteren Menschen eben helfen. Viele unterschreiben<br />
sehr schnell und lesen das Kleingedruckte nicht. Das gilt nicht nur für<br />
das Betreute Wohnen. Auch wer ins Altenheim kommt, braucht einen<br />
Kämpfer draußen, der sich für ihn einsetzt.“ (Hann. Münden)<br />
„Es ist in der Tat problematisch, dass das Betreute Wohnen nicht definiert<br />
ist. Wer Verträge abschließt, sollte aufpassen und überprüfen, welche<br />
Servicedienstleistungen in den Kosten enthalten sind. Geprüft werden<br />
muss auch, was man wirklich braucht.“ (Hann. Münden)<br />
„Ich halte nicht viel von Betreutem Wohnen. Nachts ist doch sowieso<br />
niemand da, und selbst tagsüber kommen die Betreuer nur eine Stunde.“<br />
(Hann. Münden)<br />
Für den Begriff „Betreutes Wohnen“ gibt es keine einheitliche Definition,<br />
der Begriff ist nicht geschützt. Allgemein ist damit gemeint, dass ältere<br />
Menschen weitgehend selbstständig in einer baulich altengerechten bzw.<br />
barrierefreien Wohnung leben und Grundleistungen sowie individuell<br />
abrufbarer Service- und Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen. Betreute<br />
Wohnungen sind Miet- oder Eigentumswohnungen, meist innerhalb<br />
90
einer Wohnanlage. Zum Miet- oder Kaufpreis kommt in der Regel eine<br />
Pauschale für die Grundleistungen wie Hausreinigung, Hausnotrufanlage<br />
und Beratung. Je nach Bedarf können die Bewohner beispielsweise Reinigungs-,<br />
Mahlzeiten- und Pflegedienste in Anspruch nehmen, die extra<br />
bezahlt werden müssen.<br />
Diese in den 90er-Jahren entstandene und inzwischen weit verbreitete<br />
Wohnform wird auch als “Service-Wohnen“, „Begleitetes Wohnen“ oder<br />
“Unterstütztes Wohnen“ bezeichnet. Das Betreute Wohnen richtet sich<br />
vor allem an Menschen, die durch Nutzung der bereitgestellten Dienstleistungen<br />
die Lebensqualität im Alter erhöhen und gleichzeitig Einsamkeit<br />
oder sonstigen Erschwernissen vorbeugen wollen. Das durchschnittliche<br />
Einzugsalter liegt bei 78 Jahren. 80 Prozent aller bundesweit im Betreuten<br />
Wohnen lebenden Menschen sind Frauen. Die Einrichtungen des Betreuten<br />
Wohnens bieten die Möglichkeit, weiterhin selbstbestimmt in den<br />
eigenen vier Wänden zu leben, beugen aber gleichzeitig, besonders bei<br />
Alleinstehenden, einer drohenden Isolierung und Vereinsamung vor.<br />
Die juristische Abgrenzung zwischen dem Betreuten bzw. Service-Wohnen<br />
zu einer Altenpflegeeinrichtung beschreibt das Mieterlexikon: „Bietet ein<br />
Vermieter lediglich einen allgemeinen Grundservice, einen Notruf und die<br />
Vermittlung weiterer Dienste an, und ist das Entgelt hiefür im Verhältnis<br />
zur Miete von untergeordneter Bedeutung, so ist das Heimrecht nicht<br />
anwendbar. Die Bagatellgrenze wird überschritten, wenn der Grundservice<br />
mehr als 20 Prozent der Wohnkosten beträgt.“ Voraussetzung ist, dass<br />
Miete und Grundservice in getrennten Verträgen geregelt sind. Wenn<br />
dies wie beispielsweise bei den Seniorenresidenzen aneinandergekoppelt<br />
ist, gilt das Heimrecht für den Betrieb der Anlage. Das Heimgesetz § 1<br />
beschreibt den Anwendungsbereich: „Die Tatsache, dass ein Vermieter<br />
von Wohnraum durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise<br />
sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten<br />
werden, begründet allein nicht die Anwendung dieses Gesetzes. Dies<br />
gilt auch dann, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, allgemeine<br />
Betreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- und<br />
Pflegeleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und das Entgelt<br />
hierfür im Verhältnis zur Miete untergeordneter Bedeutung ist. Dieses<br />
Gesetz ist anzuwenden, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind,<br />
Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen von bestimmten<br />
Anbietern anzunehmen.“<br />
Weil sie für Komfort bei Erhalt der Selbstständigkeit stehen und eine gewisse<br />
Sicherheit bieten, erfreuen sich die unterschiedlichen Angebote Betreuten<br />
Wohnens großer Beliebtheit. Dies bestätigen auch die Ergebnisse<br />
der Bürgerumfrage, in der das Betreute Wohnen durchschnittlich am häufigsten<br />
als bevorzugte Wohnform für das Alter genannt wurde. Ein Manko<br />
beim klassischen Betreuten Wohnen sind jedoch die relativ hohen Kosten,<br />
die vor allem durch den obligaten Grundservice anfallen, und die zwischen<br />
ca. 50 und 120 Euro monatlich zusätzlich zur Miete liegen. Teilweise wurde<br />
von den Trägern auf eine rückläufige Nachfrage hingewiesen, was mit der<br />
85 Stiftung Warentest/Kuratorium Deutsche Altershilfe/Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) 2006, S. 19<br />
86 KDA 2005<br />
87 Mieterlexikon 2005, S. 19f.<br />
88 http://www.geroweb.de/altenheim/heimgesetz-1.html<br />
91<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
zunehmenden Versorgung durch ambulante Pflegedienste und die inzwischen<br />
flächendeckende Versorgung mit Hausnotrufsystemen begründet<br />
wurde. Da die bereitgestellten Grundleistungen inzwischen auch dezentral<br />
angeboten werden, scheint die Nachfragespitze für das „traditionelle“<br />
Betreute Wohnen überschritten zu sein. Hausnotruf und Betreuung sind<br />
als Pull-Faktoren durch weiche Faktoren wie Freizeitangebote, Zentralität,<br />
infrastrukturelle Anbindung und Gemeinschaft abgelöst worden. Dem<br />
versuchen die Anbieter in unterschiedlichem Maße gerecht zu werden. Es<br />
entstehen vielfältige Angebote: Kultur und Wellness, Gemeinschaftsorte (z.<br />
B. Bibliothek), Sport- oder Informationsveranstaltungen, eine individuelle<br />
Mitgliederbetreuung und Kooperationen mit den Wohlfahrtsverbänden<br />
und ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfen, um das Dienstleistungs- und<br />
Seviceangebot auszubauen. Daher sind in jüngster Zeit vor allem Modelle<br />
mit einem geringen Grundservice und hoher Eigenverantwortung auch für<br />
Mieter mit geringem Vermögen auf dem Vormarsch.<br />
Die Bestandsaufnahme im Rahmen dieser Studie erfolgte einerseits auf<br />
Basis des von der Seniorenberatungsstelle der Stadt Göttingen erstellten<br />
Verzeichnisses betreuter Wohnanlagen im Stadtgebiet Göttingens,<br />
andererseits auf einer telefonischen Befragung der Gemeinden über die<br />
vorhandenen Einrichtungen. In einem weiteren Schritt wurden die Einrichtungen<br />
selbst telefonisch im Hinblick auf Größe, Belegung, Gebäudeausstattung,<br />
Serviceangebote und Nachfragetrends befragt. Die Ergebnisse<br />
der Bürgerumfrage ergänzen die Einschätzungen der Anbieter.<br />
Aus Sicht der Kreisverwaltung muss im Zusammenhang mit dem Thema<br />
“Wohnen im Alter“ die Frage problematisiert werden, was das Betreute<br />
Wohnen von individuellen Wohnformen unterscheidet. SeniorInnen können<br />
sich an ein Notrufsystem anschließen, Essen auf Rädern und häusliche<br />
Pflege bestellen. In diesem Sinne wäre Betreutes Wohnen nichts anderes<br />
als eine Monopolisierung von Anbietern. Nach dem Heimgesetz dürfen die<br />
Nebenkosten einer Wohnung für den Service 30 Prozent der Mietkosten<br />
nicht überschreiten. Damit soll verhindert werden, dass am Heimgesetz<br />
vorbei Pflegeheime errichtet werden. Diese Bestimmung geht davon aus,<br />
dass in Pflegeheimen qualifiziertes Personal tätig ist, während bei solchen<br />
“grauen Angeboten“ diese Qualifizierung nicht sichergestellt ist. Häufig<br />
sind Anlagen für Betreutes Wohnen verkappte Pflegeheime. Quartierslösungen<br />
gibt es nach Einschätzung der Kreisverwaltung nicht.<br />
In Stadt und Landkreis Göttingen existiert ein breites Spektrum verschiedener<br />
Modelle des Betreuten bzw. Service-Wohnens in 22 Einrichtungen<br />
mit insgesamt etwa 1350 Wohnungen. Grundsätzlich sind die Gebäude<br />
so gestaltet, dass Unterstützung und Kommunikation gefördert werden,<br />
beispielsweise durch Gemeinschaftsräume für Begegnungsmöglichkeiten,<br />
attraktive Außenanlagen und Einkaufsmöglichkeiten. Das Angebot reicht<br />
von pflegenahen Häusern mit integrierten Pflegediensten und Therapieangeboten<br />
hin zu Seniorenwohnanlagen, die lediglich einen minimalen<br />
Grundservice anbieten und in denen die Eigenpotenziale der Bewohner<br />
gefragt sind und Angebote und Aktivitäten selbst oder von externen Wohlfahrtseinrichtungen<br />
oder wie Nachbarschaftshilfen organisiert werden.<br />
Einige dieser Modelle sollen hier exemplarisch vorgestellt werden. Das<br />
Angebot für die Bewohner variiert je nach Träger und Organisationsstruktur.<br />
Die Anlagen werden sowohl von Privatanbietern, z. B. Wohnungsge-<br />
92
sellschaften, Immobilieninvestoren, Betreibern von Pflegeeinrichtungen<br />
oder Wohlfahrtsverbänden, als auch durch die Kommunen wie Bovenden<br />
und Adelebsen geführt. In Stadt und Landkreis Göttingen bieten mehrere<br />
Alten- und Pflegeheime Betreutes Wohnen in räumlich angegliederten<br />
Altenwohnungen oder einer “Altenwohnanlage“ in unmittelbarer Nähe an.<br />
Eine Auflistung der im Landkreis vorhandenen Pflege- und Betreuungseinrichtungen<br />
findet sich im Anhang.<br />
Kennzeichnend für das Haus der Heimat in Hedemünden ist die räumliche<br />
Nähe von Betreutem Wohnen und Pflegeeinrichtung. Ein Wechsel von<br />
einem in den anderen Bereich ist möglich, ohne dass die SeniorInnen die<br />
vertraute Umgebung verlassen müssen. Im Betreuten Wohnen wird der<br />
Service für die Bewohner weitgehend vom Personal der Pflegeeinrichtung<br />
mit übernommen. Durch ein umfassendes Qualitätsmanagement, das v.<br />
a. die Mitsprache der BewohnerInnen und deren Bezugspersonen in den<br />
Vordergrund stellt, soll eine bedarfsgerechte und professionelle Betreuung<br />
sichergestellt werden. Grundlage ist die kontinuierliche Weiterbildung<br />
der MitarbeiterInnen. Alle Maßnahmen und Therapien werden entsprechend<br />
den aktuellen Qualitätsstandards in der Pflege geplant, erbracht<br />
und dokumentiert. Der Pflegeprozess kann damit jederzeit kontinuierlich<br />
nachvollzogen werden.<br />
Der Flecken Bovenden unterhält die Seniorenwohnanlage “Am Korbhofe“.<br />
Es handelt sich um fünf Häuser mit insgesamt 67 Eigentums- und Mietwohnungen,<br />
die in einer öffentlich-privaten Partnerschaft (Public-Private<br />
Partnership) entstanden sind. Der Flecken selbst besitzt zehn Wohnungen<br />
für Bewohner mit Wohnberechtigungsschein, die im geförderten Wohnungsbau<br />
besonders für finanziell schlechter gestellte Menschen entstanden<br />
sind. Angrenzend sind vier von der WRG verwaltete Wohnhäuser.<br />
Die Dienstleistungsangebote werden von der AWO erbracht und durch<br />
ehrenamtliches Engagement der ENB (Erweiterte Nachbarschaftshilfe)<br />
ergänzt. Dadurch sind die Kosten für den Grundservice relativ gering.<br />
Insgesamt rund einhundert ehrenamtlich Engagierte leisten Hilfe bei Einkauf,<br />
Behördengängen, Reparaturen und durch Gespräche, organisieren<br />
Veranstaltungen und Aktivitäten. Allerdings erfordert die Erhaltung dieser<br />
freiwilligen Unterstützungsstrukturen kontinuierliche Motivations- und<br />
Koordinationsarbeit der AWO und der Nachbarschaftshilfe. Es gibt ein<br />
Kontaktzentrum zum Kennenlernen und zur Rekrutierung der Helfer.<br />
In Groß Schneen hat ein privater Investor eine Seniorenwohnanlage mit<br />
24 Wohneinheiten im geförderten Wohnungsbau für Personen mit Wohnungsberechtigungsschein<br />
errichtet. Das einzige Serviceangebot des<br />
Trägers ist ein Hausmeister als Ansprechpartner für die Mieter. Weitere<br />
Unterstützung wird ehrenamtlich von der Nachbarschaftsinitiative NENA<br />
organisiert.<br />
Eine “Service-Wohnanlage“ der Wohnungsgenossenschaft e. G. in der<br />
Ewaldstraße in Göttingen bietet 50 altengerechte Wohnungen, die teilweise<br />
auch rollstuhlgerecht sind. Dien Dienstleistungen des Vermieters<br />
beschränkt sich auf einen Hausmeisterservice, Gemeinschaftsräume und<br />
Gästewohnungen. Ein Büro der Nachbarschaftshilfe betreut die Bewohner,<br />
vermittelt Nachbarschaftsdienste und organisiert Kulturveranstaltungen. In<br />
der Danziger Straße in Göttingen wird derzeit eine neue Anlage gebaut, die<br />
93<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Ende 2006/Anfang 2007 eröffnet werden soll. Alle 85 Wohnungen werden<br />
mit einem Hausnotrufsystem ausgestattet, des Weiteren sind Gemeinschaftsräume,<br />
eine Bibliothek, Besucherwohnungen und ein Konzept der<br />
Zusammenarbeit mit der Seniorenabteilung des ASC vorgesehen. In der<br />
Reinhäuser Landstraße betreibt die Städtische Wohnungsbau GmbH eine<br />
Service-Wohnanlage mit 51 Wohneinheiten, die altengerecht ausgestattet<br />
sind und über ein Notruftelefon verfügen, das die Bewohner im Bedarfsfall<br />
mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband verbindet. Diese Ausstattung<br />
ist geeignet, um ein Mindestmaß an Sicherheit und Gemeinschaft bei<br />
gleichzeitig möglichst geringen Wohnkosten anbieten zu können.<br />
Der gemeinnützige Bauverein Hann. Münden unterhält eine betreute<br />
Wohnanlage (Seniorenwohnanlage am Kronenturm) mit integrierter Tagespflege<br />
und Servicestation der AWO.<br />
In Gieboldehausen wird in der Anlage St. Laurentius in 15 Appartements<br />
Betreutes Wohnen mit einem umfangreichen Grundservice angeboten.<br />
Dies entspricht einer klassischen Form des Betreuten Wohnens.<br />
Um die Übersichtlichkeit der Angebote zu erhöhen und einheitlichere<br />
Standards zu schaffen, wurden seit 1997 in verschiedenen Bundesländern<br />
Qualitätssiegel für Betreutes Wohnen eingeführt. Seit 2002 wird im Auftrag<br />
der Bundesregierung eine DIN-Norm für Betreutes Wohnen erarbeitet, die<br />
voraussichtlich Ende 2006 veröffentlicht wird.<br />
Es wurde eine als Zertifizierungsgrundlage geeignete DIN-Norm (Dienstleistungs-Norm)<br />
mit Anforderungen, Hinweisen und Empfehlungen in<br />
Bezug auf die Wohnform Betreutes Wohnen erarbeitet. „Dienstleistungs-<br />
Norm“ bedeutet, dass nicht bauliche oder technische Anforderungen den<br />
Schwerpunkt bilden, sondern die unter den Begriff „Betreutes Wohnen“ zu<br />
fassenden komplexen Dienstleistungen. Die Norm behandelt die Aspekte<br />
Transparenz des Leistungsangebotes, zu erbringende Dienstleistungen<br />
(unterschieden nach Grundleistungen/allgemeine Betreuungsleistungen<br />
und Wahlleistungen/weitergehende Betreuungsleistungen), Wohnangebot,<br />
Vertragsgestaltung sowie qualitätssichernde Maßnahmen. 0<br />
Stationäres Wohnen im Alten- oder Pflegeheim und Tagespflege<br />
„Wenn man als alter Mensch zum Pflegefall wird und ins Heim muss,<br />
reißen die Kontakte nach außen völlig ab. In den alten Kernen ist die<br />
Zusammengehörigkeit noch da, aber zu Neubürgern Kontakt zu finden<br />
ist ganz schwierig.“ (Hann. Münden)<br />
„Bei den Altenheimen muss ganz viel geändert werden. Die Älteren<br />
müssen viel mehr Gelegenheiten bekommen, selbst etwas zu tun.“<br />
(Duderstadt)<br />
„In den Altenheimen leben heute doch viel mehr Demenzkranke als früher.<br />
Mit denen kann man doch nicht mehr viel anfangen.“ (Duderstadt)<br />
89 Interview mit Betreiber Gerhard Blank am Freitag, 17. August 2006<br />
90 http://www.nullbarriere.de/din77800_betreutes_wohnen.htm<br />
94
Wenn die ambulante Versorgung zu Hause oder das Leben in einer gemeinschaftlichen<br />
bzw. betreuten Wohnform aus gesundheitlichen und/oder<br />
sozialen Gründen nicht (mehr) möglich ist oder der Wunsch nach mehr<br />
Betreuung und Sicherheit überwiegt, besteht die Möglichkeit des Umzugs<br />
in eine stationäre Altenhilfeeinrichtung. Zu beachten sind konzeptionelle<br />
Unterschiede. Altenwohnheime bieten eine abgeschlossene Wohnung mit<br />
der Möglichkeit, einen eigenen Haushalt zu führen, aber im Bedarfsfall<br />
Verpflegung und Betreuung zu erhalten. Sie weisen Gemeinsamkeiten<br />
mit dem Betreuten Wohnen auf, fallen aber, wie alle Heimformen, unter<br />
das Heimgesetz (z. B. Seniorenresidenzen). Die Kontrolle über den Schutz<br />
der Rechte der BewohnerInnen obliegt Stadt und Landkreis Göttingen als<br />
Heimaufsichtsbehörden.<br />
Altenheime sind für ältere Menschen gedacht, die keinen eigenen Haushalt<br />
mehr führen wollen oder können, aber nicht unbedingt pflegebedürftig<br />
bzw. bettlägerig sind. Haushaltsführung und Essensversorgung werden<br />
vom Heim übernommen. Auch die pflegerische Betreuung ist in der Regel<br />
gewährleistet (keine Intensivpflege). Diese Wohnform wurde in den vergangenen<br />
Jahren aus Kostengründen weitgehend vom Betreuten Wohnen<br />
abgelöst. Pflegeheime hingegen dienen der umfassenden Betreuung und<br />
Versorgung dauernd Pflegebedürftiger.<br />
Die Tagespflege ist zwischen professioneller Pflege und der Betreuung<br />
durch Angehörige angesiedelt. Pflegebedürftige wohnen im Kreis ihrer<br />
Angehörigen und werden tagsüber in der Tagespflege versorgt. So wird<br />
ein Verbleiben zu Hause trotz Erwerbstätigkeit oder anderer Verpflichtungen<br />
der Angehörigen ermöglicht. Ein ähnliches Konzept, welches auf<br />
die Entlastung pflegender Angehöriger abzielt, ist die Kurzzeitpflege, ein<br />
Heimaufenthalt von max. vier Wochen, wenn beispielsweise die Familie<br />
in Urlaub fährt oder die Pflegeperson erkrankt ist.<br />
Sozialstruktureller Wandel und zunehmende Hochaltrigkeit haben zu einem<br />
starken Wachstum der Pflegebranche in den letzten Jahrzehnten geführt.<br />
Laut NLS verzeichnete die Branche von 1999 bis 2003 einen Beschäftigungszuwachs<br />
von 14,7 Prozent. 87 Prozent der Beschäftigten in diesem<br />
Bereich sind weiblich. Aufgrund der hohen psychischen und physischen<br />
Belastung ist die Fluktuation des Personals hoch.<br />
Eine Modellrechnung des Kuratoriums deutscher Altershilfe (KDA) kommt<br />
zu dem Ergebnis, dass sich bei einer Fortschreibung bestehender Verhältnisse<br />
und Strukturen vor dem Hintergrund der Alterung der Bevölkerung<br />
der Bedarf an Pflegeplätzen (bundesweit 600.000 im Jahr 2000) bis 2050<br />
verdoppeln wird. Dieser Anstieg wird über die genannte Zeitspanne nicht<br />
kontinuierlich verlaufen; vielmehr ist ab dem Jahre 2030 mit einem steileren<br />
Anstieg des Pflegebedarfes zu rechnen. Bei Berücksichtigung des<br />
rückläufigen Potenzials helfender Angehöriger kämen – bei vorsichtiger<br />
Schätzung – mindestens 200.000 weitere Pflegeplätze hinzu. Es sei denn,<br />
im Rahmen der häuslichen Pflege, der Entwicklung von Wohnformen und<br />
der Anpassung des vorhandenen Wohnungsbestandes würden Maßnahmen<br />
ergriffen und alternative Angebote weiterentwickelt.<br />
91 NLS Pflegestatistik 2003<br />
92 KDA 2005, S. 19<br />
95<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Zwar kann einschränkend entgegnet werden, dass aufgrund medizinischer<br />
Fortschritte kein gleichbleibender Zusammenhang zwischen Lebensalter<br />
und Pflegebedürftigkeit im Zeitverlauf besteht, dennoch wird aufgrund<br />
der absoluten Zunahme hochaltriger Personen die Zahl der zukünftig zu<br />
versorgenden Pflegebedürftigen ansteigen.<br />
Nicht zuletzt wegen mancher „schwarzer Schafe“ gibt es in der Öffentlichkeit<br />
Diskussionen über die Qualität der Arbeit in Pflegeheimen. Der<br />
Niedersächsische Landespflegebericht 2005 indes kommt zu einem klaren<br />
Ergebnis. Er bestätigt den Heimen zu 90 Prozent eine gute Qualität.<br />
Die Lebensqualität der Bewohner kann zukünftig auch durch neue Formen<br />
der Sensortechnik, der Kommunikationsinfrastruktur und der baulichen<br />
Gestaltung verbessert werden. Hierzu soll die vom Bundesministerium<br />
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend initiierte Baumodellreihe „Das<br />
intelligente Heim“ beitragen. Gefördert werden Projekte in den Bereichen<br />
„Pflegedokumentation und -planung“, „Technikunterstütztes normales<br />
Wohnen“, „Technologien für Demenzkranke“ und „Architektonische Gesamtlösungen“<br />
mit besonderem Innovationspotenzial. „Das intelligente<br />
Heim“ setzt die vor einigen Jahren durchgeführte Initiative des Ministeriums<br />
„Kostensparendes Bauen qualitätsvoller Altenhilfeeinrichtungen“<br />
fort, die bereits grundlegende Erkenntnisse zur ressourcenschonenden<br />
Gestaltung von Heimen zutage förderte.<br />
Der dem Heimgesetz unterliegende Bereich der stationären Altenpflege<br />
wurde für Stadt und Landkreis Göttingen in der Niedersächsischen Pflegestatistik<br />
dokumentiert, die allerdings nur alle zwei Jahre aus Umfragen<br />
unter den Heimbetreibern erhoben wird. Die Pflegestatistik von 2005 war<br />
im August 2006 noch nicht veröffentlicht, daher werden hier die Daten von<br />
2003 verwandt. Verteilung und Belegung der stationären Wohnformen im<br />
Landkreis geht aus einer Aufstellung der Heimaufsichtsbehörde der Stadt<br />
und des Landkreises Göttingen hervor (siehe Anhang).<br />
Im Jahr 2003 bewohnten in Stadt und Landkreis Göttingen 2.571 Menschen<br />
ein Pflegeheim (entspricht 58 von Tausend Einwohnern über 65<br />
Jahre). 4,2 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landkreises sind über<br />
80 Jahre alt. Davon benötigen 23 Prozent ambulante oder pflegerische<br />
Betreuung, knapp 16 Prozent der über 80-Jährigen werden in stationären<br />
Einrichtungen versorgt, bei den über 90-Jährigen sind es 35 Prozent<br />
(Bezugsjahr 2004). Das durchschnittliche Eintrittsalter in eine stationäre<br />
Pflegeeinrichtung liegt bei 85 Jahren. Das Angebot an Alten- und Pflegeheimplätzen<br />
im Landkreis Göttingen umfasste im Frühjahr 2006 insgesamt<br />
3.205 Plätze in 38 Einrichtungen.<br />
Im Bereich des Landkreises – ohne Stadt Göttingen – besteht ein Angebot<br />
von 1.635 vollstationären Pflegeheimplätzen in 25 Einrichtungen, wobei<br />
die Platzanzahl von 22 Pflegeheimplätzen im Senioren- und Pflegeheim<br />
Hemeln bis zu 149 Pflegeheimplätzen im Senioren-Wohnpark Königshof<br />
reicht (Mai 2006). Insgesamt 529 Plätze und damit fast ein Drittel des<br />
gesamten vollstationären Platzangebotes des Landkreises findet sich im<br />
93 Niedersächsischer Landespflegebericht 2005<br />
94 BMFSJ 2005<br />
96
Bereich der Stadt Hann. Münden. Duderstadt verfügt mit 325 Plätzen über<br />
das zweitgrößte Angebot im Landkreis. Seit Einführung der zweiten Stufe<br />
der Pflegeversicherung zum 1. Juli 1996 hat sich die Anzahl an vollstationären<br />
Plätzen im Landkreis Göttingen um rund 50 Prozent von 1.092 (1996)<br />
über 1.238 (2001) auf nunmehr 1.635 Plätze (2006) erhöht.<br />
Allein in den letzten Jahren sind sechs neue Einrichtungen entstanden,<br />
so dass nunmehr bis auf die Gemeinde Gleichen in allen Kommunen des<br />
Landkreises Göttingen mindestens ein Alten- und Pflegeheim angesiedelt<br />
ist. Tätig sind das Herzogin-Elisabeth-Stift mit 80 Plätzen und der Senioren-Wohnpark<br />
Königshof in Hann. Münden mit 149 Plätzen, das Haus St.<br />
Martinus in Bilshausen mit 67 Plätzen, das Altenhilfezentrum Johannishof<br />
in Rosdorf mit 60 Plätzen, die Seniorenwohnanlage in Dransfeld mit 72<br />
Plätzen und das Seniorenpflegezentrum Bovenden mit 79 Plätzen.<br />
Im Landkreis Göttingen besteht keine Einrichtung, die ausschließlich<br />
Kurzzeitpflegemaßnahmen anbietet. Im Rahmen freier Kapazitäten führen<br />
allerdings alle 25 Alten- und Pflegeheimeinrichtungen neben der vollstationären<br />
Pflege auch Kurzzeitpflegemaßnahmen durch, so dass auch hier<br />
eine gute Versorgung gegeben ist.<br />
Neben der vollstationären Dauerpflege und der Kurzzeitpflege besteht<br />
die Möglichkeit, Leistungen der Tagespflege in Anspruch zu nehmen.<br />
Dafür stehen im Landkreis insgesamt 47 Plätze in vier Einrichtungen zur<br />
Verfügung. Im Stadtgebiet gibt es derzeit nur eine Einrichtung, die zwölf<br />
Tagespflegeplätze anbietet. Konkret sind dies das Altenzentrum am Saathoffplatz,<br />
Göttingen, das Altenhilfezentrum Johannishof in Rosdorf, das<br />
Seniorenpflegezentrum Bovenden, die ASB-Tagespflege Bovenden sowie<br />
die AWO-Tagespflege Hann. Münden. Während das Altenhilfezentrum<br />
Johannishof in Rosdorf und das neu gebaute Seniorenpflegezentrum<br />
Bovenden ihre Tagespflegeeinrichtung direkt an den vollstationären Heimbetrieb<br />
angegliedert haben, bestehen die Einrichtungen der Tagespflege<br />
in Hann. Münden (AWO) und in Bovenden (ASB) eigenständig.<br />
Um die Qualitätsstandards zu verbessern, wurden in der jüngsten Vergangenheit<br />
in zahlreichen Einrichtungen umfangreiche Baumaßnahmen zur<br />
Erweiterung der Häuser und Modernisierungsarbeiten durchgeführt. Die<br />
Mehrzahl der Pflegebedürftigen kann nun in Einzelzimmern untergebracht<br />
werden, die vor allem in den neuen Häusern und in den erweiterten Bereichen<br />
auch über eigene Badezimmer verfügen.<br />
In der Stadt Göttingen gab es Mitte 2006 1.570 vollstationäre Pflegeplätze<br />
in 13 Einrichtungen, 65 neue Plätze werden im Laufe des Jahres 2006 in<br />
Weende fertiggestellt. Im Stadtgebiet liegt die Auslastung bei 83 Prozent,<br />
Mitte 2006 gab es ca. 270 freie Plätze.<br />
Diese gute Versorgung von Stadt und Landkreis Göttingen mit vollstationären<br />
Pflegeheimplätzen wird auch anhand der Platzzahl je 10.000<br />
Einwohner deutlich. Hier liegt der Landkreis mit 112 Plätzen deutlich über<br />
dem Durchschnitt des Landes. Die mit den Pflegekassen abgeschlossenen<br />
Versorgungsverträge der Heime legen deren Belegungsquoten fest. Nach<br />
Aussage der städtischen Heimaufsicht melden die Einrichtungen jedoch<br />
durchschnittlich 25 Prozent weniger belegte Plätze als eigentlich verfügbar,<br />
97<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
da viele Doppelzimmer als Einzelzimmer belegt werden. Die Heimaufsicht<br />
der Stadt Göttingen sieht hier die Notwendigkeit der Anpassung an den<br />
tatsächlichen Bestand.<br />
Planungen zum Bau weiterer Häuser sind derzeit nicht bekannt. Die meisten<br />
Pflegebedürftigen finden bei Bedarf wohnortnah einen geeigneten<br />
Pflegeheimplatz.<br />
Seit Einführung der Pflegeversicherung 1994 hat sich die Zahl der<br />
Leistungsempfänger bundesweit vervierfacht. Gleichzeitig ist die Zahl der<br />
Einzahler zurückgegangen. In ihrem Koalitionsvertrag hat die neue Bundesregierung<br />
eine Reform der Pflegeversicherung vereinbart. Entscheidungen<br />
zu diesem brisanten Thema wurden bislang nicht getroffen.<br />
Für Heime mit weniger als 50 Plätzen ist es bei Einhaltung der vielfältigen<br />
gesetzlichen Auflagen schwierig, rentabel zu wirtschaften. Zu erwarten<br />
ist, dass sich der Trend zu Diversifikation und Größe fortsetzen wird.<br />
Ehemals gemeinnützig geführte Einrichtungen werden möglicherweise<br />
wegen wegfallender öffentlicher Zuschüsse privatisiert, um ehemals<br />
tarifgebundene Arbeitsverträge an die neuen Bedingungen anpassen zu<br />
können. Die Beschäftigung älterer ArbeitnehmerInnen wird von vielen<br />
Anbietern unterstützt, da diese aufgrund ihrer großen Lebenserfahrung<br />
stark zu einer hohen Betreuungsqualität beitragen. Durch die Mischung<br />
jüngerer und älterer Mitarbeiter ist möglich, ältere MitarbeiterInnen von<br />
körperlich intensiven Arbeiten zu entlasten.<br />
Ein Betreiber verschiedener Pflegeeinrichtungen aus dem Landkreis<br />
Göttingen kritisiert, das Wegfallen der Pflegestufe eins und die Bemühung,<br />
Personen in Pflegestufe eins und zwei nicht mehr in stationären<br />
Einrichtungen zu versorgen, werde zu einer Verlagerung der Kosten auf<br />
die Sozialhilfeträger führen. Viele Menschen seien nicht in der Lage, die<br />
Pflegekosten allein zu tragen. Sein Vorschlag: Zur Stärkung der ambulanten<br />
Versorgung sollten die Sätze für die ambulante Pflege angehoben<br />
werden. Zu beachten sei, dass die Pflege zu Hause nicht immer den<br />
Bedürfnissen der Betroffenen entspreche. Für alleinstehende Menschen<br />
sei die Integration in einem stationären Bereich möglicherweise positiver<br />
zu bewerten als das Leben in den eigenen vier Wänden. Ab einem bestimmten<br />
Pflegeaufwand könne die ambulante Versorgung teurer sein als<br />
der Aufenthalt in einem Heim.<br />
Neue Wohnformen<br />
„Ich bin 56, man will es ja nicht wahrhaben, aber man wird eben älter.<br />
In ein Altenheim wollen wir alle nicht. Wir planen mit mehreren gleichaltrigen<br />
deshalb eine Alten-WG. Küche und Garten wollen wir gemeinsam<br />
nutzen, aber auch Rückzugsmöglichkeiten haben. Ob wir unsere Vorstellungen<br />
verwirklichen können, weiß ich nicht.“ (Hann. Münden)<br />
„Uns kriegt man nicht in die Altenheime. Wir wollen viel eher in offene<br />
Wohngruppen gehen. Die Beschäftigten in den Altenheimen sind ganz<br />
fleißig und kompetent. Aber wir wollen uns aktiv einbringen und nicht<br />
den ganzen Tag über bedienen lassen.“ (Duderstadt)<br />
98
Einhergehend mit den gesellschaftlichen Veränderungen haben sich<br />
zahlreiche neue Wohnformen entwickelt. Sie lassen sich nicht immer<br />
trennscharf definieren. Der Begriff Wohngemeinschaft wird im Allgemeinen<br />
mit jungen Leuten assoziiert, die nicht allein leben und gleichzeitig<br />
die Wohnkosten verringern wollen. Diese Wohnform findet inzwischen<br />
verstärkt Anhänger unter älteren Menschen. Die dafür gefundenen Organisationsformen<br />
sind vielfältig; der Begriff gemeinschaftliches Wohnen fasst<br />
ein weites Spektrum individueller Modelle. Ihnen ist gemeinsam, dass<br />
es sich um von Privatpersonen oder Vereinen initiierte Projekte handelt,<br />
in denen das Miteinander und das Sorgen füreinander im Vordergrund<br />
stehen. In einer Wohngemeinschaft hat jeder Bewohner sein eigenes<br />
Zimmer; Bad, Küche und Gemeinschaftsräume werden geteilt. Diese Form<br />
der Alten-WG ist bislang vor allem im Rahmen betreuter Wohngruppen<br />
bereits pflegebedürftiger bzw. dementer Menschen anzutreffen. Verbreiteter<br />
sind Hausgemeinschaften, in denen jeder Bewohner, ähnlich wie<br />
beim betreuten Wohnen, über eine abgeschlossene Wohnung verfügt und<br />
darüber hinaus Gemeinschaftsräume existieren. Das Ideal des gemeinschaftlichen<br />
Wohnens sind gegenseitige Anteilnahme und Unterstützung<br />
im Alltag und im Krankheitsfall – wenn nötig auch mit Unterstützung durch<br />
ambulante Pflegedienste.<br />
Zu den zentralen Merkmalen des gemeinschaftlichen Wohnens zählen:<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
Besondere Qualitäten des Zusammenlebens (gegenseitige Unterstützung),<br />
Mischung der Bewohner (Unterschiede nach Alter, Herkunft,<br />
Einkommen)<br />
Flexible Wohnraumgestaltung (Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde<br />
Wohnbedürfnisse)<br />
Angestrebte Integration in das umgebende Wohnquartier und Verwirklichung<br />
gemeinschaftsfördernder Baukonzepte<br />
Mitwirkung der Bewohner bei der Projektentwicklung (Planung,<br />
Realisierung des Projektes, Gemeinschaftsleben, Selbstverwaltung,<br />
Mitspracherecht bei der Belegung)<br />
Alternative Wohnformen für Ältere sind aufgrund ihrer Verschiedenheit und<br />
der bislang eher geringen Verbreitung nicht statistisch erfasst, es stehen<br />
lediglich Schätzungen des Forums für gemeinschaftliches Wohnen (FGW)<br />
zur Verfügung. Bisher existieren demnach bundesweit etwa 200–300 selbst<br />
organisierte Wohnprojekte.<br />
Zu verzeichnen sind wachsendes Interesse sowie eine zunehmende Zahl<br />
von Veröffentlichungen zum gemeinschaftlichen Wohnen. Auch das Fernsehen<br />
liefert mit Dokumentationssendungen aus Wohnprojekten immer<br />
wieder Informationen zum gemeinschaftlichen Wohnen. Im Februar 2005<br />
wurde sogar eine Doku-Soap unter dem Titel „Silver-Girls – Die Alten-WG“<br />
95 Kremer-Preiß, Stolarz 2003<br />
99<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
ausgestrahlt (ARTE). In der Mehrzahl der Veröffentlichung finden sich<br />
neben allgemeinen Angaben auch zahlreiche Beispiele von Projekten und<br />
Projektinitiativen.<br />
Die Hauptinteressentengruppe für selbstorganisierte Wohnformen sind<br />
die 50- bis Ende 60-Jährigen. Allerdings ist der Weg von der Idee zur<br />
Umsetzung ein langer und beschwerlicher: Die erste Hürde stellt die<br />
Phase der Gruppenfindung dar, in der es darum geht, sich kennenzulernen<br />
und Vertrauen zu entwickeln. Auch muss entschieden werden, welche<br />
Organisationsform gewünscht ist, sei es selbst organisiert oder betreut,<br />
mit Anbindung an eine Einrichtung oder ohne. Weitere Schwierigkeiten<br />
ergeben sich beim Finden einer geeigneten Immobilie. Fragen der Finanzierung<br />
und der Eigentumsform stehen hier im Vordergrund. In dieser<br />
Phase ist die Zusammenarbeit mit externen Beratern und den Bauherren<br />
von großer Bedeutung.<br />
Das selbst organisierte Wohnen in Gruppen ist derzeit ein eher städtisches<br />
Phänomen, da hier der Anteil Alleinstehender weitaus höher ist als auf dem<br />
Land. Die Ergebnisse der Bürgerumfrage des <strong>Regionalverband</strong>es Südniedersachsen<br />
erbrachten jedoch überraschenderweise ein verhältnismäßig<br />
großes Interesse an neuen Wohnformen auch auf dem Land.<br />
In dieser Befragung haben 35 Personen angegeben, sie präferierten<br />
eine selbstorganisierte Wohngemeinschaft. Davon stammten 16 aus der<br />
Stadt Göttingen, immerhin 14 aus dem ländlichen Raum des Landkreises,<br />
in Hann. Münden und Duderstadt wurde diese Antwort nur zwei- bzw.<br />
dreimal gegeben. Hinsichtlich der These, diese Wohnform würde v. a.<br />
von Alleinstehenden gewählt, zeigen die Ergebnisse, dass gegenüber 13<br />
Alleinstehenden auch 15 in einem Zweipersonenhaushalt Lebende gerne<br />
in einem gemeinschaftlich organisierten Wohnprojekt leben würden.<br />
Auch die Annahme, dass diese Modelle insbesondere von Akademikern<br />
bevorzugt würden, bestätigt die Bürgerumfrage nicht. Es waren vor allem<br />
jüngere Befragte, die ihre Vorliebe dafür äußerten.<br />
Seit über zehn Jahren findet das Projekt der Freien Altenarbeit in Göttingen<br />
große Beachtung. Die Alten-WG am Goldgraben in Göttingen besteht seit<br />
1994. Damals überließ die Stadt eine Villa im Göttinger Ostviertel, ehemals<br />
ein Altersheim mit damals starkem Sanierungsbedarf, dem Verein „Freie<br />
Altenarbeit“ von der Stadt für 25 Jahre zur mietfreien Nutzung. Die Kosten<br />
für die Instandhaltung des Gebäudes trägt seitdem der Verein. Das Haus<br />
verfügt über elf Wohnungen zwischen 30 und 47 Quadratmetern, die<br />
als abgeschlossene Wohnungen mit Bad und Küchenzeile eingerichtet<br />
sind. Darüber hinaus gibt es Gemeinschaftsräume. Voraussetzung für<br />
das Funktionieren des Zusammenlebens ist die Auflage, etwas für die<br />
Gemeinschaft zu tun. Diese Verpflichtung umfasst auch die Betreuung<br />
im Krankheitsfall.<br />
Die Bewohnerinnen sind zwischen 65 und 93 Jahre alt. In wöchentlichen<br />
Sitzungen wird das Gemeinschaftsleben geplant und Konflikte bearbeitet.<br />
Die Arbeit des im Haus angesiedelten Vereins mit seinem Zeitzeugenprojekt<br />
bietet einen weiteren Bindungsfaktor. Der Verein fördert die Bildung<br />
von Gruppen, in denen ältere und jüngere Menschen ein gemeinsames<br />
Wohnen vorbereiten wollen.<br />
100
Bei Mehrgenerationenprojekten werden in einem Stadtviertel oder einer<br />
größeren Siedlung Versorgungsstrukturen geschaffen und Unterstützungsleistungen<br />
angeboten, die es älteren Mitmenschen erlauben, auch mit<br />
Beeinträchtigungen weiterhin selbstständig in ihren eigenen Wohnungen<br />
zu leben, ohne Gefahr zu laufen, zu vereinsamen. Organisatoren und Träger<br />
von Gemeinschaftsaktivitäten und Hilfsangeboten können Wohnungsbaugesellschaften,<br />
Kommunen, soziale Einrichtungen und/oder Nachbarschaftsinitiativen<br />
sein. Wichtig ist, dass hiermit einer Isolation älterer<br />
Menschen vorgebeugt wird und der Zusammenhalt der Generationen und<br />
die Partizipation Älterer gestärkt werden soll. Der Grad der Eigenorganisation<br />
ist jedoch aufgrund der Maßstabsebene relativ gering.<br />
Derartige Ansätze gibt es auch im Landkreis Göttingen, so die vor kurzem<br />
fertiggestellte generationengemischte Wohnanlage “Am Hamberg“ der<br />
Wohnungsgenossenschaft in Rosdorf mit 31 barrierefreien Wohnungen. In<br />
Geismar gibt es am Tannenweg eine generationengemischte Wohnanlage<br />
der Volksheimstätte mit ca. 250 Wohnungen. Dort wurde im Zuge von<br />
Sanierungsmaßnahmen ein Anteil der EG-Wohnungen seniorengerecht<br />
umgerüstet. Betreutes Wohnen wird wegen der hohen Kosten gezielt<br />
nicht angeboten. Im Baugebiet am Junkernberg in Bovenden ist ebenfalls<br />
eine Fläche für generationengemischtes Wohnen ausgeschrieben. Derzeit<br />
wird ein Bauträger gesucht, der ein solches Projekt in Kooperation mit<br />
den zukünftigen Bewohnern umsetzt. Das lokale Bündnis für Familie will<br />
den Planungsprozess begleiten. Ähnliche Ansätze gibt es in Friedland,<br />
Dransfeld und Adelebsen.<br />
Trotz kooperationsbereiter Verwaltungen, Bau- und Wohnungsgesellschaften<br />
bleibt im Kern das Problem “Wer so leben will, muss es selbst<br />
organisieren“ bestehen. Das Angebot an geeigneten Immobilien ist bislang<br />
allerdings gering.<br />
Beispiele für das Wohnen im Alter<br />
Im Folgenden sollen kurz einige neue Modelle des Wohnens im Alter<br />
sowohl aus Deutschland als auch aus einigen Nachbarländern vorgestellt<br />
werden, um Entwicklungsperspektiven für eine zukünftige Ausweitung<br />
altengerechter Wohnformen aufzuzeigen.<br />
Eines der populärsten Beispiele für selbst organisiertes gemeinschaftliches<br />
Wohnen ist die Hausgemeinschaft des ehemaligen Bremer Oberbürgermeisters<br />
Henning Scherf. Bereits Mitte der 80er-Jahre hatte sich<br />
eine Gruppe von Freunden gefunden, die beschlossen, ihr Altwerden<br />
gemeinsam zu erleben. Nach intensiven Diskussionen über Vorstellungen<br />
und die gemeinsame Zielsetzung erwarben sie ein sanierungsbedürftiges<br />
Haus in der Bremer Innenstadt. Der Umbau zu mehreren Einzelwohnungen<br />
und den Gemeinschaftsräumen erfolgte im Hinblick auf das Altern der<br />
Bewohner, es wurde auch an einen Schacht für einen eventuell eines<br />
Tages benötigten Fahrstuhl gedacht. Die Aufteilung in Wohnungen erlaubt<br />
allen BewohnerInnen die gewohnte Privatsphäre, doch u. a. bei den<br />
regelmäßigen „Betonterminen“ findet man zusammen. Scherf bezeichnet<br />
96 Stiftung Warentest/Kuratorium Deutsche Altershilfe/Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) 2006, S. 19<br />
101<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
das Leben dort als „intellektuelles Reizklima“, aber auch in Fällen, in denen<br />
Bewohner Unterstützung brauchten, hat sich die Gemeinschaft bereits<br />
häufig bewährt.<br />
In Großburgwedel leben seit Herbst 1998 zwei junge Familien und vier<br />
ältere Ehepaare beieinander. Die aus insgesamt 15 Personen bestehende<br />
Gruppe „Beieinander wohnen – Jung und Alt“, die aus privaten Kontakten<br />
entstand, lebt in sechs Häusern und einem Gemeinschaftshaus. Jeweils<br />
zwei zusammenhängende Häuser mit einem Gemeinschaftshaus bilden<br />
den Bereich für die älteren Menschen, und zwei davon abgetrennte zusammenhängende<br />
Häuser werden von den beiden Familien bewohnt.<br />
Die beiden jungen Parteien wollten für sich unter einem Dach bauen, u.<br />
a. auch, um den Eigenleistungsanteil unabhängiger realisieren zu können.<br />
Das Gebäude wurde auf einem 2.000 Quadratmeter großen Grundstück<br />
neu gebaut und in Eigentum erworben. Einige BewohnerInnen waren<br />
miteinander befreundet, und aus dem Bekanntenkreis kamen später<br />
weitere dazu. Gemeinsam war ihnen, dass sie mit ähnlich Gesinnten alt<br />
werden und sich kleine Dinge im Alltag abnehmen wollten. Auch junge<br />
Familien sollten dabei sein.<br />
Nachdem die Gruppe ein Grundstück gefunden hatte, zog sie ein Architektenbüro<br />
hinzu. Für den Kauf des Grundstückes und um als Vertragspartner<br />
mit dem Architekturbüro Aufträge abwickeln zu können, schlossen sich<br />
die zukünftigen BewohnerInnen zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts<br />
zusammen. Nach Fertigstellung des gesamten Projektes wurde die GbR<br />
in eine Wohnungseigentümergemeinschaft umgewandelt. In Teilungsverträgen<br />
sind die jeweiligen Bereiche anteilsmäßig beschrieben.<br />
Der Prozess von der Entwicklung des Raumkonzeptes bis zur Fertigstellung<br />
dauerte drei Jahre. Sämtliche Häuser sind in sich abgeschlossene<br />
Wohnungen mit der Besonderheit, dass sich einige Häuser einen Hauswirtschaftsraum<br />
teilen. Es gibt gemeinschaftliche Außenbereiche, aber auch<br />
private Terrassen vor den Häusern. Die Erdgeschosse sind schwellenlos<br />
und für die mögliche Nutzung von Rollstühlen geplant. Da es keine Keller<br />
gibt, werden Nebengebäude als Werkstatt und Abstellräume genutzt.<br />
Die Gesamtkosten betrugen ca. 1,2 Millionen Euro, knapp 1.800 Euro pro<br />
Quadratmeter einschließlich der Kosten für das Gemeinschaftshaus.<br />
Aus einer Initiative der städtischen Wohnungsgesellschaft Bremerhaven<br />
mbH in Kooperation mit einer Gruppe Interessierter (die sich durch das<br />
Angebot der Wohnungsgesellschaft zusammenfanden) entstand ein<br />
Projekt, bei dem nachbarschaftliches Mehrgenerationenwohnen mit<br />
Quartiersentwicklung verbunden wurde. Die Sanierung eines Altbaus (Bj.<br />
1903) mit 900 Quadratmetern Wohnfläche in der Goethestraße, einem<br />
Bremerhavener Brennpunktquartier, wurde von der Wohnungsgesellschaft<br />
(Eigentümer) und den zukünftigen Mietern gemeinsam geplant und mit<br />
deren finanzieller Eigenbeteiligung umgesetzt, wobei die Wohnungsgesellschaft<br />
fehlendes Kapital mit zinslosen Darlehen vorschoss. Im<br />
Rahmen der Modernisierung wurden barrierefreie Zugänge hergestellt,<br />
ein Fahrstuhl und Balkone eingebaut, eine Zentralheizung installiert, die<br />
Außenanlagen umgestaltet, ein Gemeinschaftsraum eingerichtet und die<br />
97 VDW-Tagung 2006 „Bremen – eine generationengerechte Adresse“<br />
102
Fassade erneuert. Die Wohnungen wurden nach den Vorstellungen der<br />
Mieter gestaltet. 2005 bezogen die Bewohner, sowohl ältere Menschen<br />
als auch junge Familien, das Haus. Die Beteiligung an der Modernisierung<br />
führt zu einer hohen Wohnzufriedenheit und positiver Entwicklung des<br />
nachbarschaftlichen Zusammenhalts.<br />
Auf einem Bauernhof der besonderen Art bietet die Diakonische Altenhilfe<br />
Niederlausitz gGmbH Betreutes Wohnen mit ländlicher Orientierung für<br />
Menschen mit Demenz an. Es handelt sich um eine an der landwirtschaftlich<br />
geprägten Lebenswelt orientierte betreute gerontopsychiatrische<br />
Wohngruppe.<br />
Immer mehr ältere Menschen erkranken an Demenz. Allerdings fehlt es in<br />
ländlichen Gemeinden oft an geeigneten Wohn- und Betreuungsformen<br />
für die Betroffenen und die sie pflegenden Angehörigen. Briesen, ein<br />
Ort mit etwa 10.000 Einwohnern, liegt in der Niederlausitz, in der Nähe<br />
des Spreewaldes. Kern des Nutzungskonzeptes ist es, an Altersdemenz<br />
erkrankten Menschen in der ihnen vertrauten ländlichen Umgebung ein<br />
neues Zuhause zu geben. Dabei soll Alltagsgestaltung an die bisherigen<br />
vom bäuerlichen Leben geprägten Erfahrungen und Abläufe anknüpfen.<br />
Durch die Möglichkeit, gewohnte Tätigkeiten weiter ausüben zu können,<br />
sollen vorhandene Fähigkeiten erhalten und trainiert werden. Im Mittelpunkt<br />
steht dabei, dass die BewohnerInnen in Würde alt werden können<br />
und so weit wie möglich selbstständig ihren Alltag meistern. Das alltägliche<br />
Leben auf dem Bauernhof wird durch Haustiere, Gartenarbeit und<br />
gemeinschaftliche Aktivitäten geprägt. Das Projekt greift Erkenntnisse<br />
aus Wissenschaft und Praxis – etwa des Kuratoriums Deutsche Altershilfe<br />
– auf, wonach die natürliche Lebensumgebung in vielseitiger Weise<br />
zur Zufriedenheit und Lebensqualität gerade älterer Menschen beitragen<br />
kann. Für die Betreuung stehen eine gerontopsychiatrische Fachkraft, eine<br />
Pflegehilfskraft sowie eine hauswirtschaftliche Hilfskraft zur Verfügung.<br />
Eine Sozialstation übernimmt die Hilfe und Anleitung bei der Körperpflege.<br />
Für den laufenden Betrieb ist ehrenamtliche Unterstützung durch<br />
Angehörige und Menschen aus der Nachbarschaft unverzichtbar. Diese<br />
Hilfe trägt zudem dazu bei, die Integration in die Gemeinde zu fördern.<br />
Das Grundstück stellte die Evangelische Kirchengemeinde Briesen in<br />
Erbbaupacht zur Verfügung.<br />
Wohnungsanpassungsberatung<br />
Eine kommunale Wohnungsberatung bzw. Wohnungsanpassungsberatung<br />
existiert in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden des Landkreises<br />
Göttingen nicht. Die meisten Verantwortlichen der Kommunalverwaltungen<br />
gehen auch nicht davon aus, dass ein solcher Service in alleiniger Trägerschaft<br />
einer Kommune eingerichtet werden könnte. Wenn überhaupt lasse<br />
sich dieses Angebot interkommunal oder durch den Landkreis Göttingen<br />
klären. In der Samtgemeinde Dransfeld könne daran möglicherweise der<br />
Fachbereich Bauen, Umwelt und Ordnung beteiligt werden. Die Stadt Duderstadt<br />
vertritt die Auffassung, dass zur Lösung eines solchen Problems<br />
auch die Kreiswohnungsbaugesellschaft einen Beitrag leisten könnte.<br />
98 Fachstelle Wohnberatung 2002<br />
103<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Der Bürgermeister der Gemeinde Friedland beabsichtigt, den Gedanken<br />
einer Wohnungsberatung aufzugreifen und im Rahmen eines Erzählcafés<br />
zu thematisieren. Auch der Bürgermeister der Gemeinde Gleichen hält die<br />
Idee grundsätzlich für gut und beabsichtigt, sie im Rahmen des Bündnisses<br />
für Familie auch in Altenclubs zu diskutieren.<br />
Auch die Stadt Hann. Münden hält die Idee für diskussionswürdig, geklärt<br />
werden müsse allerdings die Frage des Bedarfs. Auch Wohnungstauschbörsen<br />
existieren auf gemeindlicher Ebene nicht. Die Idee wird u. a. in<br />
Adelebsen, Bovenden und Gieboldehausen für sinnvoll gehalten.<br />
Im Ansatz wurde in Staufenberg bereits versucht, eine solche Initiative<br />
zu starten. Es zeigte sich jedoch dort, dass die meisten älteren Personen<br />
in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung bleiben wollen – selbst wenn<br />
Haus oder Wohnung nach Auszug oder Tod von Familienangehörigen viel<br />
zu groß geworden sind. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Adelebsen<br />
kann sich vorstellen, ein solches Angebot interkommunal zu gestalten. In<br />
Gleichen heißt es, da keine altengerechten Wohnungen vorhanden seien,<br />
fehle für das Funktionieren einer Wohnungstauschbörse die Basis. In<br />
Ebergötzen wird darauf verwiesen, dass die personelle Ausstattung der<br />
Samtgemeinde Radolfshausen ein solches Angebot nicht zulasse.<br />
Internationale Beispiele<br />
Niederlande<br />
Die Förderung der eigenständigen Lebensführung im Alter gehört in den<br />
Niederlanden seit Anfang der 70er-Jahre zu den sozialpolitischen Zielen.<br />
Es wird versucht, die Aufnahme von Personen in Alten- und Pflegeheime zu<br />
begrenzen. Man differenziert zwischen Haushaltshilfe und häuslicher Krankenpflege.<br />
Die Sozialversicherung übernimmt die Kosten für Haushaltshilfe<br />
und häusliche Krankenpflege, die vorwiegend durch gemeinnützige<br />
Träger erbracht werden, zu ca. 85 Prozent. Der verbleibende Anteil muss<br />
selbst finanziert werden. Über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit<br />
einer Unterbringung in vollstationären Einrichtungen entscheiden seit<br />
1977 regionale Begutachtungsstellen. Ziel ist es, die Aufnahme in Alten-<br />
und Pflegeheime auf diejenigen Personen zu beschränken, die nicht mehr<br />
selbstständig wohnen können. Da die Bedeutung der stationären Einrichtungen<br />
in den Niederlanden abnimmt, sind Alten- und Pflegeheime schon<br />
vor einiger Zeit dazu übergegangen, ihre Dienste auch älteren Menschen,<br />
die noch in der eigenen Wohnung leben, anzubieten (z. B. Tagespflege,<br />
Essen auf Rädern).<br />
Neben den Alten- und Pflegeheimplätzen steht eine Vielzahl an selbstständigen<br />
Wohnformen zur Auswahl, und zwar Wohnformen ohne und mit integriertem<br />
Dienstleistungsangebot. Wohnformen ohne integriertes Angebot<br />
sind vor allem Wohnungen aus dem regulären Wohnungsbestand. Heute<br />
werden den gesetzlichen Bauverordnungen entsprechen 50 Prozent der<br />
neu errichteten Wohnungen „anpassbar“ gebaut. Das bedeutet, dass bei<br />
der Planung die Anforderungen an körperbehindertengerechtes Wohnen<br />
bzw. eine relativ einfache Umwandlung berücksichtigt wird. Da der kom-<br />
99 Die Beispiele sind Steffens et al. 2004 entnommen.<br />
104
plette Umbau bestehender Wohnungen aus Kostengründen aufwendig ist,<br />
wurde das Konzept „Opplussen“ bzw. „Aufplussens“ entwickelt, bei dem<br />
die Barrierefreie Umgestaltung durch staatliche Prämien gefördert wird.<br />
„Aufplussen“ stellt somit eine recht günstige Maßnahme zur Bereitstellung<br />
altersgerechten Wohnraums dar. Zu den Wohnformen mit integriertem<br />
Dienstleistungsangebot zählen die „An- und Inleunwoningen“ sowie die<br />
Wohn-Pflege-Komplexe und die Seniorenwohnheime. Während es sich bei<br />
den „Anleunwoningen“ um altengerechte Wohnungen handelt, die direkt<br />
neben Altenheimen gebaut sind, sind die „Inleunwoningen“ selbstständige<br />
Wohneinheiten innerhalb der Altenheime. Bei beiden Wohnformen kann<br />
der Wohnungsmieter bei Bedarf kostenpflichtige Pflege- und Dienstleistungsangebote<br />
vom Personal des Altenheims in Anspruch nehmen<br />
(ähnlich dem Betreuten Wohnen). Auch für die Inanspruchnahme solcher<br />
Wohnungen ist eine Anerkennung der Notwendigkeit durch den medizinischen<br />
Dienst erforderlich. Ein vergleichbares Angebot bieten auch<br />
die Wohn-Pflege-Komplexe, welche die Altenheimplätze in Zukunft ganz<br />
ersetzen sollen. Es gibt ein von Seniorenverbänden vergebenes „Seniorenlabel“<br />
als Gütezeichen für altersgerechtes Wohnen.<br />
Dänemark<br />
Mit der Verabschiedung des „Gesetz betreffend Wohnungen für Alte und<br />
Personen mit Behinderung“ vollzog die dänische Regierung bereits 1987<br />
ein Paradigmenwechsel weg vom klassischen Pflegeheim hin zur modernen<br />
Seniorenwohnung. Der Bau von Pflegeheimen wurde eingestellt. Die<br />
Wohnungen müssen von den Gemeinden bereitgestellt werden. Entsprechend<br />
der Philosophie der Selbstbestimmung sollen Ältere genau die Hilfe<br />
bekommen, die sie benötigen – und zwar unabhängig davon, wo und wie<br />
sie wohnen. Zielsetzung ist die Bereitstellung eines breiten Angebotes<br />
an Dienstleistungen, wie Hilfe zur persönlichen Pflege, Zubereitung von<br />
Mahlzeiten, Wohnungsreinigung sowie Unterstützung beim Einkaufen<br />
und – soweit gewünscht – regelmäßige „Sicherheitsbesuche“. Generell<br />
haben Rehabilitationsmaßnahmen Vorrang gegenüber einer Einweisung<br />
in Tages- oder Pflegeheimen. Die ambulante Hilfe ist für die Menschen<br />
kostenlos, sie wird von den Gemeinden finanziert. Dies ist darin begründet,<br />
dass in Dänemark die Gemeinden als ausführende Organe für den Sozial-<br />
und Gesundheitsbereich verantwortlich sind und sie daher im Vergleich<br />
zu den deutschen Kommunen über eine wesentlich bessere finanzielle<br />
Ausstattung verfügen.<br />
Neu errichtete Seniorenwohnungen müssen behindertengerecht gebaut<br />
und – entsprechend den gesetzlichen Vorgaben – über eigene Küche,<br />
Bad mit Toilette sowie ein Alarmsystem verfügen. Errichtet werden die<br />
Seniorenwohnungen von gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften<br />
und den Gemeinden, denen per Gesetz eine Vielfalt von Refinanzierungsmöglichkeiten<br />
zur Verfügung steht. Privates Kapital kann mit einbezogen<br />
werden. Bei selbst genutztem Eigentum gewährt die Gemeinde – für<br />
den Fall, dass die seniorengerechten Baurichtlinien eingehalten werden<br />
– Zuschüsse und günstige Kredite. Eine Belegungsänderung bedarf der<br />
Zustimmung der Gemeinde. Eine Eigentumsübertragung ist nur unter<br />
strengen Auflagen möglich. Die Verwaltung der Seniorenwohnungen<br />
obliegt ebenfalls den Kommunen, die auch die Belegung übernehmen.<br />
Ausschlaggebend für die Belegung ist der durch den Visitationsausschuss<br />
festgestellte Grad der Hilfe- bzw. Pflegebedürftigkeit der Betroffenen. Eine<br />
105<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Quote, welche die Anzahl der Seniorenwohnungen festlegt, existiert nicht.<br />
Vielmehr liegt es im Ermessen der jeweiligen Gemeindeverwaltung, die<br />
Zahl abhängig von der Bevölkerungszahl und -struktur festzulegen. Die<br />
Kontrolle darüber erfolgt von zwei Seiten: zum einen durch die gesetzlich<br />
vorgeschriebenen, kommunalen Seniorenbeiräte vor Ort, zum anderen<br />
durch das Sozialministerium, dem die Verwaltung jedes Jahr den Bestand<br />
an Seniorenwohnungen übermitteln muss und das dann gegebenenfalls<br />
regulierend eingreifen kann.<br />
Großbritannien<br />
Im ambulanten Bereich existieren unterschiedliche Betreuungs- und<br />
Servicedienste für ältere Menschen, beispielsweise sog. Community<br />
Warden Services für die ambulante Betreuung in Bestandswohnungen,<br />
die Bewohner einmal pro Woche telefonisch kontaktieren und einmal pro<br />
Monat zu Hause besuchen, um die Lebensverhältnisse zu überprüfen. Die<br />
Dienste sind zuweilen kostenlos und erfordern lediglich eine telefonische<br />
Anmeldung. Intensivere Kurzzeitbetreuung in besonderen Lebenslagen<br />
– beispielsweise nach Entlassung aus einer Klinik oder bei Ausfall eines<br />
pflegenden Familienangehörigen – bietet der Mobile Warden Service<br />
an.<br />
Supported Housing sind Wohnanlagen, die abgeschlossene, meist<br />
barrierefreie Wohnungen und in der Regel ein Notrufsystem sowie Türsprechanlagen<br />
anbieten. Bei praktisch allen Anlagen wird großer Wert<br />
darauf gelegt, dass quartiersbasierte Freizeit- und Betreuungsangebote<br />
erreichbar sind. Supported Housing wäre mit einer Minimalversion des<br />
Service-Wohnens vergleichbar. Sheltered Housing bietet abgeschlossene<br />
Wohnungen, die in der Regel barrierefrei sind. Hinzu kommen ein Notrufservice<br />
sowie umfassende Gemeinschaftseinrichtungen und Betreuungsangebote.<br />
Die Mieten kommunaler Sheltered-Housing-Wohnanlagen<br />
liegen beispielsweise in London je nach Größe zwischen 400 und 600 € im<br />
Monat (inkl. Betreuung) und sind vergleichsweise preisgünstig. Beim Very<br />
Sheltered Housing handelt es sich um Sheltered Housing mit integrierter<br />
Pflegestation. Die Bewohner wohnen in abgeschlossenen Wohnungen<br />
der Anlagen, in denen ein Pflegeteam 24 Stunden am Tag anwesend<br />
ist. Die Pflege erfolgt in den Wohnungen. Residential Care/Care Homes<br />
ähneln dem deutschen Pflegeheim. Group Homes/Shared Accomodation<br />
wiederum sind Gruppenwohnprojekte, die sich insbesondere an Demenzkranke<br />
wenden.<br />
Die britische Regierung unterstützt die Selbstständigkeit fördernde<br />
Wohnformen und sieht insbesondere im Very Sheltered Housing eine Alternative<br />
zur stationären Pflege. Schlüsselfigur für die Betreuung sowohl<br />
in Bestandswohnungen wie in allen Formen altersgerechten Wohnens<br />
ist in England die Person des Wardens. Während hier Leistungskataloge<br />
dominieren, wird das britische Modell von der Verfügbarkeit einer solchen<br />
Ansprechperson geprägt, deren Leistungen flexibel auf die Bedürfnisse der<br />
Bewohner abgestellt werden. Dies bietet den Vorteil, dass sich die Dienstleistungen<br />
im Zuge der Alterung der Bewohnerschaft verändern können.<br />
Außerdem beinhaltet der Warden-Service eine aufsuchende Betreuung<br />
mit regelmäßiger Kontaktierung, die sowohl in betreuten Wohnanlagen<br />
als auch ambulant angeboten wird.<br />
106
Individuelle Einschätzungen<br />
„Ich habe eine Eigentumswohnung und bin Verwalter für unser Haus.<br />
Neulich habe ich versucht, ein Angebot für das Streichen des Treppenhauses<br />
zu kriegen. Die Betriebe, die ich angeschrieben habe, haben gar<br />
nicht reagiert. Man muss doch die Kundschaft pflegen.“ (Duderstadt)<br />
„Ich bin sechzig Jahre und seit fünf Jahren Frührentner. Unser Haus liegt<br />
auf dem Berg. Es ist schwierig, zu Fuß dahin zu kommen. Ich glaube<br />
aber, dass wir unser Haus behindertengerecht umbauen können, wenn<br />
wir mal größere Gehprobleme kriegen.“ (Duderstadt)<br />
„Mein Mann hat schon vor zwanzig Jahren behindertengerecht gebaut.“<br />
(Hann. Münden)<br />
„Ich habe gerade einer neuen Mieterin geraten, darauf zu bestehen, dass<br />
der Umbau erfolgen soll, bevor sie einzieht.“(Hann. Münden)<br />
Situation im Landkreis Göttingen<br />
Der demographische Wandel, insbesondere die tief greifenden Veränderungen<br />
im Altersaufbau der Bevölkerung, hat erhebliche Auswirkungen<br />
auf das Handwerk. Diese betreffen zum einen die Handwerksbetriebe<br />
unmittelbar, zum anderen die Märkte des Handwerks.<br />
Auf der betrieblichen Ebene rückt aufgrund der zu erwartenden verschärften<br />
Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt um qualifizierte Arbeitskräfte immer<br />
stärker die Sicherung des Nachwuchs- und Fachkräftebedarfs in den<br />
Vordergrund. Daneben werden die Handwerksbetriebe in zunehmendem<br />
Maße mit alternden Belegschaften konfrontiert. Das erfordert eine altersadäquate<br />
Arbeits- und Personalpolitik, wobei insbesondere die ständige<br />
Qualifizierung der älteren Mitarbeiter von großer Bedeutung sein wird.<br />
Auf der anderen Seite eröffnen sich dem Handwerk mit zunehmender<br />
Alterung der Bevölkerung neue Marktfelder und damit gleichzeitig die<br />
Chance, mit einem innovativen, an den Bedürfnissen der Senioren orientierten<br />
Angebot neue Kunden zu gewinnen. Dabei steht vor allem<br />
der Bereich „Wohnen im Alter“ im Fokus. So macht der Wunsch vieler<br />
Menschen, solange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben,<br />
in vielen Fällen eine altersgerechte Wohnraumanpassung durch bauhandwerkliche<br />
Betriebe unumgänglich (Stichwort: altengerechtes und barrierefreies<br />
Wohnen). Daraus resultiert vor allem für Bauhandwerksbetriebe<br />
eine Fülle von Aufgaben, sofern die Marktchancen von den Betrieben<br />
rechtzeitig erkannt und die neuen Märkte systematisch für das Handwerk<br />
erschlossen werden. Zudem wirkt sich positiv aus, dass ein Großteil der<br />
Senioren über eine überdurchschnittliche Kaufkraft verfügt und durchaus<br />
konsumfreudig ist.<br />
Im Folgenden wird untersucht, welche Risiken und Chancen sich für das<br />
Handwerk im Landkreis Göttingen aus dem demographischen Wandel ergeben.<br />
Nach einer kurzen Darstellung, wie das Handwerk in der Region aufgestellt<br />
ist, wird zunächst der Frage nachgegangen, wie die Altersstruktur<br />
107<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
HanDwerk Im<br />
DemograpHIscHen<br />
wanDel<br />
(Volkswirtschaftliches Institut<br />
für Mittelstand und<br />
Handwerk an der Universität<br />
Göttingen)
der im Handwerk Beschäftigten aussieht und welche personalpolitischen<br />
Konsequenzen aus der Alterung der Belegschaften in den Betrieben resultieren.<br />
Anschließend wird aufgezeigt, wo die Konsumschwerpunkte<br />
der Senioren liegen und wie das Leistungsangebot des Handwerks für<br />
diese Zielgruppe aussieht. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem<br />
Marktfeld „Seniorengerechtes Wohnen“.<br />
Strukturdaten des Handwerks<br />
Zum Wirtschaftsbereich Handwerk gehören derzeit 94 Berufe, die in den<br />
sog. Anlagen A und B zur Handwerksordnung im Einzelnen aufgelistet<br />
sind.100 Handwerksbetriebe müssen in die Handwerksrolle eingetragen<br />
werden, die von der jeweils zuständigen regionalen Handwerkskammer<br />
geführt wird. Die Zuständigkeit für den Landkreis Göttingen obliegt der<br />
Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen.<br />
Die Vielzahl der Berufe deutet darauf hin, dass es sich im Handwerk<br />
um einen vielseitigen Wirtschaftsbereich handelt, der zahlreiche unterschiedliche<br />
Zweige und Branchen umfasst. So sind in nahezu allen<br />
Lebensbereichen Produkte und Dienstleistungen anzutreffen, die dem<br />
Handwerk zuzuordnen sind: Dazu gehören Brötchen aus der Bäckerei<br />
und das Fleisch aus der Metzgerei, die Gestaltung oder der Umbau der<br />
Wohnung, Reparatur- und Serviceleistungen am Auto oder der Gang<br />
in den Friseursalon. Dementsprechend gehören zum breiten Spektrum<br />
handwerklicher Leistungen sowohl die Herstellung eigener Erzeugnisse,<br />
die oftmals im eigenen Ladengeschäft vertrieben werden (z. B. Bäcker,<br />
Fleischer), als auch die Bereitstellung von sach- und/oder personenbezogenen<br />
Dienstleistungen (z. B. Kfz-Techniker, Friseure) sowie der Handel mit<br />
fremd erzeugten Waren (z. B. Radio- und Fernsehtechniker, Uhrmacher).<br />
Das Handwerk erfüllt wichtige volkswirtschaftliche Funktionen. Dazu<br />
gehört aufgrund der breiten regionalen Streuung der Handwerksbetriebe<br />
vor allem die Nahversorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen<br />
des täglichen Bedarfs bzw. Grundbedarfs. So wird z. B. im<br />
Handwerk – anders als etwa in der Industrie – ein Großteil der Umsätze<br />
unmittelbar mit privaten Endverbrauchern getätigt. Häufig stellen dabei<br />
Handwerksbetriebe Mittler zwischen industriellen Herstellern und den<br />
privaten Endverbrauchern dar, indem sie industriell gefertigte Produkte<br />
beim Kunden installieren bzw. montieren und dadurch die Produkte erst<br />
„konsumfähig“ machen.<br />
Ferner kommt dem Handwerk eine große arbeitsmarktpolitische Bedeutung<br />
zu. Rund elf Prozent der Beschäftigten und damit etwa jeder Neunte<br />
arbeiten in einem Handwerksbetrieb. Rund 30 Prozent aller Ausbildungsplätze<br />
in der Region entfallen auf das Handwerk. Damit bildet dieser Wirtschaftsbereich<br />
weit über den eigenen Bedarf hinaus aus. Gleichzeitig trägt<br />
es dadurch zur Humankapitalbildung bei, da etwa jeder Zweite nach seiner<br />
Ausbildung im Handwerk in anderen Wirtschaftbereichen, vornehmlich in<br />
der Industrie, Arbeit findet.<br />
100 Darüber hinaus werden in der Handwerksordnung weitere 59 „handwerksähnliche“ Berufe (Anlage<br />
B, Abschnitt 2) aufgeführt, die keine Vollhandwerke darstellen. Wenn im Folgenden vom Handwerk die<br />
Rede ist, ist immer das Vollhandwerk ohne das handwerksähnliche Gewerbe gemeint.<br />
108
Derzeit gibt es im Landkreis Göttingen insgesamt 2.054 Handwerksbetriebe,<br />
davon entfallen 801 auf das Oberzentrum Göttingen. Daraus ergibt<br />
sich eine Betriebsdichte von knapp acht Handwerksbetrieben je eintausend<br />
Einwohner für den gesamten Landkreis, wobei in der Stadt Göttingen<br />
selbst etwa sechseinhalb Betriebe auf 1.000 Einwohner kommen.<br />
Damit ist der Versorgungsgrad der Bevölkerung im Landkreis Göttingen<br />
mit handwerklichen Gütern und Dienstleistungen – gemessen an der<br />
Betriebsdichte – deutlich schlechter als im gesamten Handwerkskammerbezirk<br />
Hildesheim-Südniedersachsen (9,2 Betriebe/1.000 Einwohner)<br />
oder im Durchschnitt des Landes Niedersachsen (9,7 Betriebe/1.000<br />
Einwohner).<br />
Aus der Abbildung 20 geht hervor, dass fast die Hälfte der Handwerksbetriebe<br />
im Landkreis Göttingen auf das Bauhandwerk entfällt. Damit wird<br />
die überragende Stellung des Bauhandwerks innerhalb des Gesamthandwerks<br />
auch in der Region bestätigt. Das Bauhauptgewerbe stellt rund 13<br />
Prozent der Betriebe. Dazu zählen z. B. Maurer und Betonbauer, Zimmerer<br />
und Dachdecker. Die meisten Bauhandwerksbetriebe gehören jedoch<br />
zum Ausbauhandwerk (35,2 Prozent). Hierzu zählen Maler und Lackierer,<br />
Installateure und Heizungsbauer, Tischler sowie Elektrotechniker. Im Hinblick<br />
auf den demographischen Wandel kommt dem Bauhandwerk vor<br />
allem im Marktfeld „Seniorengerechtes Bauen und Wohnen“ eine große<br />
Bedeutung zu.<br />
Ebenfalls relativ stark vertreten im Landkreis Göttingen sind neben dem<br />
Bauhandwerk auch jene Handwerkszweige, die personenbezogene<br />
Dienstleistungen erbringen. Mehr als jeder fünfte Handwerksbetrieb (22,2<br />
Prozent) gehört zu dieser Gruppe. Diese Branche umfasst z. B. Friseure,<br />
Schuhmacher, Schneider und Textilreiniger. Auch für die Handwerke für persönliche<br />
Dienstleistungen gewinnen Senioren aufgrund ihrer spezifischen<br />
Bedarfsprofile als Kundengruppe zunehmend an Attraktivität. Aufgrund<br />
eines erhöhten Komfortanspruchs und zunehmender Bequemlichkeit<br />
dürften Ältere künftig verstärkt Serviceleistungen nachfragen, die sie nicht<br />
mehr selbst erbringen wollen oder können. Untersuchungen zeigen, dass<br />
Ältere für diese Art von Bequemlichkeit tendenziell eher bereit sind Geld<br />
auszugeben als Jüngere.<br />
Im Kontext der gesellschaftlichen Alterung ist das Gesundheitshandwerk<br />
von Bedeutung. Insgesamt erbringen 113 Handwerksbetriebe im Landkreis<br />
Leistungen im Gesundheitsbereich. Dazu gehören Augenoptiker, Zahntechniker,<br />
Hörgeräteakustiker, Orthopädieschuhmacher und Orthopädietechniker.<br />
Bemerkenswert ist, dass mit einem Anteil von 5,5 Prozent an<br />
allen Handwerksbetrieben der Landkreis Göttingen erheblich besser mit<br />
handwerklichen Gesundheitsleistungen versorgt ist als im Durchschnitt<br />
des Handwerkskammerbezirkes Hildesheim-Südniedersachsen.101 Trotz<br />
allen medizinischen Fortschritts ist der Alterungsprozess auch mit geriatrisch<br />
bedingten gesundheitlichen und körperlichen Einschränkungen<br />
verbunden. Von daher liegen die Berührungspunkte des Gesundheitshandwerks<br />
mit der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> auf der Hand.<br />
101 Im Handwerkskammerbezirk Hildesheim-Südniedersachsen beträgt die Betriebsdichte im Gesundheitshandwerk<br />
durchschnittlich 3,6 Betriebe pro 1.000 Einwohner.<br />
109<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Abbildung 20: Handwerksbe-<br />
triebe im Landkreis Göttingen<br />
(Stand: April 2006)<br />
Quelle: HwK Hildesheim-Südnie-<br />
dersachsen; NLS-Online; eigene<br />
Berechnungen ifh Göttingen<br />
Abbildung 21: Handwerksbe-<br />
triebe im Landkreis Göttingen<br />
nach Branchen<br />
(Stand: April 2006)<br />
(Quelle ifh Göttingen)<br />
Handwerksbranche<br />
Schließlich sei auf das Nahrungsmittelhandwerk hingewiesen, zu dem<br />
knapp sechs Prozent aller Handwerksbetriebe im Landkreis Göttingen<br />
gehören. Bäcker und Fleischer stellen durch ihr Angebot die Versorgung<br />
der Bevölkerung mit täglich frischen Brot- und Backwaren sowie Fleischprodukten<br />
vor allem auch im ländlichen Raum sicher. Dabei profitiert das<br />
Nahrungsmittelhandwerk ganz generell vom wachsenden Gesundheitsbewusstsein<br />
der Bevölkerung, wobei jedoch mit zunehmendem Alter der<br />
Stellenwert einer gesunden Ernährung ansteigt.<br />
Altersstruktur in ausgewählten Handwerksbranchen<br />
Das Arbeitskräfteangebot hängt entscheidend von der Bevölkerung im<br />
erwerbsfähigen Alter ab, denn rein rechnerisch ergibt sich das Arbeitskräfteangebot<br />
aus der mit der Bevölkerungszahl multiplizierten Erwerbsquote,<br />
d. h. dem Anteil der am Erwerbsleben teilnehmenden Bevölkerung.<br />
110<br />
Betriebe<br />
anzahl betriebsdichte * anteil<br />
Bauhauptgewerbe 261 1,0 12,7%<br />
Ausbaugewerke 724 2,8 35,2%<br />
Handwerke für den gewerblichen<br />
Bedarf<br />
203 0,8 9,9%<br />
Kraftfahrzeughandwerk 178 0,7 8,7%<br />
Nahrungsmittelhandwerk 120 0,5 5,8%<br />
Gesundheitshandwerk 113 0,4 5,5%<br />
Handwerk für Persönliche<br />
Dienstleistungen<br />
455 1,7 22,2%<br />
Handwerksbetriebe insgesamt 2.054 7,8 100,0%<br />
davon im stadtgebiet göttingen 801 6,6<br />
* Betriebe pro 1.000 Einwohner ifh Göttingen
Durch eine Sonderauswertung der Versichertendaten der Innungskrankenkasse<br />
Niedersachsen (IKK Niedersachsen) war es möglich, die Altersstruktur<br />
der Handwerksbeschäftigten im Landkreis Göttingen zu ermitteln.<br />
Der Abbildung 22 ist zu entnehmen, dass gegenwärtig gut vier Fünftel der<br />
Beschäftigten im Handwerk jünger als 50 Jahre sind und knapp ein Fünftel<br />
diese Altersgrenze bereits überschritten hat (vgl. auch Abbildung 24).<br />
Mit knapp 55 Prozent gehören mehr als die Hälfte der Mitarbeiter im<br />
Handwerk der mittleren Altersgruppe der 31- bis 50-Jährigen an. Gut ein<br />
Viertel der Beschäftigten sind bis 30 Jahre alt. Bei den Mitarbeitern in den<br />
Handwerksbetrieben, die jenseits der 50 sind und somit zur Generation<br />
50plus gehören, ist die Alterskohorte der 51- bis 55-Jährigen mit rund zehn<br />
Prozent am stärksten besetzt, 6,5 Prozent der Mitarbeiter sind zwischen<br />
56 und 60 Jahre alt und nur 2,6 Prozent der Handwerksbeschäftigten sind<br />
61 Jahre und älter. 0 Mit dieser Alterszusammensetzung der Beschäftigten<br />
entspricht das Handwerk in etwa der Altersstruktur des Erwerbspersonenpotenzials<br />
im Landkreis Göttingen.<br />
Als Folge der oben beschriebenen Verschiebungen der Altersstruktur<br />
der Bevölkerung bzw. des Erwerbspersonenpotenzials wird sich auch<br />
die Altersstruktur der Mitarbeiter in den Handwerksbetrieben bis zum<br />
Jahr 2020 deutlich verändern: Verglichen mit der Situation heute ist zu<br />
erwarten, dass sich der Anteil der älteren Mitarbeiter (50+) in den Handwerksbetrieben<br />
erheblich erhöhen wird. Das bedeutet, dass sich die<br />
Handwerksbetriebe mittelfristig auf im Durchschnitt wesentlich ältere<br />
Belegschaften einstellen müssen.<br />
Eine Differenzierung nach Handwerksbranchen zeigt, dass sich die Altersstruktur<br />
in den einzelnen Handwerkszweigen teilweise deutlich voneinander<br />
unterscheidet (vgl. Abbildung 23). Den geringsten Anteil älterer<br />
Mitarbeiter (50+) weisen die Dachdecker und Tischler auf (jeweils unter<br />
zehn Prozent). Der Grund hierfür dürfte in der körperlichen Beanspruchung<br />
102 Die Ergebnisse der Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten im Landkreis Göttingen auf Basis<br />
der IKK-Daten werden durch eine Sonderumfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks<br />
(ZDH) zur Personalpolitik im Handwerk im Frühjahr 2003 weitgehend bestätigt. Danach entfielen im<br />
Handwerkskammerbezirk Hildesheim-Südniedersachsen 24,8 Prozent der Handwerksbeschäftigten auf<br />
die Altersgruppe der 15- bis 30-Jährigen, 54,5 Prozent der Beschäftigten waren zwischen 31 und 50<br />
Jahren alt und 20,6 Prozent waren älter als 51 Jahre.<br />
111<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Abbildung 22: Altersstruktur<br />
der Handwerksbeschäftigten<br />
im Landkreis Göttingen<br />
(Anteile in Prozent)<br />
(Quelle: ifh Göttingen)
Abbildung 23: Altersstruktur der<br />
Handwerksbeschäftigten im<br />
Landkreis Göttingen<br />
(Stand: August 2006)<br />
Abbildung 24: Altersstruktur der<br />
Handwerksbeschäftigten1) nach<br />
Betriebsgrößenklassen Quelle:<br />
Sonderumfrage ZDH Frühjahr<br />
2003; eigene Berechnungen<br />
Handwerksbranche beschäftigte1) im alter von bis jahren (anteile in %)<br />
15 - 30 31 - 50 51 - 55 56 - 60 61 u. älter<br />
Dachdecker 21,1 69 5,6 4,2 -<br />
Installateur und<br />
Heizungsbauer<br />
24,4 54,1 8,1 6,7 6,7<br />
Maler und Lackierer 22,4 61,2 10,2 4,1 2<br />
Tischler 37,8 53,3 4,4 4,4 -<br />
Fliesenleger 14,5 58,2 18,2 5,5 3,6<br />
Elektrotechniker 26,8 47 9,8 14 2,4<br />
Metallbauer 25,6 59 5,1 2,6 7,7<br />
Bäcker 14,9 64,2 10,4 9 1,5<br />
Fleischer 23,3 52,1 19,2 4,1 1,4<br />
Friseure 36,5 51,6 8,7 2,4 0,8<br />
Handwerk gesamt 26,5 54,7 9,8 6,5 2,6<br />
1) Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ifh Göttingen<br />
liegen, der die Mitarbeiter in diesen beiden Gewerken ausgesetzt sind.<br />
Mit zunehmendem Alter zeigen sich viele Mitarbeiter den berufsbedingten<br />
Anforderungen nicht mehr gewachsen oder das Unfallrisiko wird zu groß.<br />
Entsprechend hoch ist der Anteil jüngerer Mitarbeiter, wobei insbesondere<br />
bei den Tischlern der überdurchschnittlich hohe Anteil von Beschäftigten<br />
bis 30 Jahre auffällt (37,8 Prozent). Daneben zeichnen sich auch die Friseure<br />
durch einen überdurchschnittlich hohen Anteil jüngerer Mitarbeiter<br />
aus. Lediglich rund 12 Prozent der Beschäftigten in Friseurläden sind älter<br />
als 50 Jahre.<br />
Demgegenüber lässt sich in etlichen Handwerkszweigen ein überdurchschnittlich<br />
hoher Anteil älterer Mitarbeiter (50plus) feststellen. Dazu<br />
gehören bspw. Fliesenleger, Elektrotechniker sowie Installateure und<br />
Heizungsbauer (vgl. Abbildung 23). Bei diesen Handwerken erscheint<br />
angesichts der physischen Belastung der Mitarbeiter und des schnellen<br />
technischen Fortschritts bzw. Wandels der Berufsinhalte der betriebliche<br />
Anpassungsbedarf aufgrund der zu erwartenden Alterung der Belegschaft<br />
besonders vordringlich zu sein.<br />
Betriebsgrößenklasse<br />
Handwerksbeschäftigte in den altersgruppen…(anteile in %)<br />
15 - 30 jahre 31 - 50 jahre 50 jahre und älter<br />
Index 2)<br />
Index 2)<br />
Index 2)<br />
1 5 20 46,7 85 48,3 246<br />
2-4 22 87 53,5 97 24,5 125<br />
5-9 27,3 108 53,7 98 18,9 97<br />
10-19 27,7 110 53,9 98 18,3 93<br />
20 - 49 26,7 106 56,1 102 17,2 88<br />
50 und mehr 23,1 91 56,4 102 20,5 105<br />
Handwerk insges. 25,3 100 55,1 100 19,6 100<br />
1) einschl. tätige Inhaber u. mithelfende Familienangehörige ifh Göttigen<br />
2) Index: Gesamthandwerk = 100<br />
112
Neben der Branchendifferenzierung könnte auch interessant sein, ob<br />
Unterschiede in der Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten in den<br />
verschiedenen Betriebsgrößenklassen bestehen. Leider ist eine solche<br />
Differenzierung bei den IKK-Daten nicht möglich. Jedoch liefert die zuvor<br />
erwähnte Sonderumfrage des ZDH zur Personalpolitik im Handwerk diesbezüglich<br />
einige aufschlussreiche Ergebnisse für das Bundesgebiet, die<br />
weitgehend auch für den Landkreis Göttingen zutreffen dürften. Danach<br />
lässt sich feststellen, dass die kleinen Handwerksbetriebe mit bis zu fünf<br />
Beschäftigten den mit Abstand höchsten Anteil von älteren Mitarbeitern<br />
(50+) und den geringsten Anteil an jüngeren Mitarbeitern (unter 30 Jahre)<br />
aufweisen (vgl. Abbildung 24). Grund hierfür ist zum einen, dass diese<br />
Betriebsgrößenklasse stark von den Ein-Mann-Betrieben (Inhaberbetriebe)<br />
und Kleinstbetrieben mit nur einem oder zwei Beschäftigten geprägt<br />
werden. Bei fast der Hälfte dieser Betriebe gehört der mitarbeitende Inhaber<br />
zur Generation 50plus, was bei der Vielzahl der handwerklichen Ein-<br />
Mann-Betriebe bzw. Kleinstbetriebe entsprechend auf die Altersstruktur<br />
durchschlägt. Zum anderen haben vermutlich kleinere Betriebe weniger<br />
Möglichkeiten und Chancen, jüngere Nachwuchskräfte zu rekrutieren und<br />
langfristig an den Betrieb zu binden.<br />
Demgegenüber liegt der Anteil älterer Beschäftigter (50+) bei den mittelgroßen<br />
und größeren Handwerksbetrieben durchweg unter 20 Prozent,<br />
wobei der Anteil der über 50-jährigen Mitarbeiter mit zunehmender Größe<br />
des Betriebes sinkt. Lediglich bei den großen Handwerksbetrieben ab<br />
50 Beschäftigten steigt der Anteil älterer Mitarbeiter wieder leicht über<br />
20 Prozent an. Die Ergebnisse lassen erkennen, dass die Handwerksbetriebe<br />
mit mittlerer Größe (5–50 Beschäftigte) die günstigste Alterszusammensetzung<br />
der Belegschaft aufweisen.<br />
Anpassungsbedarf<br />
Zahlreiche Handwerksbetriebe haben bereits heute große Probleme, qualifiziertes<br />
Personal zu finden und zu halten: Viele junge Menschen gehen<br />
von vornherein nicht ins Handwerk, weil es für sie nicht attraktiv genug<br />
ist. Qualifizierte Fachkräfte wechseln häufig in andere Berufe, weil sie für<br />
sich keine Perspektiven sehen oder weil sie fürchten, auf Dauer die physischen<br />
und psychischen Belastungen nicht mehr zu verkraften.<br />
Verschärft wird dies noch durch die demographische Entwicklung.<br />
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung warnt vor einer<br />
Konfrontation von Betrieben mit dem Altern ganzer Bereiche oder Berufsgruppen.<br />
0 Anpassungsnotwendigkeiten für die Handwerksbetriebe<br />
ergeben sich dabei weniger aus dem Rückgang als vielmehr aus der<br />
dauerhaften Verschiebung der daraus resultierenden Verringerung des<br />
Arbeitskräftepotenzials. Angesichts des sich verschärfenden Wettbewerbs<br />
um qualifizierte Arbeitskräfte und der Alterung der Belegschaften wird es<br />
für die Handwerksbetriebe immer wichtiger, durch eine alternsgerechte<br />
Arbeits- und Personalpolitik qualifiziertes Personal zu finden und langfristig<br />
im Betrieb zu halten.<br />
103 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2005.<br />
113<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Aufgrund der Alterung der Belegschaft wird die größte Alterskohorte der<br />
31- bis 50-Jährigen in den kommenden Jahren deutlich kleiner werden,<br />
während die Altersgruppe der über 50-Jährigen stetig ansteigen wird.<br />
Auch die Altersgruppe der jüngeren Mitarbeiter bis 30 Jahre wird sich<br />
wegen des Fehlens von jungen Nachwuchs- bzw. Fachkräften bis 2020<br />
merklich verringern. 0<br />
Aufgrund gesundheitlicher Probleme und hoher körperlicher Belastungen<br />
verbleiben Beschäftigte im Handwerk selten bis zur Rente im Beruf. Die<br />
Altersstrukturdaten des Handwerks sind Beleg für diese Aussage. Während<br />
der Anteil der Altersgruppe von 51 bis 55 Jahren noch bei rund zehn<br />
Prozent liegt, nimmt der Beschäftigtenanteil in der Altersstufe von 56 bis<br />
60 Jahren auf 6,5 Prozent ab, und ab einem Alter von 61 Jahren liegt die<br />
Quote bei nur noch 2,6 Prozent.<br />
Aufgrund betriebsgrößenbedingter Wettbewerbsnachteile hat das<br />
Handwerk erhebliche Probleme, qualifizierte Fachkräfte und geeignete<br />
Nachwuchskräfte zu rekrutieren und an den Betrieb zu binden. Das liegt<br />
einerseits an mangelnden Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten im Handwerk,<br />
aber auch in der teilweise hohen körperlichen Beanspruchung. Zu<br />
den als alterskritisch einzustufenden Tätigkeiten gehören der Transport<br />
schwerer Materialien, Zwangshaltungen wie z. B. Arbeiten in ungünstigen<br />
Körperhaltungen (liegend, kniend, gebückt, hockend, Über-Kopf-Arbeiten),<br />
Tätigkeiten draußen bei schlechtem Wetter sowie Tätigkeiten unter Zeitdruck<br />
(z. B. saisonbedingt). Daher verwundert es nicht, dass Alterseffekte<br />
in den Daten der Innungskrankenkassen bei der Aufschlüsselung der<br />
Arbeitsunfähigkeitstage zu verzeichnen sind. 0<br />
Der Anteil älterer Beschäftigter in den Handwerksbetrieben wird also in<br />
den nächsten Jahren aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation<br />
zunehmen. Ursächlich hierfür sind die Schwierigkeiten bei der Rekrutierung<br />
junger qualifizierter Nachwuchskräfte 0 und das demographisch bedingte<br />
Ansteigen des Durchschnittsalters der Belegschaft. Dadurch steigt der<br />
Druck auf die Betriebe, ältere Mitarbeiter länger als bisher zu beschäftigen.<br />
Um dem Rechnung zu tragen, müssen die Handwerksbetriebe verstärkt betriebliche<br />
Strategien einer alternsgerechten Beschäftigung entwickeln.<br />
Ein von Weber und Packebusch 0 entwickeltes integriertes Personalmanagementkonzept<br />
bietet Lösungsansätze einer alternsgerechten<br />
Arbeits- und Personalpolitik, die an die betrieblichen Belange angepasst<br />
werden können. Die in der Abbildung 25 dargestellten Module geben<br />
einen Überblick, wo Anpassungsbedarf besteht.<br />
104 Vgl. a. Weber u. Packebusch 2005.<br />
105 Ebd., S. 174<br />
106 Die Konkurrenz um qualifizierte Nachwuchskräfte wird sich in den nächsten Jahren allein schon<br />
wegen des demographisch bedingten Rückgangs der Schulabgängerzahlen erheblich verschärfen.<br />
107 Vgl. ebd., S. 175ff.<br />
114
Im Modellprojekt über die Auswirkungen des demographischen Wandels<br />
im Sanitär-, Heizungs-, Klimahandwerk 0 kristallisierten sich Umsetzungsschwerpunkte<br />
und -bereiche heraus, die weitgehend auch auf<br />
andere Handwerksbranchen übertragbar sind. Es handelt sich dabei um<br />
Qualifizierung bzw. Weiterbildung der Mitarbeiter (z. B. Ermittlung des<br />
Qualifikationsbedarfs, Weiterbildungspläne für Mitarbeiter), Arbeits-/Betriebsorganisation<br />
(z. B. alternsgerechte Arbeitsplatzgestaltung, Delegation,<br />
Altersteilzeit), Betriebsführung/Personalmanagement (z. B. stärkere<br />
Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse, betriebliche<br />
Aufstiegsmöglichkeiten) und Personalrekrutierung/Personalauswahl (z. B.<br />
Erstellen von Anforderungsprofilen, Angebot von Praktika).<br />
Mit sinkender Leistungsfähigkeit von älteren Mitarbeitern in den Betrieben<br />
steigt also auch die Bedeutung von Strategien zur Erhaltung der<br />
Arbeitsproduktivität bzw. zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit an sich, um<br />
ältere Mitarbeiter länger als bisher zu beschäftigen. In den Bereichen<br />
Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung wird verstärkt Wert auf alternsgerechten<br />
Gesundheits- und Arbeitsschutz gelegt. So lassen sich<br />
z. B. durch Anforderungsprofile die verschiedenen Tätigkeitsbereiche im<br />
Betrieb nach dem Grad der körperlichen Anstrengung unterteilen, so dass<br />
die einzelnen Tätigkeiten den physischen Anforderungen gemäß altengerecht<br />
in der Belegschaft aufgeteilt werden können. Hier besteht gerade<br />
im kleinbetrieblich strukturierten Handwerk vielfach noch ein erheblicher<br />
Anpassungsbedarf.<br />
Von zentraler Bedeutung für eine demographiefeste Arbeits- und Personalplanung<br />
ist eine permanente Weiterqualifizierung der älteren Mitarbeiter.<br />
Das verstärkte Einbinden älterer, erfahrener Mitarbeiter in die<br />
Betriebsabläufe und das Aktivieren ihres Know-hows sind erste Schritte<br />
bei der Bewältigung des demographischen Wandels. Darüber hinaus<br />
besteht ein großer Bedarf an grundlegenden Bildungsangeboten, die<br />
die alternsspezifischen Bedürfnisse und Anforderungen aufzeigen. Dazu<br />
gehört die Vermittlung von Verständnis für die Probleme, welche sich aus<br />
den verschiedenen geriatrischen Einschränkungen und Krankheitsbildern<br />
108 Vgl. Weber u. Packebusch 2005, S. 176f.<br />
115<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Abbildung 25: Modulares Managementkonzept,<br />
ifh Göttingen<br />
Quelle: nach Weber u.<br />
Packebusch
ergeben und auf die Lebensumstände älterer Menschen einwirken. Diese<br />
Einsichten gilt es nicht nur für eine Verbesserung der innerbetrieblichen<br />
Strukturen im Hinblick auf ältere Mitarbeiter zu nutzen, sondern auch<br />
für eine Anpassung an die speziellen Bedürfnisse des Seniorenmarktes<br />
hinsichtlich produktspezifischer sowie sozialer Qualitäten. Insbesondere<br />
den kleinen und auch mittleren Betrieben des Handwerks muss hier<br />
eine Hilfestellung gegeben werden, um deren größenbedingte Nachteile<br />
auszugleichen.<br />
Das Erfahrungswissen von Älteren in den Betrieben sollte besser ausgenutzt<br />
werden. Der Landesseniorenrat Niedersachsen schlägt deshalb vor,<br />
die bestehenden Patensysteme in den Betrieben stärker zu entwickeln. 0<br />
Das gelte nicht nur für den kaufmännischen Bereich, sondern auch für<br />
die Werkbank. Ältere sollten länger in den Betrieben bleiben, um den jüngeren<br />
Kollegen ihre Kenntnisse zu vermitteln. Vorbild kann hier das Modell<br />
„Lernpartnerschaften“ der Satorius AG in Göttingen sein. 0<br />
Ansatzpunkte für die Einbindung lokaler Akteure<br />
Insbesondere die kleinen und mittleren Handwerksunternehmen sind häufig<br />
überfordert, wenn sie sich neben der eigentlichen Leistungserbringung<br />
noch um andere, strategische Aspekte der Betriebsführung kümmern<br />
müssen. Daher kommt Akteuren im direkten Umfeld der Handwerksbetriebe<br />
wie z. B. Kammern, Innungen und Verbänden eine wichtige Aufgabe<br />
zu, die Betriebe adäquat über die Auswirkungen des demographischen<br />
Wandels zu informieren und im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei den erforderlichen<br />
Anpassungsmaßnahmen zu unterstützen. Dazu gehören auch<br />
die Entwicklung bzw. das Angebot geeigneter Qualifizierungsmaßnahmen<br />
für die Beschäftigten.<br />
Die Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen bietet verschiedene<br />
Dienstleistungen wie z. B. Seminare an, um die Betriebe für das Thema<br />
“<strong>Seniorenwirtschaft</strong>” zu sensibilisieren und die Kompetenzentwicklung<br />
voranzutreiben. Zu diesem Zweck wurde ein Branchenführer erstellt, in<br />
den sich alle Handwerksbetriebe aus dem Kammerbezirk mit ihrem spezifischen<br />
Leistungsprofil im Bereich der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> aufnehmen<br />
lassen können. Das Angebot eines solchen Leistungsverzeichnisses wurde<br />
übernommen von der Handwerkskammer Düsseldorf, die seit einigen<br />
Jahren mit dem dort etablierten und erfolgreichen Projekt „Wohnen im<br />
Alter (WiA)“ ein hervorragendes umfassendes Konzept entwickelt hat.<br />
Doch bieten sich auch Möglichkeiten zur Einbindung einer Vielzahl anderer<br />
Anbieter außerhalb des Handwerks, die im Bedarfsfall den Handwerksbetrieben<br />
bei der Bewältigung der demographiebedingten Probleme und<br />
Aufgaben unterstützend zur Seite stehen können. Hilfestellungen für interessierte<br />
Betriebe werden dabei von mehreren Einrichtungen im Landkreis<br />
Göttingen geleistet. Diese Anbieter gilt es miteinander zu verbinden und<br />
deren großes Angebot deutlich zu machen.<br />
109 Gespräch mit dem Vorsitzenden Dr. Christoph Steinbach am 4. April 2006<br />
110 Hiege, Hesse 2006<br />
116
So ist beispielsweise eine Vielzahl von Teilprojekten in dem Projekt<br />
“Beschäftigungspakt für Ältere im Landkreis Göttingen” vereint. Die<br />
folgende Abbildung gibt einen Überblick über Akteure im Bereich der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>. Diese stellen für interessierte Handwerksbetriebe<br />
erste Ansprechpartner dar.<br />
Anbieter bereich/ ziele angebot zielgruppe<br />
• Optimierung der<br />
Markterschließung<br />
„Barrierefreies<br />
Bauen - Wohnen im<br />
Alter“<br />
•<br />
•<br />
Seminarreihe<br />
Fernlehrgang<br />
•<br />
•<br />
Handwerksbetriebe<br />
des Bau- und<br />
Ausbaugewerbes<br />
sonstige Fachkräfte<br />
• Kompetenz-entwick- •<br />
lung in der Senioren-<br />
Kompetenzzentrum<br />
(in Planung)<br />
für barrierefreies<br />
Bauen<br />
•<br />
wirtschaft<br />
Problemverständnis<br />
•<br />
•<br />
Netzwerkbildung<br />
Branchenführer<br />
• ältere und körperlich<br />
eingeschränkte<br />
Menschen<br />
• spezielle Aspekte<br />
des Marktes<br />
• Wohneigentümer<br />
• Kompetenzzentren<br />
•<br />
•<br />
„Kompetenzen<br />
Älterer erkennen,<br />
nutzen und fördern“<br />
Verbesserung der<br />
Beschäftigungschancen<br />
Älterer<br />
(Göttingen, Hann.<br />
Münden,<br />
Duderstadt) als<br />
Knotenpunkte<br />
für Information,<br />
Beratung und<br />
Qualifizierung<br />
•<br />
•<br />
regionale<br />
Unternehmen<br />
ältere Arbeitnehmer<br />
• Informations-, • regionale Netzwerke der Region<br />
Integrations- und<br />
Präventionsaktivitäten<br />
• überregionaler<br />
Erfahrungsaustausch<br />
•<br />
•<br />
Politik<br />
andere Projektträger<br />
• Entwicklung/ • regionale Workshops (Vorbildfunktion)<br />
Umsetzung von<br />
Weiterbildungs- und<br />
Beratungskonzepten<br />
• wissenschaftliche<br />
Analysen und<br />
Handlungsempfehlungen<br />
Handwerkskammer<br />
Hildesheim-<br />
Südniedersachsen<br />
Beschäftigungspakt für Ältere<br />
im Landkreis Göttingen<br />
(www.50plus-goettingen.de)<br />
Bildungsgenossenschaft<br />
Südniedersachsen eG<br />
(BIGS)<br />
<strong>Regionalverband</strong><br />
Südniedersachsen<br />
e.V.<br />
Volkshochschule<br />
Göttingen<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
innovative Weiterqualifizierung<br />
älterer<br />
Arbeitnehmer<br />
demographische<br />
Entwicklung<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
intergenerationelle<br />
Infrastrukturentwicklung<br />
Wissenstransfer<br />
best-practice<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
Netzwerk Lernende<br />
Region<br />
(www.bildung21.de)<br />
Weiterbildungsdatenbank<br />
Bildungsplanung<br />
50+<br />
Konzeption & Aufbau<br />
einer Bildungsberatungsstelle<br />
Regionalanalyse<br />
<strong>Potenzialanalyse</strong><br />
Studie „Ältere im<br />
Betrieb“<br />
Studie<br />
„Generationen-<br />
Netzwerk<br />
Südniedersachsen<br />
• Qualifizierung für • Qualifizierungsmo-<br />
von Erwerbslosig- dule für Ältere<br />
keit bedrohte<br />
in Betrieben<br />
Beschäftigte<br />
(Kurzmodule)<br />
117<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
ältere Beschäftigte<br />
Betriebe im Landkreis<br />
Göttingen<br />
andere Anbieter<br />
entsprechender<br />
Weiterbildungs–<br />
maßnahmen<br />
Regionalpolitik<br />
öffentliche Hand<br />
regionale Betriebe<br />
ältere Beschäftigte<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Abbildung 26: Liste lokaler<br />
Akteure im Bereich der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Quelle: ifh Göttingen
Marktchancen des Handwerks<br />
Bei den SeniorInnen handelt es sich um eine Gruppe, die auch im Handwerk<br />
in Zukunft verstärkt Bedeutung erlangen wird. Senioren bauen nicht<br />
unbedingt neu, werden aber ziemlich sicher einen Großteil an Zeit und frei<br />
verfügbarem Einkommen in Verschönerung und Erhalt ihres Lebensumfeldes<br />
stecken. Erhalten und Pflegen treten an die Stelle des Neubaus.<br />
Die Generation der Erben erhält von der Aufbaugeneration nicht nur deren<br />
Bankguthaben, sie werden sich auch um den Erhalt des „Tafelsilbers“<br />
kümmern: historischen Baubestand, historische Fahrzeuge, alte Uhren,<br />
Möbel, Gemälde, Spielzeug, Bücher, Unterhaltungselektronik u. ä. Dafür<br />
wird Unterstützung durch Fachleute benötigt, die entsprechende Tätigkeiten<br />
und Techniken beherrschen.<br />
Handwerksrelevante Konsumschwerpunkte<br />
Dem Handwerk eröffnen sich hier zahlreiche Möglichkeiten, seine Stärken<br />
auszuspielen. Es bietet die Kompetenz und ist aufgrund seiner Nähe zum<br />
Endverbraucher prädestiniert, durch kundenorientierten Service und kompetente<br />
Beratung den Bedarf älterer Kunden zu befriedigen. Viele Senioren<br />
legen dabei Wert darauf, Leistungen aus einer Hand geboten zu bekommen.<br />
Hier kann der Handwerker in Kooperation mit anderen Betrieben als<br />
direkter Ansprechpartner zu einer einfacheren Abwicklung und damit zur<br />
Zufriedenheit des Kunden beitragen. Dabei legen Senioren in der Regel<br />
Wert auf soziale Kompetenz, wobei an erster Stelle das Vertrauen in das<br />
Unternehmen wichtig ist. Gerade die kleinen und mittleren Betriebe des<br />
Handwerks können hier die Chance nutzen, ihre Qualität und Integrität in<br />
marktfähige Produkte und Dienstleistungen umzusetzen.<br />
Aus dem Konsumverhalten der Senioren lässt sich eine Reihe von Konsumtrends<br />
identifizieren, die für das Handwerk von Bedeutung sind. Der<br />
wichtigste Konsumschwerpunkt für das Handwerk liegt in Verschönerungs-<br />
bzw. Verbesserungsmaßnahmen des Wohnumfeldes der Senioren.<br />
Hierzu gehört insbesondere die altersgerechte Anpassung von Wohnraum<br />
(z. B. barrierefreies Wohnen). Von dem mit dem Alter zunehmenden Sicherheits-<br />
und Schutzbedürfnis sowie der wachsenden Beliebtheit “warmer”<br />
Materialien in den eigenen vier Wänden profitiert ebenfalls in erster Linie<br />
das Bauhandwerk und baunahe Zweige.<br />
Ein anderer wichtiger Konsumschwerpunkt betrifft das Thema Gesundheit<br />
und Wellness aufgrund des mit dem Alter steigenden Gesundheitsbewusstseins.<br />
Dazu gehört sowohl die gesunde Ernährung als auch das<br />
zunehmende Bedürfnis, sich einen möglichst gesunden Wohnbereich<br />
zu schaffen. Hierzu können natürliche Baustoffe und schadstofffreie<br />
Materialien genau so gut beitragen wie etwa der Whirlpool im Bad oder<br />
die Sauna im Keller.<br />
Leistungsangebot des Handwerks für Senioren<br />
Der Seniorenmarkt ist für die Handwerksbetriebe jedoch keineswegs<br />
ein Selbstläufer. Vielmehr muss dieser durch ein leistungs- und seniorengerechtes<br />
Angebot in den einzelnen Marktfeldern erst systematisch<br />
erschlossen werden. Hierzu bedarf es vor allem einer zielgruppenadäquaten<br />
Ansprache und eines umfassenden Seniorenmarketings. Allerdings<br />
118
spricht aufgrund der wesenstypischen Merkmale des Handwerks und aufgrund<br />
des positiven Images, das das Handwerk gerade bei vielen älteren<br />
Menschen genießt, viel für eine starke Einbindung des Handwerks in den<br />
Seniorenmarkt. Somit erfüllt das Handwerk die besten Voraussetzungen,<br />
von den Konsumtrends der Generation 60plus zu profitieren und in handwerksrelevante<br />
Nachfrage umzusetzen. Dafür ist jedoch unabdingbar,<br />
sich auf dem Seniorenmarkt durch ein adäquates und leistungsgerechtes<br />
Angebot zu positionieren.<br />
� Individualisierung<br />
Das Wesen des Handwerks<br />
�<br />
�<br />
Glaubwürdigkeit<br />
Herkunft<br />
Direkter Kontakt ist die beste Basis des Vertrauens<br />
Handwerk ist greifbar, real und bietet Orientierung<br />
� Schnelligkeit<br />
Nähe zum Kunden = Nähe zum Trend<br />
� Humanwerte<br />
Ausbildung, Arbeitsplatzsicherheit, Regionalität<br />
�<br />
Nachhaltigkeit<br />
Erhalten statt wegwerfen bzw. neu bauen, ressourcenschonend<br />
� Positive Tradition<br />
Erhalt des kulturellen Erbes (faktisch und ideell)<br />
Marktfeld seniorengerechtes Wohnen<br />
Der Bereich des altengerechten Wohnens stellt in der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
für das Handwerk das wichtigste Marktfeld dar, in dem es durch sein<br />
spezielles Leistungsangebot, seine fachliche Kompetenz und Kundennähe<br />
bestens geeignet ist, die individuellen Wünsche und Bedürfnisse dieser<br />
äußerst heterogenen Kundengruppe zu erfüllen. Dabei beschränkt sich<br />
die Nachfrage nicht nur auf den akuten Anpassungsbedarf von Senioren,<br />
der in typischen physischen Einschränkungen des fortschreitenden Alters,<br />
aber auch in Unfällen und Krankheiten begründet liegt. Auch Menschen<br />
innerhalb der Altersgruppe zwischen 50 und 65 Jahren, die noch nicht von<br />
altersbedingten gesundheitlichen Einschränkungen betroffen sind, zeigen<br />
quasi vorsorglich zunehmend Interesse an Produkten und Dienstleistungen<br />
bzw. Konzeptlösungen im Bereich der seniorengerechten Wohnraumgestaltung.<br />
Dies betrifft gleichermaßen den Erhalt und die Verschönerung<br />
des Lebensumfeldes.<br />
Oftmals ist die Wohnumgebung unzureichend auf Bedürfnisse und<br />
Notwendigkeiten ausgerichtet, die aus alters- oder krankheitsbedingten<br />
Handicaps resultieren. Kleinere, mitunter auch umfassendere Um- und<br />
Ausbauten werden nötig, die sich oft in abgestuften Konzepten an die veränderte<br />
Bedarfslage der Wohnungsnutzer anpassen lassen. Beim Eintreten<br />
erster körperlicher Einschränkungen genügen zumeist zunächst kleinere<br />
Hilfen wie Haltegriffe und die Einrichtung größerer Bewegungsflächen,<br />
die im einfachsten Fall bereits durch eine Veränderung der Möblierung<br />
geschaffen werden können. Im weiteren Nutzungsverlauf können jedoch<br />
weitergehende Anpassungen notwendig werden bis hin zur völligen Bar-<br />
119<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Abbildung 27: Handwerks-<br />
Faktoren<br />
Quelle: ifh
ierefreiheit. Sinnvolle Anpassungskonzepte können zum Beispiel einem<br />
Baustufenschema folgen, das zur sukzessiven Anpassung einer Wohnung<br />
geeignet ist und eine kosteneffiziente Erweiterung erleichtert.<br />
Eine Vielzahl handwerklicher Leistungen ist geeignet, die spezifischen<br />
Bedürfnisse Älterer zu befriedigen und zur selbstbestimmten Lebensführung<br />
beizutragen oder einfach das Wohlbefinden der Nutzer zu erhöhen.<br />
Mit dem Handwerkszentrum “WiA – Wohnen im Alter” der Handwerkskammer<br />
Düsseldorf wurde im Rahmen eines Pilotprojektes im Frühjahr<br />
2003 eine Einrichtung geschaffen, die bundesweit für Aufsehen gesorgt<br />
hat und vielfach nachgeahmt wird. Im Rahmen dieser Initiative werden<br />
umfangreiche Informationen sowohl für Senioren als auch für Handwerker<br />
angeboten.<br />
Aus den Erfahrungen des Handwerkszentrums WiA können Schlüsse<br />
gezogen werden, die zur Erschließung des Seniorenmarktes durch das<br />
Handwerk und zur Lösung der Probleme älterer Menschen beitragen. So<br />
wurden im Rahmen dieses Projekts zahlreiche Informationsmaterialien<br />
für Handwerker entwickelt, Handwerkerverzeichnisse erstellt sowie Kundeninformationen<br />
und spezielle Schulungsangebote geschaffen. Das<br />
Handwerkerverzeichnis bietet neben der Auflistung der Betriebe (im Sinne<br />
der Gelben Seiten) weiterführende Informationen über das Leistungsprofil<br />
von Betrieben. Dadurch erhalten Interessenten einen Überblick über<br />
handwerkliche Kooperationsgemeinschaften sowie eine Aufschlüsselung<br />
von seniorengerechten Produkten und Dienstleistungen (u. a. auch ergänzender<br />
Art wie z. B. Urlaubsarbeiten oder Bring- und Holdienste). Daneben<br />
wird eine Qualitätssicherung in Form von Zertifikaten und Referenzen<br />
gewährleistet. Das Handwerkszentrum WiA baut derzeit ein “KundenInformationsSystem”<br />
auf, das das Angebot des Handwerkerverzeichnisses<br />
ergänzen soll, indem es einzelne Maßnahmen der Wohnraumanpassung<br />
beschreibt und eine grafische Orientierungshilfe bietet.<br />
Im Rahmen einer WiA-Befragung im Jahr 2003 wurden die Leistungen von<br />
Handwerksunternehmen im Bereich des barrierefreien und seniorengerechten<br />
Bauens und Renovierens erfasst und geordnet. Insgesamt wurden<br />
so 305 abgrenzbare Produkte und Dienstleistungen identifiziert, die sich<br />
in zwölf Kategorien zusammenfassen lassen: Bad, Heizung/Klima/Lüftung,<br />
Küchen, Fenster und Türen, Möbel, Brandschutz-/Sicherheitstechnik,<br />
Kommunikationsanlagen, Elektrotechnik, Farbe und Raumausstattung,<br />
Bodengestaltung, Service, Senioren- und behindertengerechtes Bauen<br />
allgemein (Auffangkategorie für anderweitig nicht genannte Lösungen).<br />
Beispiele solcher Produkte und Leistungen des Handwerks sind Türverbreiterungen,<br />
Rampenbau, schwellenlose Türen und Hauseingänge, Türen<br />
mit berührungslosen elektronischen Schließsystemen, höhenverstellbare<br />
Küchen, Paternosterschränke, höhenverstellbare Betten, Multifunktionsnachtschränke,<br />
elektrische Kleiderlifte, Raum sparende Schiebe- oder<br />
Falttüren, Sanitär-Installation für Behinderte, barrierefreie Duschen, Illusionsmalerei<br />
zur „offenen“ Gestaltung von Innenräumen, Farbgestaltung<br />
111 Siehe hierzu http://www.wia-handwerk.de � „KundenInfoSystem“. Im Moment ist dieses<br />
Informationssystem auf den Bereich Sanitär-Heizung-Klima (Heizung, Bad, Küche) beschränkt. (Zugriff:<br />
August 2006)<br />
112 Vgl. Becker (2005), S. 135ff.<br />
120
zur Orientierungsunterstützung bei Sehbehinderung, das Einrichten von<br />
TV- und Rundfunkgeräten, Kommunikationsanlagen sowie die Installation<br />
von Notrufanlagen.<br />
Viele dieser industriell gefertigten Produkte lassen sich nur dadurch am<br />
Markt absetzen, weil sie vom Handwerker bedarfsgerecht beim Kunden<br />
eingesetzt oder mit anderen Produkten und Einzelelementen kombiniert<br />
werden. Oftmals sind dabei industrielle Produkte insbesondere im Bereich<br />
der Steuerungstechnik und Gebäudeautomation so weit entwickelt, dass<br />
ihr praktischer Wert von Wohnberatern angezweifelt wird, da diese eine<br />
Überforderung des Nutzers befürchten. Gerade hier greift die Fähigkeit<br />
des Handwerkers, individuell angemessene Lösungen vorzuschlagen.<br />
Die Stärke des Handwerks liegt in der individuellen Anpassung an die<br />
Kundenwünsche. „Universal Design“ – die gestalterisch-konzeptionelle<br />
Ausrichtung auf eine generationenübergreifend breite Zielgruppe – bedeutet<br />
hier, auf ein breites Spektrum von Standardlösungen zurückgreifen<br />
und diese zum Kundennutzen leicht und individuell angepasst kombinieren<br />
zu können.<br />
Eine beispielhafte Handwerkskooperation im senioren- und behindertengerechten<br />
Bauen ist die Initiative BarriereFREI LEBEN, welche eine Vielzahl<br />
an Mitgliedsbetrieben aus acht Bundesländern und sogar Österreich<br />
umspannt. Mit der Tischlerei Seeland aus Reinhausen in der Gemeinde<br />
Gleichen ist dabei auch ein Handwerksbetrieb aus dem Landkreis Göttingen<br />
vertreten. Diese Kooperation bietet eine qualifizierte Wohnberatung<br />
und Planung, den kompletten Ein- und Umbau sowie das Einrichten von<br />
senioren- und behindertengerechten Wohnräumen aus einer Hand an. Die<br />
Kooperation bietet an, sich anhand zweier Musterwohnungen in Lünen<br />
und Hannover einen Überblick über Möglichkeiten und Leistungen des<br />
Handwerks zu verschaffen. Darüber hinaus arbeiten die Mitglieder der<br />
Kooperation im Rahmen der Wohnberatungsstellen mit verschiedenen<br />
externen Akteuren wie z. B. kommunalen Ämtern, Einrichtungen und<br />
Diensten der freien Wohlfahrtspflege, Sozialstationen und Pflegediensten,<br />
Wohnungsunternehmen und Hauseigentümern, Ärzten, Therapeuten und<br />
Sanitätshäusern, Kirchengemeinden, Initiativen und Selbsthilfegruppen<br />
zusammen.<br />
Marktfeld seniorengerechte Dienstleistungen<br />
Mit der steigenden Anzahl pflegebedürftiger Menschen wird es immer<br />
schwieriger, die Versorgung älterer Menschen in zentralen Einrichtungen<br />
zu finanzieren. Dezentral verfügbare haushaltsbezogene Dienstleistungen<br />
werden wichtiger. Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind,<br />
sind von diversen Unterstützungs- und Versorgungsleistungen abhängig,<br />
die derzeit aus unterschiedlichen Wirtschaftszweigen heraus erbracht<br />
werden. Darüber hinaus bieten sich vielfältige Tätigkeitsfelder für Handwerksbetriebe,<br />
die dem Bequemlichkeitsbedürfnis der Senioren Rechnung<br />
tragen.<br />
113 Auch virtuelle Besichtigungen der Musterhäuser sind möglich unter http://www.barrierefreileben.<br />
de (Zugriff: August 2006).<br />
121<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Die Kernbereiche des Seniorenmarktes umfassen dabei die Gebiete<br />
Wohnen, Sicherheit, Tourismus, Wellness, Freizeit, Ernährung und Sport.<br />
In diesen Bereichen lassen sich potenzielle Mitbewerber, aber auch potenzielle<br />
Multiplikatoren sowie operative und strategische Kooperationspartner<br />
identifizieren.<br />
Als mögliche Partner für Dienstleistungen kommen z. B. in Betracht:<br />
Kommunen, Pflegedienste, Wohnberatungseinrichtungen, Wohnungswirtschaft,<br />
Krankenhäuser, Organisierte Nachbarschaftshilfe, Ehrenamtliche<br />
Freiwilligeninitiativen “Senioren helfen Senioren”. Dienstleistungen für<br />
SeniorInnen bieten sich zudem in folgenden Bereichen an: Beratung zu<br />
Wohnungsanpassung, Schlüsseldienst, Reinigungsdienst, mobile Servicekraft<br />
mit Pkw, Handwerksdienstleistungen zum Umzug, Reparaturdienste<br />
für braune und weiße Ware, Angebot von zusätzlichen Sicherheitspaketen<br />
(Sicherheitsschlösser, Glasbruchmelder, Bewegungsmelder, Rauchmelder,<br />
Hand-Notrufmelder, ergänzendes Spektrum von Sicherheitszubehör wie<br />
z. B. einbruchshemmende Balkonverglasung und Wohnungstür).<br />
Das Handwerk kann sich mit haushaltsbezogenen Dienstleistungsstrukturen<br />
weitere Märkte erschließen. Profitieren kann z. B. das Nahrungsmittelhandwerk,<br />
das Gesundheitshandwerk, Friseure, Wäschereien und<br />
chemische Reinigungen. Aber auch die Bau- und Ausbaugewerke können<br />
durch eine stärkere Dienstleistungsorientierung eine Diversifizierung<br />
ihres Angebotsspektrums erreichen und zugleich neue und dauerhafte<br />
Kundenbeziehungen aufbauen.<br />
Einerseits können sich von Handwerkern erbrachte Dienstleistungen nahe<br />
am originären Tätigkeitsfeld orientieren und damit eher den Charakter von<br />
flankierenden Leistungen annehmen, so z. B. als Marketingmaßnahmen<br />
(Information, Beratung, Vorführung), die dem Kunden ggf. kostenfrei<br />
angeboten werden. Die genannte Kooperation „BarriereFREI LEBEN“<br />
bietet einen Beratungsservice (auch mit ambulantem Pflegedienst) in der<br />
seniorengerechten Musterwohnung, wobei sogar ein Probewohnen auf<br />
Zeit möglich ist. Ein Autohaus in Mülheim/R. bietet z. B. einen für Senioren<br />
kostenlosen Abmeldeservice für den zuletzt genutzten Pkw. Dies wird vom<br />
Anbieter als eine Marketingmaßnahme im Sinne einer Mund-zu-Mund-<br />
Empfehlung verstanden, da Senioren in der Regel als künftige Kunden<br />
für den Kfz-Betrieb ausscheiden. Ein Friseurmeister aus Bottrop bietet<br />
einen Frisurenworkshop mit Tipps „Rund ums Haar“ an, beispielsweise<br />
mit Typberatungen und Vorführungen.<br />
Neue Märkte lassen sich erschließen, wenn Handwerker innovativ Bedarfe<br />
erkennen und ggf. gemeinsam mit Kooperationspartnern Leistungen<br />
erbringen. So bietet z. B. der Malerbetrieb Stamm aus Leverkusen Malerarbeiten<br />
mit „Seniorenservice“ an: die Wohnungsrenovierung als Urlaubsservice,<br />
bei dem sogar auf Wunsch Fotos vom Stand der Arbeiten an den<br />
Urlaubsort versendet werden. Nachdem zuvor auf Fotos festgehalten<br />
wurde, wo welcher Einrichtungsgegenstand platziert war, wird die Woh-<br />
114 Vgl. GdW 2004.<br />
115 Als Beispiel kann hier der Service Organisation für Senioren (S.O.S.) in Braunschweig genannt<br />
werden. (http://www.service-org-senioren.de)<br />
116 Vgl. Becker 2005, S. 165ff.<br />
122
nung ausgeräumt. Nach der Sanierung findet der Kunde seine Wohnung<br />
komplett wieder eingeräumt vor – möglicherweise noch mit einem Strauß<br />
Blumen auf dem Wohnzimmertisch.<br />
Detlef Wonnemann aus Ahlen übernimmt bei seinem Hausmeisterservice<br />
kleinere Reparaturen, Instandsetzungen und Renovierungen, für die „kein<br />
Handwerker mehr rauskommt“ und nutzt eine Marktnische. Ähnlich sind<br />
Angebote des Sanitär-Heizung-Klima-Handwerks einzustufen, kranken<br />
oder älteren Kunden, die auch während der Umbauarbeiten im Bad an<br />
ihre Wohnung gebunden sind, für diese Zeit mobile Sanitäranlagen aufzustellen.<br />
Der Bedarf nach haushaltsnahen Dienstleistungen eröffnet solchen Betrieben<br />
Entwicklungschancen, die bereit sind, über ihre angestammten<br />
Kernbereiche hinaus tätig zu werden. Unter haushaltsnahen Dienstleistungen<br />
sind vor allem folgende Leistungen zu verstehen: Zubereitung von<br />
Mahlzeiten im Haushalt, Reinigung der Wohnung, Pflege und Versorgung<br />
alter oder pflegebedürftiger Personen, Schönheitsreparaturen, kleine<br />
Ausbesserungsarbeiten und Gartenpflege.<br />
Die Bedürfnisse älterer Menschen dürften jedoch über die oben genannten<br />
Bereiche hinausgehen. Wichtig ist insbesondere der Wunsch nach<br />
Kommunikation. Modellprojekte im In- und Ausland belegen, dass ältere<br />
Menschen mit Erfolg an die Nutzung neuer Medien herangeführt werden<br />
können – sei es an die Nutzung von Computer und Internet oder an Technologien,<br />
die über erweiterte Funktionen das Fernsehen als dialogfähiges<br />
Kommunikationsmedium verwenden.<br />
Auch der Einsatz verschiedenartiger Notrufsysteme hat sich in Modellprojekten<br />
bewährt. Diese setzen eine Zusammenarbeit von technischen<br />
und sozialen Dienstleistern voraus. Die Vermarktungschancen für die<br />
zugehörige Technik sind immer an die Qualität der korrespondierenden<br />
Betreuungsleistungen gekoppelt.<br />
Als Voraussetzung für eine erfolgreiche Platzierung handwerklicher Dienstleistungen<br />
in die bestehenden lokalen Dienstleistungsstrukturen ist also<br />
die genaue Kenntnis der seniorenmarktrelevanten Anbieter innerhalb und<br />
außerhalb des Handwerks vonnöten.<br />
Die möglichen Schnittstellen zum Handwerk – auch außerhalb der Bau-<br />
und Ausbauhandwerke – sind dabei offenkundig. In welchem Umfang sich<br />
solche oder weitere Dienstleistungsideen am Markt etablieren können,<br />
dürfte in hohem Maße davon abhängen, ob es gelingt, kleinräumige<br />
Netzwerke zwischen Unternehmen, Kommunen und gemeinnützigen<br />
Einrichtungen zu schaffen.<br />
Bei der Konzeption und Vermarktung seniorengerechter Dienstleistungen<br />
und Bauleistungen scheint es sinnvoll, sich nicht am Alter der Zielgruppe<br />
zu orientieren, sondern auf bestimmte, typisierbare Lebenssituationen<br />
abzustellen. Solche Lebenslagen sind z. B.: Auszug der Kinder aus dem<br />
gemeinsamen Haushalt, Unfall mit bleibenden körperlichen Beeinträchtigungen,<br />
Trennung der Partner, Tod eines Lebenspartners, spezifische<br />
Krankheitsbilder (Demenzerkrankung, Schlaganfall), Pflegeübernahme<br />
123<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
durch Angehörige. Verschiedene Unternehmenskooperationen arbeiten<br />
bereits nach diesem Ansatz. Inwieweit sich „passgenaue“ Angebote<br />
auf solche Lebenslagen standardisieren lassen, wird sich in der Praxis<br />
erweisen müssen.<br />
Die besondere Qualität des Handwerks wird immer in der Individualisierung<br />
der erbrachten Leistungen bestehen. Die Fähigkeit zur Anpassung<br />
auf die ganz individuellen Bedürfnisse des Kunden ist dabei nicht nur im<br />
Sinne der Kundenzufriedenheit bedeutsam, sondern muss auch zentrales<br />
Alleinstellungsmerkmal jedes handwerklichen Anbieters bleiben. Umgekehrt<br />
könnten aber standardisierte Konzepte die Leistungserbringung<br />
des Handwerkers und die Kooperation mit handwerksfremden Anbietern<br />
erleichtern.<br />
Erschließung des Seniorenmarktes<br />
„Wir können unglaublich viel, aber wir wissen nicht, wie wir es loswerden!“<br />
beschrieb die Inhaberin eines Elektrobetriebes in einem Workshop<br />
des Handwerkszentrums „Wohnen im Alter“ ihr zentrales Anliegen. „Die<br />
über 50-Jährigen hören nicht schlecht, das Problem ist, dass die Unternehmen<br />
nicht die richtige Sprache sprechen!“ stellt Jean Marc Segati von<br />
der senior agency international (Paris) die Wahrnehmung der Verbraucher<br />
dagegen. Beide Zitate charakterisieren klar das Vermarktungsproblem<br />
der Handwerker.<br />
Ältere Menschen sollten als Kundengruppe nicht über ihr Alter, sondern<br />
möglichst als „Komfort-Kunden“ angesprochen werden. Viele Publikationen<br />
definieren eine Zielgruppe 50plus, wobei die betrachtete Altersgrenze je<br />
nach Branche und Produkten häufig zwischen 45 und 55 Jahren variiert.<br />
Bezieht man Hochaltrige oberhalb des achtzigsten Lebensjahres mit ein, ergibt<br />
sich eine Altersspanne von 30 Jahren. Schon allein die altersbedingte<br />
Inhomogenität der Zielgruppe steht einheitlichen Ansprachekonzepten<br />
entgegen. Die zukünftige Entwicklung sollte deshalb verstärkt darauf<br />
abstellen, typische Lebenssituationen zu erfassen und anzusprechen, wie<br />
sie bei Menschen oberhalb des 50. Lebensjahres angetroffen werden.<br />
Ereignisse und Lebensphasen wie zum Beispiel der Auszug der Kinder,<br />
die alters- oder krankheitsbedingte Einstellung eigener Erwerbstätigkeit<br />
oder typische geriatrische Krankheitsbilder (Bewegungseinschränkungen,<br />
Schlaganfall, Altersdemenz) sollten sich gezielt mit Angeboten unterlegen<br />
lassen, die aus dem Handwerk oder mit Handwerksbeteiligung formuliert<br />
werden. Nach den Erfahrungen des Handwerkszentrums WiA reduzieren<br />
viele Unternehmer die Diskussionen um ein Seniorenmarketing auf den<br />
Bereich der Werbung. Erforderlich wäre jedoch ein designorientierter<br />
Ansatz, der über die Identifizierung einzelner Zielgruppen zu zielgruppenspezifischen<br />
Angebotsprofilen führt und damit auch die Kundenansprache<br />
erleichtert.<br />
Diese Aspekte werden von der Unterscheidung nach kommerziellen<br />
Immobilienbesitzern und privaten Selbstnutzern überlagert. Zu unterscheiden<br />
ist nach:<br />
117 Vgl. Becker 2005, S. 139ff.<br />
124
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
privaten Eigentümern selbst genutzter Wohnimmobilien<br />
Mietern<br />
privaten Eigentümern vermieteter Wohnimmobilien (Streubesitz)<br />
Wohnungswirtschaft (Genossenschaften und Kapitalgesellschaften)<br />
Wohnungsbaugesellschaften<br />
öffentlichen und privaten Trägern von Funktionsbauten<br />
Hier ergibt sich die Notwendigkeit einer völlig unterschiedlichen Nutzenargumentation.<br />
Entsprechend müssen verschiedenartige Zugänge zu<br />
den potenziellen Kundengruppen aufgebaut werden.<br />
Während sich Aspekte der Werbung einfach in Unterstützungs- und<br />
Qualifizierungsangebote für Handwerker umsetzen lassen, sind Fortschritte<br />
im Design von Produkten und Leistungen schwerer zu initiieren,<br />
da sie unmittelbar in die strategische Ausrichtung der Unternehmen<br />
eingreifen. Positive Erfahrungen bestehen hier mit Workshops, in denen<br />
die Betriebsinhaber miteinander arbeiten, um für sie geeignete Marktsegmente<br />
zu identifizieren und gemeinsam passgenaue Angebote zu definieren.<br />
Unbeschadet konkreter Vermarktungsprobleme wird das Handwerk den<br />
Markt für seniorengerechte bzw. barrierefreie Bau- und Wohnraumanpassung<br />
nur dann nachhaltig erschließen können, wenn es ihm gelingt, seine<br />
Kompetenzen über die bestehenden Gewerkegrenzen hinweg möglichst<br />
geschlossen zu vermitteln. Dabei muss sich das Handwerk in der Wahrnehmung<br />
der Verbraucher als leistungsfähiger und beratungskompetenter<br />
Anbieter profilieren. Einzelne Handwerksbetriebe können diesem übergreifenden<br />
Ansatz nur schwer gerecht werden. Abhilfe können horizontale<br />
oder vertikale Kooperationen innerhalb und außerhalb des Handwerks<br />
sowie flankierende Aktivitäten der Handwerksorganisation schaffen.<br />
Wegen ihrer Quantität, ihrer Kaufkraft und ihres Konsumverhaltens verändern<br />
die älteren Kundengruppen die (Konsum-)Gesellschaft derzeit<br />
nachhaltig. Der Niedersächsischen Ministerin für Soziales, Frauen, Familie<br />
und Gesundheit ist deshalb zuzustimmen, wenn sie erklärt: „Viele Senioren<br />
sind äußerst aktiv und anspruchsvoll. Sie haben – noch – viel Geld,<br />
und sie werden immer mehr. Leider fehlen oft die richtigen Angebote für<br />
ältere Menschen.“ Auch der Handel in Stadt und Landkreis Göttingen<br />
befindet sich in einer Umbruchphase. Von Ignoranz der Seniorenbedürfnisse<br />
kann längst nicht mehr gesprochen werden. Auf der anderen Seite<br />
ist noch nicht erkennbar, dass sich schon alle Unternehmen konsequent<br />
auf die Bedürfnisse der immer größer werdenden Gruppe der Älteren<br />
eingestellt hätten. Insbesondere mangelt es nach wie vor an Transparenz<br />
bezüglich seniorengerechte Produkte und Dienstleistungen und deren<br />
Verfügbarkeit.<br />
118 Mechthild Ross-Luttmann am 31. Mai 2006 in Wolfsburg<br />
125<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
HanDel
Ältere Menschen sind anspruchsvoll und kritisch. Sie stellen meist höhere<br />
und häufig auch andere Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen<br />
als jüngere VerbraucherInnen. Das gilt insbesondere für die nutzergerechte<br />
Bedienbarkeit von Geräten und deren Mehrnutzen. Bei einem<br />
Handy genügt es jüngeren KonsumentInnen, dass das Gerät über eine<br />
Kamera verfügt, tauglich für den Bild- und SMS-Versand ist und einen<br />
Internetzugang bietet. Ältere Verbraucher empfinden diese Funktionen<br />
eher als nette Spielereien, die gerne mit dabei sein dürfen. Entscheidend<br />
ist für sie aber, dass sie die Tasten leicht bedienen und die Menüführung<br />
verstehen können. Obendrein sollte der Klingelton laut genug und ein<br />
Vibrationsalarm vorhanden sein.<br />
SeniorInnen legen offenbar besonderen Wert auf gute individuelle Beratung,<br />
die ihre persönlichen Bedürfnisse und ihre Lebenslage in den Mittelpunkt<br />
stellt. Das gilt im Einzelhandel direkt, aber auch bei der Informationseinholung<br />
in Verbraucherzentralen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
der Seniorenorganisationen (BAGSO, Bonn) regt deshalb Kooperationen<br />
zwischen Verbraucherzentralen und Seniorenverbänden an. Die Gesellschaft<br />
für Konsumforschung AG (GfK) in Nürnberg sieht enge Grenzen<br />
bei der Discounterisierung des Handels. 0 Die Zuwächse bei den großen<br />
Discountern nehmen schon jetzt ab. Diese Entwicklung sieht die GfK im<br />
engen Kontext mit dem demographischen Wandel und der steigenden<br />
Zahl älteren Kundinnen und Kunden. Danach geht die Fixierung auf den<br />
Preis zurück, in den Vordergrund treten der Mehrwert eines Produktes<br />
und die Beratungsdienstleistung.<br />
Befragungen haben ergeben, dass nur 28 Prozent der Unternehmen sich<br />
stärker auf die Zielgruppe Älterer einrichten. Dies hängt mit dem sich<br />
nur zögerlich verändertem Altenbild zusammen. Hubertus Werner, Geschäftsführer<br />
des Stadtmarketings Duderstadt, bestätigt, dass sich viele<br />
Einzelhandelsbetriebe tatsächlich scheuen, in ihren Werbeaussagen Ältere<br />
direkt anzusprechen. Sie fürchten Imageverluste bei den Angehörigen<br />
anderer Altersgruppen. Von dieser These hält Dr. Beate Wieland wenig.<br />
Sie räumt allerdings ein, dass in den Köpfen mancher Marktteilnehmer<br />
noch immer so etwas wie Jugendwahn besteht. Es dauere lange, bis sich<br />
daran etwas ändert. Dass Werbung für Senioren heute noch stigmatisierend<br />
ist, kann sie sich nicht vorstellen. Wichtig ist, in der Werbung endlich<br />
authentische Models zu zeigen, mit denen sich ältere VerbraucherInnen<br />
identifizieren können. Bezeichnend ist, dass zu den ersten Erfolgen der<br />
Existenzgründungsinitiative der Wolfsburg AG die Gründung einer Agentur<br />
gehört, die geeignete Fotos Älterer sowie Senioren-Models vermittelt.<br />
Die Kaufentscheidung der „reifen Generation“ wird zukünftig oftmals<br />
auf den Erfolg und den Fortbestand von Unternehmen Einfluss haben.<br />
Wer in Zukunft wachsen will, muss seine Produktentwicklung und sein<br />
Marketing verstärkt auf die reifen Kunden ausrichten – kurz gesagt: Er<br />
muss sein Unternehmen „demographiefest“ machen. Aber nicht jedes<br />
119 Haimann, Richard (2005): “Alt! – Wie wichtigste Konsumentengruppe der Zukunft die Wirtschaft<br />
verändert“, Frankfurt.<br />
120 Seniorentag Nordrhein-Westfalen „Altern als Chance“ am 29. Mai 2006 in Bonn, Herbert Lechner<br />
121 Ebd. Dr. Beate Wieland, Ministerium der Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes<br />
NRW<br />
122 Ebd.<br />
126
Unternehmen wird auf diesem Markt ohne weiteres bestehen und das<br />
Potenzial einfach abschöpfen können, denn die „Generation 55plus“ stellt<br />
höhere und differenziertere Anforderungen an Hersteller, Handel und<br />
Dienstleistungsunternehmen als die junge Kundschaft, die ihr Geld häufig<br />
weniger kritisch ausgibt.<br />
Viele SeniorInnen legen auf den Realitätsbezug der Werbung großen Wert.<br />
Die Informationen sollen klar verpackt und einfach zu dekodieren sein.<br />
Humor und Witz kommt bei ihnen ebenso gut an wie bei den übrigen<br />
Marketingzielgruppen. Geht der Humor allerdings zu Lasten älterer Menschen,<br />
scheiden sich die Geister und führen bei allen drei Konsumentengruppen<br />
zu Ablehnung. Viele Ältere präsentieren sich als selbstbewusste<br />
Persönlichkeiten, die souverän und mit einer gewissen Gelassenheit ihr<br />
Leben meistern. Sie wissen ihre erworbene Lebenserfahrung und Reife<br />
zu schätzen und sind sich dabei ihres eigenen Wertes bewusst, ohne auf<br />
eine kontinuierliche Bestätigung von außen angewiesen zu sein.<br />
Individuelle Einschätzungen<br />
„Ich kaufe immer in einem Tante-Emma-Laden in der Ewaldstraße ein.<br />
Der Besitzer hat häufig gewechselt, aber ich bleibe dem Laden treu. Ich<br />
versuche, die Kleinen zu unterstützen.“ (Göttingen)<br />
„Statt Schubladendenken geht es um ein Umdenken in vielen Bereichen:<br />
Man muss die Produkte einfacher machen und vor allem sich<br />
auf die unterschiedlichen Senioren einstellen, es fehlen viele Sachen!“<br />
(Göttingen)<br />
„Ich bin 85, ob ich Seniorin bin, darüber habe ich mir noch keine Gedanken<br />
gemacht. Ich bin dankbar, dass es mir noch so gut geht. Ich<br />
kaufe noch alleine ein – nach und nach, damit ich nicht so viel zu tragen<br />
habe.“ (Göttingen)<br />
„Ich habe Probleme beim Fensterputzen, mit Mitte 70 kann man doch<br />
so etwas nicht mehr. Da brauche ich Hilfe, doch wo kriege ich die?“<br />
(Hann. Münden)<br />
„Bei vielen Waren ist Duderstadt einfach zu teuer. Da dürfen sich die<br />
Geschäftsleute nicht wundern, wenn wir woanders einkaufen. Ältere<br />
werden doch häufig als zu tüddelig angesehen. Mancher versucht,<br />
das auszunutzen, deshalb müssen wir besonders vorsichtig sein.“<br />
(Duderstadt)<br />
„Als Älterer muss man immer aufpassen, nicht übers Ohr gehauen zu<br />
werden.“ (Duderstadt)<br />
„Ich bin irritiert, dass in den Geschäften ständig umstrukturiert wird. Ich<br />
will wissen, wo ich was finde.“ (Göttingen)<br />
„Preiswerte Ware ist immer nur zum Bücken.“ (Rosdorf)<br />
123 In: Meyer-Hentschel u. Meyer-Hentschel S. 105ff.<br />
127<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
„Es wäre schön, wenn es auch bei Karstadt eine Ruheecke gäbe. Wir<br />
Alten wollen nicht immer nur stehen.“ (Rosdorf)<br />
„Ich finde, wir sollten mal über die Probleme im Alltag reden. Als Älterer<br />
kriegt man viele Flaschen nicht auf. Vom Margarinebecher kann<br />
ich die Folie nicht abziehen und Fischdosen kriegt man sowieso nicht<br />
auf.“ (Duderstadt)<br />
„Viele technische Geräte sind viel zu kompliziert. Ich kaufe nur<br />
noch Produkte, die höchstens zwei Schalter haben, das reicht mir.“<br />
(Duderstadt)<br />
„Bestimmte Dienstleister haben uns als Zielgruppe erkannt, aber vielfach<br />
werden wir unseriös angesprochen. Ich habe in letzter Zeit als Älterer<br />
Angebote gekriegt, z. B. zu Zeitungen und Versicherungen, die ich früher<br />
als Jüngerer nie gekriegt hätte.“ (Duderstadt)<br />
„Senioren als Konsumenten sind erfahrener als jüngere Leute.“<br />
(Rosdorf)<br />
„Es gibt durchaus Handys, an die man ein Hörgerät anschließen kann.<br />
Und auch solche, die nicht so kompliziert sind, doch die werden ja kaum<br />
angeboten.“ (Rosdorf)<br />
„Ich mache beim Einkauf eigentlich nur gute Erfahrungen.“ (Rosdorf)<br />
„Viele Preisschilder sind immer so klein, beim Einkaufen braucht man<br />
schon eine Lupe.“ (Rosdorf)<br />
„Wir Älteren, die keinen Führerschein haben, werden doch beim Einkauf<br />
ständig benachteiligt. Ohne Auto kann man nicht preiswert einkaufen.“<br />
(Rosdorf)<br />
„Das Einkaufen mache ich ganz alleine. Man muss aber darum bitten,<br />
wenn man etwas haben will, was oben im Regal liegt. Man muss Danke<br />
und Bitte sagen können, aber das muss auch gelernt sein. Als ich noch<br />
in meiner alten Wohnung wohnte, habe ich immer in der Johannisstraße<br />
eingekauft. Beim Türken kaufe ich gerne und bin da auch bekannt. Sonst<br />
gehe ich zu REWE und Karstadt. Ich lasse mich auch gerne von jungen<br />
Leuten beraten, viele von ihnen sind kompetent. Erstaunlich viele Junge<br />
sind höflich.“ (Göttingen)<br />
„Hersteller benötigen Strategien, mit denen sie auf dem ‘reifen Markt’<br />
erfolgreich auftreten können! Da will ich mithelfen!“ (Göttingen)<br />
„In Dransfeld ist die Infrastruktur perfekt. Wenn mir irgendwas nicht<br />
passt, beschwere ich mich. Man muss sich aber beschweren, sonst<br />
wird nichts besser.“ (Rosdorf)<br />
„Die kleine Schrift wird doch ganz bewusst zur Vertuschung eingesetzt.<br />
Auf Verpackungen müsste der Inhalt genau beschrieben werden. Gesunde<br />
Ernährung ist für ältere Leute wichtig.“ (Rosdorf)<br />
128
„Die Produkte müssen doch EU-weit verkauft werden. Da die Kennzeichnungen<br />
in mehreren Sprachen erfolgen müssen, wird der Schriftgrad<br />
automatisch kleiner.“ (Rosdorf)<br />
„Für Leute aus Groß-Schneen ist die Mobilität ganz wichtig. Mit zwei<br />
Ausnahmen gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten mehr. Auch Banken und<br />
die Post sind längst verschwunden. Immerhin haben wir ein Linientaxi,<br />
das ist aber nicht ausgelastet.“ (Rosdorf)<br />
„Ich komme aus Berlin. Da dort keine Verwandten und Freunde mehr<br />
wohnen, bin ich vor drei Jahren nach Rosdorf in die Nähe meiner Kinder<br />
gezogen. Hier habe ich ganz neu angefangen, mir einen Bekanntenkreis<br />
aufzubauen. In unserer Nachbarschaft wohnen ganz viele junge Leute<br />
mit Kindern, aber einen Zusammenhalt wie in Berlin finde ich hier nicht.<br />
Die Kinder grüßen auch gar nicht mehr. Ich finde es gut, dass wir hier die<br />
Gelegenheit haben, über seniorengerechtes Einkaufen zu sprechen. Mit<br />
dem Einkauf bin ich hier eigentlich ganz zufrieden. Natürlich gibt es in<br />
Berlin viel mehr Einkaufsmöglichkeiten. Und die Preise sind in Rosdorf<br />
höher als in Berlin. Auch das System der öffentlichen Verkehrsmittel ist<br />
in Berlin natürlich ganz anders als hier. Gerade im Winter ist das lange<br />
Warten auf den Bus ganz schön unangenehm. Sehr gut gefällt mir aber,<br />
was hier für Freizeit und Gesundheit geboten wird. So ist das Spaßbad<br />
Eiswiese ganz in unserer Nähe. Ich bin interessiert, mit anderen älteren<br />
Menschen in Kontakt zu kommen.“ (Rosdorf)<br />
„Ich habe eine Putzhilfe, die ist sehr angenehm. Die näht mir auch Knöpfe<br />
an, das kann ich nicht mehr alleine. Die hat auch alle Informationen, falls<br />
mal was passiert.“ (Göttingen)<br />
„Als Rentner bin ich in einem erstrebenswerten Zustand. Ich verstehe<br />
nicht, dass hier nur Negatives zur Sprache kommt. Zu fragen ist jedoch,<br />
warum der Handel nicht mehr macht, um an das finanzielle Potenzial<br />
der alten Leute heranzukommen. Der Tourismus hat die Chancen, die<br />
Senioren bieten, längst erkannt.“ (Rosdorf)<br />
Ergebnisse der Befragungen in Stadt und Landkreis<br />
Wie unter „Methodisches Vorgehen“ erläutert, haben die Befragungen von<br />
PassantInnen an fünf verschiedenen Tagen an fünf Orten stattgefunden.<br />
Angesprochen wurden Personen, von denen die Interviewer subjektiv<br />
den Eindruck hatten, dass sie das 50. Lebensjahr überschritten hatten.<br />
Passanten, die diese Altersgrenze nicht überschritten hatten, nahmen nicht<br />
an der Befragung teil. Die Altersgruppen 50 bis 60 und 60 bis 70 wurden<br />
in die Befragung einbezogen, um eine Vergleichbarkeit zur Gruppe der<br />
über 70-Jährigen (<strong>Seniorenwirtschaft</strong>) zu ermöglichen.<br />
129<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Abbildung 28: “Was<br />
ist Ihnen beim Einkauf<br />
wichtig?“<br />
Abbildung 29: “Wo liegen<br />
für Sie die<br />
Hauptprobleme beim<br />
Einkaufen?“<br />
Abbildung 30: Hauptpro-<br />
bleme des Einkaufens<br />
nach Altersgruppen<br />
Bei der Befragung von 243 PassantInnen zeigte sich, dass die Hypothese,<br />
Ältere ließen sich lieber von Gleichaltrigen bedienen, nicht haltbar ist. 85<br />
Prozent der Befragten erklärten, sie hätten bezüglich des Alters derjenigen,<br />
die sie bedienen, keine Präferenzen. Allerdings wurde bei dieser Frage vor<br />
allem hinsichtlich der täglichen Versorgung geantwortet. Es ist zu vermuten,<br />
dass sich die Antworten relativieren, wenn es um beratungsintensive<br />
oder spezielle Einkäufe geht.<br />
130
Es zeigt sich, dass die Erreichbarkeit der Einkaufsmöglichkeiten am problematischsten<br />
gesehen wird, gefolgt vom Problem des Transports der<br />
Waren. Dies ist ein Hinweis auf eine Nachfrage nach Bringservices. Nähere<br />
Aufschlüsse geben die Antworten auf die folgende Frage, ob Bringservices<br />
in Anspruch genommen werden.<br />
Die 100 Prozent auf der Ordinate entsprechen der Gesamtheit der Antworten<br />
bezogen auf eine Lieferdienstleistung, die Werte innerhalb der Balken<br />
stehen für den Anteil der Antworten pro Altersgruppe. Dementsprechend<br />
nehmen 18 Prozent den rollenden Supermarkt in Anspruch, 10 Prozent die<br />
Lieferung warmer Speisen, immerhin 53 Prozent den Getränkelieferservice,<br />
16 Prozent mobile Bäcker-, Molkerei- oder Metzgerläden, 29 Prozent den<br />
Tiefkühlservice und 17 Prozent den Lieferservice von Lebensmittelgeschäften.<br />
131<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Abbildung 31: “Nehmen<br />
Sie Lieferdienste in<br />
Anspruch?“<br />
Abbildung 32: Informati-<br />
onsstand bezüglich seni-<br />
orengerechter Produkte<br />
nach Alter
Abbildung 33: Präferenz für<br />
das Seniorenkaufhaus<br />
Abbildung 34: Internet-<br />
nutzung<br />
Hieraus wird ersichtlich, dass die Existenz seniorengerechter Produkte erst<br />
wenig bekannt ist. Auch die Verfügbarkeit innerhalb des Landkreises ist<br />
nur einer Minderheit bekannt. Es zeigt sich, dass unabhängig vom Alter<br />
die Verfügbarkeit seniorengerechter Produkte in der Region nur einer<br />
Minderheit bekannt ist.<br />
Auffällig ist, dass insbesondere die über 70-Jährigen in ihrer großen Mehrheit<br />
kein Interesse an einem Seniorenkaufhaus haben. Allerdings ist zu<br />
beachten, dass eine Mehrheit der Befragten selbst einräumt, nur wenige<br />
Informationen über seniorengerechte Produkte zu besitzen. Es ist also<br />
denkbar, dass das Interesse an einem Seniorenkaufhaus zunimmt, wenn<br />
sich der Kenntnisstand über seniorengerechte Produkte verbessert.<br />
Die Deliga Seniorenausstatter GmbH ist ein Handels- und Dienstleistungsunternehmen,<br />
das seit dem 1. März 2005 in Großräschen einen<br />
Seniorenfachmarkt betreibt. Daneben führt das Unternehmen einen<br />
Internetshop. Deliga betreibt einen Versandhandel und verkauft in den<br />
Pflegeheimen, Altenheimen und Senioreneinrichtungen. Zusätzlich beliefern<br />
sie die Einrichtungen mit Geschenken. Das Produktsortiment umfasst<br />
u. a. Diabetikerschuhe, Inkontinenz-Artikel, Antidekubitus-Produkte,<br />
Diabetiker-Produkte, Neurodermitis-Artikel, Pflegebekleidung: Pflegeoveralls/Schlafoveralls,<br />
Pflegenachthemden, Senioren-PC, Seniorentelefon,<br />
Seniorenhandy, sowie Hilfsmittel für Senioren wie Rollatoren.<br />
124 http://www.pflegeversand.de<br />
132
Erwartungsgemäß nimmt die Nutzung des Internets mit zunehmendem<br />
Alter ab. Auch ist ein Zusammenhang zwischen Bildungsabschluss und<br />
Internetnutzung ersichtlich.<br />
Die Frage nach haushaltsnahen Dienstleistungen ergab drei Antworten,<br />
die sich auf Hilfe bei der Gartenarbeit und den Wunsch nach Beratung<br />
bezogen.<br />
133<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Abbildung 35: Internetnutzung<br />
nach Bildungsabschluss<br />
Abbildung 36: Wünsche nach<br />
haushaltsbezogenen Dienstlei-<br />
stungen<br />
Abbildung 37: Inanspruch-<br />
nahme haushaltsnaher<br />
Dienstleistungen
Überraschend ist, dass nach Angaben der Befragten die o. g. Hilfsdienstleistungen<br />
tatsächlich nur in geringem Umfang in Anspruch genommen<br />
werden. 22,1 Prozent (n=253) erhalten Hilfe von Familie oder Bekannten,<br />
die Hilfe durch entweder ehrenamtliche bzw. professionelle Helfer wird<br />
nur in sehr geringem Umfang in Anspruch genommen (1,2 Prozent bzw.<br />
3,2 Prozent).<br />
68 Prozent der Befragten gaben an, eine Haushaltshilfe selbst (auch<br />
mithilfe Dritter) finanzieren zu wollen, 16,2 Prozent waren bereit, einen<br />
Beitrag zur Unterstützung bei Finanz- und Behördenangelegenheiten und<br />
Freizeitangeboten zu leisten, 25,7 Prozent würden sich an den Kosten für<br />
Transporte beteiligen und 13,4 Prozent wären bereit, Geld für Bildungsangebote<br />
auszugeben.<br />
Einschätzung des Innenstadtmarktings und Center-Managements<br />
Ein im Rahmen der narrativen Gesprächsrunden häufig angesprochenes<br />
Problem in Stadt und Landkreis Göttingen ist die Größe von Verpackungen.<br />
Senioren sind oft Singles und brauchen meistens nur eine kleine Portion.<br />
Entweder gibt es diese nur in geringer Auswahl oder sie sind teurer als<br />
größere Packungen. Fertigkost ist für viele Senioren attraktiv. SeniorInnen<br />
haben häufig auch Schwierigkeiten beim Entnehmen von Ware aus den<br />
Regalen. Zudem kommen sie beim Transport mit großen Mengen und/oder<br />
sperrig verpackten Produkten schlecht zurecht.<br />
In Göttingen, Duderstadt und Hann. Münden befassen sich mehrere Institutionen<br />
mit verschiedenen Aspekten des Stadtmarketings. Bei vielen<br />
älteren Senioren bildet der Einkauf in der Innenstadt einen Fixpunkt im<br />
Tagesablauf und oft die einzige Verbindung zur Außenwelt. Da vor allem<br />
ältere Kunden oft nicht mehr mit dem Pkw fahren, steigen auch die Ansprüche<br />
an den innerstädtischen ÖPNV. Städtebauliche Anforderungen<br />
sind z. B. wenig Steigungen, breite Gehwege, rutschfeste Straßenbeläge,<br />
Beleuchtung, längere Grünphasen an Ampeln, Kommunikations- und<br />
Ruhepunkte und mehr Sitzmöglichkeiten. Eine Reurbanisierung, d. h. die<br />
Tendenz, Ältere zurück in die Stadt zu holen, kann auch als eine Chance<br />
für den Einzelhandel gesehen werden.<br />
Eine gezielte Ansprache der SeniorInnen findet nach Einschätzung der<br />
Geschäftsführung von Pro City Göttingen nicht oder nicht ausreichend<br />
statt. Der Handel weiß um die Bedeutung der Kaufkraft von SeniorInnen,<br />
stellt sich aber nicht ausreichend darauf ein. Pro City sieht die Notwendigkeit<br />
baulicher Investitionen in den Eingangsbereichen der Geschäfte,<br />
aber auch in der Warenpräsentation. Viele Einzelhandelsgeschäfte seien<br />
sich der Bedeutung der Seniorengerechtigkeit für den wirtschaftlichen<br />
Erfolg noch nicht hinlänglich bewusst.<br />
Nach Einschätzung von Pro City lassen sich ältere Kunden gern von älteren<br />
VerkäuferInnen beraten. Sie gingen davon aus, dass Gleichaltrige ihre Bedürfnisse<br />
besser einschätzen können und sich besser in ihre persönliche<br />
Situation hineinversetzen können. Deutlich werde dieser Zusammenhang<br />
beispielsweise bei der Beschäftigtenstruktur in Schmuckgeschäften,<br />
aber auch im Möbel- und Antiquitätenhandel. Auch Fachgeschäfte, die<br />
134
eispielsweise Oberbekleidung für Vollschlanke anbieten, arbeiteten<br />
nicht mit Mitarbeitern, die extrem schlank sind. Pro City ist aber der<br />
Auffassung, dass sich viele Personalverantwortliche beim Thema “zielgruppengerechtes<br />
Personal” eher vom Gefühl als von der klaren Analyse<br />
leiten lassen.<br />
Bei der Gestaltung ihrer eigenen Angebote setzt Pro City selbst in vielen<br />
Ausprägungen bereits auf die Seniorengerechtigkeit. So wird z. B. bei<br />
Weinfesten darauf geachtet, dass es ausreichend Sitzmöglichkeiten gibt.<br />
Bei der Werbung wendet sich Pro City noch nicht explizit an Senioren.<br />
Das Center-Management des Kauf-Parks in Göttingen/Grone unternimmt<br />
regelmäßig Kundenbefragungen. Analysiert wird auch die Altersstruktur.<br />
Daraus ergibt sich, dass der demographische Wandel für das Management<br />
ein wichtiges Thema geworden ist. Werbemaßnahmen und Verkaufsförderungsmaßnahmen<br />
werden auf die Zielgruppe der Älteren abgestellt.<br />
So richtet sich eine BINGO-Aktion speziell an ältere Kunden. Wenn das<br />
Center-Management des Kauf-Parks Befragungen auswertet, wird der<br />
„Feel-Age-Faktor“ bewusst berücksichtigt, d. h., es werden jeweils zehn<br />
Jahre von dem durch die Kunden angegebenen wirklichen Alter abgezogen,<br />
um zum „gefühlten Alter“ der Kundengruppen zu kommen. Dieses<br />
„relative“ Alter ist ausschlaggebend für die Gestaltung der jeweiligen<br />
Marketingaktionen.<br />
Das Management informiert die Geschäfte über die Ergebnisse der<br />
Befragungen. Es zeigt sich, dass die Anzahl der Single-Haushalte in Göttingen<br />
weiter steigt. Für den Lebensmitteleinzelhandel bedeutet dies,<br />
mit kleineren Verpackungsgrößen zu arbeiten. Bei der Entwicklung der<br />
Mieterstruktur wird der demographische Wandel ebenfalls berücksichtigt.<br />
So wurden gezielt Optiker auf eine Ladenanmietung angesprochen. Vor<br />
sieben Jahren wurde der Versuch unternommen, einen Einpackservice<br />
zu etablieren. Dieser Versuch wurde aber eingestellt, nachdem deutlich<br />
wurde, dass nur wenige KundInnen diesen Dienst genutzt haben, sich die<br />
Waren einpacken und zum Auto bringen zu lassen. Deutlich erkennt das<br />
Center-Management, dass gerade ältere Kunden Wert auf gute Beratung<br />
legen. Der Facheinzelhandel sei deshalb besonders zukunftsträchtig.<br />
Deutlich sei auch, dass sich ältere Kundinnen und Kunden lieber von älteren<br />
Verkäufern und Verkäuferinnen beraten lassen. Viele Fachgeschäfte<br />
im Kaufpark achteten auf die Größe der Preisschilder. Der Kaufpark mit<br />
ebenerdigen Parkplätzen vor dem Gebäude ist nach der Bewertung des<br />
Center-Managements baulich barrierefrei.<br />
Im Stadtmarketing Duderstadt sind 90 Mitgliedsunternehmen organisiert<br />
– überwiegend aus dem Einzelhandel, einige aber auch aus dem Handwerk.<br />
Wichtigste Aufgaben sind Imagewerbung und die Ausrichtung von<br />
Veranstaltungen. Das Stadtmarketing organisiert den Gartenmarkt, den<br />
historischen Markt, den Äpfel- und Birnenmarkt sowie den Weihnachtsmarkt.<br />
Die Maßnahmen werden durch den Geschäftsführer der Fa. Wippermann<br />
geplant und durchgeführt. Nach seiner Beobachtung legen Ältere<br />
besonderen Wert auf eine kompetente Beratung. Ältere KundInnen lassen<br />
125 Gespräch mit Geschäftsführer Christian Glantz am 31. März 2006 in Göttingen<br />
126 Gespräch mit Center-Manager Andreas Gruber am 1. Juni 2006 in Göttingen<br />
135<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
sich nach seiner Beobachtung aber lieber von jüngeren VerkäuferInnen<br />
beraten als von Älteren. Eine Ausnahme gebe es z. B. bei Fachgeschäften<br />
wie dem Optiker. Deshalb sei es auch in Geschäften, die sich vorwiegend<br />
an die Zielgruppe der Älteren wenden, mindestens ungeschickt, nur mit<br />
älteren Verkäufern zu arbeiten. Viele Konsumenten wagten es nicht, ältere<br />
Verkäuferinnen zum wiederholten Male ins Lager zu schicken, um die<br />
geeignete Ware zu finden. Weil dies ihnen unangenehm sei, verließen sie<br />
lieber den Laden, ohne etwas gekauft zu haben. Bei manchen sehr alten<br />
Kunden müsse das Verkaufspersonal auch beim Umkleiden helfen. Auch<br />
dazu seien Jüngere besser geeignet als Ältere.<br />
Probleme sieht das Stadtmarketing Duderstadt beim Bezug von geeigneten<br />
Markenartikeln. Die Markenartikler hätten genaue Vorstellungen<br />
vom Umsatz pro Quadratmeter. Wenn der nicht erfüllt sei, verliere man<br />
die Exklusivität am Ort oder werde gar nicht mehr beliefert. Die Massenproduktion<br />
aus Fernost berücksichtige die deutschen Konfektionsgrößen<br />
nicht ausreichend. Der Handel in Duderstadt bemühe sich, auf die Bedürfnisse<br />
der Zielgruppe Älterer einzugehen. Das zeige sich am stufenfreien<br />
Eingang zu vielen Geschäften, an ausreichend großen Umkleidekabinen<br />
und großen Schildern.<br />
Nach Beobachtung des Stadtmarketings verfügen viele Ältere noch immer<br />
über ein gutes Einkommen. In vielen Fällen zeigen sie aber beim Einkauf<br />
eine besondere Sparsamkeit und feilschen vielfach auch um den Preis.<br />
Insgesamt seien die Älteren „jünger“ geworden, das aber berücksichtige<br />
der Handel in Duderstadt noch nicht ausreichend. Klar sei aber, dass der<br />
Umsatz nur gehalten und gesteigert werden könne, wenn der Handel noch<br />
mehr auf Ältere zugehe. Bei der Themenstellung für die Stadtfeste orientiere<br />
sich das Duderstädter Stadtmarketing an mittleren bis höhere Altersgruppen.<br />
Man bemühe sich um die Bereitstellung von Sitzmöglichkeiten<br />
– dies passt aber häufig nicht in die Jahreszeit. Der Städtetourismus hat<br />
sich nach Darstellung des Stadtmarketings bereits auf die Zielgruppe der<br />
Älteren eingestellt, dieser Prozess müsse aber fortgesetzt werden.<br />
Hann. Münden hat eine hohe Bedeutung für ältere Menschen aus der<br />
Umgebung. Dass Hann. Münden für ältere Kreisbewohner als Wohnort<br />
interessant ist, liegt in erster Linie an den zahlreichen Altenheimen sowie<br />
an den Projekten zum Betreuten Wohnen. Außerdem besteht offenbar<br />
auch bei der Generation 50plus die Tendenz, seniorengerechte Apartmentwohnungen<br />
für das Wohnen im Alter zu erwerben. In Hann. Münden<br />
lebt mit pensionierten Lehrern, Polizisten, Soldaten und Forstbeamten ein<br />
durchaus zahlungskräftiges Klientel.<br />
In Hann. Münden läuft seit dem Jahreswechsel 2005/2006 ein Stadtmarketingprozess.<br />
Die Federführung hat ein Initiativkreis inne, in dem Werbegemeinschaft,<br />
Wirtschaftssenioren, Heimatpfleger, Stadtführergilde, Touristik<br />
Hann. Münden und die Politik vertreten sind. Beratend für den Initiativkreis<br />
ist die Verwaltungsleitung. Sprecher der in diesem Zusammenhang eingerichteten<br />
Lenkungsgruppe ist der stellvertretende Geschäftsführer der<br />
Wirtschaftsförderungs- und Stadtmarketing GmbH (WWS). Im Kern geht<br />
es in dem Entwicklungsprozess darum, aus Betroffenen Beteiligte zu<br />
127 Gespräch mit Geschäftsführer Hubertus Werner am 12. Juni 2006 in Duderstadt<br />
136
machen. Verhindert werden soll, dass neue Ansprüche an die Öffentliche<br />
Hand gestellt werden. Im Fachkreis Bürger sollen Unterkreise gebildet<br />
werden. Es ist erwünscht, dass sich auch ältere Bürger engagieren.<br />
Das Stadtmarketing der Stadt Hann. Münden hat sich mehrfach mit Aspekten<br />
der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> befasst. Gezielte Angebote an Senioren<br />
werden dennoch bislang nicht geplant. Die Frage war zu einem früheren<br />
Zeitpunkt geprüft worden. Man fürchtete jedoch, dass sich der Handel<br />
monostrukturell ausrichtet und dass ein Verlust an Vielfalt entsteht. Das<br />
Stadtmarketing hält eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der<br />
Senioren aber für sinnvoll.<br />
In dem Initiativkreis arbeiten auch Ältere mit, z. B. ein Senior, der im erheblichen<br />
Maß über kaufmännisches Verständnis und über viel Wissen<br />
und Kontakte verfügt. Dessen Kompetenz wurde auch genutzt, als es um<br />
die Privatisierung des Bahnhofs ging. Das Stadtmarketing Hann. Münden<br />
legt großen Wert darauf, dass keine „Wünsch-Dir-was-Aktionen“ entstehen.<br />
Durch den Bottom-up-Ansatz werden Bedürfnisse der BürgerInnen<br />
sichtbar gemacht – nicht jedoch die Interessen der Stadtverwaltung.<br />
Zielsetzung: Es soll gelingen, auch ältere Leute dazu zu bewegen, die<br />
Ideen auch umzusetzen. Vorschlag: Es sollte das Konzept eines „Generationenladens“<br />
entwickelt werden. Dort sollten seniorengerechte Produkte<br />
angeboten werden, wobei das Verkaufspersonal der Zielgruppe entsprechen<br />
sollte. Die Initiatoren des „Generationenladens“ sollten zielgerichtet<br />
aus- bzw. weitergebildet werden und über die Gründungsphase hinaus<br />
fachlich begleitet werden. Handlungsbedarf wird auch beispielsweise bei<br />
Serviceleistungen in der Unterhaltungselektronik erkannt.<br />
Eindrücke der Seniorenscouts<br />
Auf Bundesebene förderten Tests, die u. a. die Unternehmensberatung<br />
feierabend.de vornimmt, zum Teil erstaunliche Missstände zutage. Die<br />
Unternehmensberatung hat ihren Hauptsitz in Frankfurt am Main verfügt<br />
über 68 Regionalgruppen mit 91.266 Mitgliedern. Eine Regionalgruppe ist<br />
auch in Göttingen ansässig. Bei feierabend.de können sich die Mitglieder<br />
ehrenamtlich als Seniorenscout betätigen.<br />
Zur Erfassung der Einkaufssituation älterer Menschen im Landkreis Göttingen<br />
erkundete im Rahmen der <strong>Potenzialanalyse</strong> eine Dame als “Seniorenscout“<br />
die Innenstädte von Göttingen und Duderstadt. 0 Grundlage war<br />
ein vom <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen entwickeltes Qualitätsraster,<br />
in dem Parkmöglichkeiten, Treppen, Orientierungsmöglichkeiten im Geschäft,<br />
Raumausstattung und Helligkeit, Laufwege, insbesondere Gänge,<br />
Produktauszeichnungen, Platzierung der Produkte, Packungsgrößen und<br />
dem Service-Personal genannt wurden.<br />
128 Gespräch mit dem stellvertretenden Geschäftsführer Jörg Hartung am 8. Juni 2006 in Göttingen<br />
129 http://www.feierabend.de<br />
130 Siehe auch Berichterstattungen über Swaantje Krasky „Als Kundschafterin auf Einkaufstour“ im<br />
Göttingen Tageblatt und in der Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) „Pfadfinderin in der<br />
Warenwelt“ am 19. September 2006<br />
137<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Manche insbesondere von Älteren genutzten Produkte lassen sich schlecht<br />
öffnen, dazu gehören unter anderem Plastikbecher für Kaffeesahne. An<br />
den Kassen herrscht zuweilen eine Hektik, die für Ältere mit besonderem<br />
Stress verbunden ist. Die meisten Beschäftigten bemühen sich allerdings,<br />
Älteren zu helfen. Dazu gehört auch das Angebot an den Kassen der<br />
Lebensmittelläden, den Rechnungsbetrag direkt aus dem Portemonnaie<br />
der Kunden zu nehmen. Viele Geschäfte haben mittlerweile auch einen<br />
kostenlosen Einpackservice eingerichtet. Sitzmöglichkeiten bestehen es<br />
in den Geschäften der Göttinger Innenstadt nur vereinzelt.<br />
Dagegen bietet Duderstadt nach Beobachtungen der „Pfadfinderin<br />
durch die Warenwelt“ in den Geschäften vermehrt Sitzgelegenheiten für<br />
SeniorInnen an. In vielen Supermärkten ist es oft schwierig, die verkeilten<br />
Einkaufswagen aus den dafür vorgesehenen Boxen zu entnehmen.<br />
Zudem empfinden viele ältere Menschen Unsicherheit, wenn sie sich in<br />
der überfüllten Innenstadt bewegen. Probleme werden demnach insbesondere<br />
in den Bereichen gesehen: Verpackungsgrößen, Sitzgelegenheiten,<br />
klemmende Einkaufswagen sowie Unsicherheit an Kassen und<br />
in Fußgängerzonen.<br />
Für Göttingen gilt: Es gibt zwar Parkmöglichkeiten, jedoch nur relativ wenige<br />
in unmittelbarer Nähe der Einzelhandelsgeschäfte. Demgegenüber<br />
ist die Anbindung an den ÖPNV gut. Die Orientierungsmöglichkeiten innerhalb<br />
der Geschäfte sind überwiegend gut. Kunden, die Fragen haben,<br />
werden meist rasch und höflich unterstützt. Überwiegend gut sind auch<br />
die Lichtverhältnisse, die Laufwege sind mit wenigen Ausnahmen frei.<br />
Unterschiedlich wird die Produktauszeichnung bewertet. Kritikwürdig<br />
erscheint nach Beobachtungen des Seniorenscouts die Produktauszeichnung<br />
in Apotheken. In vielen Fällen wurde beobachtet, dass sich<br />
die Preisschilder an Regalen verschieben, es lässt sich also häufig nicht<br />
zuordnen, welcher Preis für welches Produkt gilt. Produkte, die auch von<br />
Senioren gekauft werden, liegen in den Regalen häufig ganz unten und<br />
ganz oben. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob über Einzelfälle hinaus<br />
hier Verbesserungen möglich sind. Manche größeren Einzelhandelsgeschäfte<br />
verfügen über zu wenige Kassen, sehr unübersichtlich ist häufig<br />
die Warenpräsentation in den Geschäften, die vorwiegend sehr preiswerte<br />
Waren verkaufen.<br />
Gute Beispiele im Seniorenmarketing<br />
Verschiedene Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels versuchen<br />
inzwischen gezielt, die Bedürfnisse ihrer älteren Kunden in der Ladengestaltung<br />
zu berücksichtigen. Zum Gestaltungskonzept der Metro-Tochtergesellschaft<br />
Real gehören beispielsweise:<br />
verbesserte Orientierung durch breitere Gänge, Übersichtlichkeit und<br />
geändertes Produktplacement<br />
Optimierung der Regalanordnung, indem Produkte, die vor allem von<br />
Senioren nachgefragt werden, in greifbarer Höhe platziert wurden.<br />
138
Edeka hat ein neues Service- und Ladenkonzept unter dem Titel „Supermarkt<br />
der Generationen“ entwickelt. Analog zu Real gibt es im „Supermarkt<br />
der Generationen“ rutschfeste Böden, breite Gänge und blendfreies Licht;<br />
die seniorenrelevanten Sortimente sind in Augenhöhe platziert. Darüber<br />
hinaus sollen Senioren mit großen Preisschildern, an den Regalen befestigten<br />
Leselupen, Sitzecken für Ruhepausen und Kassenbildschirmen<br />
mit großer Anzeige angesprochen werden. Ein spezielles Dienstleistungsangebot<br />
verbirgt sich hinter einem roten Serviceknopf: Wenn ein Kunde<br />
diesen Knopf drückt, erhält er sofort Hilfe und wird von entsprechend<br />
geschultem Service-Personal beraten. Ein erster Pilotmarkt wurde in<br />
Chemnitz eröffnet. Mittlerweile wurden schon zwei weitere “Supermärkte<br />
der Generationen“ in Deutschland eröffnet, aber noch befindet sich das<br />
Konzept in der Testphase. Pläne zu einer deutschlandweiten Umsetzung<br />
sind nicht bekannt.<br />
Die Senio GmbH Heidelberg war Deutschlands erster Fachhandel für Senioren.<br />
Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen seit 1993 von seinem<br />
Konzept für Fachgeschäfte, das ein Kooperations- oder Franchisesystem<br />
aufbaut, Marktführer. Seniorenfachgeschäfte bestehen z. B. in Mannheim,<br />
Berlin, Heidelberg, Frankfurt und Oldenburg. Senio propagiert ein Rundumkonzept.<br />
Hier werden Produkte, Dienstleistungen (Betreuung, Pflege,<br />
Hilfe im Haushalt) und Informationen (zu seniorengerechtem Wohnen,<br />
Hilfsmitteln) angeboten und vermittelt. Auch die Geschäfte sind speziell<br />
auf die Bedürfnisse der älteren Kunden ausgerichtet und beispielsweise<br />
mit Sitzgelegenheiten ausgestattet<br />
In Deutschland wurden seit 1992 mehr als 50 Fachgeschäfte für SeniorInnen<br />
gegründet. Die Hälfte sind noch heute tätig – viele davon Senio-<br />
Fachgeschäfte mit mehr oder minder enger Bindung an Senio. Andere<br />
sind mit ihrer klaren Ausrichtung auf die Zielgruppen der SeniorInnen<br />
gescheitert. Darunter waren auch hoch engagierte Existenzgründer an<br />
guten Standorten, aber auch Selbstständige, die ihre Fähigkeiten und<br />
Möglichkeiten überschätzt haben. Gründe für das Scheitern war die zu<br />
niedrige Qualifikations- und Standortanforderung an den Partner.<br />
Aus dieser Erfahrung ist ein Anforderungsprofil an künftige Senio-Franchise-Partner<br />
entwickelt worden, das eine langfristig erfolgreiche Basis<br />
für eine Zusammenarbeit als eigenständiges Geschäft, Shop-in-Shop und<br />
Franchise light sichern soll. Dazu zählen Standortwahl, finanzielle Ausstattung<br />
und die Fähigkeit des Partners, das Senio-Konzept selbstständig<br />
weiterzuentwickeln.<br />
Nach der amtlichen Statistik Österreichs ist schon heute jeder dritte Bürger<br />
des Landes älter als 50, Tendenz steigend. Österreichs Handelskette Adeg<br />
buhlt mit speziellen Supermärkten konsequent um diese Zielgruppen.<br />
Manfred Schwall, Geschäftsführer der Wiener Werbeagentur Haslinger &<br />
Keck, hat sich vor zwei Jahren mit dem Konzept bei Adeg, einer Tochter<br />
der Edeka-Gruppe, vorgestellt. Zusammen mit dem Unternehmen befragte<br />
Schwalls Agentur 450 Adeg-Kunden jenseits der 50 in ganz Österreich<br />
nach Einkaufsgewohnheiten und Erwartungen an Lebensmittelläden.<br />
Die Ergebnisse sind seit 2005 im ersten 50plus Laden zu sehen – nach<br />
131 http://www.senio.de/<br />
139<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Aussagen des Unternehmens mit einer beeindruckenden Umsatzerhöhung:<br />
Es gibt die Holzbank zum Rasten und breite Gänge. Da ist zum<br />
Beispiel der Spezialboden, mit dem Rutschpartien vor allem an nassen<br />
Tagen vermieden werden sollen. Am Eingang des Geschäfts ist das Licht<br />
gedämpft, damit sich die Augen schneller an das Neonlicht gewöhnen.<br />
Einige Einkaufswagen sind mit Bremsen ausgestattet. Wer sich eine Pause<br />
gönnen will, kann auf der Sitzfläche des Wagens Platz nehmen, die Räder<br />
blockieren dann sofort.<br />
Einer der 50plus-Läden von Adeg ist in Bergheim im Salzburger Land, der<br />
andere im Zentrum Wiens. Kein Kunde soll in den Läden das Gefühl bekommen,<br />
in einem Fachhandel für Senioren einzukaufen. Deshalb stehen<br />
hier Energie-Getränke und Alcopop-Mischgetränke griffbereit, und aus<br />
den Lautsprechern tönt leise ein Hit der britischen Popband Coldplay. Bei<br />
Adeg in Bergheim können sich Kunden direkt am Eingang den Blutdruck<br />
messen lassen. An den Ladenregalen baumeln an Ketten Lupen, durch die<br />
Etiketten und Preisschilder größer wirken. Und beim Obst und Gemüse<br />
steht eine Holzbank für müde Einkäufer. Die älteren Kunden sollen sich<br />
wohl fühlen. Für Rollstuhlfahrer steht ein spezieller Einkaufswagen bereit,<br />
der sich am Rollstuhl befestigen lässt. Die Produkte sind mit großen Preisschildern<br />
ausgezeichnet, die Regale im Laden nach Mahlzeiten geordnet:<br />
Frühstück, Mittag- und Abendessen.<br />
Arbeitsplätze für Ältere: Auch sie stehen für die Philosophie 50plus. „Sind<br />
Sie über 50, dann sind Sie für uns ideal“, warb Adeg in einer Stellenanzeige.<br />
„Wir glauben, dass ältere Mitarbeiter besser kommunizieren können, vor<br />
allem mit älteren Kunden.“ Mittlerweile arbeiten 14 ältere Frauen in dem<br />
Salzburger Supermarkt. Fast alle waren vorher arbeitslos, nicht zuletzt<br />
wegen ihres Alters.<br />
Das Geschäft mit der älteren Generation lohnt sich, nicht nur in Österreich:<br />
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wird 2010 bereits jeder<br />
zweite Konsument in Deutschland über 50 sein.<br />
Deliga ist ein kleines Warenhaus im brandenburgischen 11.000-Einwohner-Städtchen<br />
Großräschen. Es gilt als Deutschlands erstes Seniorenkaufhaus.<br />
Dort sind die Gänge so breit, dass man auch mit einem Rollstuhl<br />
gut durchkommt. In den Umkleidekabinen können sich zwei Personen<br />
bewegen. Das Personal ist so aufmerksam, dass sich der Kunde nicht<br />
als Störenfried fühlt, wenn er Beratung braucht. Auf der gut 800 Quadratmeter<br />
großen Verkaufsfläche können alte Leute Hilfen erwerben, um<br />
die Einschränkungen des Seniorendaseins zu überwinden. So gibt es<br />
sprechende Wecker, Waagen und Thermometer, eine TV-Lupe, die über<br />
den Bildschirm gespannt das Fernsehbild auf das Doppelte vergrößert,<br />
Telefone mit riesigen Tasten, pflegeleichte, weit geschnittene Kleidung,<br />
Strumpfhosen mit breiterem Bund und kürzeren Beinen.<br />
Diese guten Beispiele dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass<br />
es nicht nur in Stadt und Landkreis Göttingen Defizite gibt. Ein Großteil<br />
der auf die Zielgruppe ausgerichteten Produkte, Dienstleistungen und<br />
Kampagnen ist weiterhin auf dem längst überholten Klischee vom ge-<br />
140
echlichen, ewig sparsamen Rentner ausgerichtet. Senioren-Marketing<br />
darf sich deshalb nicht auf eine größere Schrift auf den Preisschildern<br />
beschränken.<br />
Qualifizierungsprogramme für den Einzelhandel<br />
“ProSenior“ ist ein aus Bausteinen bestehendes Qualifizierungs- und<br />
Beratungsprogramm für Einzelhändler und Dienstleister, das am Beispiel<br />
von Buchhandlungen und Medical-Wellness-Hotels entwickelt wurde. Es<br />
soll die Unternehmer/-innen befähigen, ein für ältere Kunden attraktives<br />
Angebot bereitstellen und attraktiv präsentieren zu können. Die Gewinnung<br />
dieser noch weiter wachsenden Käufergruppe trägt zur wirtschaftlichen<br />
Stärkung des eigenen Betriebes bei und hilft damit, Arbeitsplätze<br />
zu sichern oder neue zu schaffen. Davon werden insbesondere Frauen<br />
profitieren, die einen Großteil der Eigentümerinnen und Mitarbeiterinnen<br />
in diesem Sektoren stellen. Das Programm besteht aus Pflicht- und fakultativen<br />
Modulen und verbindet theoretische Unterweisung mit praktischen<br />
Übungen (meist am Beispiel des eigenen Betriebes) und begleitender<br />
Beratung (individuelles und Gruppencoaching). Es zielt darauf ab, Verständnis<br />
für die Bedürfnisse und Erwartungen der Senioren unter den Kunden<br />
zu wecken, eine Vorstellung von den Möglichkeiten zu vermitteln, die<br />
die Erschließung dieser Käufergruppe bietet, das Potenzial des eigenen<br />
Unternehmens zu analysieren, neue Angebote und Leistungen für Senioren<br />
zu entwickeln und eine auf speziell deren Wünsche ausgerichtete<br />
Kommunikationspolitik betreiben zu können sowie durch ein effizientes<br />
Qualitätsmanagement den hohen Ansprüchen dieses Kundenkreises auf<br />
Dauer gerecht zu werden.<br />
Dieses Qualifizierungs- und Beratungsprogramm wurde zwar am Beispiel<br />
spezieller Zweige des Einzelhandels und des Dienstleistungsbereichs erarbeitet,<br />
ist jedoch auf alle Branchen übertragbar. Es ist so flexibel, dass<br />
genügend Raum bleibt, deren spezifische Belange zu berücksichtigen.<br />
Auch wenn das Altern keineswegs mit gesundheitlichen Einschränkungen<br />
gleichgesetzt werden darf, so gibt es doch keinen Zweifel daran, dass in<br />
einer alternden Gesellschaft immer mehr Menschen auf gesundheitsbezogene<br />
Dienstleistungen und Produkte angewiesen sein werden.<br />
Individuelle Einschätzungen<br />
„Mir ist es egal, wie alt derjenige ist, der mich bedient. Für mich ist die<br />
Kompetenz ausschlaggebend, und die hängt nicht vom Alter ab. Die<br />
Grundversorgung in Duderstadt ist hervorragend. Aber zum Besuch<br />
meines Facharztes brauche ich das Auto. Ich frage mich schon, was ich<br />
mache, wenn ich nicht mehr Auto fahren kann.“ (Duderstadt)<br />
141<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
gesunDHeItswIrtscHaft,<br />
ambulante<br />
pflege unD sport
„Als älterer Mann bin ich ein bisschen eigen. Beim Friseur lasse ich mich<br />
nur von älteren Männern bedienen, junge Mädchen lasse ich an meinen<br />
Kopf nicht ran. Ich würde mich auch nie von einer Ärztin behandeln lassen.<br />
Viele Ältere würden sich auch nie von ihren Kindern pflegen lassen,<br />
von Fremden lassen sie sich aber helfen. “ (Duderstadt)<br />
„Ideal ist eine funktionierende Familie, die hat aber nicht jeder. Na klar:<br />
Ich nehme auch ehrenamtliche Hilfe in Anspruch.“ (Göttingen)<br />
„Man ist so zufrieden, wenn man etwas selbst macht. Selbstständigkeit<br />
heißt doch, frei zu sein und das Beste aus seinem Leben zu machen.“<br />
(Göttingen)<br />
„Wir werden zu alt, Altern ist eine Last. Ich bin zwar noch rüstig, brauche<br />
aber unbedingt Gesellschaft. In meinem Haus wohnen viele junge<br />
Leute, die grüßen zwar aber mehr auch nicht. Sich um Gesellschaft zu<br />
kümmern ist aber mühsam.“ (Göttingen)<br />
„Das Treffen mit anderen ist wichtig, um das Alleinsein zu unterbrechen.<br />
Frage mich, wie kann man das Alleinsein älterer Menschen unterbinden?<br />
Ich hatte einen Plan ‘Kette per Telefon’, aber viele scheuen sich,<br />
auf andere zuzugehen.“ (Göttingen)<br />
Gesundheitswirtschaft<br />
Die wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Potenziale des<br />
Wachstumsmarktes Gesundheitswirtschaft gründen im Wesentlichen<br />
auf drei Triebkräften: dem demographischen Wandel, dem medizinischtechnischen<br />
Fortschritt und einem steigendem Gesundheitsbewusstsein.<br />
Letzteres bedeutet, dass der soziale und kulturelle Wandel in großen Teilen<br />
der Bevölkerung zu einem steigenden Gesundheitsbewusstsein führt und<br />
auch zu einer wachsenden Bereitschaft, für Gesundheit und Wohlbefinden<br />
auch private Mittel auszugeben.<br />
Die Gesundheitswirtschaft zählt auch unter beschäftigungspolitischen<br />
Aspekten zu den wichtigsten Wachstumsbranchen der letzten zwei<br />
Dekaden. Demographischer Wandel, technischer Fortschritt und die<br />
Innovationen sowie neue Ansätze für Produkte und Dienstleistungen im<br />
Bereich der Lifestyle-, Alternativ- und ganzheitlichen Medizin lassen darauf<br />
schließen, dass dieser Trend auch in den nächsten Jahren anhalten<br />
wird.<br />
Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung – vor allem hinsichtlich der kleiner<br />
werdenden Familien – ist davon auszugehen, dass mit dem demographischen<br />
Wandel zukünftig ein Mehrbedarf an professionellen Hilfs- und<br />
Pflegeangeboten einhergehen wird. Im Hinblick auf die Pflegebedürftigkeit<br />
müssen neue Formen der Betreuung und Versorgung die familiäre Unterstützung<br />
ergänzen oder auch ersetzen können. Dienstleistungsangebote<br />
sollten dabei das Spektrum von Beratungsangeboten bis hin zu flexiblen<br />
132 5. Altenbericht der Bundesregierung, S. 247<br />
142
Hilfeformen abdecken, die von allen Beteiligten – sprich den älteren Menschen,<br />
deren Familien und auch Professionellen – in Anspruch genommen<br />
werden können.<br />
Die Gesundheitswirtschaft umfasst ein weites Feld an Aufgaben und<br />
Angeboten durch unterschiedliche Anbieter. Exemplarisch soll hier auf<br />
den Bereich der ambulanten Pflege eingegangen werden, da hier am<br />
ehesten Beschäftigungspotenzial für Menschen ab 50 Jahren besteht.<br />
Außerdem wird der Aspekt der Bedeutung des Freizeitsports näher beleuchtet.<br />
Wellness und Tourismus werden in einem gesonderten Kapitel<br />
vertieft behandelt.<br />
Das Cluster-Modell, welches vom Institut für Arbeit und Technik (IAT) entworfen<br />
wurde, unterscheidet drei Bereiche der Gesundheitswirtschaft:<br />
1.<br />
2.<br />
Wohnen<br />
Biotechnologie<br />
Selbsthilfe<br />
Handel mit<br />
Gesundh.produkten<br />
Ernährung<br />
Sport + Freizeit<br />
Medizin- und<br />
Gerontotechnik<br />
Verwaltung<br />
Stationäre<br />
und ambulante<br />
Versorgung (Gesundheitsversorgung<br />
+<br />
Pflege)<br />
Kur- und<br />
Bäderwesen<br />
Pharmazeutische<br />
Industrie<br />
Der Kernbereich der ambulanten und stationären Versorgung umfasst<br />
neben den Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen,<br />
die ambulanten Arzt- und Zahnarztpraxen, die Praxen der<br />
nichtärztlichen medizinischen Berufe und Apotheken sowie die stationären,<br />
teilstationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen.<br />
Die Vorleistungs- und Zulieferindustrien, in denen sich die Pharmazeutische<br />
Industrie, Medizin- und Gerontotechnik sowie die Bio- und<br />
Gentechnologie (Health Care Industries), das Gesundheitshandwerk<br />
und der Groß- und Facheinzelhandel mit medizinischen und orthopädischen<br />
Produkten wiederfinden.<br />
143<br />
Apo-<br />
theken<br />
Beratung<br />
Tourismus<br />
Wellness<br />
Gesundh.-<br />
handwerk<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Abbildung 38: Cluster-Modell<br />
Institut für Arbeit und Technik<br />
Hilbert, Fretschner, Dülberg<br />
2002: “Rahmenbedingungen<br />
und Herausforderungen der<br />
Gesundheitswirtschaft“.<br />
Manuskript. Gelsenkirchen: Inst.<br />
Arbeit und Technik (http://iat-<br />
info.iatge.de/aktuell/veroeff/ds/<br />
hilbert02b.pdf)
3.<br />
Die Nachbarbranchen und Randbereiche des Gesundheitswesens,<br />
welche insbesondere durch die Verknüpfung gesundheitsbezogener<br />
Dienstleistungen mit den Angeboten aus den Bereichen Gesundheitstourismus,<br />
Wellness, Sport- und Freizeitangeboten sowie Wohnen<br />
und Ernährung große Potenziale für die Gesundheitswirtschaft<br />
beinhalten.<br />
Dem Kernbereich der Gesundheitswirtschaft sind durch politische Regulierung<br />
und Finanzierung durch die Krankenkassen enge Grenzen hinsichtlich<br />
Expansion und Preisgestaltung gesetzt. Bereits heute zahlen die<br />
gesetzlich Krankenversicherten ca. sieben Prozent ihrer Aufwendungen<br />
für Gesundheit aus eigener Tasche, bis 2015 wird ein deutlicher Anstieg<br />
dieser Eigenleistung prognostiziert. Damit einher geht auch ein Wandel<br />
der Ansprüche. Die Patienten werden sich weitere Kompetenzen zur Steigerung<br />
ihrer Lebensqualität aneignen und sich vom Hilfeempfänger zum<br />
Kunden entwickeln. Große wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten<br />
sind laut Altenbericht vor allem in den Rand- und Nachbarbranchen der<br />
Gesundheitswirtschaft zu sehen, also den Bereichen, die von den Kunden<br />
und Kundinnen privat finanziert werden. Fraglich ist, ob diese Prognose<br />
sich auch auf den Arbeitsmarkt in Stadt und Landkreis Göttingen niederschlägt.<br />
Neben Hilfs- und Pflegeangeboten können vor allem durch technische<br />
Hilfsmittel die gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Alter kompensiert<br />
oder zumindest gelindert werden. Südniedersachsen ist ein ausgezeichneter<br />
Standort für Gesundheits-, Geronto- und Rehatechnikunternehmen.<br />
Hier ist mit einem weiteren Wachstum der Märkte zu rechnen. Sein<br />
Umfang wird jedoch nicht zuletzt davon abhängig sein, ob es auf dem<br />
Arbeitsmarkt dafür geeignete Fachkräfte gibt.<br />
Damit die regionalen Einrichtungen und Unternehmen in der Gesundheitswirtschaft<br />
an einem Wachstum der Märkte für Gesundheits-, Geronto- und<br />
Rehabilitationstechnik partizipieren können, kommt es vor allem auf die<br />
Entwicklung von neuen Produkten und Dienstleistungen an. Hierdurch<br />
kann die Gesundheitswirtschaft auf die veränderte Bedarfslage durch<br />
den demographischen Wandel reagieren und verstärkt privat finanzierte<br />
Nachfrage mobilisieren. Der 5. Altenbericht der Bundesregierung empfiehlt<br />
diesbezüglich, dass die bestehenden Angebote kritisch auf ihre Zukunftsfähigkeit<br />
geprüft werden. Notwendig seien demnach Ergänzungen und Veränderungen<br />
sowie die Entwicklung von Kooperationen mit Unternehmen<br />
aus anderen Branchen (z. B. der Wohnungswirtschaft). Zentrales Ziel ist es,<br />
die Angebote für die Unterstützung im häuslichen Umfeld zu optimieren.<br />
Dazu sind die Akteure in den Bereichen Handwerk, Wohnungswirtschaft<br />
und ambulanter Pflege anzusprechen. Wichtig erscheint aber auch, dass<br />
die Teilbereiche miteinander vernetzt werden.<br />
Insgesamt produzierten die Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft im<br />
Land Niedersachsen im Jahr 2000 Leistungen und Güter im Wert von 24,8<br />
Mrd. Euro, davon entfallen 21,0 Mrd. Euro auf den Bereich Gesundheits-<br />
133 Altenbericht, S. 248<br />
134 Altenbericht, S. 249<br />
135 Denkbar ist, dass bei einem Pflegeforum zum Thema ambulante Pflege auch Experten aus den<br />
Bereichen der Wohnungswirtschaft oder dem Handwerk als Gäste und Zuhörer hinzugeladen werden.<br />
144
schutz und -versorgung, 3,3 Mrd. Euro auf die Gesundheitsindustrie und<br />
0,5 Mrd. Euro auf die gesundheitsrelevante Freizeitwirtschaft. Mit 5,8 Mrd.<br />
Euro sind die Krankenhäuser die umsatzmäßig größten Leistungserbringer<br />
der Gesundheitswirtschaft im Land Niedersachsen.<br />
Nach Abzug der Vorleistungen von 10,7 Mrd. Euro erzielten die Einrichtungen<br />
der Gesundheitswirtschaft in Niedersachsen im Jahr 2000<br />
eine Bruttowertschöpfung von 14,1 Mrd. Euro. Dies bedeutet, dass die<br />
Wertschöpfungsquote des Gesundheitssektors anteilig am Bruttoinlandsprodukt<br />
in Niedersachsen in dem genannten Jahr 7,9 Prozent betrug.<br />
Im Jahr 1996 lag die Wertschöpfungsquote in Niedersachsen bei 8,1<br />
Prozent. Der leichte Rückgang ist sowohl eine Folge der Budgetierung<br />
der öffentlichen Leistungsbereiche als auch des stärkeren Wachstums<br />
der übrigen Wirtschaft.<br />
Jeder neunte Erwerbstätige in Niedersachsen ist in der Gesundheitswirtschaft<br />
beschäftigt. Im Jahr 2000 arbeiteten rund 385.000 Personen in der<br />
Gesundheitswirtschaft. Dies entspricht rund 286.000 Vollzeitbeschäftigten.<br />
Damit sind in Niedersachsen im Vergleich zum Bundesschnitt insgesamt,<br />
bezogen auf die Wohnbevölkerung, weniger Personen im Gesundheitswesen<br />
beschäftigt. Je 1.000 Einwohner arbeiteten im Jahr 2000 48,6<br />
Erwerbstätige in der niedersächsischen Gesundheitswirtschaft. Im Vergleich<br />
zum Bund (50,9) liegt dieser Quotient damit in Niedersachsen um<br />
2,3 Prozent niedriger. In Stadt und Landkreis Göttingen arbeiten 13.120<br />
sozialversicherungspflichtige Beschäftigte im Gesundheitswesen. Das ist<br />
ein Anteil von 15,2 Prozent an der Gesamtzahl.<br />
Senioren haben das höchste Risiko für Krankheiten und gesundheitliche<br />
Beeinträchtigungen. Die Gesundheitsprobleme hängen häufig direkt oder<br />
indirekt mit der Ernährung zusammen. Zu beobachten sind ein veränderter<br />
Nährstoffbedarf und veränderte Essgewohnheiten. Durch gesenkten Energiebedarf<br />
bei gleichbleibendem Bedarf an Nährstoffen wie Vitaminen<br />
und Spurenelementen kommt es oft zur Mangelversorgung. Deshalb<br />
müssen seniorengerechte Portionen kleiner und kalorienärmer sein, aber<br />
mehr Nährstoffe aufweisen. Bei der Produktpalette ist zu beachten, dass<br />
Senioren aufgrund der biologischen und körperlichen Veränderungen mit<br />
zunehmendem Alter andere Bedürfnisse haben. Die Produkte sollten darauf<br />
abgestimmt sein und weniger Salz, Fett, Zucker etc. enthalten, ohne<br />
dabei an Qualität oder Geschmack zu verlieren. Produkte sollten dennoch<br />
nicht als seniorengerechnet bezeichnet werden. Das stellt die Einschränkungen<br />
der Nutzer in den Vordergrund. Aufschriften wie leichtes Öffnen<br />
und Verschließen betonen dagegen die Vorzüge des Produktes.<br />
Der gesundheitsbezogene Freizeitsektor ist sowohl gesundheitspolitisch<br />
als auch ökonomisch zunehmend relevant aufgrund gesellschaftlicher<br />
Veränderungsprozesse. Freizeitforscher begründen diese Entwicklung<br />
mit dem steigenden Leistungsdruck in der Gesellschaft und der Zunahme<br />
von Zivilisationskrankheiten, aber auch mit der zunehmenden<br />
Leistungseinschränkung der Krankenkassen, welche das Bewusstsein in<br />
136 Beratungsgesellschaft für angewandte Systemforschung mbH (BASYS), Augsburg, Niedersächsischen<br />
Institut für Wirtschaftsforschung e.V., Hannover, Untersuchung zu den Entwicklungspotenzialen<br />
der Gesundheitswirtschaft in Niedersachsen<br />
145<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
der Bevölkerung stärkt, mehr für die eigene Gesundheit tun zu müssen.<br />
Dienstleistungen mit dem Attribut „Wellness“ erleben derzeit einen Boom.<br />
In Niedersachsen sind in diesem Bereich über 2.300 Unternehmen mit über<br />
7.000 Beschäftigten tätig. Auch das Potenzial Niedersachsens im Kur- und<br />
Gesundheitstourismus ist bedeutend. Niedersachsens Tourismusregionen<br />
generieren rund zwölf Prozent der deutschen Urlaubsreisen und liegen<br />
nach Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein auf Platz<br />
4 im Bundesländervergleich.<br />
Ambulante Pflege<br />
Von der Gemeindeschwester, die noch mit dem Fahrrad von Ort zu Ort<br />
fuhr, bis zu den ambulanten Pflegediensten heutiger Zeit hat sich Grundlegendes<br />
gewandelt. Während die Gemeindeschwester eine Idealistin<br />
sein musste, die häufig noch mit Naturalien bezahlt wurde, gibt es heute<br />
exakte Leistungskataloge, nach denen ambulante Pflege abgerechnet<br />
wird. Häusliche Pflegedienste können nur dann überleben, wenn jeder<br />
Mitarbeiter täglich ein hohes Pensum abrechenbarer Leistungen erbringt.<br />
Das heutige System fördert ein Denken in Euro und Minuten pro erbrachter<br />
Leistung. Um dieses erbringen zu können, ist der Zeitdruck sehr hoch; oft<br />
bleibt für spontane Hilfen keine Zeit.<br />
Durch die Dienstleistungsfreiheit drängt eine zunehmende Zahl von ambulanten<br />
Pflegediensten aus Osteuropa auf den hiesigen Arbeitsmarkt.<br />
Die Dienstleistungsfreiheit stellt eine Möglichkeit dar, ausländische<br />
Arbeitskräfte aus den neuen EU-Beitrittsländern in der Bundesrepublik<br />
zu beschäftigen, allerdings ist sie innerhalb eng gefasster gesetzlicher<br />
Bestimmungen gültig: So ist beispielsweise das Anwerben und/oder Einstellen<br />
ausländischer Arbeitskräfte nicht erlaubt, auch nicht deren direkte<br />
Vermittlung oder Überlassung. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, über<br />
die ZAV legal BetreuerInnen selbst einzustellen, jedoch auch hier lediglich<br />
innerhalb klar definierter Grenzen, dafür ist eine Vermittlung hier kostenlos.<br />
Dieser Aspekt soll hier nicht vertiefend behandelt werden, darf aber bei<br />
der Frage nach Beschäftigungspotenzialen im Bereich der ambulanten<br />
Pflege nicht unerwähnt bleiben.<br />
Die hiesigen Pflegedienstleister können auf diese verstärkte Konkurrenz<br />
z. B. mit verschiedenen Hilfs- und Bedarfsangeboten für Ältere und<br />
Pflegebedürftige reagieren sowie mit der Konzeption und Bereitstellung<br />
neuer Dienstleistungen. Dies sind wesentliche Elemente für eine bedarfsgerechte<br />
und selbstbestimmte Versorgung und Pflege im Alter, vor allem<br />
aber sind sie ein Aspekt der Beschäftigungssicherung. Sie fördern nicht<br />
nur die Lebensqualität, Selbstständigkeit und persönliche Zufriedenheit der<br />
Betroffenen, sondern fördern auch einen ökonomisch sinnvollen Einsatz<br />
von Ressourcen. Sie tragen somit durch Optimierung der Versorgung zu<br />
mehr Wirtschaftlichkeit bei.<br />
Nach dem im November 2005 veröffentlichten Niedersächsischen Pflegebericht<br />
gibt es im Bereich der Altenpflege keine oder nur minimale<br />
Arbeitslosigkeit. Das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) rechnet da-<br />
137 Siehe z.B. http://www.seniocare24.de/index.html<br />
146
mit, dass aufgrund der Zunahme der Zahl der Hochaltrigen und trotz des<br />
Trends zu Alternativen zum Pflegeheim die Zahl der Pflegebedürftigen stark<br />
ansteigen wird. Im Bereich der Pflegeheime wird nach KDA-Einschätzung<br />
in den nächsten Jahrzehnten mit einem Fachkräftemangel gerechnet.<br />
Hinsichtlich der Beschäftigung bestehen in der stationären Pflege Probleme<br />
durch eine hohe Arbeitskräftefluktuation. Die anstehende Reform<br />
der Pflegeversicherung werde vermutlich zu weitreichenden organisatorischen<br />
Neustrukturierungen führen. Bereits jetzt besteht ein Trend zur<br />
Nutzung von Skalenerträgen durch die Zusammenlegung verschiedener<br />
Angebote, wie z. B. der Anschluss von ambulanten Pflegediensten, Essen<br />
auf Rädern usw.<br />
Die Versuche kleinerer Betriebe durch Externalisierung hauswirtschaftlicher<br />
Leistungen sind in vielen Fällen gescheitert, da die Kosten höher<br />
als erwartet ausfielen. Durch die Rückführung derartiger Aufgaben und<br />
dem zu erwartenden Wachstum dieses Sektors mit fortschreitender Alterung<br />
der Bevölkerung bestehen hier Beschäftigungspotenziale speziell<br />
für Gering-Qualifizierte.<br />
Kennzeichnend für die aktuelle Diskussion um das Thema Pflege sind<br />
folgende Thesen:<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
4.<br />
5.<br />
6.<br />
7.<br />
Wüssten mehr ältere Menschen, was ambulante Dienste leisten,<br />
könnte die Zahl der Heimaufenthalte um mindestens 65 Prozent gesenkt<br />
werden.<br />
Ambulante Dienste benötigen ein größeres politisches Standing, damit<br />
der Grundsatz der Pflegeversicherung „ambulant vor stationär“ mit<br />
Inhalten gefüllt wird.<br />
Wenn nur fünf Prozent der älteren Menschen ab 70 Jahre pflegebedürftig<br />
werden: Warum schaffen es offensichtlich 95 Prozent der<br />
Gesellschaft nicht, das Altern als etwas Attraktives zu sehen?<br />
Wenn sich aus den ambulanten Strukturen altersgerechte Wohnkonzepte<br />
entwickeln sollen, muss Bürokratie abgebaut werden.<br />
Menschen wollen auch im Alter in ihrem Zuhause bleiben: Wenn die<br />
Hilfesysteme zusammenarbeiten, ist dies mit wenigen Ausnahmen für<br />
alle Menschen möglich.<br />
Die ambulanten Dienste müssen sich weiter vernetzen und auch über<br />
eine Bündelung von Dienstleistungen nachdenken.<br />
Niederschwellige Angebote müssen zu erschwinglichen Preisen angeboten<br />
werden, dabei muss der Schwarzarbeit zu Dumpingpreisen<br />
Einhalt geboten werden.<br />
138 Vortrag von Beate Oberschür, Vorstandsmitglied des Netzwerks NADel e. V. auf der Tagung „Altersgerechte<br />
Wohnkonzepte“ vom 17. Mai 2006 in Minden http://www.minden-luebbecke.de/media/custom/322_1502_1.PDF?La=1&object=med|322.1502.1<br />
147<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
8.<br />
9.<br />
Angehörige müssen darin gestärkt werden, die Pflege zu Hause mit<br />
ambulanter Hilfe leisten zu können.<br />
Für den Kunden muss eine größere Transparenz über den Markt von<br />
ambulanten Diensten geschaffen werden.<br />
10. Das Dienstleistungsangebot muss nach den Bedürfnissen der Kunden<br />
ausgebaut werden.<br />
11. Die ambulanten Pflegedienste können viel mehr, als man von ihnen<br />
weiß.<br />
12.<br />
Ambulante Pflegedienste können sich gut in Wohn- und Familienkonzepte<br />
einpassen und sind eine geradezu perfekte Kombination, wenn<br />
der Wunsch der Menschen, in ihrer eigenen Wohnung oder zumindest<br />
in gewohnter Umgebung versorgt zu werden, ernst genommen<br />
wird.<br />
Situation im Landkreis Göttingen<br />
Anfang der 90er-Jahre wurden im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung<br />
fünf Sozialstationen gegründet und das Stadtgebiet in Bezirke<br />
unterteilt. Seitdem nahm die Zahl der Pflegedienste stark zu, in Göttingen<br />
gibt es heute über 40 Pflegedienste. Die Stadt lenkt heute nicht mehr wie<br />
in früheren Jahren die Pflegedienste, vielmehr regelt sich der Markt selbst.<br />
Neue Anbieter hätten es auf dem heutigen Markt schwer, vielmehr gehe<br />
der Trend in Richtung Konzentration und Verdichtung der Anbieter. Viel<br />
Potenzial für Pflegedienste sieht die Stadtverwaltung im Bereich Wohnen<br />
im Quartier.<br />
Die Kreisverwaltung Göttingen bewertet das Angebot der Pflegedienste als<br />
gut. In allen Orten sind mindestens zwei Anbieter tätig, in den meisten<br />
sogar deutlich mehr; weiße Flecken gibt es nicht. Die Kreisverwaltung sieht<br />
im Pflegebereich durchaus Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere. Dies<br />
gelte allerdings insbesondere für Beschäftigungen auf 400-Euro-Basis, dort<br />
gäbe es einen großen brachliegenden Markt. Auch die Gemeinden sehen<br />
keine Defizite im Angebot der Ambulanten Pflege. Einheitlicher Eindruck<br />
ist, dass der Markt als Lenkungsinstrument seine Aufgabe gut erfüllt.<br />
Neue Konzepte ambulanter Pflegewohngruppen setzen auf dezentrale<br />
Versorgung in kleineren Wohngruppen. Derzeit gibt es nach Angaben der<br />
Fachstelle Wohnberatung in Hannover 23 ambulant betreute Wohngruppen<br />
in Niedersachsen, fünf weitere befinden sich in der Planungsphase.<br />
Ambulant betreute Wohngruppen, meist bestehend aus sechs bis zwölf<br />
Bewohnern, ermöglichen das weitgehend selbstbestimmte Leben im<br />
„normalen“ Wohnungsbestand auch bei schwerer Pflegebedürftigkeit als<br />
Alternative zum Pflegeheim. Die Zielgruppe sind Demenzkranke, körperlich<br />
bzw. psychisch beeinträchtigte Menschen oder solche, die nicht mehr<br />
allein zu Hause leben möchten. Sie bieten die Möglichkeit, weitgehend<br />
selbstständig einen eigenen Haushalt zu führen und bei Bedarf Unterstützung<br />
zu erhalten. Aktivierung und gegenseitige Unterstützung stehen dabei<br />
139 Gespräch mit dem Sozialdezernat am 17. Juli 2006<br />
148
im Vordergrund. Es kann Betreuung mit einem hohen Personalschlüssel<br />
gewährleistet werden und Angehörige bzw. ehrenamtliche Helfer können<br />
aktiv in den Alltag einbezogen werden, was zu einer hohen Zufriedenheit<br />
aller Beteiligten führt. Akteure der Organisation sind die Bewohner und<br />
deren Angehörige, Betreuer, Wohnungs- und Dienstleistungsanbieter und/<br />
oder Institutionen (Kommunen, Wohlfahrtsverbände etc.) und Vereine. Im<br />
Falle der Trennung von Vermieter und Dienstleistungsanbieter, dem Führen<br />
eines eigenen Haushalts und der freien Wahl des Pflegedienstes kommt<br />
das Heimgesetz nicht zur Anwendung. Dennoch besteht hinsichtlich der<br />
Einzelheiten großer Klärungsbedarf. Dies verdeutlicht eine Stellungsnahme<br />
des Bundesrates zum Heimgesetz. 0 „Die Nichtanwendung des Heimgesetzes<br />
auf die sog. Wohngemeinschaft oder Wohngruppe setzt also<br />
voraus, dass die durch die Aufnahme in eine Wohnung gebildete natürliche<br />
Gemeinschaft eine selbstständige und unabhängige Gruppe ist, die in allen<br />
das Zusammenleben betreffenden Fragen eigenverantwortlich entscheidet<br />
und autonom über ihre Betreuung und die damit zusammenhängenden<br />
Fragen bestimmt. Eine Einflussmöglichkeit von außen stehenden Dritten,<br />
insbesondere von Vermietern, darf nicht bestehen.“<br />
In Stadt und Landkreis Göttingen existieren derzeit zwei ambulant betreute<br />
Wohngruppen, die sich in Dransfeld und der Stadt Göttingen befinden.<br />
Aktuell verwirklicht die Alzheimergesellschaft Göttingen die Einrichtung<br />
einer Demenzwohngruppe. Anfang September 2006 wurde der Vertrag für<br />
den Neubau einer 400 Quadratmeter großen Wohneinheit in der Göttinger<br />
Innenstadt abgeschlossen. Nach Fertigstellung des Baus stehen acht bzw.<br />
neun Wohnplätze für Demenzerkrankte zur Verfügung. Die Betreuung<br />
der Bewohner wird durch einen privaten ambulanten Pflegedienst übernommen,<br />
zusätzlich ist zur Begleitung des Entwicklungsprozesses eine<br />
vorläufig auf ein Jahr befristete Koordinationsstelle eingeplant. Darüber<br />
hinaus werden monatliche verpflichtende Treffen mit den Angehörigen<br />
stattfinden, um gemeinsame Supervision zu betreiben und Konzeption und<br />
Abläufe weiterzuentwickeln. Die Einrichtung wird nicht dem Heimgesetz<br />
unterliegen, was sich positiv auf die Bau- und Unterhaltskosten sowie die<br />
Flexibilität der Beteiligten auswirkt. Dies hat jedoch den Nachteil, dass<br />
höhere Zuzahlungen als im Pflegeheim anfallen, da die Pflegesätze für<br />
ambulante Betreuung sehr viel geringer sind. Der Vorteil für die Bewohner<br />
liegt jedoch in der deutlich höheren Betreuungsdichte, die tagsüber bei<br />
mindestens zwei Pflegekräften liegt, nachts ist eine Betreuungsperson<br />
durchgängig anwesend. Zum Vergleich: Der Personalschlüssel in Pflegeheimen<br />
liegt tagsüber bei zwei zu zwanzig und nachts bei eins zu sechzig<br />
Personen.<br />
Nach einem Antrag der CDU-Kreistagsfraktion vom April 2006 wird in den<br />
kommenden Monaten ein runder Tisch zum Thema „Wohnen im Alter<br />
– ambulant betreute Wohngruppen“ eingerichtet werden. Es geht darum,<br />
Träger ambulanter Dienste und Organisationen der Altenhilfe, Vertreter<br />
der Wohnungswirtschaft, Investoren und Initiatoren ambulant betreuter<br />
140 Fachstelle Wohnberatung 2006<br />
141 Bundesdrucksache: 730/00; Stellungnahme der Bundesregierung zum Heimgesetz<br />
149<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Wohngruppen an einen Tisch zu bringen, um zukunftsweisende Konzepte<br />
für Stadt und Landkreis weiterzuentwickeln. Auch der <strong>Regionalverband</strong><br />
Südniedersachsen e.V. soll daran teilnehmen.<br />
Ergebnisse der Befragung ambulanter Pflegedienste<br />
Im Juli 2006 hat der <strong>Regionalverband</strong> im Zuge dieser Studie eine Befragung<br />
der 36 ambulanten Pflegedienste in Stadt und Landkreis Göttingen<br />
vorgenommen. Ziel der Umfrage war eine Bestandsaufnahme zu den<br />
aktuellen Beschäftigtenzahlen, der (prognostizierten) Entwicklung der<br />
Beschäftigtenzahlen und des Leistungsspektrums. Von Interesse war vor<br />
allem die Frage, ob die ambulanten Pflegedienste Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
im Pflegebereich oder im erweiterten Dienstleistungsbereich<br />
für über 50-Jährige sehen.<br />
An der Befragung haben sich 17 von 35 angeschriebenen ambulanten<br />
Pflegediensten beteiligt. Acht davon sind privatwirtschaftlich organisiert,<br />
je einer ist kirchlich bzw. kommunal organisiert, drei gehören zu Wohlfahrtsverbänden<br />
und vier arbeiten als Verein. Begründet wurden sie mit<br />
wenigen Ausnahmen Mitte der neunziger Jahre im Zuge der Gründung<br />
der Pflegeversicherung. Insgesamt sind 328 Beschäftigte in der ambulanten<br />
Pflege tätig, davon 291 direkt im Bereich der Pflegedienste. Der<br />
überwiegende Teil der Beschäftigten ist in Teilzeit tätig, nämlich 246.<br />
Davon sind 228 Frauen.<br />
Insgesamt verlief die Beschäftigungsentwicklung in den vergangenen Jahren<br />
positiv. Während im Jahr 1998 noch 162 Beschäftigte tätig waren, sind<br />
es jetzt rund 290. Bei der Befragung gaben 13 ambulante Pflegedienste<br />
an, mit weiter steigenden Beschäftigungszahlen zu rechnen. Offen bleibt<br />
allerdings, ob diese im Bereich der Teilzeitbeschäftigten oder Vollzeitbeschäftigten<br />
liegen.<br />
Die weit überwiegende Anzahl der Pflegedienste geht auch davon aus,<br />
dass sich in diesem Bereich im Zuge der Erweiterung der Angebote neue<br />
Beschäftigungsverhältnisse für Ältere ergeben. Die ambulanten Pflegedienste<br />
gaben folgende Entwicklungsperspektiven an: Essen auf Rädern,<br />
Ergotherapie, Haus- und Familienpflege, niederschwellige Betreuung (z.<br />
B. Spazierengehen), 24-Stunden-Pflege für Kinder, Urlaubsbegleitung,<br />
Hausnotruf, Laienhilfsdienste für Demenzkranke, Verhinderungspflege,<br />
Fahrdienst, Alzheimer-/Demenzkranken-Betreuung, pflegebegleitende<br />
Dienstleitungen, Alltagsbegleitung bei Demenzerkrankten, sozialmedizinische<br />
Nachsorge, betreutes Wohnen, Gartenarbeit, Fußpflege, Gesprächskreise,<br />
Unterhaltung und Tagespflege.<br />
Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen die Aussagen, die durch das<br />
Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung gemacht wurden. Hier wird mit<br />
einem Anstieg des Pflegebedarfs von mehr als 50 Prozent bis zum Jahr<br />
142 Antrag der CDU-Kreistagsfraktion vom 26. April 2006, eingebracht von dem Abgeordneten Gerhard<br />
Winter<br />
143 Die kompletten Ergebnisse der Befragung können beim <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen eingesehen<br />
werden.<br />
150
2020 gerechnet. Eine Schlüsselfrage ist hier – gerade im Zusammenhang<br />
mit der zunehmenden Altersdemenz – ein verändertes Zusammenspiel<br />
von ambulanten und stationären Angeboten.<br />
Stationäre Pflege<br />
In der Stadt Göttingen ist seit vielen Jahren die Arbeitsgemeinschaft “Qualitätsentwicklung<br />
in stationären Einrichtungen in der Stadt Göttingen“ tätig.<br />
Ursprüngliches Ziel des von der Stadtverwaltung Göttingen moderierten<br />
und koordinierten Gremiums war es, ein Qualitätssiegel für stationäre<br />
Einrichtungen zu entwickeln. Aus verschiedenen Gründen wurde dieser<br />
Vorschlag von den Mitgliedern (Stadt, Heimaufsicht, Medizinischer Dienst<br />
der Krankenkassen, Seniorenbeirat, Vertreter der Altenpflegeschulen und<br />
verschiedene Experten) abgelehnt.<br />
Die Arbeitsgemeinschaft beschäftigt sich stattdessen themen- und ergebnisorientiert.<br />
So wurde z. B. die Einrichtung eines Internetportals über freie<br />
Pflegeplätze beschlossen oder über Standards zu Fixierungsmaßnahmen<br />
diskutiert. Vertreter der Stadt Göttingen betonen, dass trotz knapper personeller<br />
Ausstattung im Rahmen des Möglichen im Bereich der Koordination<br />
schon viel geschafft wurde. Auch im Bereich der ambulanten Pflege finde<br />
ein Dialog statt, wenngleich es kein eigenes Gremium wie die Pflegekonferenz<br />
gibt. Stattdessen werde die ambulante Pflege punktuell in anderen<br />
Gremien mitbehandelt. Da viele Anbieter der ambulanten Pflege nicht nur<br />
in der Stadt Göttingen, sondern vor allem auch im Landkreis Göttingen<br />
tätig sind, sei die ambulante Pflege kein Thema, welches alleine von der<br />
Stadt Göttingen behandelt werden könne.<br />
Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat am 5. Juli 2006 in den Rat<br />
der Stadt einen Antrag für ein Göttinger Zertifikat für Pflege- und Heimqualität<br />
eingebracht. Darin wird gefordert, die Verwaltung zu beauftragen,<br />
dem städtischen Altenheim aufzuerlegen, Qualitätsstandards zu<br />
entwickeln, die als Grundlage eines Qualitätssiegels transparent machen,<br />
welche Ansprüche die Stadt Göttingen an die Pflege- und Heimqualität<br />
erhebt. Außerdem solle sie in Zusammenarbeit mit den zuständigen<br />
Aufsichtsbehörden bzw. dem Medizinischen Dienst und den Betroffenen<br />
(Einrichtungen, Heimräten, Seniorenbeirat, Gewerkschaften, DRK-Fachhochschule)<br />
auf der Basis dieser Vorarbeiten eine Art „Göttinger Zertifikat<br />
für Pflege- und Heimqualität“ entwickeln. Soweit wie möglich soll – auch<br />
aus ökonomischen Gründen – auf bestehende Zertifizierungen wie z. B.<br />
die der Diakonie – Diakonie-Siegel – zurückgegriffen werden. Zur Trägerschaft<br />
dieses Siegels sollen Vorschläge erarbeitet werden. Die dann an<br />
der Zertifizierung teilnehmenden Göttinger Einrichtungen unterwerfen<br />
sich durch Selbstverpflichtung den transparent gemachten Qualitätskriterien<br />
und akzeptieren nötigenfalls auch jährlich mehrmals unangemeldet<br />
evaluiert zu werden. Die Ergebnisse der Qualitätsermittlungen dürfen zu<br />
Werbezwecken genutzt werden.<br />
151<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Das Pflegenetz Göttingen ist eine Kooperation verschiedener im Gesundheitsbereich<br />
tätiger Dienstleister. Gegründet wurde die Initiative nach einer<br />
mehrjährigen Planungs- und Informationsphase am 12. Juli 2006. Bislang<br />
wird das Pflegenetz von vier Akteuren getragen, dem Hainbergkrankenhaus,<br />
dem ambulanten Pflegedienst Pro Sanitas, dem Sanitätshaus ORT<br />
und der Seniorenresidenz Pro Seniore am Posthof und Friedländerweg. Es<br />
gibt bereits elf Anfragen weiterer Anbieter, dem Pflegenetz beizutreten,<br />
vorrangig jedoch von Firmen aus dem Stadtgebiet Göttingen. Eine Erweiterung<br />
auf das Gebiet des Landkreises wird als möglich angesehen, hängt<br />
jedoch von dem Interesse bzw. Engagement der dortigen Anbieter ab.<br />
Die Leistungen umfassen die zeitnahe Vermittlung spezialisierter Pflegeleistungen,<br />
wie z. B. einen Pflegedienst zu finden, der fähig ist, Menschen<br />
mit künstlicher Beatmung zu versorgen, direkte Anschlussversorgung nach<br />
Entlassung aus dem Krankenhaus u. ä. Vorrangig werden die Nachfragen<br />
innerhalb des Mitgliederpools vermittelt, falls dort keine der nachgefragten<br />
Angebote bestehen, wird eine Recherche eingeleitet – dies alles ohne<br />
Kosten für den Patienten.<br />
Gleichzeitig ist das Pflegenetz ein Instrument der Qualitätskontrolle, indem<br />
die Vermittler sich bei den Nutzern der jeweiligen Leistungen nach der<br />
Qualität und Zufriedenheit mit dem Angebot vergewissern. Das Pflegenetz<br />
kann als Schritt hin zu mehr Markttransparenz auf dem sonst sehr unübersichtlichen<br />
Feld der Gesundheitswirtschaft gewertet werden. Das Prinzip<br />
ermöglicht eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. In der kurzen Zeit<br />
des Bestehens wurde bereits eine reihe von Fällen erfolgreich vermittelt<br />
und es besteht eine große Nachfrage.<br />
Exkurs: SeniorInnen aus dem Migrantenkontext<br />
Die Generationen der ehemaligen Gastarbeiter, die in den 60er- und 70er-<br />
Jahren vorwiegend aus der Türkei, Griechenland und vom Balkan als<br />
Arbeitskräfte angeworben wurden, gehören mittlerweile auch zur Klientel<br />
der Altenhilfe. Die traditionelle Großfamilie, die in der ehemaligen Heimat<br />
selbstverständlich auch für die alternden und kranken Mitglieder da waren,<br />
funktioniert in Deutschland meist nicht mehr. Die Kinder gehen entweder<br />
zurück in das Ursprungsland oder leben in Kleinfamilienstrukturen, deren<br />
“Pflegekapazitäten“ begrenzt sind. Der 5. Altenbericht der Bundesregierung<br />
benennt die zunehmende Betroffenheit von Migrantinnen und Migranten<br />
durch Pflegebedürftigkeit deutlich. In Deutschland leben derzeit<br />
rund eine halbe Million Menschen nicht-deutscher Herkunft, die älter als<br />
80 Jahre sind.145<br />
Das Land Niedersachsen rechnet damit, dass die Zahl der pflegebedürftigen<br />
ausländischen Einwohner bis zum Jahr 2010 auf 12.500 ansteigen<br />
wird. Im Landkreis Göttingen einschließlich der Stadt lebten Ende Dezember<br />
2005 8.801 männliche und 9.454 weibliche Ausländer. 1.450<br />
ausländische Frauen und 1.300 Männer waren über 55, 1.950 Frauen und<br />
1.700 Männer waren über 50 Jahre alt.<br />
144 Tel. 0551/4979100 (24-h-Hotline)<br />
145 5. Altenbericht der Bundesregierung, S. 141<br />
152
Klassische deutsche Alten- und Pflegeheime tun sich mit der Betreuung<br />
ausländischer Senioren in der Regel schwer und werden den heterogenen<br />
Bedürfnissen der Angehörigen unterschiedlicher Kulturkreise selten<br />
gerecht. Es ist zu erwarten, dass insbesondere Frauen Probleme damit<br />
haben werden, im Alter von Fremden medizinisch betreut und gepflegt<br />
zu werden. Vor diesem Hintergrund wurde im Jahre 2004 eine Kampagne<br />
von rund 200 deutschen, österreichischen und schweizerischen Organisationen<br />
für eine „kultursensible Altenhilfe“ ins Leben gerufen, die zu<br />
Beginn des Jahres 2006 auslief. Unter dem Motto „aufeinander zugehen<br />
– voneinander lernen“ haben die Träger der Freien Wohlfahrtspflege<br />
und diverse Altenhilfeverbände einen Forderungs- bzw. Selbstverpflichtungskatalog<br />
aufgestellt.146 Ziel ist der Abbau von Sprachbarrieren und<br />
Informationsdefiziten, aber auch die Koordination von Beratungs- und<br />
Vermittlungsaufgaben sowie die Qualifikation des Pflegepersonals für den<br />
Umgang mit Migranten. Seither hat sich einiges getan – vorzugsweise in<br />
den Großstädten, in denen die Mehrheit der älteren Migranten heimisch<br />
geworden ist. Die Evangelische Fachhochschule Hannover entwickelte<br />
entsprechende Ausbildungsmodule, die in fünf hessischen Altenpflegeschulen<br />
erprobt wurden und mittlerweile ihren Niederschlag in einem<br />
Fachhandbuch des Bundssozialministeriums gefunden haben.<br />
In ihrem Leitbild zur Weiterentwicklung der Altenhilfe hat die Stadt Braunschweig<br />
dem Thema MigrantInnen ein besonderes Kapitel gewidmet. Zu<br />
dem Thema wurde eine eigene Arbeitsgruppe gebildet. Die Stadt Braunschweig<br />
will damit deutlich machen, dass sie die interkulturelle Öffnung<br />
von Diensten und Einrichtungen der Altenhilfe und die Entwicklung von<br />
interkulturellen Kompetenzen von Beschäftigten der Altenhilfe fördert.<br />
Neben der Bildung und Unterstützung von Netzwerken aus den Bereichen<br />
Migration und Altenhilfe will die Stadt durch Beratung, Bildung und Hilfe<br />
zur Selbsthilfe dazu beitragen, dass Barrieren zwischen älteren Migrantinnen<br />
und Institutionen der Altenhilfe überwunden werden. Außerdem<br />
soll neben dem Angebot an bedarfsgerechten Wohnformen eine interkulturelle<br />
Öffnung von ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen<br />
gefördert werden.<br />
Auch in Stadt und Landkreis Göttingen betrachten immer mehr Migranten,<br />
die bei Ihrer Ankunft Arbeit oder Schutz suchten, Deutschland mittlerweile<br />
als ihre zweite Heimat und möchten auch im Alter hier bleiben. Lückenhafte<br />
Deutschkenntnisse, andere Ess- und Lebensgewohnheiten und fremde<br />
religiöse Bräuche stellen die Einrichtungen der Altenpflege vor neue Herausforderungen.<br />
Ambulante Pflegedienste in Stadt und Landkreis haben<br />
bestätigt, dass in der Behandlungspflege migrantenspezifische Probleme<br />
auftreten. Neben der Scham sei auch der unterschiedliche Glauben ein<br />
Hindernis in der Kommunikation und im Umgang zwischen Pflegekräften<br />
und Klienten. Außerdem sei ein häufiges Problem, dass Klienten aus dem<br />
Migrationskontext sich nicht immer an verabredete Termine halten.<br />
In einem Gespräch mit der Göttinger Migrantenberatungsstelle wurde<br />
deutlich, dass bei der Beurteilung der Pflege älterer MigrantInnen zwischen<br />
unterschiedlichen Herkunftsländern, Kulturen, Bildungs- und Familienstand<br />
differenziert werden muss. Daraus erwachsen unterschiedliche<br />
146 http://www.kultursensible-altenhilfe.net<br />
153<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Bedürfnisse und Probleme. Die Sozialstruktur muslimischer Familien ist<br />
nach Einschätzung der Migrantenberatungsstelle noch tragfähig, Kinder<br />
nehmen ihre Verantwortung für die Versorgung alter Familienmitglieder<br />
ernst und sehen dies als nicht externalisierbare Pflicht. Dies ist bei Alten<br />
osteuropäischer Herkunft insofern anders, weil dort kleinfamiliäre<br />
Strukturen vorherrschen. Allerdings ist damit zu rechnen, dass ähnliche<br />
Entwicklungen auch bei muslimischen Familien eintreten werden.<br />
Bereits jetzt ist in vielen Altenpflegeeinrichtungen ein hoher Anteil des<br />
Pflegepersonals selbst osteuropäischer Herkunft. Dadurch wird vielfach<br />
eine kulturspezifische Betreuung für diese Gruppe möglich. Die kulturspezifische<br />
Ausrichtung von Pflegeangeboten für Muslime in Stadt und<br />
Landkreis Göttingen scheitert bislang an der zu geringen Nachfrage und<br />
damit mangelnder Rentabilität. Spezifische Angebote sind vor allem in<br />
Großstädten mit hohem Ausländeranteil zu finden, etwa in München,<br />
Frankfurt und Berlin.<br />
In Göttingen bietet das Institut für angewandte Kulturforschung e. V. Trainings<br />
zur kultursensiblen Altenpflege im ambulanten Dienst an, die auf<br />
den konkreten Bedarf zugeschnitten werden.147 Die Akademie des DRK<br />
e. V. Göttingen hat das Programm in sein Konzept “Kultursensible Pflege<br />
im ambulanten Dienst“ aufgenommen.148<br />
Gute Beispiele<br />
In Stadt- und Landkreis Göttingen gibt es in der Gesundheitswirtschaft<br />
eine Vielzahl guter Beispiele, die Ausdruck der Bemühungen von Anbietern<br />
von Produkten und Dienstleistungen sind, ihre Geschäftspolitik an<br />
den Bedürfnissen von SeniorInnen auszurichten. Das gilt für die Produktion<br />
im Bereich der Orthopädietechnik, das zeigt sich aber auch bei den<br />
vielfältigen Angeboten von Optikern, Hörgeräteakustikern, Drogerien und<br />
Sanitätshäusern.<br />
Apotheken und Sanitätshäuser<br />
Apotheken und Sanitätshäuser scheinen gut auf die Zielgruppe der Senioren<br />
eingestellt zu sein. Es würde den Rahmen der Studie sprengen,<br />
diesbezüglich eine Bestandsaufnahme zu machen. Dennoch soll auf<br />
einzelne Aspekte eingegangen werden.<br />
Eine Umfrage bei den der Apothekengruppe Linda angehörigen Apotheken<br />
Göttingens hat ergeben, dass alle Apotheken mindestens eine Beratungsecke<br />
haben, in der sensible Themen, wie etwa Inkontinenz, besprochen<br />
werden können. Die meisten Apotheken verfügen sogar über ein eigens<br />
dafür eingerichtetes Beratungszimmer. Oft liegen Produktmuster und<br />
Anschauungsmaterial bereit.<br />
147 http://www.ifak-goettingen.de<br />
148 http://www.drk-akademie.drk.de<br />
154
Eine Apothekerin machte die Beobachtung, dass einige Senioren mittlerweile<br />
selbstsicherer und offener mit früheren Tabuthemen wie Altersinkontinenz<br />
umgehen, da diese mittlerweile schön öfter in den Medien<br />
thematisiert werden. Ein Apotheker bemerkte, dass Seniorinnen bei<br />
persönlichen Themen eher die Beratung von weiblichem Apothekenpersonal<br />
nachfragen.<br />
Es gibt im Landkreis Göttingen eine Reihe von Sanitätshäusern. Das<br />
Sortiment des von den Autoren besuchten Sanitätshauses umfasst eher<br />
typische Artikel wie Rollstühle, Angora-Unterwäsche und Verbandsmaterial.<br />
Universal Design spielt eher eine untergeordnete Rolle, obwohl<br />
neben Senioren durchaus auch jüngere Kunden das Geschäft aufsuchen<br />
wie z. B. Schwangere. Marketing wird z. B. über Ärzte, Hausbesuche<br />
sowie Alten- und Pflegeheime betrieben. Das Sanitätshaus wird über<br />
neue Produkte durch Außendienstmitarbeiter der Zulieferfirmen und über<br />
Messebesuche informiert.<br />
Viele Menschen sind darauf angewiesen, dass die Krankenkassen die<br />
Leistungen bezahlen. Dass sich viele Senioren nicht richtig informiert<br />
fühlten, überrascht den Inhaber nicht. Die Beschäftigten im Sanitätshaus<br />
sind zum größten Teil älter als 50 Jahre. Höhere Glaubwürdigkeit, ausgeprägtes<br />
Einfühlungsvermögen und angemessener Umgangston gegenüber<br />
älteren KundInnen spreche für den Einsatz älterer Mitarbeiter. Bei<br />
Themen wie Diabetes und Inkontinenz lassen sich Männer meist lieber<br />
von Gleichaltrigen beraten<br />
Gesundheitsberatung Friedland<br />
Die Gesundheitsberatung Hermeier in Friedland treibt Prävention in dem<br />
Bemühen, ältere Kunden (die meisten ab 70) vor Pflegebedürftigkeit und<br />
Krankheit zu schützen. Meist sind es ältere Menschen, die bereits ein<br />
gesundheitliches Handicap haben und die fürchten, wenn ein weiteres<br />
dazukommt, der Weg ins Pflegeheim unvermeidlich werde. Das Konzept<br />
der Diplom-Pflegewirtin Heike Hermeier hat drei Säulen: Ernährung, Bewegung<br />
und Entspannung. Das Thema “Sturzprophylaxe“ bezeichnet sie<br />
als wichtig.149 Es müsse SeniorInnen bewusst gemacht werden, dass mit<br />
steigendem Alter die Sturzgefahr steige. Wichtig sei es zu identifizieren,<br />
wo im Haushalt Stolperfallen liegen.<br />
Für die Präventionsberatung ist keine spezielle Zulassung erforderlich. Die<br />
Leistungen werden überwiegend privat finanziert, nur in wenigen Fällen<br />
übernehmen die Krankenkassen die anfallenden Kosten einer Präventionsberatung.<br />
Autogenes Training wird nach einer Sondervereinbarung<br />
mit den Krankenkassen (BKK und AOK) übernommen. Die Hermeier<br />
Gesundheitsberatung geht davon aus, dass sich an der überwiegend<br />
privaten Finanzierung kaum etwas ändern wird. Ein von der rot-grünen<br />
Bundesregierung diskutiertes Präventionsgesetz wurde inzwischen auf<br />
Eis gelegt.<br />
149 Gespräch vom 7. Juni 2006<br />
155<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
An den Problemen bei der Finanzierung der Gesundheitsberatung zeigt<br />
sich, dass viele der SeniorInnen sich daran gewöhnen müssen, dass<br />
Gesundheitsdienstleistungen privat bezahlt werden müssen. Es ist auch<br />
langfristig nicht damit zu rechnen, dass das Vorlesen von Zeitungen oder<br />
die Tätigkeit von Gesellschaftsdamen über Beiträge oder Steuern finanziert<br />
werden können. Derzeit definieren sich die Angebote stark darüber, was<br />
von der Krankenkasse bezahlt wird und was nicht.<br />
Nach Abschluss ihrer Altenpflegeausbildung absolvierte Heike Hermeier<br />
ein Fernstudium “Pflegewissenschaft“ und arbeitete danach in der ambulanten<br />
Pflege und im teilstationären Bereich. Seit dem 1. Januar 2005 hat<br />
sie sich als Gesundheitsberaterin selbstständig gemacht und ist parallel zu<br />
ihrer Arbeit als Präventionsberaterin auch als Dozentin für die VHS tätig.<br />
Pflegekonferenz Braunschweig<br />
Das Seniorenbüro der Stadt organisiert die Pflegekonferenz in Braunschweig.<br />
Beteiligt ist eine sehr große Anzahl von Institutionen. 0 Die<br />
Organisation der Pflegekonferenz ist im Gesundheits- und Sozialdezernat<br />
der Stadt Braunschweig konzentriert. Die Stadtverwaltung hält die Konferenz<br />
für ein sinnvolles Instrument, das auf große Akzeptanz stoße. Es<br />
wurden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, die selbstständig arbeiten<br />
und konkrete Ergebnisse vorgelegt haben (z. B. Überleitungsbogen).<br />
Zwar wurden nach Darstellung des Seniorenbüros bestimmte Themen<br />
vorgegeben. Auf der Pflegekonferenz seien aber auch Fragen aufgetaucht,<br />
mit denen niemand vorher gerechnet habe, so seien die Einbindung des<br />
Ehrenamtes, neue Wohnformen oder eine Petition zur Entbürokratisierung<br />
erst im Verlauf der Konferenz zur Sprache gekommen.<br />
Auch in Braunschweig ist die Konkurrenz unter den Anbietern groß.<br />
Kaum jemand lässt sich gerne in die Karten schauen. Dennoch ist die<br />
Pflegekonferenz eine gute Kommunikationsplattform. Vor allem entsteht<br />
Transparenz über die Schnittstellen der Zusammenarbeit. Ein besonderer<br />
Schwerpunkt liegt in Braunschweig im Thema Migration; hier gibt es im<br />
Bereich ambulante Pflege zunehmend Probleme.<br />
Impulse für die Diskussion der ambulanten Pflege verstärkte die Stadt<br />
Braunschweig in den letzten Jahren durch eine Wiederaufnahme der<br />
Altenhilfeplanung. Versucht wurde unter anderem, die im Memorandum<br />
zur Altenhilfe und Altenarbeit in Deutschland 1995 formulierte Forderung<br />
nach einer demokratischen Kultur des Helfens auszudifferenzieren. Um<br />
diese entstehen zu lassen, sei nicht nur ein moralischer Appell nötig,<br />
sondern möglichst gemeinsame Verständigung aller Beteiligten über die<br />
Fragen: Wo stehen wir heute? Wo wollen wir hin? Welches ist der richtige<br />
150 Dazu gehören Leistungserbringer (freie Wohlfahrt, private Träger), stationäre/teilstationäre Träger,<br />
Lebenshilfe Braunschweig, Krankenhäuser, Kassenärztliche Vereinigung, Hospizarbeit Braunschweig,<br />
Selbsthilfegruppen (KIBIS), Angehörigengruppen (ambet e.V., Der Weg), Heimbeirat, Heimfürsprecher,<br />
Seniorenrat, Behindertenbeirat, Pflege- und Krankenkassen, örtlicher Sozialhilfeträger, Medizinischer<br />
Dienst der Krankenversicherung, Wohlfahrtsverbände (AGW), AG Sozialstationen, Verbände der privaten<br />
ambulanten/stationären Träger, Altenpflegeschulen, Gesundheitsamt, ÖTV/DAG, Ausländerkoordinierungsstelle,<br />
Gleichstellungsbeauftragte, Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, Alzheimer Gesellschaft<br />
sowie die Heimaufsicht.<br />
151 Beteiligt sind Leiter des Fachbereichs Gesundheit und Soziales, Leiter der Abteilung Behindertenhilfe<br />
und Senioren, Leiterin des Seniorenbüros, Koordinator Altenhilfeplanung, Sprecher der Arbeitsgruppen<br />
sowie die Sozialplaner.<br />
156
Weg? Diese Fragen würden nicht “der Markt“, “die Wohlfahrtspflege“,<br />
“die Verwaltung“ oder “die Kostenträger“ jeweils für sich beantworten,<br />
sondern müssten in einer Phase der gemeinsamen Arbeit geklärt werden.<br />
In Arbeitsgruppen wurde ein Leitbild zur Weiterentwicklung der Altenhilfeplanung<br />
zu folgenden Themen bearbeitet: Offene Altenpflege, Prävention<br />
und Hilfen im Vorfeld der Pflegebedürftigkeit, Wohnen im Alter und<br />
altengerechte Stadtteile, Pflege in der Häuslichkeit und in Einrichtungen<br />
und die Situation älter werdender Migrantinnen und Migranten.<br />
Sport und Fitness<br />
Der Bereich Freizeitsport wies jahrzehntelang eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung<br />
auf, die sich in steigenden Umsätzen und einer wachsenden<br />
volkswirtschaftlichen Bedeutung niederschlug. Neben dem kommerziellen<br />
Aspekt ist aber vor allem auch der gesundheitspolitische Aspekt (Präventionsfunktion)<br />
für die Volkswirtschaft zu beachten. Dies gilt gerade auch<br />
für Angebote im Bereich Seniorensport. Viele Senioren wollen mehr für<br />
ihren Körper tun und treiben regelmäßig Sport. Sportangebote für Senioren<br />
gibt es vor allem in Sportvereinen, jedoch stellen sich auch immer mehr<br />
Fitnessstudios auf diese Zielgruppe ein.<br />
Individuelle Einschätzungen<br />
„Die Senioren, die Sport machen, haben einfach eine andere Vitalität.<br />
Das sieht man auch beim Einkaufen.“ (Dransfeld)<br />
„Wenn man auch im Alter mehr macht, wird man weniger krank. Mindestens<br />
50 Prozent aller Krankheiten sind doch psychosomatisch. Das<br />
Beste, was man machen kann, ist Sport. Bis vor wenigen Jahren habe<br />
ich auch noch Abfahrtsski gemacht. Aber in der Schule wird auch heute<br />
viel zu wenig Sportunterricht erteilt. “ (Göttingen)<br />
„Man muss fit bleiben. Ich gehe jeden Morgen um 7.00 Uhr zum<br />
Schwimmen. “ (Hann. Münden)<br />
„Ich gehe ins Fitnesscenter, vormittags sind da fast nur alte Leute.“<br />
(Hann. Münden)<br />
Bestandsaufnahme im Landkreis Göttingen<br />
Die Städte und Gemeinden im Landkreis Göttingen bewerten die Angebote<br />
für Sport und Freizeit für Senioren überwiegend als gut. Den Sportvereinen<br />
attestieren sie durchweg ein gutes Management und geeignetes Angebot,<br />
auch für Ältere. Der Gesundheitssport gewinnt nach ihrer Einschätzung<br />
an Bedeutung.<br />
Alle Befragten verwiesen auf die vielschichtigen Freizeitangebote im landschaftlich<br />
attraktiven Landkreis Göttingen. Einer der Schwerpunkte liegt<br />
bei den zahllosen Wandermöglichkeiten. Die Kommunen engagieren sich<br />
in vielfältiger Weise mit der Zielsetzung, die Angebote noch zu verbessern<br />
152 Hartmut Dybowski, Referat 0500 Sozialplanung der Stadt Braunschweig<br />
157<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
und damit den Standort Landkreis Göttingen weiter aufzuwerten. So hat<br />
sich neben dem Landkreis Göttingen auch die Samtgemeinde Dransfeld<br />
an der behinderten- und seniorengerechten Gestaltung des Eingangs zum<br />
Gaußturm beteiligt. Zudem wurde ein Fahrstuhl bis zur halben Höhe eingebaut.<br />
Die zahlreichen Wander- und Radwege des Samtgemeindegebietes<br />
in Dransfeld sprechen insbesondere auch Senioren an. Sie gehören auch<br />
zu den Zielgruppen der eingerichteten Themenpfade.<br />
Nach Beobachtungen des Bürgermeisters der Gemeinde Friedland stellen<br />
sich auch die Sportvereine auf die veränderte Nachfrage ein. So wird z. B.<br />
mehr und mehr Rückenschulung und Walking angeboten. Die Freizeitangebote,<br />
nicht zuletzt durch die Heimatvereine auf den Dörfern, bewertet er<br />
als vielfältig. Probleme sieht er bei der Ausrichtung von Altennachmittagen:<br />
Dort ist die Beteiligung zurückgegangen. Die Gemeinde überlegt jetzt, ob<br />
die Angebote eher generationenübergreifend gestaltet werden können.<br />
In der Gemeinde Rosdorf bieten die Sportvereine in fast jeder Ortschaft<br />
seniorengerechten Sport an, vom Sitztanzen bis Gymnastik für Frauen oder<br />
Männer 50plus. Diese Angebote werden recht gut angenommen.<br />
Dass gerade in den Dörfern eher generationenübergreifende Angebote<br />
angenommen werden, beobachtet auch die Samtgemeinde Gieboldehausen.<br />
Die Gemeinde Gleichen führt derzeit intensive Gespräche mit den Sportvereinen.<br />
Ziel ist es, durch Kooperationen zwischen den Vereinen in den<br />
verschiedenen Dörfern ein qualitativ hochwertiges Angebot aufrechtzuerhalten.<br />
Schon jetzt hat der Bürgermeister die geburtenstarke Gruppe<br />
der derzeit 35- bis 40-Jährigen im Auge. Wenn sie ihre berufliche Tätigkeit<br />
beenden, sollen sie für ehrenamtliche Arbeit gewonnen werden. Sport<br />
und Freizeit sind nach Einschätzung des Bürgermeisters wichtig, um der<br />
Vereinsamung der Älteren entgegenzutreten. Dieses Problem tritt immer<br />
dann in besonderer Weise auf, wo die Mobilität der Älteren eingeschränkt<br />
ist.<br />
Nach Einschätzung des Verwaltungsvorstands in Hann. Münden ist das<br />
Fehlen eines Hallenbades im Stadtgebiet gerade für Senioren ein echtes<br />
Problem. Von dieser Ausnahme abgesehen, gibt es in Hann. Münden<br />
aber ein attraktives Sport-, Freizeit- und Kulturangebot. Gerade Senioren<br />
haben vielfältige Möglichkeiten, mit dem Rad zu fahren, zu wandern und<br />
Wassersport zu treiben.<br />
Auch die Gemeinden der Samtgemeinde Radolfshausen bieten nach Einschätzung<br />
des Bürgermeisters gute Freizeitmöglichkeiten für Senioren.<br />
So gibt es in jeder Gemeinde Seniorentanzgruppen. Auch in Rosdorf wird<br />
das Freizeitangebot für Senioren als gut eingestuft. Eine Besonderheit in<br />
Staufenberg sind die geführten Wanderungen im Naturpark. Die Gemeinde<br />
beteiligt sich am Projekt „Zertifizierter Rundwanderweg“ einschließlich<br />
eines Hol- und Bringservice.<br />
158
Sportvereine in Stadt und Landkreis Göttingen<br />
Im Rahmen der <strong>Potenzialanalyse</strong> “<strong>Seniorenwirtschaft</strong>“ sind die Autoren<br />
der Frage nachgegangen, ob in den Sportvereinen durch den demographischen<br />
Wandel neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen können.<br />
Um diese Frage zu beantworten, musste zunächst geklärt werden, wie<br />
sich die Mitgliederzahlen und Altersstrukturen in den Sportvereinen im<br />
Landkreis Göttingen in den letzten Jahren entwickelt haben. Ausgehend<br />
von der These, dass es im Seniorensportbereich ein Beschäftigungs-<br />
und Wachstumspotenzial auch für Sportvereine gibt, musste außerdem<br />
untersucht werden, ob und wie die Sportvereine die Angebote gezielt für<br />
Ältere entwickeln.<br />
Der Kreissportbund Göttingen umfasst 283 Sportvereine mit 63.000 Vereinsmitgliedern,<br />
davon 43 Prozent weibliche Mitglieder. Statistisch sind<br />
44 Prozent aller Einwohner des Landkreises Göttingen Mitglied eines<br />
Sportvereins. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass es sich bei den Zahlen<br />
auch um Doppelmitgliedschaften handelt. 19.800 Kinder und Jugendliche<br />
bis 18 Jahre sind Mitglieder in einem Sportverein. 9.800 Vereinsmitglieder<br />
haben das 60. Lebensjahr bereits überschritten.<br />
Der Kreissportbund Göttingen wies in den letzten Jahren folgende Mitgliederstruktur<br />
auf:<br />
ausgewählte<br />
altersgruppen<br />
Im größten Sportverein des Landkreises Göttingen, dem ASC Göttingen,<br />
sieht es wie folgt aus:<br />
Die Tendenz bzgl. der ausgewählten Altersgruppen 41–60 Jahre und über<br />
60 Jahre ist sowohl auf Landkreis-Ebene als auch im größten Verein leicht<br />
steigend.<br />
153 Zahlen des Kreissportbundes Göttingen (2006)<br />
154 Ebd.<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />
41–60 jahre 15982 16821 16926 16804 16724 16995 16847<br />
> 60 jahre 6977 7980 8609 9075 9533 9534 9711<br />
ausgewählte<br />
altersgruppen<br />
Gesamt 62179 64371 64285 65045 64799 63721 62918 Abbildung 39: Mitgliederstruktur<br />
des Kreissport-<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />
41–60 jahre 1231 1281 1224 1219 1203 1239 1262<br />
> 60 jahre 1650 1737 1748 1759 1666 1672 1720<br />
159<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
bundes Göttingen<br />
Gesamt 2881 3018 2972 2978 2869 2911 2982 Abbildung 40: Mitgliederstruktur<br />
des ASC Göttingen
Es gibt ca. 2.750 ehrenamtliche Vorstandsmitglieder, Abteilungsleiter<br />
oder Spartenleiter in den Sportvereinen. Tätig sind 620 Übungsleiter und<br />
Trainer mit Lizenzausbildung. Dazu kommen noch einmal ebenso viele<br />
Übungsleiter, Betreuer und Helfer ohne Lizenz.<br />
Der Kreissportbund Göttingen gestaltet jährlich 25 bis 30 Lehrgangsangebote<br />
zur Aus- und Fortbildung von 500 bis 600 Übungsleitern im Breitensport,<br />
Gesundheitssport, Kindersport und Seniorensport. Hinzu kommen<br />
Lehrgänge der Fachverbände. Jährlich werden bis zu 1.800 Sportabzeichen<br />
von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen abgelegt.<br />
Es kann prognostiziert werden, dass immer mehr Menschen ihr Leben lang<br />
Sport treiben. Während früher viele Sportler ihre Aktivitäten einstellten,<br />
wenn die Wettkampfsportphase endete, die Berufstätigkeit begann und/<br />
oder die Familie gegründet war, sind viele Menschen heute kontinuierlich<br />
bis ins hohe Seniorenalter sportlich aktiv.<br />
Der Senioren- oder Gesundheitssport lässt sich nicht klar abgrenzen.<br />
Während im Leistungssport der Wettkampf im Vordergrund steht, tritt im<br />
Senioren- bzw. Gesundheitssport das Fithalten bzw. die Verlangsamung<br />
des körperlichen Verfalls in den Vordergrund. Außerdem spielt der soziale<br />
Aspekt der Geselligkeit gerade im Seniorensport eine große Rolle: ein<br />
Bedürfnis, das mehr von den Vereinen als von den Fitnesscentern erfüllt<br />
wird.<br />
Für Senioren gibt es eine ganze Fülle von Angeboten. Als Beispiel sei hier<br />
der Montagstreff für Ältere am Kiessee genannt. Von Mai bis Oktober treffen<br />
sich regelmäßig kanubegeisterte SeniorInnen zum Paddeln. Außerdem<br />
organisiert z. B. der Stadtsportbund Göttingen Seniorenfreizeiten und -aktivitäten<br />
für Ältere ab 50. Weitere Beispiele aus dem Landkreis Göttingen<br />
zeigen, dass SeniorInnen noch bis ins hohe Alter etwas für ihren Körper<br />
tun und sich fit halten: Im Freibad am Brauweg zieht ein 72-jähriger Senior<br />
regelmäßig seine Bahnen: „Ich schwimme meine 1.000 Meter und danach<br />
fühle ich mich fit wie ein Turnschuh.“ Eine 71-jährige Seniorin schildert:<br />
„Ich brauche die sanfte Art, den Körper zu trainieren.“ Ihr umfangreiches<br />
Trainingsprogramm absolviert sie in drei Gymnastikgruppen des ASC<br />
Göttingen, seit 30 Jahren in einem Kegelclub und auch in der Schießsportgemeinschaft<br />
ihres ehemaligen Arbeitgebers. Die geistig-seelische<br />
Komponente ihrer Körperertüchtigung bildet seit 35 Jahren die Eurythmie,<br />
eine expressive Bühnentanzkunst. Während des Winterhalbjahres widmet<br />
sie sich darüber hinaus dem Qigong sowie dem Tai-Chi. Aus Erfahrung<br />
weiß die aktive Seniorin: „Wer seinen Körper ganzheitlich trainiert, dem<br />
hilft das in jeder Lebenssituation.“ Seit 30 Jahren trifft sich eine Gruppe<br />
von SeniorInnen zweimal wöchentlich auf dem Jahnplatz in Göttingen.<br />
Die Gruppe besteht aus fünf SeniorInnen. Im Anschluss an das Nordic<br />
Walking am Kiessee spielt die Gruppe noch Boule.<br />
Seit 20 Jahren besteht die “Senioren-Gemeinschaft im ASC 1864“. Sie hat<br />
es sich zur Aufgabe gemacht, den sportlichen Geist insbesondere bei SeniorInnen<br />
aktiv wachzuhalten und gleichermaßen mit ihren kulturellen und<br />
Freizeit-Angeboten Freude und Abwechslung für die älteren Mitglieder des<br />
Vereins zu fördern. Als eigener Fachbereich hat die Senioren-Gemeinschaft<br />
heute 917 Mitglieder. Der Rundbrief der Senioren-Gemeinschaft zeigt<br />
160
auf beeindruckende Weise die Vielfalt des Angebotes für SeniorInnen:<br />
Es werden neben einer Vielzahl von Gymnastikangeboten verschiedene<br />
Sportangebote speziell für SeniorInnen angeboten. Es gibt eine Reihe von<br />
(Halb-)Tagesfahrten, Vorträge und Feiern. Außerdem werden in zweiwöchentlichem<br />
Abstand kleine Seniorenwanderungen (bis 8 km) angeboten.<br />
Im ASC-Clubhaus ist ein Seniorenbüro eingerichtet, welches zweimal in der<br />
Woche geöffnet ist. Im Pro-Aktiv Gesundheitszentrum im Altenzentrum<br />
wird einmal pro Woche eine Sprechstunde für Gesundheitssport (z. B. Herz,<br />
Krebs, Lunge, Osteoporose, Parkinson, Wirbelsäule usw.) angeboten.<br />
Der Verein beschreibt die Motive der SeniorInnen so: „Am Anfang steht<br />
das Interesse und die Sympathie, mitzumachen. Man geht aufeinander<br />
zu, was am Anfang jeder Freundschaft steht. Durch die gemeinsamen<br />
Übungen und Erlebnisse werden Kontakte gestaltet und gepflegt. Man<br />
öffnet sich dem anderen, wodurch Nähe und Vertrauen entstehen. Für<br />
viele Senioren ist der Sport bedeutsam, um die eigene Leistungsfähigkeit<br />
besser einschätzen zu können. Gleichgewichtsübungen sind zudem<br />
wichtig, um die Sturzgefahr im Alltag zu mindern.“<br />
Übungsleiter im Wettkampfsport entstammen oft genau diesen Sportarten<br />
und definieren sich über diesen Wettkampfgedanken. Der jedoch fehlt im<br />
Seniorensport. Den Vereinen fällt es deshalb nicht leicht, Übungsleiter<br />
für diese Bereiche zu gewinnen. Aus Sicht der Senioren sollten Übungsleiter<br />
die körperlichen Einschränkungen des Alters gut nachvollziehen<br />
können.<br />
Die Entwicklung in den Sportvereinen erfolgt häufig durch Initiative und<br />
Engagement einzelner Akteure und wird selten strategisch geplant: Neue<br />
Angebote entstehen, wenn z. B. Übungsleiter eigene Vorstellungen verwirklichen<br />
wollen und dabei auf positive Resonanz sowohl bei den Vorständen<br />
treffen als auch seitens der Sporttreibenden. Die zurückliegenden Versuche<br />
des Kreissportbundes Göttingen, gezielt und von außen Angebote<br />
in den Vereinen zu etablieren, sind nicht immer erfolgreich gewesen. Eine<br />
Vereinsumfrage 2003 im Kreissportbund hat ergeben, dass nur wenige<br />
Vereine neue Angebote im Seniorensport für notwendig halten.<br />
Vermehrte Angebote für SeniorInnen werden sowohl durch die mangelnde<br />
Flexibilität von Vereinsvorständen und durch das Fehlen ausreichend<br />
qualifizierter Übungsleiter begrenzt. Einschränkend kommt hinzu, dass<br />
viele Senioren gerne vormittags Sport treiben – zu Zeiten also, zu denen<br />
die Sporthallen durch Schulklassen belegt sind.<br />
Auf neue Entwicklungen und Bedürfnisse im Sportbereich reagieren vor<br />
allem die größeren Sportvereine. Nordic Walking, Aqua Jogging oder<br />
Wandern sind dafür Beispiele. Durch neue Trends entsteht zwar Fortbildungsbedarf<br />
für Übungsleiter, allerdings keine neue Beschäftigung im<br />
Sinne einer Festanstellung.<br />
155 Göttinger Senioren-Gemeinschaft für Sport und Freizeitgestaltung im ASC Göttingen 1846, Rundbrief<br />
„50plus und Senioren 2/2006“, Kontakt: Seniorenbüro im ASC-Clubhaus, Danziger Str. 21 37083<br />
Göttingen, 0551/5174642<br />
161<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Wenn auch in vielen Vereinen Angebote für SeniorInnen bestehen, werben<br />
die Mitglieder des Kreissportbundes Göttingen doch SeniorInnen nicht<br />
gezielt an. Noch immer genießt der Jugendsport Vorrang. Die Vereine<br />
wollen nicht in den Ruf kommen, reine Seniorenclubs zu sein. Bislang ist<br />
es nicht gelungen, Kooperationen mit Krankengymnasten zu entwickeln.<br />
Meist empfehlen Krankengymnasten ihren Patienten nicht explizit, sich<br />
Sportvereinen anzuschließen.<br />
Die Zukunft der Sportvereine hängt nach Einschätzung des Stadtsportbundes<br />
Göttingen vor allem von ihrer Flexibilität ab, auf neue Nachfragepotenziale<br />
zu reagieren. Gerade die Großvereine wie der ASC Göttingen<br />
oder WASPO 08 reagierten rasch auf neue Trends. Fraglich bleibe, ob die<br />
betriebswirtschaftlich organisierten Fitnesscenter sich gezielter auf die<br />
wachsende Zielgruppe der Senioren einrichten und dadurch Beschäftigungspotenzial<br />
schaffen. Zwar gebe es in den Vereinen auch viele Angebote<br />
für Senioren, doch nach wie vor seien viele Übungsleiter ehrenamtlich<br />
aktiv. Seniorensport sei also alles andere als eine “Job-Maschine“.<br />
Nach Einschätzung des Kreissportbundes Göttingen ist die Möglichkeit,<br />
vormittags Sport treiben zu können, ein wesentlicher Grund für den Erfolg<br />
vieler Fitnesscenter. Deren Angebote können Nutzer zeitlich sehr flexibel<br />
wahrnehmen, außerdem bevorzugen einige Menschen lieber individuell<br />
und ohne den Kontext eines Sportvereins Sport. Für Fitnesscenter spreche<br />
zudem der Aspekt des Prestiges, der mit dem Besuch dieser Einrichtungen<br />
verbunden sei.<br />
Der Kreissportbund Göttingen sieht jedoch nicht zwangsläufig ein Konkurrenzverhältnis<br />
zwischen Fitnesscenter und Sportvereinen. Wer ins<br />
Fitnesscenter gehe, kündige nicht unbedingt die Mitgliedschaft in seinem<br />
Sportverein.<br />
Fitness-Studios<br />
In den Fitness-Studios in Stadt und Landkreis Göttingen gehören aktiv<br />
trainierende Senioren bis zum Alter von achtzig Jahren und mehr zum<br />
normalen Bild. In der Betreuung wird individuell auf die Bedürfnisse von<br />
SeniorInnen eingegangen. Einige Fitnesscenter erwägen, Ermäßigungen<br />
für Senioren oder einen “Club 60plus“ einzuführen.<br />
Nach Angaben von Kieser-Training in Göttingen liegt der Altersdurchschnitt<br />
46 Jahren deutlich über dem anderer Fitnessstudios.156 60 Prozent der<br />
Kunden sind über 50 Jahre, 18 Prozent über 66. Zwar verfügt Kieser-<br />
Training über keine speziellen Angebote für SeniorInnen, doch zielt das<br />
Gesamtkonzept darauf ab, dass Leute zum Training kommen, die jenseits<br />
von 40 Jahren sind. Das Kieser-Konzept sieht sich als Ergänzung zu Sportvereinen,<br />
da man sich auf das Krafttraining spezialisiert habe: „Ausdauer<br />
kann nicht ersetzt werden“.<br />
Der Deutsche Sportstudioverband e. V. hat ein lizenziertes Fitness- und<br />
Wohlfühlprogramm mit dem Namen BEST AGE® 50plus entwickelt,<br />
das besonders auf die Bedürfnisse dieser Altersgruppen eingeht. Wich-<br />
156 Gespräch mit Geschäftsführer Roman Idzik am 30. Juni 2006<br />
162
tigstes Kalkül: ein gesundheitsorientiertes Training für eine verbesserte<br />
Lebensqualität – auch im Alter. Mit der Lizenznahme verpflichten sich<br />
die Fitness-Studios, Qualitätsstandards zu garantieren, die besonders für<br />
Menschen über 50 Jahren wichtig sind. Hierzu zählen: eine kompetente<br />
Betreuung durch professionell ausgebildetes Fachpersonal, spezielle<br />
Trainingsangebote für die Gruppe 50plus und Trainingsmöglichkeiten in<br />
allen Studiobereichen (Cardio/Kraft/spezielle Kurse).<br />
Die Angebote ermöglichen es somit auch Menschen mit gesundheitlichen<br />
Beschwerden wie Diabetes, erhöhtem Cholesterin, Bluthochdruck, Übergewicht<br />
oder Rückenbeschwerden, etwas für sich und ihren Körper zu<br />
tun – langfristig den Weg zurück in ein gesundes Leben. Gerade auch vor<br />
dem Hintergrund, dass soziale Kontakte in den „Besten Jahren“ immer<br />
wichtiger werden, so argumentiert der DSSV, ermögliche ein durch BEST<br />
AGE® 50plus zertifiziertes Sportstudio zusätzlich Erfahrungs- und Interessenaustausch,<br />
gegenseitige Motivation beim Training oder einfach nur ein<br />
geselliges Beisammensein im Gastrobereich. Nach dem 50. Lebensjahr<br />
reduziert sich der zu zahlende Mitgliedsbeitrag mit jedem weiteren Lebens-<br />
und Mitgliedsjahr um einen Euro. Somit werden Gesundheit und<br />
Wohlfühlen auch finanziell attraktiv.<br />
Der demografische Wandel wird auch Einfluss auf die Finanzdienstleistungen<br />
haben: Heutzutage besitzen die Menschen ab 50 schon etwa<br />
die Hälfte des Geldvermögens, und dieser Anteil wird bis zur Mitte des<br />
Jahrhunderts voraussichtlich sogar auf zwei Drittel ansteigen.<br />
Individuelle Einschätzungen<br />
„Ich fühle mich auch in finanziellen Dingen gut beraten. Wenn ich mehr<br />
Hilfe nötig hätte, wüsste ich, wo ich die kriegen kann. Nein, noch nie hat<br />
eine Versicherung es abgelehnt, mich aufzunehmen.“ (Göttingen)<br />
„Häufig kriegen Senioren keine Kredite mehr. Selbst wenn man sein<br />
Geld in die Sanierung seines eigenen Hauses stecken will, sagt die<br />
Bank häufig Nein. Meist wird die Bonität gar nicht mehr überprüft – es<br />
geht nur nach dem Alter. Selbst einen PC können ältere Leute nicht auf<br />
Kredit kaufen. Und die Reisekrankenversicherung ist für ältere Leute<br />
völlig unerschwinglich.“ (Rosdorf)<br />
„Meine 69-jährige Schwägerin wollte neulich bei einem Kreditinstitut<br />
einen Kredit über 7.000 Euro haben. Ihr wurde gesagt: Den kriegen sie<br />
nicht, sie sind schon zu alt. Sie ist dann nach Hause gegangen und hat<br />
erstmal eine Stunde lang geheult. Sie fühlte sich richtig diskriminiert.“<br />
(Duderstadt)<br />
„Manche Banken empfehlen 70-Jährigen noch, ihr Geld auf 15 Jahre<br />
anzulegen, das macht man doch nicht.“ (Duderstadt)<br />
157 Prof. Dr. G. Naegele 2006: “Finanzdienstleistungen und <strong>Seniorenwirtschaft</strong> – Dokumentation“.<br />
http://www.ffg.uni-dortmund.de/Tagungsdokumentationen/fus.php (11. September 2006)<br />
163<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
fInanzDIenstleIstungen
„Die Banken und Sparkassen denken doch nur an sich. Die wissen ganz<br />
genau, wie viel Geld die Älteren auf den Girokonten haben. Billiger<br />
kommen sie doch gar nicht an das Geld ran.“ (Duderstadt)<br />
„Es ist doch schön, wenn die Sparkasse Sportvereine oder Kultureinrichtungen<br />
unterstützt. Aber das ist doch letztlich unser Geld.“ (Duderstadt)<br />
„Bei uns war neulich ein Vertreter einer Bausparkasse, der hat uns richtig<br />
unter Druck gesetzt. Wir haben den Bausparvertrag unterschrieben, ihn<br />
aber am nächsten Morgen wieder storniert.“ (Duderstadt)<br />
„Als ich vor ein paar Jahren für einen Autokauf einen Kredit über 5.000<br />
Euro von der Bank haben wollte, wurde ich nach meinem Alter gefragt.<br />
Ich musste dann eine extra Versicherung abschließen.“ (Rosdorf)<br />
Trends im Finanzsektor<br />
Banken und Versicherungsunternehmen nähern sich mit zielgerichteten<br />
Angeboten den Kundengruppen der Senioren an. Grundsätzlich haben<br />
Finanzdienstleistungen für ältere Menschen die gleiche Funktion wie<br />
auch für andere Altersgruppen. Sie dienen dazu, das Einkommen für die<br />
Ausgaben verfügbar zu machen und dabei die Anlage- und Kreditbeziehungen<br />
adäquat zu pflegen.<br />
Da Finanzdienstleistungen ihre Strukturen und Wirkungen im Lebenszyklus<br />
der Menschen verändern und somit altersabhängig sind, gilt es, einige<br />
Besonderheiten zu beachten. So sinkt die Sparquote bei den 55- bis 74-<br />
Jährigen ab, steigt aber bei den 75- bis 85-Jährigen wieder an. Bezüglich<br />
ihrer Anlagestruktur greifen sie eher auf traditionelle Formen des Sparens<br />
zurück (Sparbuch, Sparkonto), wobei das Interesse an risikoreichen Anlageformen<br />
mit zunehmendem Alter rückläufig ist. Dies zeigt sich auch an den<br />
Anlagemotiven der älteren Menschen: Während die Aspekte Sicherheit<br />
und schnelle Verfügbarkeit von den Senioren und Seniorinnen als zentrale<br />
Kriterien genannt werden, treten spekulative Motive in den Hintergrund.<br />
Des Weiteren nimmt der Bedarf nach Informations- und Beratungsangebot<br />
zu. Hierzu ergab eine bundesweite Umfrage unter Senioren und<br />
Seniorinnen, dass gerade im Bankenbereich eine persönliche Betreuung<br />
gewünscht ist. Bankautomaten und Computerterminals stellen ältere<br />
Menschen oftmals vor Probleme, weil der Umgang als zu kompliziert<br />
empfunden wird. In diesem Bereich würden sich ältere Kunden und<br />
Kundinnen ein erhöhtes Beratungsangebot durch eine persönliche Bezugsperson<br />
wünschen.<br />
Auch im Bereich des Versicherungsbedarfs ergeben sich altersspezifische<br />
Veränderungen. Arbeitsbezogene Risiken entfallen weitestgehend, dafür<br />
entstehen im Alter neue Unfallrisiken oder das Risiko Pflegebedürftigkeit,<br />
die zunehmend in den Interessenvordergrund der älteren Menschen rücken.<br />
Außerdem wird auch die hohe Heterogenität der Altersgruppe Aus-<br />
158 Vgl. 5. Altenbericht der Bundesregierung<br />
164
wirkungen auf die Angebote der Finanzbranche haben. Ein Teil der älteren<br />
Kunden wird immer höhere Ansprüche an Produkt und Beratung stellen<br />
und ein Anlagekonzept erwarten, das persönliche Anlageziele und Rendite-<br />
und Risikoprofile einbezieht, während andere sich auf möglichst einfache<br />
und nachvollziehbare Versicherungs- und Sparformen beschränken.<br />
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Versicherungsprodukte<br />
entwickelt, die sich speziell an die Zielgruppe der Senioren wenden. Die<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) hat<br />
gegen verschiedene Produkte Bedenken. Der Ansatz sei richtig, die Ausführung<br />
aber oft schlecht. So biete die BAGSO seit knapp vier Jahren die<br />
Zertifizierung von Seniorenpolicen an. Das Ergebnis ist wenig erfreulich:<br />
Der größte Teil der von der BAGSO in erster Linie hinsichtlich Innovation,<br />
Relevanz für Senioren und Transparenz der mitgelieferten Informationen<br />
überprüften Produkte falle durch.<br />
Grundsätzlich rät daher die BAGSO, die Versicherungsfrage im Alter mit<br />
einem kritischen Blick zu betrachten. Das gelte für neu abzuschließende<br />
Versicherungen, das gelte aber auch für bereits vorhandene. Mitunter<br />
laufen sogar noch Berufsunfähigkeitsversicherungen. Und auch Rechtsschutz-<br />
und sogar Haftpflichtversicherungen gehören auf den Prüfstand.<br />
Rechtschutzpolicen, so ihre Erfahrung, enthalten oft Komponenten wie<br />
Arbeitsrecht oder Verkehrsrecht, die im Alter gar nicht mehr oder nicht<br />
mehr im gleichen Ausmaß relevant sind. Haftpflichtversicherungen sind<br />
oft vor Jahrzehnten für eine mehrköpfige Familie abgeschlossen worden,<br />
es gibt jedoch auch Haftpflichtversicherungen für Einzelpersonen. Noch<br />
sei es nicht immer ganz leicht, hier Produkte zu finden, die wirklich auf<br />
die Lebensbedürfnisse der Älteren zugeschnitten sind. Immer mehr Versicherer<br />
bringen hier jedoch passende Policen auf den Markt.<br />
Im Jahr 2005 haben allein die privaten Krankenversicherer 850.000 Zusatzversicherungen<br />
im Pflegefall verkauft. Die Pflegeversicherung übernimmt<br />
die nachgewiesenen (Mehr-)Kosten, zahlt aber bei häuslicher Pflege nicht<br />
immer. Außerdem muss der Versicherte meist selbst aufkommen. Bei der<br />
stationären Pflege ist die DKV eine der wenigen Anbieter, die 100 Prozent<br />
des vereinbarten Tagegelds in allen drei Pflegestufen zahlen. Policen<br />
kosten je nach Einstiegsalter und Geschlecht ab 5 Euro im Monat. Bei<br />
einer Pflegetagegeldversicherung bekommt der Versicherte ein vorher<br />
vereinbartes Tagegeld ausgezahlt, ganz gleich, ob er im Heim oder zu<br />
Hause gepflegt wird.<br />
Zu den Aufgaben im Rahmen dieser Studie gehörte es nicht, die Produkte<br />
von hiesigen Versicherungsgesellschaften sowie Banken und Sparkassen,<br />
die sich an die Zielgruppe der Älteren richten, zu untersuchen. Die narrativen<br />
Gesprächsrunden ergaben, dass SeniorInnen in ihrer Wahrnehmung<br />
keine hohe Priorität bei den Anbietern von Finanzdienstleistungen genießen.<br />
Mehr noch: Nach Aussagen von Befragten haben Ältere Probleme,<br />
von Banken und Sparkassen im Landkreis Göttingen und in der Stadt<br />
Göttingen Kredite zu erhalten. Das gilt insbesondere für Konsumentenkre-<br />
165<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
neue meDIen unD<br />
telekommunI-<br />
katIon<br />
dite. Die Diskussion um die Finanzierung von Maßnahmen zur Sanierung<br />
von Kanälen in Göttingen zeigte sogar, dass auch die Finanzierung von<br />
Investitionsmaßnahmen privater Hausbesitzer schwierig ist.<br />
Die Sparkasse Hann. Münden bestätigte auf Anfrage, dass Älteren nur<br />
ungern Kredit gewährt wird. Zwar werde jeder Einzelfall auch unter dem<br />
Aspekt der Bonität sorgfältig geprüft, doch zunächst sei es ein Handicap,<br />
wenn potenzielle Kunden das siebzigste Lebensjahr überschritten haben.<br />
Zu beachten ist dabei, dass Banken und Sparkassen selbst bewertet (Rating)<br />
werden und ihrerseits nach den Vorgaben von “Basel II“ KundInnen<br />
nach ihrer Bonität einstufen. Die Kreditinstitute unterliegen den Bestimmungen<br />
der Bundesgesetze und der Bundesaufsichtsämter.<br />
Die Heterogenität der Altersgruppe der SeniorInnen spiegelt sich auch in<br />
den speziellen Wünschen, Bedürfnissen und Barrieren bzgl. der Finanzdienstleistungen<br />
wider. Dadurch ergibt sich ein vermehrter Beratungs- und<br />
Betreuungsbedarf mit erhöhten Anforderungen an das Personal.<br />
Wirtschaftliche Impulse zur Förderung von Gesundheit, Sicherheit und<br />
Lebensqualität im Alter werden insbesondere von den neuen Informations-<br />
und Kommunikationstechnologien erwartet. Die Technologien bieten<br />
eine Fülle von Möglichkeiten, vorhandene Angebote z. B. bei Handel und<br />
Handwerk neu zu organisieren und neue Angebote zu entwickeln. Dazu<br />
gehören auch Angebote im Bereich Mobiltelefonie.<br />
Individuelle Einschätzungen<br />
„Das ganze Thema Medien ist ein sträflich vernachlässigter Bereich, was<br />
wir brauchen, sind einfache und brauchbare Geräte, auch für Senioren!“<br />
(Göttingen)<br />
„Ich bin beim Thema Internetbanking skeptisch, genauso wie gegenüber<br />
Geldautomaten. Ich frage mich, ob nicht Banken Internetkurse organisieren<br />
können.“ (Dransfeld)<br />
„Ich war zwanzig Jahre lang EDV-Beauftragter eines Krankenhauses. Die<br />
KVHS bietet EDV-Schnupperkurse für Senioren an, doch die Resonanz<br />
ist unterschiedlich. Man muss die Älteren sensibel an die EDV heranführen.<br />
Wenn ich es recht überlege, könnte ich dabei helfen.“ (Hann.<br />
Münden)<br />
„Ich habe beruflich viele Jahre mit Computern gearbeitet, ich weiß,<br />
was die können. Deshalb scheue ich mich auch, Einkäufe im Internet<br />
zu tätigen. Ich kaufe lieber im Handel in Duderstadt und nicht so anonym.<br />
Wenn die Läden in der Innenstadt sterben, sind wir selbst schuld.“<br />
(Duderstadt)<br />
„Mein Enkel hat seine neue Stelle über das Internet gekriegt, das war<br />
eine tolle Erfahrung für uns.“ (Duderstadt)<br />
166
„Ich habe einen alten PC und verschicke E-Mails, ich finde das sehr<br />
interessant. Das Internet nutze ich aber nie zum Einkauf oder Online-<br />
Banking. Ich will ja schließlich Leute treffen, was soll ich da mit dem<br />
Internet.“ (Göttingen)<br />
Bestandsaufnahme<br />
Neben der Volkshochschule Göttingen und der Kreisvolkshochschule des<br />
Landkreise Göttingen, die spezielle Internetkurse für Senioren anbieten,<br />
wurde im Mai 2005 in Göttingen ein Unternehmen gegründet, das SeniorInnen<br />
im Umgang mit dem Computer oder in der Nutzung des Internets<br />
schult. Das besondere an dem Angebot des Allgemeinen Beratungsservices<br />
(ABS) ist, dass die SeniorInnen bei sich zu Hause fortgebildet werden.<br />
Gerade der Unterricht in den eigenen vier Wänden ist nach Einschätzung<br />
des ABS von großer Bedeutung für die SeniorInnen. Viele SeniorInnen<br />
hätten in Gruppenschulungssituationen Angst und trauten sich nicht,<br />
Fehler zuzugeben. Dagegen beinhalte das Konzept des ABS Flexibilität in<br />
der Zeiteinteilung der Unterrichtseinheiten.<br />
Die Dransfelder Internetgruppe “Die Jungsenioren“ zeigt seit fünf Jahren<br />
erfolgreich, dass Internet und SeniorInnen gut zueinander passen. Die Kurse<br />
haben erste Berührungsängste abbauen können, doch vertraut war der<br />
Computer noch lange nicht. An das Internet mit all seinen Möglichkeiten<br />
war auch nach dem zweiten Kurs nicht zu denken. Allein zu Hause vor<br />
dem eigenen Computer: Wie sollte man da Probleme, die beim Gebrauch<br />
auftraten, lösen? Wie sich zurechtfinden?<br />
„Ein Internetcafé für Senioren, das wäre doch sinnvoll“, mit dieser Idee im<br />
Seniorenbeirat begann alles, erinnert sich Edeltraut Freiboth. Sie und ihr<br />
Mann Hermann nahmen sich der Idee an, „und dann lief eigentlich alles<br />
von selbst.“ Rochus Winkler, zuständig für das Jugendzentrum in Dransfeld,<br />
bot die Computerarbeitsplätze im Jugendzentrum zur Mitnutzung an.<br />
Ein echter Glücksfall, wie sich im Laufe der Zeit zeigen sollte: Während<br />
die Jugendlichen sich in den unteren Räumen trafen, wurde oben am<br />
Computer geübt und gearbeitet. Wann immer Probleme auftraten, halfen<br />
Jugendliche und gaben so die Möglichkeit, sich mit dem neuen Medium<br />
vertraut zu machen.<br />
Edeltraut Freiboth berichtet über Dario, einer der Jugendlichen: „Er war<br />
extrem hilfsbereit, wir hatten sogar seine Handynummer und konnten ihn<br />
jederzeit um Hilfe bitten, ihn fragen, wenn wir mit einem Problem nicht<br />
zurechtkamen.“ Dario hat inzwischen Dransfeld verlassen, das Modell<br />
existiert nach wie vor. Diese Art des Lernens, so ist man sich bei den Jungsenioren<br />
einig, macht Spaß, hält geistig fit und verringert eine mögliche<br />
Kluft zwischen Alt und Jung. Als weitere Besonderheit empfinden einige<br />
Gruppenmitglieder die Tatsache, dass die Jugendlichen ausnahmslos<br />
ausländischer Herkunft sind.<br />
Für den harten Kern der Dransfelder Internetgruppe ist das Internet heute<br />
längst kein Buch mit sieben Siegeln mehr. Internetbanking, Reisebuchungen,<br />
Einkauf oder Informationsrecherche – das Internet ist für die<br />
Jungsenioren ein alltägliches Medium geworden. Mittlerweile stehen<br />
167<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
sie neuen Mitgliedern selbst beratend zur Seite. Sie helfen, wenn etwas<br />
unklar ist und motivieren auch, wenn es mal nicht schnell genug geht:<br />
„Ihr habt alle Zeit der Welt, wer sich das klar macht, lernt mühelos, mit<br />
dem Computer umzugehen und sich im Internet zurechtzufinden!“ Nur<br />
noch in besonders kniffeligen Fragen müssen sie die Jugendlichen um<br />
Rat und Hilfe bitten.<br />
Die Internetgruppe nennt sich ganz bewusst „Die Jungsenioren“, um<br />
deutlich zu machen, dass sie auch 50- und 60-Jährige ansprechen.<br />
Senioren erlernen in Göttingen den Umgang mit dem Internet im „Treffpunkt<br />
Doppelklick“. Fünf ehrenamtliche Mitarbeiter stehen dafür jeden<br />
Montag zwischen 10 und 12 Uhr im ersten Geschoss der Göttinger<br />
Stadtbibliothek zur Verfügung.<br />
Internetnutzung<br />
Die Nutzung des Internets ist in Städten höher als auf dem Land. Das<br />
zumindest hat der (N)Onliner Atlas 2006 der Initiative D21 und TNS Infratest<br />
ergeben. 0 Nach empirischen Studien stehen ältere Menschen der<br />
Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien durchaus<br />
offen gegenüber. Mittlerweile ist davon auszugehen, dass jede vierte<br />
Person zwischen 50 und 79 Jahre zumindest gelegentlich online ist. Etwa<br />
15 Prozent der momentanen Nichtnutzer und Nichtnutzerinnen bekunden<br />
generelles Interesse an der Nutzung des Mediums Internet, umgerechnet<br />
sind das fast drei Mio. Menschen.<br />
Eine Studie der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung e.V. (AGOV) legte<br />
im Februar 2006 einen Sonderbericht “Silver Surfer“ vor. Als “Silver Surfer“<br />
werden dabei diejenigen Personen bezeichnet, die in den letzten drei<br />
Monaten das Internet genutzt haben und die gleichzeitig über 50 Jahre<br />
alt sind – also die SeniorInnen von morgen. Vor dem Hintergrund der<br />
Tatsache, dass im Internet schon lange nicht mehr nur junge Menschen<br />
anzutreffen sind, sondern das Online-Medium auch bei den Menschen<br />
über 50 Jahre zunehmend beliebter geworden ist, kommt die Sonderstudie<br />
zu der Erkenntnis, dass die Silver Surfer ein hohes Potenzial gerade für<br />
die werbetreibende Wirtschaft habe.<br />
Die neue Technik wird gezielt genutzt zur Informationsbeschaffung, für<br />
Kontaktpflege und nicht zuletzt für E-Mails an die Kinder oder Enkel.<br />
Bevorzugte Angebotsseiten, die von älteren Menschen besucht werden,<br />
sind die Bereiche Nachrichten, Wohnen, Reise (inkl. Buchung) und der<br />
Themenkomplex Gesundheit/Wohlbefinden/Wellness. Das Internet kann<br />
auch für SeniorInnen ein zentrales Medium sein, das Eigenständigkeit<br />
ermöglicht; es wird neben dem Telefon immer wichtiger zur Pflege der<br />
sozialen Kontakte und zur Vermeidung von Einsamkeit.<br />
159 Kontakt: Edeltraut und Hermann Freiboth, Tel. 05502/1237<br />
160 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. August 2006, S. 17<br />
161 5. Altenbericht der Bundesregierung, S. 245<br />
162 5. Altenbericht der Bundesregierung, S. 246<br />
163 http://www.agof.de/index.395.html<br />
168
Barrierefreies Internet<br />
Seit Juli 2006 gilt in Deutschland die Verordnung zur Schaffung barrierefreier<br />
Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz.<br />
Behörden der Bundesverwaltung müssen beim Einrichten neuer Webauftritte<br />
oder deren Überarbeitung Vorkehrungen treffen, damit auch<br />
Behinderte das Informationsangebot nutzen können. Ein Webauftritt ist<br />
dann barrierefrei, wenn er von jedem Nutzer in der für ihn üblichen Weise,<br />
also zum Beispiel auch mit Hilfsmitteln, gelesen und benutzt werden<br />
kann. Barrierefreiheit geht weit über die reine Zugänglichkeit hinaus, sie<br />
umfasst auch die Gebrauchstauglichkeit.<br />
Die Barrierefreiheit soll auch SeniorInnen den Internetzugang erleichtern.<br />
Bislang verfügt keine Gemeinde im Landkreis Göttingen über eine solche<br />
Internetgestaltung. Die meisten Verantwortlichen der Kommunalverwaltungen<br />
erfuhren von diesem Konzept durch die Befragung im Rahmen<br />
des Projektes „50plus – Erfahrung zählt!“. Das lokale Bündnis für Familie<br />
in Rosdorf erstellt zurzeit einen barrierefreien Internetauftritt unter http://<br />
www.lebendigesrosdorf.de. Vergleichbare Planungen gibt es nicht nur in<br />
der Stadt Göttingen, sondern auch in den Samtgemeinden Radolfshausen<br />
und in Dransfeld.<br />
Die Gebrauchstauglichkeit beschreibt, wie Informationen gelesen werden<br />
können. Das bedeutet, dass der Benutzer die Information wahrnehmen und<br />
den Webauftritt bedienen können muss. So lassen sich blinde Menschen<br />
z. B. Texte elektronisch vorlesen oder in Brailleschrift übersetzen. Wenn<br />
dann Bilder ohne alternative Beschreibung vorliegen, kommen diese durch<br />
die Fülle von Informationen nicht hindurch. Schon durch Farbenblindheit<br />
kann das Lesen durch unglücklich gewählte Farbkontraste fast unmöglich<br />
werden. Ebenfalls schwierig bis unmöglich kann die Navigation auf Websites<br />
sein, wenn der Benutzer keine Maus benutzen kann oder will.<br />
Das World Wide Web Consortium (W3C) ist die höchste Instanz für Entwicklungen<br />
im Web. Als Teil ihrer Bemühungen, Zugänglichkeit im WWW<br />
zu fördern, hat das Konsortium bestimmte Regeln aufgestellt. Anhand von<br />
neun Punkten werden die wichtigsten Aspekte der Barrierefreiheit in der<br />
Informationstechnik deutlich gemacht:<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
Da sich Grafiken und Bilder nur visuell wahrnehmen lassen, sind alternative<br />
Texte bzw. Sprachausgabe für Menschen mit Sehproblemen<br />
unverzichtbar.<br />
Dem Informationsanbieter ist in der Regel nicht bekannt, mit welchen<br />
Bildschirmfarben und -auflösungen der Nutzer arbeitet. Eine Entscheidung<br />
über die Darstellung der Inhalte soll dem Nutzer überlassen<br />
werden, um eine größtmögliche Zugänglichkeit zu gewährleisten.<br />
Das Verständnis der Funktion und Navigation ist Voraussetzung für<br />
die Nutzung eines Informationsangebots. Objektinformationen oder<br />
eingesetzte Begriffe für Navigationselemente (im Web: Links) sollen<br />
selbsterklärend sein.<br />
169<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
4.<br />
5.<br />
6.<br />
7.<br />
8.<br />
Die Orientierung innerhalb eines Informationsangebots wird durch<br />
Titel und Bezeichnungen unterstützt. Jeder Inhalt und jedes Fenster<br />
soll geeignete Orientierungshilfen aufweisen.<br />
Nicht jeder verwendet eine Maus zur Bedienung des Computers. Die<br />
Informationstechnik muss geräteunabhängig realisiert werden, also<br />
auch zum Beispiel mit der Tastatur bedienbar sein.<br />
Manche Ausgabemedien bereiten Inhalte linearisiert auf. Standardelemente<br />
(im Web: Strukturelemente) helfen bei der Navigation, weil<br />
Computerhilfsmittel diese erkennen, zusammenfassen und bedienbar<br />
machen.<br />
Multimedia kann aus vielen Gründen eine Barriere bedeuten. Deshalb<br />
sollten die Möglichkeiten der Untertitelung und Audiodeskription genutzt<br />
werden, oder – falls die multimediale Anwendung selbst nicht<br />
zugänglich gestaltet werden kann – Textzusammenfassungen bereitgestellt<br />
werden.<br />
Da jedes Informationsangebot anders ist, unterscheiden sich auch<br />
Funktionen und Bedienung. Eine zugängliche Dokumentation und<br />
ausreichende Hilfe sollte zur Beschreibung der Nutzung bereitgestellt<br />
werden.<br />
Internetportale für Senioren<br />
Das im Sommer 1998 gestartete Internetportal http://www.feierabend.<br />
de ist das führende Seniorenportal im deutschsprachigen Internet. Feierabend.de<br />
vermittelt Alten- und Kinderbetreuung, betreutes Wohnen,<br />
Wohngemeinschaften etc. Davon profitieren nicht nur die Mitglieder in<br />
der Region, sondern alle Nutzer des Portals für Senioren. Der Service von<br />
Feierabend ist kostenlos und wird durch Werbeeinnahmen finanziert. Für<br />
Unternehmen bietet sie eine attraktive Werbeplattform.<br />
DerZweiteFruehling.de ist eine Initiative, die in Kooperation im Sommer<br />
2006 unter anderem mit der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen<br />
(HNA) und dem Harz-Kurier gestartet wurde und die sich zum Ziel gesetzt<br />
hat, Menschen über 40 bei der Suche nach einem Partner bzw. einer<br />
Partnerin zu unterstützen.<br />
Gute Beispiele<br />
Unter dem Titel “Online-Jahr 50plus – Internet verbindet” startet die<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) und<br />
das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit mit Internetkursen,<br />
Wettbewerben und einem Informationsportal für Ältere am 8.<br />
Deutschen Seniorentag eine Initiative zur Steigerung der Medienkompetenz<br />
und Internetbeteiligung der Generation 50plus.<br />
164 http://www.barrierefreies-webdesign.de/barrierefrei/ueberblick.html<br />
165 http://www.feierabend.de<br />
166 http://www.derzweitefruehling.de<br />
167 http://www.50plus-ans-netz.de<br />
170
Von Mai 2006 bis April 2007 können Interessierte lernen, wie sie das<br />
Internet kompetent bedienen, recherchieren und an Aktionen und Wettbewerben<br />
teilnehmen können. Das “Online-Jahr 50plus – Internet verbindet“<br />
steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Familie,<br />
Senioren, Frauen und Jugend. Um das Internet kompetent nutzen zu<br />
können, startet ein Schulungsprogramm, in dem Grundkenntnisse zur Internetnutzung<br />
vermittelt werden. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.<br />
Um denen, die bereits online sind, eine Orientierung im Netz zu geben, wird<br />
die Website der BAGSO e.V. zu einem Informationsportal ausgebaut. Dazu<br />
gibt es regelmäßig Tipps, Empfehlungen und Leitfäden für den sicheren<br />
Einstieg ins Internet. Das Programm wird von Aktionen, Informationstagen<br />
und Wettbewerben begleitet.<br />
Rund 60 Prozent der über 60-Jährigen verfügen über einen eigenen PC.<br />
Die Landesinitiative <strong>Seniorenwirtschaft</strong> NRW hat deshalb landesweit<br />
120 Internetcafés speziell für Senioren eingerichtet. Um SeniorInnen den<br />
Zugang zu den neuen Medien zu ermöglichen und ihnen zu helfen, damit<br />
auch umzugehen, wurden weitere Projekte ins Leben gerufen, etwa das<br />
Bürgermedienzentrum für Senioren in Münster oder das Internetportal<br />
„Senioren Online“.<br />
Informations- und Kommunikationstechnologie wird auch eingesetzt,<br />
um Lebensqualität für SeniorInnen und Selbstständigkeit im Alter zu<br />
verbessern. Das Angebot „Inkontakt – Teleservice für Senioren“ des<br />
Evangelischen Johanneswerks in Bielefeld verbindet zu Hause lebende<br />
ältere Menschen mittels moderner Bildtelefone untereinander. Eine Servicezentrale<br />
bietet vom Notruf über Wäschedienst und Essen auf Rädern<br />
bis zur Fußpflege alle Dienstleistungen aus einer Hand. Im Ruhrgebiet soll<br />
dieses Konzept jetzt auf breiterer Basis mit vier Zentralen für zunächst je<br />
einhundert Senioren erweitert und ausgebaut werden. Ähnliche Technik<br />
benutzt auch das Dortmunder Pilotprojekt „Bildbasierte Unterstützung für<br />
zu Hause pflegende Angehörige“.<br />
Mobiltelefone<br />
Ähnlich wie in der gesamten Bevölkerung nutzen auch SeniorInnen immer<br />
häufiger Mobiltelefone. Sie wollen auch unterwegs erreichbar sein<br />
und das Mobiltelefon für Notfallsituationen nutzen. 43 Prozent der 60<br />
bis 69-jährigen besitzen ein Handy, bei den 70- bis 79-Jährigen sind es<br />
immerhin noch 24 Prozent. Der im Vergleich zu anderen Altersgruppen<br />
geringere Nutzungsgrad ist dadurch zu erklären, dass Händler und Hersteller<br />
bisher kaum Zugang zu dieser Zielgruppe haben: So sprechen<br />
Werbung und Informationsmaterial oftmals nur jüngere Zielgruppen an.<br />
Die Geräte werden von den Älteren oft als zu kompliziert empfunden; die<br />
zusätzlichen Funktionen lassen den ursprünglichen Benutzungszweck<br />
kaum noch erkennen.<br />
168 http://www.bagso.de<br />
169 Ebd.<br />
171<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
Viele SeniorInnen suchen ein Handy mit großen Tasten. Weltweit war lange<br />
Zeit kein Mobiltelefon verfügbar, das mit großem Display und einigen<br />
Direktwahltasten eine einfache Bedienung ermöglichte. Einzig die Nutzung<br />
der Geräte der ersten Generation schienen eine Alternative zu sein, waren<br />
aber kaum noch erhältlich. Inzwischen gibt es seniorengerechte Telefone<br />
mit integrierter Blitzklingel und weiteren von der Zielgruppe gewünschten<br />
Spezifikationen. 0 Ergonomische Eigenschaften von Großtastentelefonen<br />
sind einfache Bedienung, sichere Handhabung, Zielwahltasten mit Namensschildern,<br />
kontraststarke Anzeige und eine gute Hörqualität.<br />
Neben dem Wunsch nach schnurgebundenen Telefonen für SeniorInnen<br />
besteht eine starke Nachfrage nach einem einfach bedienbaren Mobiltelefon,<br />
deren Funktionen auf das Telefonieren beschränkt sind. Dafür jedoch<br />
sollte eine Bedienbarkeit auch bei visueller und taktiler Einschränkung<br />
noch möglich sein. Die fitage GmbH entwickelte daher in Kooperation<br />
mit dem Senio-Fachhandel das weltweit erste Mobiltelefon, das durch<br />
drei Direktwahltasten und große Bedienelemente auch bei visuellen und<br />
taktilen Einschränkungen eine Nutzung dieser Kommunikationsmöglichkeit<br />
gewährleistet.<br />
Durch den technischen Fortschritt lässt sich das Handy mit für SeniorInnen<br />
sinnvollen Funktionen erweitern, die über das Telefonieren hinausgehen.<br />
Ein “Herz-Handy“ kann z. B. helfen, erste Anzeichen einer Kreislaufkrise zu<br />
erkennen, indem es über Kontakte auf der Rückseite des Handys ein EKG<br />
aufnimmt und es an ein medizinisches Service-Center übermittelt. Eine<br />
Leitstelle hält die Krankenakte, Medikation und Adressen von Hausärzten<br />
sowie Kardiologen vor. Im Ernstfall findet dann der Notarzt per GPS und<br />
künftig durch „Galileo“ den Weg zum Patienten. Im Notfall ist somit ein<br />
Ansprechpartner erreichbar, der eine erste, rudimentäre Diagnose stellen<br />
kann. Das Handy ersetzt dabei keine qualifizierte Untersuchung durch<br />
einen Arzt. Auch sind nicht alle Indikatoren, die beispielsweise auf einen<br />
Infarkt hinweisen, per EKG messbar. Zwei Vorteile bietet das System jedoch:<br />
Kündigt sich eine Krise auf dem EKG an, gewinnt der Patient Zeit.<br />
Zusätzliche Minuten und Stunden können entscheidend sein, wenn es<br />
darum geht, erfolgreich zu therapieren und Spätfolgen zu vermeiden.<br />
Die technischen Perspektiven gehen jedoch noch weiter: Mittels einer<br />
kabellosen Datenübertragungsschnittstelle werden sich in Zukunft weitere<br />
Systeme anbinden lassen. Darunter fallen beispielsweise Geräte zur<br />
Blutdruckmessung, Schnelltests für Enzyme, die beim Infarkt durch Abbauprodukte<br />
entstehen, oder auch eine Waage. Letztere ist dann wichtig,<br />
wenn durch eine zu schwache Herztätigkeit langsam Wasser ins Gewebe<br />
eingelagert wird, was die Lungentätigkeit beeinträchtigt.<br />
Senio als erster Fachhandel für Senioren forciert die Entwicklung neuer<br />
Produkte. Im Internet wird eine Vielzahl von Handykursen für SeniorInnen<br />
angeboten. In Schweden wurde ein spezielles Konzept und Material<br />
170 http://www.dfg-quicktel.de/html/grosstastentelefone.html<br />
171 http://www.fitage.com<br />
172 Georg Grohs: c‘t 12/2004, S. 54: “Telemedizin“ bzw. http://www.heise.de/ct/04/12/054/<br />
173 http://www.senio.de<br />
174 http://www.handykurse.de/item2/i2s0.html<br />
172
für Handystudienkreise entwickelt. Interessenten können in Absprache<br />
mit den Organisatoren einen solchen Studienkreis selbst gründen. Sie<br />
bekommen dann eine Ausbildung und Kursmaterial. Gemeinsam lernen<br />
SeniorInnen dann die Funktionen eines Handys, z. B. alles über SMS, die<br />
Menüfunktionen des Handys, wie man im Telefonbuch Einträge speichert<br />
und Mailbox-Funktionen. Aber auch technische Grundlagen und Sicherheit<br />
werden behandelt. Außerdem werden Tipps für den Handykauf gegeben.<br />
Das Konzept wurde mit dem IT-Innovations-Preis prämiert.<br />
„Niemand verkauft eine Reise an Senioren, wenn er sie ‚Seniorenreise’<br />
nennt.” (Volker Nickel, Geschäftsführer des Zentralverbandes der deutschen<br />
Werbeindustrie).<br />
„Ich verreise nicht, um mich zu erholen, sondern um etwas zu sehen.<br />
Die Reiseindustrie ist die einzige, die sich richtig auf die alten Leute<br />
eingestellt hat. Der Service, auch bei Busreisen, ist wirklich erstaunlich.<br />
Die Reiseveranstalter denken auch an Rollstuhlfahrer.“ (Duderstadt)<br />
Die beiden Zitate markieren die Spannbreite der Einschätzungen zum<br />
Marketing im Seniorentourismus. Es wird deutlich, dass in diesem Markt<br />
besonders sorgfältig differenziert werden muss. Wenn auch 80-Jährige<br />
Seniorenreisen unternehmen, so fühlen sich doch die meisten 60-Jährigen<br />
eher abgeschreckt und stigmatisiert, wenn man sie für Seniorenreisen<br />
gewinnen will. Über alle Altersgruppen hinweg spielen die Ausgaben von<br />
Touristen in Stadt und Landkreis Göttingen eine erhebliche Rolle in der<br />
Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung.<br />
Nach Daten des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik gab es im<br />
Jahr 2005 im Landkreis Göttingen 1,2 Millionen Übernachtungen, davon<br />
knapp 370.000 in Göttingen, gute 90.000 in Duderstadt und fast 120.000<br />
in Hann. Münden. Berücksichtigt werden Übernachtungen in Hotels und<br />
Pensionen mit mindestens neun Betten.<br />
Im Jahr 2002 haben die BTE-Tourismusmanagement, Regionalentwicklung<br />
mit Sitz in Hannover und die kmb-Beratung mit Sitz in Nierstein am Rhein<br />
für den Landkreis und die Stadt Göttingen eine Tourismuskonzeption<br />
erstellt. Nach ihren Berechnungen belaufen sich die jährlichen Steuereinnahmen<br />
im Landkreis Göttingen auf 7,9 Millionen Euro.<br />
Zum Abschluss des Prozesses „Offenes Forum Tourismus“ (OFT) sahen die<br />
Gutachter beim Herausarbeiten touristischer Themenschwerpunkte, der<br />
Qualifizierung des touristischen Angebots, der Schaffung von Angebotsverknüpfungen,<br />
der Verbesserung von Information und Kommunikation<br />
sowie der Festlegung von Kooperationen besondere Handlungsnotwendigkeiten.<br />
Insbesondere Bus- und Gruppenreisende boten nach ihrer<br />
Einschätzung weiteres Entwicklungspotenzial. Die Zielgruppen der Tourismusentwicklung<br />
im Landkreis Göttingen differenzierten die Gutachter<br />
auch demographisch und nannten Senioren ausdrücklich als relevante<br />
175 http://www3.telia.se/privat/mobilar/<br />
173<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
tourIsmus
Zielgruppe. Sie forderten unter anderem die Erschließung und Vermarktung<br />
des Wissens- und Bildungstourismus sowie Entwicklung und Förderung<br />
des wissenschaftlichen Naturtourismus.<br />
Für eine genaue Bestimmung der vorhandenen Nachfragegruppen und<br />
ihrer Bedürfnisse im Landkreis Göttingen empfehlen die Gutachter die<br />
Durchführung einer Gästebefragung. Hotels und Gaststätten könnten so<br />
die Möglichkeiten erhalten, sich gezielter auf die Ansprüche von SeniorInnen<br />
einzustellen.<br />
Auch der Altenbericht der Bundesregierung bezeichnet Seniorenreisen<br />
bereits als Wachstumsmotor der Zukunft. Ältere Menschen – und hier<br />
vor allem jüngere Alte – verreisen in vielen Fällen öfter und länger als<br />
jüngere. So hat sich der Anteil der älteren BürgerInnen am Urlaubsreisemarkt<br />
innerhalb von zehn Jahren von 22 auf 29 Prozent erhöht. Die knapp<br />
14 Millionen Senioren bundesweit unternahmen 2004 durchschnittlich<br />
1,5 Urlaubsreisen, die länger als fünf Tage dauerten, und gaben dabei<br />
insgesamt 18 Milliarden Euro aus. Der deutsche Tourismusverband geht<br />
davon aus, dass die Generation der heute Vierzig- bis Fünfzigjährigen ihre<br />
Reisegewohnheiten später kaum ändern wird, wenn sie in den Ruhestand<br />
geht.<br />
Die gewachsene Reiselust zeigt sich an der Verteilung der Konsumausgaben:<br />
So wendet die ältere Generation einen großen Teil der Konsumausgaben<br />
für Reisen, insbesondere Pauschalreisen und Beherbergungsdienste<br />
auf. Nach einer PWC-Studie beträgt der Anteil rund 17 Prozent<br />
der gesamten Konsumausgaben. Es folgen die Ausgaben für Gesundheit<br />
und Körperpflege mit 11 Prozent und die Dienstleistungen für die Haushaltsführung<br />
ebenfalls mit etwa 11 Prozent. Für Nahrungsmittel, Getränke<br />
und Tabak werden nur 7 Prozent ausgegeben.<br />
Situation im Untersuchungsraum<br />
Die Stadt Göttingen gilt im Bereich der Städtereisen als besonders<br />
attraktives Reiseziel für Senioren. Senioren buchen vor allem gerne<br />
Pauschalangebote und bevorzugen Gruppenreisen. Seniorenspezifische<br />
Übernachtungszahlen werden zwar nicht erhoben. Insgesamt verzeichnet<br />
der Göttinger Tourismus e.V. steigende Übernachtungszahlen. Angesichts<br />
der demographischen Entwicklung in Deutschland liegt die Vermutung<br />
nahe, dass auch die Zahl der Übernachtungen von SeniorInnen zugenommen<br />
hat.<br />
Gegenüber 2004 hat der Göttinger Tourismus e.V. im Jahr 2005, dem Jahr<br />
des 150. Todestages des Mathematikers Carl-Friedrich Gauss, mit der<br />
Registrierung von 1.590 Gruppenreisen ein Plus von 328 Gruppenreisen<br />
registriert.<br />
176 Vgl. PriceWaterhouseCoopers und Institut für Marketing und Handel Universität St.Gallen Januar<br />
2006, S. 8.<br />
174
Der Göttinger Tourismus e.V. geht davon aus, dass die von Touristen<br />
bewirkten Umsätze in der Stadt weiter steigen. Das gilt insbesondere für<br />
SeniorInnen im Bereich der hochpreisigen Reisen. Durch geschickt platzierte<br />
Werbung sei eine steigende Nachfrage nach Pauschalangeboten<br />
ausgelöst worden. Über neue Marketingstrategien werde nachgedacht.<br />
Bislang aber war aber nicht vorgesehen, SeniorInnen gezielt anzusprechen.<br />
Der Göttinger Tourismus e.V. vermutet, dass viele Angebote schon<br />
jetzt für Senioren interessant sind. Viele Hotels berücksichtigen bereits<br />
die Wünsche von SeniorInnen. Das Hotel am Papenberg ist komplett<br />
behindertengerecht.<br />
Im Rahmen des Projektes LEADER+ hat der Landkreis Göttingen eine<br />
Internetplattform erstellt, die der besseren Vernetzung der Infrastruktur<br />
und der Angebote in Naherholung und Tourismus dient. Die Plattform<br />
bietet einen Überblick rund um Tourismus und Freizeit. So lassen sich<br />
mithilfe der Online-Informationen Ausflüge, Rad- und Wandertouren planen,<br />
Unterkünfte, Gastronomie und Einkehrmöglichkeiten und touristische<br />
Angebote und Attraktionen finden. Ende 2005 waren bereits rund 1.200<br />
Informationen zu interessanten Punkten eingetragen. Die Sammlung wird<br />
von den Anbietern aktualisiert und durch einen Veranstaltungskalender<br />
ergänzt.<br />
Das Projekt geht zurück auf das Regionale Entwicklungskonzept (REK)<br />
für die Arbeitsmarktregion Göttingen-Northeim und das Offene Forum<br />
Tourismus (OFT) für Stadt und Landkreis Göttingen. Unter Federführung<br />
des Landkreises Göttingen und in Kooperation mit Tourismusverbänden<br />
in Göttingen, Hann. Münden und Duderstadt wurde das vorliegende<br />
Konzept entwickelt.<br />
Die Vielfalt der Angebote und Sehenswürdigkeiten scheint gerade für<br />
Senioren attraktiv zu sein. Als Freizeit- und Ausflugsziele bieten sich u. a.<br />
der Naturpark Münden, das Eichsfeld, der Seeburger See, der Göttinger<br />
und Reinhäuser Wald mit zum Teil begleiteten Angeboten an, auch das<br />
Heinz-Sielmann-Naturerlebniszentrum Duderstadt und das Regionale<br />
Umweltbildungszentrum Reinhausen (RUZ).<br />
Motivbezogen stellt die Gruppe der Wanderer und Radfahrer nach Einschätzung<br />
der Tourismusvereine gegenwärtig die wichtigste Gästegruppe<br />
für landschaftsbezogene Aktivitäten im Landkreis Göttingen dar, oft handelt<br />
es sich hier um Stammgäste. Das Potenzial wird als gut ausbaubar<br />
eingeschätzt.<br />
Trends im Seniorentourismus<br />
Seniorenreisen nehmen in der Tourismusbranche einen immer höheren<br />
Stellenwert ein, da die Bevölkerungsgruppe der Senioren diejenige mit<br />
dem höchsten verfügbaren Einkommen ist. SeniorInnen gelten in der<br />
Reisebranche zuweilen sogar als Musterkunden. Sie verreisen öfter<br />
177 Dieses Vorhaben zur Förderung der Regionalentwicklung wird im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative<br />
LEADER+ zu je 50 Prozent vom Landkreis und von der EU finanziert.<br />
178 Die Galerie ist unter http://www.goettingerland.de zu finden und ist unterteilt in die Kapitel Essen &<br />
Schlafen, Freizeit & Sport, Natur erleben, Kultur erleben, Dörfer erleben, Sehenswertes, Infos & Service.<br />
175<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
und länger, legen mehr Wert auf Qualität und geben im Vergleich zur<br />
Gesamtbevölkerung mehr Geld aus. Sie ließen sich ihre Urlaubsreise im<br />
Jahr 2005 durchschnittlich 888 Euro kosten und damit 55 Euro mehr als<br />
im Durchschnitt der Bevölkerung. Von den 55 Milliarden Euro, die die<br />
Bundesbürger im vergangenen Jahr für Reisen ausgaben, stammen 18<br />
Milliarden von den SeniorInnen. Die SeniorInnen gelten im Urlaub auch als<br />
besonders aktiv: Sie machen mehr Ausflüge und zeigen mehr Interesse<br />
an Kultur und Geschichte des jeweiligen Urlaubslandes als Angehörige<br />
anderer Altersgruppen. Die über 70-Jährigen wünschen sich während des<br />
Urlaubs insbesondere eine medizinische Betreuung – auf sie können die<br />
JungseniorInnen noch verzichten. Ältere Paare verreisen gern zu zweit,<br />
Alleinstehende hingegen suchen öfter Gesellschaft.<br />
Einige Anbieter haben sich auf diese stets wachsende Zielgruppe eingestellt<br />
und auf Seniorenreisen spezialisiert. Es wird hier vor allem auf behindertengerechte<br />
Unterkünfte und Transportmittel, eine deutschsprachige<br />
Reiseleitung und ein seniorengerechtes Programm geachtet. Die Reise<br />
erfolgt in der Regel in der Gruppe, so dass auch alleinstehende Senioren<br />
diese genießen können. Am beliebtesten sind Busreisen und Kreuzfahrten.<br />
Beide Reiseformen erfordern keine große körperliche Leistungsfähigkeit<br />
und können auch von gehbehinderten Reisenden problemlos angetreten<br />
werden. Diese Tatsache wandelt sich angesichts des immer besser<br />
werdenden Allgemeinbefindens der Senioren immer hin zu Sport- und<br />
Erlebnisreisen.<br />
Seniorenreisen werden auch von Wohlfahrtsverbänden, Vereinen und<br />
anderen Organisationen mit ehrenamtlichen Reiseleitungen durchgeführt.<br />
Häufig sind die Reiseleiter selbst junge Seniorinnen und Senioren. Sie<br />
haben Spaß daran, mit anderen älteren Menschen etwas zu unternehmen,<br />
zu organisieren und zu planen. Auch verschiedene Städte, z. B. Speyer<br />
und Herford, bieten über Seniorenbüros Tages- und Mehrtagesausflüge<br />
mit einem Besichtigungs- und Kulturprogramm an, die von Senioren für<br />
Senioren geplant, gestaltet und ausgeführt werden.<br />
Die heutigen Senioren interessieren sich für individuelle Angebote. Insbesondere<br />
die jüngeren SeniorInnen wollen aber dabei nicht explizit auf<br />
Seniorenreisen angesprochen werden. Viele Marketingexperten sprechen<br />
deshalb nicht mehr von Reisen für “Senioren“, sondern von vielmehr von<br />
der “Generation 50plus“. Die Zielgruppe wird also nicht in ihrem tatsächlichen<br />
Alter, sondern im gefühlten Alter angesprochen. Reiseanbieter<br />
entwickeln immer neue Strategien, um ältere Reisende über spezielle<br />
Zielgruppenangebote ohne direkten Altersbezug anzusprechen. Dabei<br />
orientieren sie sich an bestimmten Reisemerkmalen und Urlaubsmotiven,<br />
die besonders den älteren Touristen wichtig sind. Die Aussicht auf hohe<br />
Umsätze in diesem lukrativen Kundensegment hat Bewegung in die<br />
Tourismusbranche, bei Reiseveranstaltern und die Hotellerie gebracht.<br />
Mit zunehmendem Alter wird eine perfekt durchorganisierte Reise immer<br />
wichtiger. Die ältere Generation ist überwiegend reiseerfahren, legt<br />
Wert auf Komfort und ist häufig Stammkunde der Veranstalter. Wichtige<br />
Urlaubsmotive sind: die Gesundheit stärken, Natur erleben und Städte<br />
bzw. Sehenswürdigkeiten besichtigen.<br />
179 Sonntag u. Sierck, Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR), Kiel, August 2006<br />
176
Ein weiterer Trend liegt darin, dass viele Großeltern mit ihren Enkeln verreisen.<br />
Die gemeinsamen Reisen bieten nicht nur die Möglichkeit des gemeinsamen<br />
Erlebens in den Urlaubsgebieten. Vielmehr nutzen viele Großeltern<br />
die gemeinsamen Reisen zum Erzählen und Diskutieren – Situationen wie<br />
sie im Alltag oder an Wochenenden so nicht anzutreffen sind.<br />
Bei den Tourismuskonzernen hat sich in den vergangenen Jahren keine<br />
Kundengruppe so stark entwickelt wie die der SeniorInnen. Während die<br />
über 60-Jährigen im Jahr 1994 noch 21,6 Prozent ausmachten, so stellen<br />
sie heute mit einem Drittel den größten Anteil. 0 Nach Einschätzung der<br />
Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen wird dieser Anteil weiter<br />
steigen.<br />
Nach wie vor sehr beliebt sind „Kaffeefahrten“, allerdings weniger solche<br />
mit den berüchtigten Verkaufsveranstaltungen, vielmehr ist ein Trend zu<br />
alternativen und anspruchsvolleren Busreisen zu sehen.<br />
Gute Beispiele<br />
Die Initiative TeutoWellness 50plus umfasst 40 Partner – Hotels, Pensionen,<br />
Wellness- und Freizeiteinrichtungen, Kultureinrichtungen, Kliniken<br />
und Kurbäder –, die spezielle Angebote für Senioren haben. Es gibt einen<br />
gemeinsamen Katalog, in dem Komplettangebote für Reisen mit Massagen,<br />
Restaurant-, Theaterbesuchen etc. angeboten werden. So soll der<br />
Wellness- und Gesundheitstourismus in der Region gefördert werden. Es<br />
handelt sich um ein Kooperationsprojekt des Teutoburger Wald Tourismus<br />
e.V., der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Bielefeld und des Zentrums<br />
für Innovation in der Gesundheitswirtschaft Ostwestfalen-Lippe.<br />
Das Projekt TeutoWellness50plus zielte also darauf ab, die Region Teutoburger<br />
Wald als Referenzregion für den 50plus-Tourismus zu profilieren<br />
und die vorhandenen Potenziale im Wellness- und Gesundheitsbereich für<br />
ältere Gäste touristisch zu erschließen und zu vermarkten.<br />
Es gelang, die Bedeutung der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> zu kommunizieren und<br />
ein Unternehmensnetzwerk aufzubauen. Innovationsstrategien werden<br />
seitdem schneller in neue marktfähige Produkte umgesetzt, neue Märkte<br />
werden erschlossen, Kosten gesenkt und Erträge gesteigert. Das auf gegenseitigem<br />
Gewinn zielende Vertrauen und neuen Partnerschaften war<br />
insofern eine Herausforderung, als es galt, alte Konkurrenzmuster zu überwinden.<br />
Gemeinsam wurden touristische Produkte und Dienstleistungen<br />
für Senioren im Teutoburger Wald entwickelt und vermarktet.<br />
Das Gütesiegel “50plus Hotels Deutschland“ wird bereits seit fünf Jahren<br />
an ausgewählte Hotels vergeben. Die Hotels bieten Zusatzleistungen für<br />
„erfahrene Reisende“ an. Je nach Lage der Hotels werden geführte Wanderungen,<br />
Nordic-Walking-Touren, Stadtrundfahrten, Ausflüge und viele<br />
180 Sonntag u. Sierck, ebd.<br />
181 http://www.teutowellness50plus.de<br />
182 Ziehe, Vera: „Teutowellness50plus – Tourismusförderung in der Region Teutoburger Wald“, Bonn,<br />
2005, Europäische Konferenz <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Europa 2005.<br />
183 http://www.50plushotels.de.<br />
177<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
weitere Sport-, Aktiv- und Kulturprogramme angeboten. Für Gesundheit<br />
und Vitalität der Gäste stehen zahlreiche Wellness-, Beauty- und Entspannungsangebote<br />
zur Verfügung. Auf der Internetseite der 50 plus Hotels<br />
werden alle Hotels und das Pauschal-Arrangement vorgestellt. Dabei bieten<br />
einige Hotels einen besonderen Zusatznutzen für Alleinreisende und<br />
erheben in ihren Arrangements keinen Einzelzimmerzuschlag. Außerdem<br />
halten die Hotels zahlreiche Last-Minute-Angebote bereit.<br />
Bisher haben 75 Drei- bis Fünfsternehotels die von 50plus Hotels Deutschland<br />
geforderten Qualitätskriterien erfüllt. Alleine im ersten Halbjahr 2005<br />
wurden 27 neue Hotels ausgezeichnet. Zertifiziert wurde auch das InterCityHotel<br />
Göttingen. Darüber hinaus stellen sich weitere Hotels sukzessive<br />
auf die Bedürfnisse Älterer ein.<br />
Die InterCityHotel GmbH, mit 16 auserwählten InterCityHotels, und<br />
50plus Hotels Deutschland sind offizieller Partner und bauen ihr Engagement<br />
für die Zielgruppe der Reisenden über 50 gemeinsam weiter aus. Die<br />
InterCityHotels ergänzen das Portfolio der 50plus Hotels in Deutschland<br />
um attraktive Stadtdestinationen und interessante Kulturstandorte.<br />
Ein Beispiel für ein zielgruppengerechtes Programm für die ältere Generation<br />
liefert die TUI AG. Mit ihrem Konzept “Club Elan“ bietet deren deutscher<br />
Veranstalter TUI Deutschland einen qualitativ hochwertigen Urlaub und<br />
zielgruppengerechte Programme insbesondere für aktive Ältere an. Nach<br />
Einschätzung von TUI wird die Nachfrage der Kunden in den nächsten<br />
Jahren weiter kräftig steigen.<br />
Ein Mindestalter für interessierte Senior-Kunden, wie in ähnlichen Konzepten<br />
britischer Reiseveranstalter üblich ist, gibt es nicht. Das Clubprogramm<br />
orientiert sich an den Wünschen der älteren deutschen Kunden, die durch<br />
Analyse aktueller Verbrauchertrends festgestellt worden sind. Neben<br />
gesundheitsorientierten Fitness- und Wellness-Angeboten umfasst das<br />
Programm Herz-Kreislauf-Training, Internetschnupperkurse sowie Sprach-<br />
und Tanzkurse. Die TUI-Club-Hotels gehören zur gehobenen Kategorie,<br />
die u. a. über trittfeste Spazierwege in unmittelbarer Nähe verfügen, eine<br />
gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel besitzen sowie eine gute<br />
ärztliche Versorgung anbieten. Die älteren Kunden werden nicht nur über<br />
Reiseprospekte angesprochen, sondern auch über die eigens entwickelte<br />
Internetseite, die auch zum interaktiven Erfahrungsaustausch anregt. Das<br />
Konzept Club Elan gilt als erfolgreich.<br />
Zu den weiteren Anbietern seniorenorientierter Produkte zählt auch das<br />
Hapag-Lloyd Reisebüro, mit dem Konzept “50plus-Reisen nach Maß“. Hier<br />
wird unter anderem mit klassischer Musik und schöner Landschaft und<br />
auf Usedom geworben. Gezielt geht auch der Skan-Club auf SeniorInnen<br />
mit überdurchschnittlichem Einkommen ein.<br />
184 http://www.intercityhotel.de. Weitere Informationen Steigenberger Touristik Service.<br />
178
„Mobilität im Alltag ist ein ganz wichtiges Thema, das Busfahren wird<br />
immer teurer, die Taktfolge geht aber zurück.“ (Hann. Münden)<br />
„Viele ältere Leute fahren im Alltag gerne mit dem Bus. Da können sie<br />
unterwegs miteinander sprechen und sich verabreden. Viele vereinbaren<br />
dabei auch, sich gegenseitig zu helfen.“ (Hann. Münden)<br />
„Ich komme aus Obernjesa, einen Bahnanschluss haben wir nicht. Die<br />
Busse nach Göttingen fahren erst nach Niedernjesa. Wir bieten jeden<br />
Dienstag um 10.00 Uhr eine Mitfahrgelegenheit nach Rosdorf, sie wird<br />
noch immer zu wenig angenommen. Die Autos, die in diesem Zusammenhang<br />
eingesetzt werden, haben Aufkleber. Fahrer und Tramper haben<br />
Ausweise, dadurch entsteht ein Vertrauensverhältnis. Da keine Kostenbeteiligung<br />
erfolgt, tritt die Insassenunfallversicherung ein.“ (Rosdorf)<br />
Angebote zur Mobilitätsförderung beeinflussen die Lebensqualität der<br />
SeniorInnen. Mobilität gilt als eine Grundvoraussetzung für die Selbstständigkeit<br />
und die gesellschaftliche Partizipation älterer Menschen und<br />
gewährleistet somit ein eigenständiges und flexibles Leben. Mobilitätseinbußen<br />
gehen immer mit einem Verlust an Lebensqualität einher.<br />
Mit dem Wandel der Bedürfnisse der älteren Menschen hin zu mehr<br />
Selbstständigkeit gehen auch Veränderungen der Mobilitätsgewohnheiten<br />
der Älteren einher. So ist einerseits davon auszugehen, dass die<br />
Anzahl der motorisierten Älteren zunehmen wird. Voraussichtlich wird<br />
die Motorisierung der männlichen Personen ab dem 65. Lebensjahr bis<br />
zum Jahr 2030 von 767 auf 850 Pkw pro tausend Einwohner ansteigen.<br />
Noch deutlicher wird der Anstieg Verkehrsteilnehmerinnen ausfallen: Mit<br />
146 Pkw pro tausend EinwohnerInnen sind die älteren Frauen in dieser<br />
Altersgruppe heute gering motorisiert. In den kommenden Jahren wird<br />
sich diese Zahl deutlich erhöhen.<br />
Als Konsequenz daraus wird in Zukunft bei der benutzerfreundlichen<br />
Gestaltung von Fahrzeugen vermehrt auf die Bedürfnisse der älteren<br />
Fahrerinnen zu achten sein. Es ist davon auszugehen, dass durch die<br />
Zunahme der Zahl der Hochbetagten auch die Anzahl der Personen ansteigen<br />
wird, die aufgrund von körperlichen Einschränkungen nicht mehr<br />
in der Lage sind, einen Pkw zu steuern. Sie sind in besonderem Maße auf<br />
die ÖPNV-Angebote oder Alternativangebote angewiesen. Im ländlichen<br />
Raum werden in Zukunft Fahrangebote wie Rufbusse oder Sammeltaxis<br />
an Bedeutung gewinnen.<br />
Noch immer ist jedoch das Auto in der Fläche für viele SeniorInnen unverzichtbar.<br />
Viele Ältere wollen nicht auf das Autofahren verzichten, weil diese<br />
Art des Reisens für sie ein Zeichen von Unabhängigkeit und Ungebundenheit<br />
bedeutet. So ist es nicht verwunderlich, dass mehr als 25 Prozent der<br />
Neuwagen von Menschen über 60 Jahren zugelassen werden. Vor zehn<br />
Jahren lag der Anteil dieser Altersgruppe noch bei 14 Prozent.<br />
185 Altenbericht, S. 241<br />
179<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
mobIlItät Im alltag
Auch die Autohersteller stellen sich auf diesen Trend ein. So sind z. B. die<br />
Automobilkonzerne in Japan diesbezüglich aktiv: Toyota verkauft Autos mit<br />
extrabreiten Schiebetüren und einem Sitz, der nach der Fahrt als Rollstuhl<br />
verwendet werden kann. Bei dem kastenförmigen Fahrzeug ist das Ein-<br />
und Aussteigen für Menschen mit Rückenproblemen einfacher. Kleinere<br />
Leute können problemlos über das ovale Lenkrad schauen.<br />
Die im Mai 2006 gegründete Landesinitiative für generationengerechte<br />
Produkte basiert unter anderem auf Forschungsarbeiten in Wolfsburg zur<br />
Frage, wie Automobile seniorengerechter gestaltet werden können. Autohersteller<br />
haben die Erfahrung gemacht, dass so genannte Familienautos<br />
auch für Senioren geeignet sind: Niedrige Ladekanten helfen sowohl<br />
Müttern mit sperrigen Kinderwagen und dem Großeinkauf wie auch Älteren,<br />
die nicht mehr gut heben können – und auch Rollstuhlfahrern. Auf<br />
erhöhten Sitzen, die Müttern und Kindern einen guten Überblick geben,<br />
fühlen sich auch Senioren wohl – zumal die hüfthohen Sitzflächen auch<br />
beim Einsteigen Vorteile bieten. Mit Rundumverglasung und Einparkhilfen<br />
muss der Kopf weniger gedreht werden, und leicht ablesbare Tiefendisplays<br />
vermeiden, dass das Auge sich bei jedem Blick auf die Instrumente<br />
von „fern“ auf „nah“ und wieder zurück umstellen muss. Fazit: In allen<br />
Branchen ist ein heißer Wettkampf um die Zielgruppe der Senioren zu<br />
erwarten – entscheidend werden hier optimierte Produkte und ein lebensnahes<br />
Marketing sein, das den Lifestyle der „besten Jahre“ aufnimmt.<br />
Der ADAC bietet Pkw-Training für Frauen an, die schon länger nicht mehr<br />
selbst mit dem Auto gefahren sind. Das Training richtet sich an Frauen,<br />
die beim Kurs lieber unter sich bleiben möchten, um Fahrprobleme und<br />
Fragen offen anzusprechen. Ohne Druck und Angst vor „Blamage“ vor<br />
männlichen Mitfahrern werden die Kursinhalte so aufbereitet, wie „Frau“<br />
es sich wünscht: alltagstauglich und praxisnah.<br />
Die zunehmende Bedeutung des eigenen Autos bleibt nicht ohne Folgen<br />
für den ÖPNV. Weil bekannt ist, dass die künftige Altengeneration stark<br />
ans Auto gewöhnt ist und bis ins hohe Alter mit dem eigenen Pkw mobil<br />
bleiben möchte, geht der Zweckverband Verkehrsverbund Süd-Niedersachsen<br />
(ZVSN) davon aus, dass die Zahl der „gebundenen“ ÖPNV-NutzerInnen<br />
(also derjenigen, die über keine Alternative zum Bus- oder Bahnverkehr<br />
verfügen) zurückgehen wird, obwohl die Zahl der SeniorInnen im Zuge<br />
des demographischen Wandels steigt. Der ZVSN sieht es als sinnvoll<br />
und notwendig an, sich gemeinsam mit den übrigen Verbundpartnern<br />
mit spezifischen Marketing-Aktionen um die Zielgruppe der SeniorInnen<br />
zu bemühen und bei ihnen für den Kauf von Monatskarten und Jahresabonnements<br />
zu werben.<br />
Eine flächendeckende Versorgung aller Orte im ländlichen Raum mit<br />
gleichen Bedienungsstandards hält der ZVSN für unrealistisch. Zwar<br />
werden gerade die Linien ausgebaut, bei denen eine hohe Nachfrage zu<br />
verzeichnen ist. Hier sollen die Busse möglichst im Stundentakt verkehren.<br />
Außerhalb der Hauptachsen sind so kurze Taktzeiten aber nicht möglich.<br />
Die hier entstehenden Lücken werden im Landkreis Göttingen zumindest<br />
teilweise durch bedarfsorientierte Verkehre wie Anruf-Sammeltaxi (AST)<br />
186 http://www.adac.de/sicherheitstraining/PKW/frauen_training/<br />
180
geschlossen. Neben dem ÖPNV stehen Angebote wie das “Mobiltreff“<br />
in Obernjesa als Mitfahrangebot. Von Obernjesa fährt nur ein Bus am Tag<br />
direkt nach Rosdorf – morgens um fünf. Alle anderen Verbindungen führen<br />
über Göttingen und dauern zwischen 56 und 90 Minuten. AST-Fahrten ergänzen<br />
die Busverbindungen, werden aber kaum in Anspruch genommen.<br />
Personen, die nach Rosdorf müssen (Verwaltung, Arzt, Einkauf) haben lange<br />
Fahrt- und Aufenthaltszeiten oder nur wenig Zeit für ihre Erledigungen,<br />
wenn sie den nächsten Bus nicht verpassen wollen.<br />
Diese Defizite waren Anlass zur Gründung des Modells “Obernjesa Mobil“,<br />
das seit dem 15. November 2005 auf Initiative der Kirchengemeinde<br />
und des Bündnisses für Familie läuft. Im Rahmen dieses “organisierten<br />
Trampens“ erklären sich Fahrer dazu bereit, zu festen Zeiten MitbürgerInnen<br />
mitzunehmen. Die Fahrten werden ehrenamtlich angeboten,<br />
FahrerInnen verbinden diese Touren mit eigenen Erledigungen im Gemeindegebiet.<br />
Auch in Bovenden gibt es seit 1997 die “Erweiterte Nachbarschaftshilfe“<br />
(ENB) als Vermittlungs- und Kontaktstelle. Die Gemeinschaft Bovender<br />
BürgerInnen will das nachbarschaftliche Zusammenleben fördern. Die ENB<br />
vermittelt Nachbarschaftshilfe aller Art. Dazu gehört auch die Vermittlung<br />
von Mitfahrmöglichkeiten.<br />
In der Gemeinde Friedland gibt es ein Linientaxi, dessen Betrieb auf die Initiative<br />
des Seniorenbeirates zurückgeht. Dabei handelt es sich um ein seit<br />
August 2005 laufendes Modellprojekt, das für regelmäßige Verbindungen<br />
von Ort zu Ort und besonders zu den Zentren Groß Schneen und Friedland<br />
sorgt. Das Linientaxi ermöglicht kostengünstige Fahrten zum Einkaufen,<br />
zum Arzt, zu Banken und Sparkassen, zur Apotheke und zu Besuchen von<br />
Verwandten und Bekannten. Das Linientaxi ist Bestandteil des ÖPNV, es<br />
verkehrt regelmäßig zu festgelegten Zeiten von den Bushaltestellen der<br />
Ortschaften. Es gelten die normalen Busfahrkarten, die auch im Taxi gekauft<br />
werden können. Die finanzielle Unterstützung dieses Projektes ist<br />
befristet und wird bei mangelhafter Auslastung eingestellt.<br />
Die Verbesserung der Mobilität Älterer insbesondere durch Sicherung und<br />
Ausbau des ÖPNV stärkt die Standortqualität des Landkreises Göttingen<br />
und hat damit regionalwirtschaftliche Bedeutung. Im Bereich des ÖPNV<br />
sieht der ZVSN vor allem in der Lesbarkeit der Fahrpläne Handlungsbedarf.<br />
Auch hier spielt wie bei der Lesbarkeit von Internetseiten die Barrierefreiheit<br />
für Menschen mit Sehschwächen eine große Rolle. Zwar wurde auf<br />
diesem Gebiet schon einiges verändert (Fahrpläne im Internet, Fahrplan-<br />
und Fahrpreisauskunft per Telefon). Weiterer Handlungsbedarf besteht.<br />
187 Die Mitfahrer sind im Falle eines Unfalls über die Kfz-Haftpflichtversicherung versichert.<br />
188 Nähere Informationen in der AWO-Begegnungsstätte unter 0551/8208987.<br />
189 Nähere Informationen gibt der Seniorenbeirat Friedland unter 05504/802-45.<br />
181<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
senIorenbIlDung<br />
Viele Senioren nutzen die Zeit nach Beendigung ihrer Berufstätigkeit, sich<br />
aufgeschobene Wünsche zu erfüllen und Zugang zu finden zu Themen,<br />
mit denen sie während früherer Lebensabschnitte keinen Kontakt hatten.<br />
Bildung spielt dabei eine besondere Rolle. Endlich kann man Museen<br />
besuchen, die man noch nie von innen gesehen hat, Literatur lesen,<br />
Sprachen lernen oder Internetkurse besuchen, kurz: seinen Horizont<br />
erweitern. Viele SeniorInnen sind bereit und in der Lage, dafür finanzielle<br />
Mittel aufzuwenden.<br />
Seniorenbildung ist in Stadt und Landkreis Göttingen geprägt durch vielfältige<br />
Angebote. Sie reichen von Gehirnjogging und mentalem Training<br />
über Rhetorik-Angeboten für Ehrenamtliche bis hin zu Hardangerkursen.<br />
Angeboten werden sie von Weiterbildungsträgern, Kirchen, Umweltverbänden,<br />
Parteien, Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften.<br />
Die Universität des Dritten Lebensalters Göttingen (UDL) organisiert seit<br />
1995 die wissenschaftliche Weiterbildung Älterer in Göttingen, zuerst<br />
als Teil der “Altenakademie” und seit Wintersemester 2001/2002 als gemeinnütziger<br />
Verein. Die UDL ist vertraglicher Kooperationspartner der<br />
Georg-August-Universität. Sie wendet sich an Menschen über 50 Jahre<br />
mit und ohne Abitur, die an Lehre und Forschung der Universität Göttingen<br />
interessiert sind und ein offenes Studium aufnehmen wollen. Schon im<br />
Wintersemester 2002/2003 nahmen 430 Menschen zwischen 50 und 90<br />
Jahren die Angebote der Universität des Dritten Lebensalters wahr. 0<br />
Aus dem Veranstaltungsangebot der Georg-August-Universität wählt der<br />
Hörerrat rund 60 Vorlesungen aus. Diese Veranstaltungen besuchen die<br />
Teilnehmer der UDL zusammen mit den regulären Studierenden der Universität<br />
Göttingen. Die Fächerauswahl erstreckt sich von der Archäologie<br />
über die Philologien, Kunst, Geschichte, Philosophie und Theologie bis zu<br />
Geographie, Jura und Politik. Hinzu kommen die Medizin und die naturwissenschaftlichen<br />
Fächer wie Physik, Biologie und Psychologie.<br />
Zusätzlich zu den Universitätsveranstaltungen hat die UDL ein eigenes<br />
wissenschaftliches Programm entwickelt. Es besteht in jedem Semester<br />
aus 10–15 Seminaren, die zum Teil von Nachwuchswissenschaftlern geleitet<br />
werden. Unter der Anleitung der Dozenten erarbeiten die UDL-TeilnehmerInnen<br />
Fragestellungen aus Theologie und Literaturwissenschaft,<br />
aus Geschichte, Kunstgeschichte, Musik und Philosophie. Hinzu kommen<br />
Veranstaltungen in den Bereichen Sport und Sportberatung. Im Rahmen<br />
der UDL finden auch Einführungen für neue Mitglieder sowie Semesterauftakt-<br />
und -abschlussveranstaltungen statt, in deren Mittelpunkt<br />
wissenschaftliche Vorträge stehen.<br />
Seit Jahren steigt die Zahl der Senioren-Studenten an deutschen Hochschulen.<br />
Mehr als 20.000 Hochschüler hierzulande sind schon zwischen<br />
60 und 70 Jahre alt, fast 10.000 sogar noch älter. Vielerorts drängen inzwischen<br />
so viele ältere Semester in die Hörsäle, dass es sogar zu Reibereien<br />
190 http://www.uni-goettingen.de/de/kat/12493.html<br />
191 http://www.uni-goettingen.de/de/kat/12495.html<br />
182
mit den eigentlichen, den jungen Studenten kommt: „Sie nehmen jungen<br />
Studenten die vorderen Plätze weg und führen gerne Privatunterhaltungen<br />
mit dem Professor.“<br />
Der Bildungshunger der älteren Generation ist also groß. „Die damit verbundenen<br />
Chancen aber werden noch nicht genug erkannt“, sagt Paul<br />
Wolters, Gesundheitswissenschaftler von der Universität Bielefeld und<br />
Geschäftsführer des Europäischen Zentrums für universitäre Studien der<br />
Senioren (EZUS). In deren bundesweit ersten Senioren-Uni im lippischen<br />
Horn-Bad Meinberg haben sich seit dem 17. August 2006 25 Studenten im<br />
Alter von über 50 Jahren für das zweijährige Studium eingeschrieben. Das<br />
Angebot umfasst ein in sechs Trimester gegliedertes Studium generale<br />
mit Themen etwa aus Politikwissenschaften, Theologie, Medizin, Kunst,<br />
Musik, Literatur und Geschichte. In Bielefeld angesiedelt ist von 2007<br />
an ein Studium zum „Senior Consultant“, das Mitarbeiter von Betrieben<br />
und Einrichtungen in der spätberuflichen Phase für die Übernahme neuer<br />
Aufgaben qualifizieren soll. Der Studiengang „Bürgerschaftliches Engagement“<br />
ist noch in der Aufbauphase.<br />
Neben dem Kreis Ostwestfalen-Lippe und der Stadt Bad Meinberg ist auch<br />
die regionale Wirtschaft an der Bildungseinrichtung beteiligt; vom Land<br />
Nordrhein-Westfalen kam eine Anschubfinanzierung. Professoren und<br />
Dozenten der Universität Bielefeld garantieren für den wissenschaftlichen<br />
Anspruch der Senioren-Studien, inklusive Abschlussprüfung und Zertifikat.<br />
Die Studiengebühren betragen 400 Euro pro Trimester, also 1.200 Euro<br />
pro Studienjahr.<br />
Die Vermittlung von Bildung ist Wertschöpfung und damit ein relevanter<br />
Aspekt in der Regionalwirtschaft. Die Qualifikation von SeniorInnen steht<br />
im Zusammenhang mit der Profilierung der Region Göttingen unter der<br />
Dachmarke “geniusgöttingen“ und ist damit Ausdruck der Wissensorientierung<br />
des Standorts. Denkbar ist es, eine Verbindung herzustellen, der<br />
Nutzung von Bildungsangeboten und der Gestaltung von touristischen<br />
Pauschalangeboten zu entwickeln. Insofern kann der Bildungsaspekt für<br />
Ältere auch beschäftigungsrelevant und zu einem wichtigen Gestaltungsfeld<br />
der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Stadt und Landkreis Göttingen werden.<br />
192 SZ vom 9. August 2006: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/berufstudium/artikel/373/82291/<br />
193 http://focus.msn.de/wissen/campus/studium_nid_33356.html<br />
194 SZ vom 9. August 2006: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/berufstudium/artikel/373/82291/<br />
183<br />
Gestaltungsfelder der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
8 perspektIven der<br />
senIorenWIrtschaft<br />
Die Senioren-Generation kann für die Wirtschaft ebenso attraktiv wie<br />
rentabel sein, vorausgesetzt, das bislang von Werbeteams gepflegte<br />
traditionelle Image der Zielgruppe (“alt“, “beige“, “zerbrechlich“) wird<br />
aufgegeben. Der Zukunftsmarkt der neuen Senioren ist nicht nur eine<br />
Sparversion des Jugendmarktes, sondern etwas völlig Neues: Er bedeutet<br />
eine eigene Anspruchs- und Erlebniswelt. Die neuen Senioren wollen keine<br />
Inlineskates mit Stützrädern, sondern bezahlbare Sinn- und Serviceangebote<br />
rund um die Uhr.<br />
Die Wachstumsmärkte sterben also auch in Zukunft in der älter werdenden<br />
Gesellschaft nicht aus. Ganz im Gegenteil: Ohne die ältere Generation<br />
müssten Gartencenter und Heimwerkermärkte schließen, die Ärzte,<br />
Apotheker und Gesundheitsdienste um ihre Existenz bangen, verlören<br />
Zeitungsverlage, Konzerthäuser und Theater ihre wichtigsten Abonnenten,<br />
stünden leer stehende Kirchengebäude zur Disposition und hätten Sportvereine<br />
keine Zukunft mehr, weil Ehrenämter unbesetzt blieben.<br />
Horst Opaschowski spricht zu Recht davon, dass höheres Alter zu steigenden<br />
Qualitätsansprüchen an das Leben führt. Er bezieht das insbesondere<br />
auf Umfang und Qualität von Dienstleistungen. „Wer in Zukunft<br />
von dem prognostizierten 175-Milliarden-Euro-Markt partizipieren will,<br />
muss sich ihren Bedürfnissen anpassen und eine doppelte Dienstleistung<br />
erbringen: Den erworbenen Lebensstandard (z. B. durch Spareinlagen,<br />
Versicherungen, Aktien oder Immobilien) sichern und zugleich die ganz<br />
persönliche Lebensqualität durch Kulturangebote, durch Gesundheitsdienste<br />
und Reiseservice verbessern helfen. Statt Glanz und Glamour sind<br />
Atmosphäre und Ambiente erwünscht; statt Fitness, Sun und Fun eher<br />
Sinn, Vitalität und Lebensfreude.“ Die Perspektiven der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
sollen hier verkürzt in Form von Thesen fokussiert werden:<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
Innerhalb der Zielgruppe löst der Begriff „Senioren“ vielfach Widerstand<br />
aus. Das liegt an der vielschichtigen Altersspannbreite, die in<br />
Jungsenioren, Senioren und Hochbetagte bzw. Alte unterteilt werden<br />
können. Wer sich diese Zielgruppen erschließen will, muss sie individuell<br />
ansprechen.<br />
Das einheitliche Bild vom „gebrechlichen, kranken Alten“ entspricht<br />
nicht mehr der Realität. Viele der allein oder mit Partner/-in lebenden<br />
„Senioren“ sind fit und relativ mobil.<br />
Die derzeitige „Senioren“-Generation ist in Teilen finanziell gut ausgestattet<br />
und geprägt durch das Selbstverständnis: Wir stehen (immer<br />
noch) mit beiden Beinen in der Gesellschaft. Eine Reduktion z. B. von<br />
195 die im Durchschnitt jünger als 30 Jahre sind<br />
196 Horst Opaschowski (2005): “Wir werden es erleben. Zehn Zukunftstrends für unser Leben von<br />
morgen“, Darmstadt.<br />
184
4.<br />
5.<br />
6.<br />
7.<br />
Eintrittsgeldern wird von manchen SeniorInnen als ungerecht, nicht<br />
passend empfunden. Es besteht bei ihnen die Bereitschaft, für Dienstleistungen<br />
auch zu bezahlen.<br />
Dienstleister im Landkreis Göttingen sind nicht ausreichend auf die<br />
Bedürfnisse von SeniorInnen eingestellt. Beispiele wie die des erfolgreichen<br />
Malermeisters aus NRW („Sie fahren in den Urlaub, wir renovieren<br />
in der Zeit Ihre Wohnung, Sie vermeiden Unannehmlichkeiten“),<br />
also Dienstleistungen aus einer Hand, die den Alltag erleichtern,<br />
könnten auch im Landkreis Göttingen und insbesondere in Orten mit<br />
entsprechender Altersstruktur Schule machen.<br />
Ältere Menschen haben andere Zeitrhythmen, sie sind langsamer, benötigen<br />
mehr Zeit. Das führt mit steigendem Anteil älterer Menschen<br />
zu immer ausgeprägteren parallelen Zeit-Welten. Unternehmen sind<br />
weder im Umgang mit ihren eigenen, älter werdenden Mitarbeitern<br />
noch im Umgang mit älteren Kunden ausreichend darauf eingestellt.<br />
Das bisherige Credo der Wirtschaft „Zeit ist Geld“ muss für diese Zielgruppe<br />
umgewandelt werden in „Zeit geben ist Geld“. Unternehmen<br />
sind hier doppelt (nach innen und nach außen) gefordert.<br />
Je jünger und (geistig, körperlich) fitter die SeniorInnen sind, umso<br />
weniger fühlen sie sich als solche und sind entsprechend auch wenig<br />
für sog. seniorengerechte Angebote zu erreichen. Ältere hingegen,<br />
die bereits körperliche Einschränkungen erfahren haben, setzen sich<br />
stärker mit Themen wie „altersgerechtes Wohnen“ auseinander.<br />
Bedürfnisse Älterer können für Unternehmen eine wichtige „Scout-<br />
Funktion“ haben (Anwenderfreundlichkeit von Geräten, Verständlichkeit<br />
von Gebrauchsanweisungen). Konkret bedeutet das, weniger spezielle<br />
Angebote für Ältere zu konzipieren (Seniorenkaufhaus, „Seniorenvideorekorder),<br />
sondern sie vielmehr so zu gestalten, dass Ältere sie<br />
mühelos nutzen können. Davon profitieren auch Jüngere.<br />
Diese Thesen wurden während der narrativen Gesprächsrunde mit dem<br />
Kreisverband Göttingen der Senioren-Union vom 31. August in Rosdorf<br />
diskutiert. Die meisten Thesen trafen auf Zustimmung. Unterschiedliche<br />
Einschätzungen gab es zum Altersbegriff und zur Einschätzung der Kaufkraft<br />
von SeniorInnen. Mehrere DiskussionsteilnehmerInnen forderten,<br />
statt von Senioren von „älteren Menschen“ oder „50plus“ zu sprechen,<br />
mit dem Begriff „alt“ nur Menschen zu bezeichnen, die mindestens das<br />
70. Lebensjahr überschritten haben und zwischen den verschiedenen<br />
Altersgruppen stärker zu differenzieren. Es wurde auch deutlich gemacht,<br />
dass man finanziell nicht unbedingt gut ausgestattet sein muss, um mit<br />
beiden Beinen im Leben zu stehen. Andererseits gebe es heute auch<br />
schon viele Ältere mit erheblichen finanziellen Problemen. Damit wurde<br />
die Einschätzung der Autoren der Studie bestätigt, dass sich der Altersbegriff<br />
und die Altersbilder in der Gesellschaft tief greifend verändern.<br />
Klar wurde auch, dass sich die SeniorInnen nicht in erster Linie als Konsumentengruppe<br />
verstehen, sondern den (berechtigten) Anspruch haben,<br />
in ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Leistungen gesellschaftlich<br />
Anerkennung zu finden.<br />
185<br />
Perspektiven der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong>
QualIfIzIerung<br />
fÜr Den ersten<br />
arbeItsmarkt<br />
9 QualIfIzIerung und<br />
beratung<br />
Im Rahmen dieser Studie wurde der Frage nachgegangen, ob es im<br />
Bereich der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> Potenziale für Existenzgründungen von<br />
Menschen 50plus gibt – so z. B. für den Bereich der ambulanten Pflege<br />
oder das Handwerk. Analysiert wurden Anregungen und gute Beispiele,<br />
die sich im Landkreis Göttingen umsetzen ließen. Voraussetzung hierfür<br />
sind jedoch Beratung und geeignete Qualifikationen.<br />
Weiterbildung für das Handwerk<br />
Die Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen hat sich als fester<br />
Kooperationspartner der Düsseldorfer Initiative WiA angeschlossen. Dadurch<br />
wird es sowohl Senioren als auch dem Handwerk im Landkreis Göttingen<br />
erleichtert, ein qualifiziertes Angebot im Bereich des altengerechten<br />
Wohnens zu identifizieren bzw. umzusetzen. Verschiedene Kurse und<br />
Fernlehrgänge, ein Branchenführer sowie eine Seminarreihe zur gezielten<br />
Weiterbildung werden entweder in Kooperation mit der Kammer Düsseldorf<br />
(bzw. dem Handwerkszentrum WiA in Oberhausen direkt) angeboten<br />
oder als Kopie für den Kammerbezirk Hildesheim übernommen. Sie sind<br />
somit auch für Handwerker des Landkreises Göttingen leicht zugänglich.<br />
Älteren Menschen und anderen Interessierten wird auf diese Weise ein<br />
Überblick über die Handwerksbetriebe gegeben, die “vor Ort” speziell<br />
auf die Bedürfnisse von Senioren abgestimmte Produkte und Dienstleistungen<br />
anbieten. Insofern ist ein Branchenführer auch als wertvolles<br />
Marketinginstrument für die gelisteten – und damit auch erwiesenermaßen<br />
qualifizierten – Betriebe zur Gewinnung privater und gewerblicher Kunden<br />
zu verstehen. Durch eine umfassende Qualifizierung auf technischem,<br />
medizinischem, gestalterischem und betriebswirtschaftlichem Gebiet<br />
können den Kunden komfortable und kostengünstige Modernisierungsmaßnahmen<br />
empfohlen werden, die auf die besonderen Bedürfnisse Älterer<br />
abgestimmt sind. Darüber hinaus ist geplant, ein Kompetenzzentrum<br />
einzurichten und die Vernetzung mit anderen qualifizierten Anbietern und<br />
Nachfragern seniorengerechter Angebote voranzutreiben.<br />
Qualifizierung in der Altenpflege<br />
Aus der Perspektive der Altenpflege hat sich das Bild vom Alter in den<br />
letzten Jahren verändert. Viele ältere Menschen kümmerten sich aktiv um<br />
das Thema “Alter“, lassen das Altern nicht mehr bloß “mit sich geschehen“.<br />
Am meisten Handlungsbedarf bzgl. Lebens- und Versorgungssituation<br />
älterer Menschen im Landkreis Göttingen sehen AusbilderInnen darin,<br />
wohnortnahe Projekte zu schaffen. Dies sei gerade im ländlichen Bereich<br />
von großer Bedeutung. Mehrgenerationenhäuser seien wichtig, auch in<br />
den kleinen Dörfern. Die Einsamkeit spiele in den Städten eine größere<br />
197 Gespräch mit Silke Saathoff am 7. Juni 2006<br />
186
Rolle als auf dem Land, da weniger Verwandtschaft und Nachbarschaft<br />
vorhanden sei. Deshalb sei auch im städtischen Bereich das Engagement<br />
wichtig, um der Einsamkeit entgegenzuwirken.<br />
Während der Altenpflegeberuf in seinen Anfängen bis in die 1960er- und<br />
1970er-Jahre noch stark von sozial-pflegerischen Aufgaben geprägt war,<br />
gewannen aufgrund der demographischen Entwicklung und der damit<br />
einhergehenden Veränderung des Pflegebedarfs zunehmend medizinischpflegerische<br />
Aufgaben an Bedeutung. So beobachtet der Deutsche Berufsverband<br />
für Altenpflege (DBVA) e. V. eine zunehmende dementielle Veränderung<br />
bei Pflegebedürftigen – bis zu 70 Prozent der Bewohner in Heimen<br />
seien betroffen –, was einen deutlichen Schwerpunkt der Pflegenden in<br />
der geriatrischen und gerontopsychiatrischen Pflege erfordert.<br />
Mit den Gesetzen über die Berufe in der Altenpflege sowie zur Änderung<br />
des Krankenpflegegesetzes ist eine bundeseinheitliche Ausbildung in<br />
der Altenpflege vorgesehen. Damit soll die gesellschaftliche Anerkennung<br />
dieses Berufsstandes verbessert werden. Die Berufsbezeichnung<br />
„Altenpflegerin“ bzw. „Altenpfleger“ ist geschützt. Begründet wurde die<br />
Verlagerung der Zuständigkeit ebenfalls mit den Veränderungen des Berufsprofils<br />
der Altenpflege. So konnten auch Entwicklungen in zentralen<br />
Bezugswissenschaften, insbesondere in der Pflegewissenschaft und<br />
der Gerontologie, Eingang in die Neuregelung des Altenpflegeberufes<br />
finden.<br />
Die Pflege soll<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
die Kompetenzen alter Menschen (körperliche Funktionsfähigkeit,<br />
kognitive Leistungsfähigkeit, psychosoziale Kompetenz) erhalten<br />
helfen,<br />
Persönlichkeit, Würde, und Eigenarten alter Menschen respektieren<br />
und Verletzung von Privatheit und Intimsphäre vermeiden,<br />
sich den Zielen einer kontinuierlichen und umfassenden Versorgung<br />
verpflichtet fühlen und deshalb mit anderen Berufsgruppen und mit<br />
verschiedenen Einrichtungen intensiv kooperieren,<br />
sich fortlaufend qualifizieren, um die neuesten Erkenntnisse über<br />
erfolgreiche Betreuung und fördernde Unterstützung anwenden zu<br />
können,<br />
Mittel und Formen der Arbeitsorganisation wählen, die für die Pflege<br />
und Behandlung alter Menschen erforderlich sind,<br />
Klienten und deren Angehörige als Kooperationspartner sehen, die<br />
ein Recht auf Selbstbestimmung und unabhängige Entscheidung<br />
haben.<br />
198 http://www.dbva.de/179.0.html<br />
199 http://www.dbva.de/179.0.html<br />
187<br />
Qualifizierung und Beratung
Wer Altenpflege erlernen möchte, muss gesundheitlich geeignet sein<br />
und über einen Realschulabschluss oder über einen als gleichwertig<br />
anerkannten Bildungsabschluss verfügen. Ein Mindestalter gibt es nicht.<br />
Die Altenpflegeausbildung besteht aus schulischen und praktischen Elementen<br />
und dauert drei Jahre. Ziel der Ausbildung ist die Fähigkeit zur<br />
selbstständigen, eigenverantwortlichen und ganzheitlichen Pflege einschließlich<br />
der Beratung, Begleitung und Betreuung alter Menschen. 00<br />
Während AltenpflegehelferInnen Grundtätigkeiten ausüben, übernehmen<br />
AltenpflegerInnen auch Tätigkeiten im medizinischen Bereich. Arbeitsplatzbedarf<br />
und Arbeitsplatzsicherheit mindestens im stationären Bereich sind<br />
hoch; hoch ist allerdings auch die psychische und physische Belastung<br />
am Arbeitsplatz – während die Bezahlung eher steigerungsbedürftig<br />
erscheint. Während früher die Ausbildung zur Altenpflegerin eine reine<br />
Umschulung war, gibt es jetzt viele junge Menschen, die direkt nach der<br />
Schule eine Ausbildung zur Altenpflegerin beginnen. Die Altersspanne der<br />
Auszubildenden liegt zwischen 17 und 50 Jahren. Im ambulanten Bereich<br />
einen Ausbildungsplatz zu finden ist angesichts der Kostenbelastung für<br />
den Ausbildungsbetrieb eher schwierig. Deshalb sind meist Alten- und<br />
Pflegeheime Anstellungsträger.<br />
Kritisch steht der Deutsche Berufsverband für Altenpflege e. V. der Beschäftigungsförderung<br />
in der Altenpflege gegenüber: „Ob Green-Card,<br />
schwer erziehbare Jugendliche oder Langzeitarbeitslose, die Pflege im<br />
Allgemeinen und die Altenpflege im Besonderen scheint in den Augen<br />
von Politikern das Entsorgungsfeld für vermeintliche Problemfälle!“ 0 Der<br />
DBVA sieht durchaus Beschäftigungs- und Ausbildungsbedarf. 0 Potenzial<br />
wird in der Umschulung von persönlich motivierten und geeigneten<br />
arbeitslosen Menschen gesehen. Langzeitarbeitslose als 1-Euro-Arbeitskraft<br />
hätten dagegen nur unter bestimmten Bedingungen auf dem ersten<br />
Arbeitsmarkt eine Perspektive. 0<br />
Durch die Kürzung der SGB-III-Förderung zum 1. Januar 2005 werden<br />
Berufe wie die Altenpflege nur noch zwei Jahre gefördert. Das dritte Ausbildungsjahr<br />
muss von den Auszubildenden selbst finanziert werden. Für<br />
die Auszubildenden wie auch für die Schulen bedeutet das große Unsicherheit<br />
in der Planung. Der DBVA macht sich daher für eine weitergehende<br />
dreijährige Förderung durch die Agenturen für Arbeit stark. 0 „Es entsteht<br />
eine paradoxe Situation. Obwohl die Pflegebedürftigkeit quantitativ wie<br />
auch bedingt durch Multimorbidität (also qualitativ) zunehmen wird, setzt<br />
der Staat ein gegenteiliges Zeichen und sorgt dafür, dass ein erneuter<br />
Pflegenotstand vorprogrammiert ist!“<br />
Ausgebildet wird z. B. durch Arbeit und Leben Süd in Göttingen. Die Ausbildung<br />
erfolgt in den Berufsfachschulen Altenpflege und Altenpflegehilfe<br />
sowie in der Weiterbildungsstätte für Pflegekräfte. Neben einer Ausbildung<br />
zum/zur Altenpfleger/-in oder Altenpflegehelfer/-in können auch verschiedene<br />
Abschlüsse orientierte Weiterbildungen besucht werden, wie z. B.<br />
200 http://www.altenpflegeschueler.de/ausbildung/index.php<br />
201 http://www.dbva.de/182.0.html<br />
202 http://www.dbva.de/289.0.html<br />
203 http://www.dbva.de/182.0.html<br />
204 http://www.dbva.de/289.0.html<br />
188
„Praxisanleiter/-in in der Pflege“ oder „Fachkraft für Leitungsaufgaben in<br />
der Pflege“. Außerdem bearbeitete Arbeit und Leben im Sommer 2006<br />
zwei EU-geförderte Qualifizierungsprojekte. 0 Eines dieser Projekte ist<br />
GerontoCare. Angeboten werden hier unter anderem eine Fortbildung<br />
zum/zur Alltagsbegleiter/-in in der Betreuung von Menschen mit Demenz<br />
sowie eine Weiterbildung in Gerontopsychiatrie. 0<br />
Weiterbildung für das Management<br />
Einer der Vorreiter in der Weiterqualifizierung für die Zielgruppe 50plus<br />
ist der schriftliche Management-Lehrgang in neun Lektionen „Zielgruppe<br />
50plus“. Der Kurs wird vom EUROFORUM-Verlag durchgeführt, der<br />
über große Erfahrungen mit vergleichbaren Kursen verfügt. 0 Er ist von<br />
kompetenten Partnern entwickelt worden und wird von ausgewählten,<br />
praxiserfahrenen Referenten und Autoren durchgeführt. Dieser Lehrgang<br />
könnte auch für die Ausbildung von arbeitslos gewordenen Führungskräften<br />
hilfreiche Anregungen bieten.<br />
Der schriftliche Lehrgang Zielgruppe 50plus wurde von der Redaktion<br />
von Seniorenmarkt.de entwickelt. 0 Elf Autoren zeigen anhand zahlreicher<br />
Praxisbeispiele das Potenzial des Zukunftsmarktes ältere Generation auf.<br />
Referenten und Autoren informieren über Themen aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Verwaltung. Der schriftliche Management-Lehrgang ist ein<br />
Weiterbildungsprodukt der Euroforum Verlag GmbH, das zeit- und ortsunabhängiges<br />
Lernen in komprimierter Form ermöglicht. Praxisbeispiele<br />
aus Handel, Banken, Versicherungen und dem Heilmittel-Sektor geben<br />
einen Einblick in erfolgreiche Strategien zur Gewinnung der Zielgruppe<br />
50plus.<br />
Der Lehrgang ist konzipiert für Leiter und leitende Mitarbeiter aus Marketing<br />
und Vertrieb, Produktmanagement und Entwicklung, Werbung, Innovationsmanagement,<br />
Zielgruppen- und Marktforschung, Brandmanagement,<br />
Kommunikation, Strategieentwicklung/Unternehmensplanung aus Unternehmen<br />
aller Branchen sowie Geschäftsführer und Führungskräfte aus<br />
Agenturen und Unternehmensberatungen, die in diesem Geschäftsfeld<br />
aktiv sind.<br />
Jede Woche erhalten die Teilnehmer eine Lektion, die im persönlichen<br />
Lerntempo bearbeitet werden können. Die Lektionen sind didaktisch so<br />
gestaltet, dass die Inhalte selbstständig erlernbar sind. Am Ende jeder<br />
Lektion kann das erworbene Wissen anhand von Übungsaufgaben überprüft<br />
werden, wobei die Lösungen jeweils mitgeliefert werden. So kann<br />
der Lernerfolg selbst kontrolliert werden. Zum Abschluss des Lehrgangs<br />
wird ein Teilnahmezertifikat ausgestellt.<br />
205 http://www.arbeitundleben-nds.de/typ/html/<br />
206 http://www.geronto-care.de/gc.htm<br />
207 http://www.euroforumverlag.de/senioren<br />
208 Die fachliche Leitung haben Dr. Gundolf Meyer-Hentschel vom Meyer-Hentschel Institut Saarbrücken<br />
und Dipl.-Kfm. Alexander Wild, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Feierabend Online Dienste für<br />
Senioren AG in Frankfurt am Main inne.<br />
189<br />
Qualifizierung und Beratung
exIstenz-<br />
grÜnDungsberatung<br />
Aus einer Studie “Existenzgründungen und Gründungshemmnisse in Südniedersachsen<br />
sowie daraus abzuleitende Handlungsbedarfe“ geht hervor,<br />
dass immer mehr ältere Arbeitslose versuchen, sich selbstständig zu<br />
machen. Dies lässt sich vermutlich auf darauf zurückführen, dass ältere Arbeitslose<br />
bei der Situation auf dem Arbeitsmarkt größere Schwierigkeiten<br />
haben, eine abhängige Beschäftigung zu finden und aus diesem Grunde<br />
verstärkt eine Zukunftsperspektive in der Selbstständigkeit suchen. 0<br />
Für den Erfolg einer Existenzgründung ist die berufliche Erfahrung<br />
einschließlich einer genauen Marktkenntnis ausschlaggebend. Untersuchungen<br />
haben ergeben, dass die Existenzgründung aus der Arbeitslosigkeit<br />
heraus schwierig ist. 0 Von den erfolgreichen Gründern war<br />
demgegenüber nur die Hälfte vor der Gründung arbeitslos. Offenbar, so<br />
vermuten die Autoren der Studie, stellen die mit der Arbeitslosigkeit verbundenen<br />
Einschränkungen bei der Bildung von Kapital, der Sammlung<br />
von Berufserfahrung sowie der Herstellung von Kundenkontakten ein<br />
gravierendes Manko dar.<br />
Oftmals mangelt es an Wissen über Fördermaßnahmen. Im Rahmen der<br />
gemeinsamen Initiative „Start points“ der Wirtschaftsförderung Region<br />
Göttingen (WRG GmbH) des Landkreises Göttingen und der Stabsstelle<br />
Wirtschaftsförderung und Regionalplanung des Landkreises Northeim<br />
erfolgt eine individuelle Existenzgründungsberatung. Besondere Beratungsdienstleistungen<br />
für Jung-Senioren gibt es nicht. Der Verein zur<br />
Erschließung neuer Beschäftigungsformen (VEBF e.V.) bietet seit über<br />
zwanzig Jahren Existenzgründungsberatung in Göttingen an. Das Angebot<br />
richtet sich an arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Frauen<br />
und Männer sowie Menschen in beruflichen Umbruchphasen.<br />
Nach Einschätzung des VEBF bietet eine Existenzgründung Quereinsteigern<br />
und älteren Menschen eine Chance, ihre Erfahrungen und Qualifikationen<br />
beruflich zu nutzen bzw. einzubringen. Der VEBF widerspricht<br />
der These, dass durch den demographischen Wandel in der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
in größerem Umfang Stellen für Menschen ab 50 geschaffen<br />
werden können. Auch der regionale Markt sei hier schwierig. Es gebe<br />
zwar immer wieder Anfragen, die sich auf Dienstleistungen für Menschen<br />
ab 50 beziehen, diese Vorhaben seien aber oft von Fehleinschätzungen<br />
hinsichtlich der Marktchancen geprägt. Im Produktbereich sowie im Handel<br />
seien kaum Potenziale vorhanden. Im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen<br />
sei die Nachfrage zu gering. Im Produktbereich sowie im Handel<br />
sind zwar grundsätzlich vielfältige Potenziale vorhanden, diese besitzen<br />
jedoch keine regionale Relevanz, da kaum eine Bereitschaft besteht, für<br />
die Leistungen auch etwas zu bezahlen.<br />
Besondere Schwierigkeiten bereiten Existenzgründungen im Bereich höherwertiger<br />
Dienstleistungen. Auf den Märkten sind kaum noch Nischen<br />
vorhanden, der Verdrängungswettbewerb hat längst begonnen.<br />
209 Beyeler, Jörg et al. (2000): “Existenzgründungen und Gründungshemmnisse in Südniedersachsen<br />
sowie daraus abzuleitende Handlungsbedarfe. Eine arbeitsmarktpolitische Studie der Beratungsstelle<br />
MOBIL im Amt für Beschäftigungsförderung“, Stadt Göttingen. Göttingen, S. 141.<br />
210 Ebd.<br />
211 http://www.vebf.de/<br />
212 Gespräche mit dem Geschäftsführer Dr. York Winkler im Juli und August 2006<br />
190
Nach Erfahrung der Existenzgründungsberatung MOBIL der Beschäftigungsförderung<br />
Göttingen haben viele Menschen aus der Zielgruppe<br />
50plus hohes Interesse an Existenzgründungen, nur wenige wagen den<br />
Schritt in die Selbstständigkeit. Insbesondere vielen ALG-II-Empfängern<br />
fehlten Basisqualifikationen wie EDV-Kenntnisse, Sprachkenntnisse<br />
oder das für die Existenzgründung unbedingt nötige unternehmerisches<br />
Denken, darüber hinaus haben sie per se weniger Förderungsmöglichkeiten.<br />
Neben den genannten Institutionen, Banken und Sparkassen, der Industrie<br />
und Handelskammer, sowie weiteren Initiativen (u. a. Gründungen<br />
aus Hochschulen) arbeiten frühere Führungskräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Verwaltungen nach Abschluss ihrer Berufsphase in der<br />
Existenzgründungsberatung.<br />
So haben der bisherige Beauftragte des Vorstands für Qualitätsmanagement<br />
bei der TÜV-Gruppe Nord, der 66-jährige Rolf Schüler, sowie das 64jährige<br />
Ex-Vorstandsmitglied der Einbecker KWS Saat AG, Jochen Beyes,<br />
mit vier weiteren Managern im Jahr 2006 den “Manager Senior Service“<br />
gegründet. Das Team berät Mittelständler im Kammerbezirk der IHK Hannover.<br />
Zielgruppe sind kleinere und mittlere Unternehmen, die wachsen<br />
können, und mittelständische Unternehmen, die ins Trudeln geraten sind.<br />
In Phasen starken Wachstums kämen Geschäftsführer von KMU häufig<br />
nicht dazu, konzeptionell zu planen. Auch das Abgeben von Kompetenzen<br />
werde Unternehmern häufig zum Verhängnis, ebenso zu geringe Kenntnisse<br />
in den Bereichen Marketing, Finanzen und Vertrieb.<br />
Der Management Senior Service deckt mit seinem Angebot alle wichtigen<br />
Managementbereiche ab. Die Hälfte seiner Einnahmen geht an soziale<br />
Einrichtungen, die sich um den benachteiligten Nachwuchs kümmern,<br />
oder sie kommt kulturellen Zwecken zugute. Die beratenen Unternehmen<br />
spenden direkt an die gemeinnützige Einrichtung ihrer Wahl. Der einzelne<br />
Berater wirkt im Netzwerk als Coach und bietet seinen Erfahrungsschatz,<br />
seine Kenntnisse und seine Kontakte.<br />
Mehr als 30 ehemalige Vorstandsmitglieder, Unternehmer und leitende<br />
Angestellte aus Wirtschaft und Verwaltung haben sich als Wirtschafts-<br />
Senioren Hannover e.V. zum Ziel gesetzt, ihre Berufs- und Lebenserfahrung<br />
an die nächste Generation weiterzugeben. Die Berater kommen aus<br />
den verschiedenen Branchen und Bereichen. Sie kennen sich durch ihren<br />
ehemaligen beruflichen Alltag mit Problemen der wirtschaftlichen und<br />
personellen Fragen gut aus. Sie sind unabhängig und ehrenamtlich tätig.<br />
Verwaltungskosten werden in Rechnung gestellt. Der Verein wurde als<br />
erster seiner Art 1981 in Hannover gegründet und hat als Vorbild in anderen<br />
Regionen zu ähnlichen Gründungen geführt. Ein weiteres Beispiel für<br />
ehrenamtliche Existenzgründungsberatung ist der Bremer Senior Service<br />
e.V., Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Alt hilft Jung e.V. Hierbei<br />
handelt es sich um eine Gruppe von Führungskräften, die nach einem<br />
erfolgreichen Berufsleben aus der aktiven Tätigkeit ausgeschieden sind.<br />
213 http://www.beschaeftigungsfoerderung-goettingen.de/content/existenz_mobil.php<br />
214 Niedersächsische Wirtschaft, IHK-Zeitung Juni 2006<br />
215 Kontakt: IHK Hannover, Christian Treptow, 0511/3107411<br />
216 Wirtschafts-Senioren Hannover - Alt Hilft Jung e.V., Vahrenwalder Straße 7, 30165 Hannover, Tel.<br />
0511/9357310, Fax 0511/9357311, http://www.wirtschafts-senioren.de, ahjhannover@t-online.de<br />
217 http://www.existenzgruendung-bremen.de/index_15.php<br />
191<br />
Qualifizierung und Beratung
kommunen als<br />
Impulsgeber<br />
10 handlungsempfehlungen<br />
Viele Arbeitswissenschaftler behaupten, dass neue Produkte und Dienstleistungen,<br />
die speziell auf die Bedürfnisse Älterer ausgerichtet sind, auch<br />
Beschäftigungsmöglichkeiten für die Generation 50plus schaffen. Tenor:<br />
Ältere lassen sich am liebsten von Älteren bedienen. Diese optimistische<br />
Einstellung kann die Studie, wie oben dargestellt, nicht verifizieren. Durch<br />
neue Angebote entstehen kaum Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere<br />
– und wenn in direkter Form überhaupt, dann vorwiegend in prekären<br />
Arbeitsverhältnissen wie etwa bei den 400-Euro-Jobs. Wenn zusätzliches<br />
Personal durch das Angebot neuer Produkte oder Dienstleistungen benötigt<br />
wird, profitieren davon in erster Linie die unter 50-Jährigen. Dennoch<br />
bieten die im Folgenden dargestellten Handlungsempfehlungen<br />
beschäftigungsrelevante Vorschläge für eine zukunftsorientierte <strong>Seniorenwirtschaft</strong>spolitik.<br />
Angesichts der finanziellen Situation der Kommunen lag die zentrale Arbeitsthese<br />
vor Beginn der Bearbeitung der Studie darin, keine zusätzlichen<br />
öffentlichen Angebote anzuregen. Diese Festlegung konnte nicht konsequent<br />
durchgehalten werden. Es hat sich gezeigt, dass die Kommunen<br />
in der Seniorenpolitik als Moderatoren und Initiatoren wichtig sind. Es<br />
sollte deshalb geprüft werden, ob vorhandene Personalkapazitäten in den<br />
Kommunalverwaltungen für diese Aufgabe umgewidmet werden können,<br />
ob neues Personal erforderlich ist oder ob die Aufgabenwahrnehmung<br />
regional gemeinsam, z. B. im Rahmen geeigneter bestehender Institutionen,<br />
organisiert werden kann.<br />
Die Umfragen unter Verantwortlichen von Kommunalverwaltungen haben<br />
ergeben, dass es eine auf die Altersgruppe 50plus abgestellte Wirtschafts-<br />
und Beschäftigungsförderung in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden<br />
bislang so gut wie nicht gibt. Die Hauptverwaltungsbeamten<br />
verweisen in ihren Stellungnahmen auf die Förderprogramme des Landkreises,<br />
dort insbesondere auf das Projekt „50plus – Erfahrung zählt!“.<br />
Beim Landkreis Göttingen bestand bis zum Jahr 2002 eine Seniorenberatungsstelle,<br />
die einen Teil der vorgeschlagenen Maßnahmen wahrgenommen<br />
hatte. Nach der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) und<br />
der Niedersächsischen Landkreisordnung (NLO) umfasst der Begriff der<br />
Gleichstellung das Verhältnis der Geschlechter. Es ist deshalb nicht zulässig,<br />
den Gleichstellungsbegriff in diesem Kontext auf die Gleichstellung<br />
der Generationen zu erweitern. Deshalb musste der Gedanke verworfen<br />
werden, eine Ausweitung der Aufgaben von Gleichstellungsbeauftragten<br />
vorzuschlagen. Es erscheint wichtig, das Thema Generationengerechtigkeit<br />
als Querschnittsaufgabe zu begreifen und in den Gemeinden eng mit<br />
den dort gegründeten Bündnissen für Familie zu verknüpfen.<br />
218 Der Bürgermeister der Gemeinde Friedland hält eine wirtschafts- und beschäftigungspolitische<br />
Initiative der 50plus-Generation für sinnvoll. Auch der Bürgermeister der Gemeinde Staufenberg setzt<br />
sich für eine stärkere Berücksichtigung der Belange Älterer ein. Nach der Kommunalwahl hat er Mitte<br />
September 2006, wie angekündigt, die Initiative zur Gründung eines Seniorenbeirats ergriffen.<br />
192
Besonders wichtig erscheinen die kommunalen Beiträge im Rahmen der<br />
im Mai 2006 gegründeten Landesinitiative für seniorengerechte Produkte<br />
und Dienstleistungen. Die Kommunen können dazu beitragen, das Bild des<br />
Alters positiv zu transformieren, die Transparenz über seniorengerechte<br />
Produkte und Dienstleistungen zu verbessern und die Erfahrungen Älterer<br />
für die Gesellschaft besser zu nutzen. Dazu gehört insbesondere auch die<br />
Stärkung des Selbstbewusstseins und sich für eigene und gesellschaftliche<br />
Interessen einzusetzen. Die geplante Einrichtung eines Runden<br />
Tisches „Leben und Wohnen im Alter – Ambulant betreute Wohngruppen“<br />
des Landkreises Göttingen kann ein erster Schritt sein. Der Kreistag hat<br />
im Mai 2006 die Verwaltung beauftragt, durch die Herausgabe eines<br />
„Senioreninfo Informationen für die Generation 60plus“ die Vielfalt der<br />
Angebote für Senioren im Landkreis darzustellen.<br />
Da zu erwarten ist, dass der Wettbewerb um Fachkräfte und um EinwohnerInnen<br />
allgemein innerhalb Deutschlands und in der Europäischen Union<br />
an Schärfe zunehmen wird, sollten die Initiativen ausgeweitet werden.<br />
Stadt und Landkreis Göttingen können sich – möglichst in Kooperation mit<br />
den Landkreisen Osterode am Harz und Northeim – durch eine strategisch<br />
angelegte Bevölkerungspolitik im Wettbewerb der Standorte positionieren<br />
und profilieren.<br />
Auch wenn die Kommunen nicht unmittelbar für mehr Beschäftigung in<br />
der Generation 50plus sorgen können, so haben sie doch die Chance,<br />
durch politische Diskurse und in enger Zusammenarbeit mit Unternehmern<br />
der Region zu einem Stimmungswechsel hin zu einem aktiven Umgang<br />
mit dem demographischen Wandel beizutragen. Seniorengerechtigkeit<br />
muss auch über die kurzfristige betriebswirtschaftliche Rentabilität hinaus<br />
gesehen werden. Städte und Gemeinden müssen lebenswert bleiben. Es<br />
dürfen keine Altenghettos entstehen. Die Verbesserung der Generationengerechtigkeit<br />
innerhalb des Landkreises Göttingen kann dazu beitragen,<br />
Fachkräfte anzuwerben und in Stadt und Landkreis zu halten.<br />
Vor diesem Hintergrund wird die Prüfung folgender Projekte vorgeschlagen:<br />
1.<br />
2.<br />
Der Landkreis Göttingen schreibt einen Wettbewerb „Die seniorengerechte<br />
Kommune“ aus. Wichtigste Zielsetzung ist es, zu einer<br />
Diskussion über die Frage anzuregen, was eine seniorengerechte<br />
Kommune auszeichnet. Dabei müssen unterschiedliche Aspekte<br />
berücksichtigt werden. Interessant sein dürfte die Diskussion innerhalb<br />
der Stadt- und Gemeinderäte, ob die jeweilige Kommune<br />
wirklich seniorengerecht sein möchte, ob sich diese Orientierung<br />
nur an die bisherigen BewohnerInnen richtet oder ob mit einem<br />
solchen Qualitätssiegel gezielt um (ältere) NeubürgerInnen geworben<br />
werden soll.<br />
Die kommunalen Wirtschaftsfördereinrichtungen motivieren im<br />
Rahmen eines Modellversuchs fünf unterschiedlich große Unternehmen<br />
aus verschiedenen Branchen, einen Demographie-Check<br />
durchzuführen. Dabei soll die „Demographie-Festigkeit“ des Unternehmens<br />
bzw. seiner Produkte getestet werden. Die „Demographie-Festigkeit“<br />
macht Aussagen dazu, inwieweit Produkte und<br />
193<br />
Handlungsempfehlungen
3.<br />
4.<br />
5.<br />
6.<br />
7.<br />
Dienstleistungen auch in einer weiter alternden Gesellschaft mit<br />
ihren sich verändernden Anforderungen einen positiven Beitrag zum<br />
Unternehmensergebnis leisten können.<br />
Es wird eine Untersuchung über Motive und Umfang überregionaler<br />
Wanderungsbewegungen in Auftrag gegeben. Dabei geht<br />
es um eine differenzierte Ursachen-/Wirkungsanalyse, möglichst<br />
differenziert nach Gemeindeebene, eine empirische Erfassung der<br />
Wanderungsmotive sowie die Identifizierung von Einflussfaktoren<br />
für Wanderungsbewegungen. Die Untersuchung soll insbesondere<br />
Aussagen darüber machen, welche Einflussmöglichkeiten Kommunen<br />
haben, um Zuzüge zu fördern und Wegzüge zu verhindern.<br />
Ausgehend von dieser Untersuchung wird eine Initiative unter dem<br />
Arbeitstitel “In den Landkreis Göttingen der Enkel wegen“ gestartet.<br />
Angesprochen werden JungseniorInnen, deren Kinder im Stadt- und<br />
Landkreis Göttingen wohnen und eine Familie gegründet haben.<br />
Die Vorsitzenden der Seniorenbeiräte der Städte und (Samt-)Gemeinden<br />
finden sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, in der<br />
ein Erfahrungsaustausch stattfindet und in der darüber hinaus z. B.<br />
Kooperationen für die Ausrichtung gemeinsamer Veranstaltungen<br />
konzipiert werden.<br />
In Abstimmung mit IHK, Einzelhandelsverband und Citymarketing-<br />
Initiativen wird ein Alterssimulator (Age-Explorer) zum ganztägigen<br />
Einsatz in den Innenstädten von Göttingen, Duderstadt und Hann.<br />
Münden gemietet. Wie fühlt man sich mit 70? Um die fehlende<br />
Erfahrung junger Manager im Umgang mit den alltäglichen Problemen<br />
älterer Menschen für einige Stunden zu kompensieren,<br />
hat Meyer-Hentschel Management Consulting in Saarbrücken den<br />
„Age Explorer“ entwickelt. Dabei handelt es sich um ein komplexes<br />
System. So werden mit einem Spezialvisier das veränderte Farbensehen<br />
und die altersbedingten Veränderungen der Sehschärfe<br />
simuliert. Jüngere können dadurch das Sehvermögen im Alter und<br />
die Konsequenzen für die Wahrnehmung von Produkten erleben.<br />
Weitere Elemente simulieren nachlassende Kraft, eingeschränkte<br />
Beweglichkeit und reduziertes Hörvermögen. Der Age Explorer kann<br />
dazu beitragen, Verhalten gegenüber älteren Kunden, Produkten und<br />
Dienstleistungen zu verändern.<br />
In Kooperation mit der Stadt Göttingen und möglichst mit einem<br />
privaten Veranstaltungsmanagement richtet jeweils eine kreisangehörige<br />
Kommune im Landkreis Göttingen jährlich einen Tag der<br />
älteren Generation aus. Nach den Vorbildern in Braunschweig (Juli<br />
2006) und Bovenden (September 2006) handelt sich dabei um einen<br />
Mix aus Unterhaltung und Information. Motto: „Senioren gestalten<br />
die Zukunft!“ Gewerbliche Anbieter und Senioren-Organisationen<br />
stellen ihre Angebote und Produkte vor. Die Palette der Themen reicht<br />
von Möglichkeiten der aktiven Lebens- und Freizeitgestaltung über<br />
die Weiterbildung bis zur Pflege und Gesundheit. Auch Sport- und<br />
Weiterbildungsangebote, wie zum Beispiel Nordic-Walking, werden<br />
präsentiert. Erster Schwerpunkt kann das Thema Wohnen sein.<br />
194
8.<br />
9.<br />
10.<br />
11.<br />
12.<br />
13.<br />
Es wird ein Modellvorhaben mit der Zielsetzung gestartet, die Wohnflächen<br />
nebeneinander liegende Häuser (z. B. auch durch Galerien)<br />
zu verbinden und für sie gemeinsam einen Fahrstuhl an der von der<br />
Straße abgewandten Gebäudeseite zu installieren. Die Kommunen<br />
prüfen baurechtliche Aspekte und sprechen in einem zweiten<br />
Schritt die infrage kommenden Hausbesitzer in geeigneter Form an.<br />
Aufgrund der Einkaufs- und Kommunikationsmöglichkeiten haben<br />
viele Ältere Interesse am Wohnen in Kernstädten. Vielfach ist der<br />
Zugang zu den Wohnungen aber erschwert. Insbesondere in Fachwerkstädten<br />
wie Duderstadt, Hann. Münden und den historischen<br />
Teilen der Stadt Göttingen ist es unter verschiedenen Aspekten, z.<br />
B. Denkmalschutz, bislang schwierig oder gar unmöglich, Fahrstühle<br />
in den Baubestand zu integrieren.<br />
Die Internetportale von Stadt und Landkreis Göttingen werden um<br />
Seniorenplattformen mit folgenden Angeboten ergänzt: Beratungsangebote,<br />
Wohnen im Alter, Finanzielle Leistungen, Übersicht<br />
über die bestehenden Pflege- und Altenheime, Pflegedienste und<br />
Einrichtungen des betreuten Wohnens (inkl. deren Leistungen und<br />
Kosten), Freizeit und Hobby, ehrenamtliches Engagement, Bildung,<br />
Veranstaltungen, rechtliche Betreuung, Senioreninitiativen, spezielle<br />
Themen, Altenhilfeplanung, Einkaufsführer, Reiseangebote und<br />
Naherholung, Berichte aus den Gemeinden und Ortsteilen, Links,<br />
Downloads und eine Möglichkeit zur Meinungsäußerung.<br />
Mit der Kommunalen Datenverarbeitung Südniedersachsen (KDS)<br />
und anderen Anbietern wird bezüglich barrierefreier Internetauftritte<br />
der Kommunen Kontakt aufgenommen. Den Kommunen kommt hier<br />
eine Vorbildfunktion zu.<br />
Insbesondere in ländlichen Gebieten fällt es Initiatoren von Veranstaltungen<br />
und Reisen schwer, auf genügend Resonanz bei ihren<br />
Zielgruppen zu stoßen. Bei der Ankündigung solcher Initiativen wird<br />
darauf geachtet, dass die Informationen nicht nur über die jeweiligen<br />
Gemeindeblätter, sondern auch in den Nachbarorten vermittelt werden.<br />
Damit wird erreicht, dass Fahrten tatsächlich zustande kommen<br />
bzw. Veranstaltungen ausreichend besucht werden.<br />
Kommunen regen bei Vereinen und Verbänden die Ausrichtung von<br />
fachspezifischen Vorträgen und Veranstaltungen an – z. B. zu den<br />
Themen Erben, Vererben und Vorsorgevollmacht. Trotz vielfältiger<br />
Angebote besteht hier noch erheblicher Informationsbedarf.<br />
Gemeinsam mit der Vereinigung Alumni Göttingen e.V. werden SeniorInnen,<br />
die früher in Göttingen studiert haben, auf Besuche in Stadt<br />
und Landkreis Göttingen angesprochen. Es wird ein touristisches<br />
Paket zusammengestellt, das den Ansprüchen dieser Zielgruppe<br />
entspricht.<br />
219 Siehe beispielhaft http://www.braunschweig.de/soziales_senioren/senioren/<br />
195<br />
Handlungsempfehlungen
HanDwerk unD<br />
woHnen<br />
14.<br />
15.<br />
16.<br />
17.<br />
18.<br />
Für Senioren gibt es ein vielfältiges Freizeitangebot – vom Fitnessstudio<br />
bis zum Barfuß-Wanderweg in Nienhagen. Es wird deshalb<br />
empfohlen, in Abstimmung mit der Stadt Göttingen und in Kooperation<br />
mit einem privaten Verlag einen Freizeitführer für Senioren<br />
herauszugeben. Es wird überprüft, ob dieser Freizeitführer an alle<br />
SeniorInnen des Landkreises verschickt werden kann.<br />
Erstellt und versandt wird ein Informationsbrief an alle BürgerInnen,<br />
die 63 Jahre alt werden. Ähnlich wie das Seniorenbüro Braunschweig<br />
wird auf die verschiedenen Angebote für Senioren eingegangen, also<br />
auch auf Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren. Außerdem<br />
weist der Landkreis Göttingen auf die verschiedenen Fortbildungs-<br />
und Beratungsangebote für Senioren hin.<br />
Nach dem Auszug von Kindern und dem Tod des Partners leben<br />
viele ältere Menschen in großen Wohnungen. Gleichzeitig fehlt es<br />
an bezahlbarem Wohnraum für Kinderreiche Familien. Es wird überprüft,<br />
inwieweit eine Wohnungstauschbörse zum Ausgleich dieser<br />
Angebote beitragen kann.<br />
Der Landkreis Göttingen regt bei geeigneten Initiatoren Fahrten<br />
zu Modellvorhaben, z. B. nach Großräschen (Brandenburg, Seniorenkaufhaus),<br />
Braunschweig (kommunales Seniorenbüro sowie<br />
Senioreninitiativen), Herten (seniorenfreundliche Stadt) und nach<br />
Paderborn (Zentrum für Gerontotechnik) an.<br />
In den Gemeinden werden Boule-Bahnen angelegt. Dazu ist es in<br />
erster Linie erforderlich, einen geeigneten Standort zu finden. Er<br />
sollte zentral liegen und Kommunikations- und Sitzmöglichkeiten<br />
eröffnen. Die Bahn muss ca. 15 Meter lang sein und aus verdichtetem<br />
Sandboden bestehen. Es bietet sich an, für die Anlage einer<br />
solchen Boule-Bahn auch auf die Leistungen motivierter, fitter Senioren<br />
zurückzugreifen.<br />
Wie dargestellt, ist das Wohnen im Alter ein vielschichtiges Thema mit<br />
verschiedenen Aufgabenfeldern und verschiedenen Zielgruppen. Die<br />
steigende Zahl älterer BürgerInnen erfordert von Handwerk, Wohnungswirtschaft<br />
und Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft neue Strategien.<br />
Es gibt eine Reihe baulicher Maßnahmen und technischer Hilfsmittel, die<br />
das Wohnen zu Hause erleichtern, die derzeit aber noch wenig verbreitet<br />
sind. Unter Stichworten wie “das intelligente Heim“ und “smarter Wohnen“<br />
sind Produkte verfügbar, die mit relativ geringem finanziellen Aufwand<br />
die Wohnqualität bei eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit<br />
wesentlich verbessern können.<br />
Im gewerblichen Bereich ist eine steigende Nachfrage nach seniorengerechtem<br />
bzw. barrierefreien Wohnraum zu verzeichnen, die vor allem in den<br />
hochpreisigen Segmenten gut befriedigt wird. Wohnungsgesellschaften<br />
und Bauträger sind zu weiten Teilen auf dieses wachsende Geschäftssegment<br />
eingestellt. Allerdings bestehen im Bereich der preiswerten<br />
Angebote Defizite. Zur Steigerung der Kundenzufriedenheit sollten beste-<br />
196
hende Serviceangebote ausgeweitet werden: Eine gute Mieterbetreuung<br />
führt zu größerer Zufriedenheit, weniger Mieterfluktuation und stärkt die<br />
Konkurrenzfähigkeit der Anbieter.<br />
Für das Handwerk entsteht eine Reihe relevanter Konsumtrends. Dazu<br />
zählen neben der Verschönerung und Verbesserung des Wohnumfeldes<br />
(seniorengerechtes und barrierefreies Wohnen), Sicherheit und Schutz sowie<br />
Gesundheitsprodukte (Bio-Produkte, natürliche Baustoffe, Wohn-Wellness),<br />
vor allem eine stärkere Serviceorientierung. Durch Spezialisierung<br />
auf Luxus- und Statusprodukte können sich Handwerksbetriebe auch auf<br />
Dienstleistungen spezialisieren, die sie SeniorInnen mit überdurchschnittlichem<br />
Einkommen anbieten.<br />
1.<br />
Es wird hiermit vorgeschlagen, mit geeigneten Partnern ein Zentrum<br />
“Wohnen im Alter“ zu gründen. Kunden sind SeniorInnen, die ihre<br />
eigene Wohnung seniorengerechter gestalten oder in eine seniorengerechte<br />
Wohnung umziehen wollen, Handwerksbetriebe, die<br />
Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Wohnen im Alter<br />
anbieten wollen und dafür Anregungen und Kooperationspartner<br />
suchen sowie die Wohnungswirtschaft. Das Göttinger Zentrum<br />
“Wohnen im Alter“ hat folgende Aufgaben:<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
4.<br />
5.<br />
6.<br />
7.<br />
8.<br />
9.<br />
Es stellt Transparenz her über die Projekte seniorengerechten<br />
Wohnens in Stadt und Landkreis Göttingen sowie in der gesamten<br />
Region,<br />
gibt einen Überblick über neue bauliche und technische<br />
Maßnahmen zur Verbesserung der Seniorengerechtigkeit von<br />
Wohnraum,<br />
leistet in Abstimmung bestehender Angebote z. B. der Wohnungswirtschaft<br />
Wohnungsanpassungsberatung für SeniorInnen,<br />
führt SeniorInnen zusammen, die gemeinsam neue Wohnprojekte<br />
planen und umsetzen wollen,<br />
richtet Veranstaltungen aus und informiert in anderer Form<br />
(z. B. über eine Internetplattform) über Aspekte des Themas<br />
Wohnen im Alter,<br />
berät Handwerksbetriebe (auch aufsuchend) über neue Produkte<br />
und Dienstleistungen, die die Seniorengerechtigkeit von<br />
Wohnraum fördern,<br />
fördert Kooperationen von Handwerksbetrieben mit dem Ziel,<br />
seniorengerechte Angebote „aus einer Hand“ zu gestalten,<br />
arbeitet bei der Weiterentwicklung seiner Aufgaben eng mit<br />
Architekten bzw. der Architektenkammer sowie den Kommunen<br />
(insbesondere für die Aufstellung von Bebauungsplänen)<br />
zusammen,<br />
sensibilisiert die Öffentlichkeit über die Bedeutung des Themas<br />
Wohnen im Alter.<br />
197<br />
Handlungsempfehlungen
Partner der Einrichtung sind Innungen, die Kreishandwerkerschaft<br />
Südniedersachsen, die Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen,<br />
das Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und<br />
Handwerk der Universität Göttingen und die Architektenkammer. Ihr<br />
gemeinsames Interesse liegt darin, noch ungenutzte Auftragspotenziale<br />
zu identifizieren und im Interesse der Betriebe zu nutzen. Das<br />
Interesse der Sozialhilfeträger liegt darin, dass SeniorInnen so spät<br />
wie möglich in eine (teure) stationäre Pflegeeinrichtung wechseln.<br />
Beteiligt werden auch Wohnungsgesellschaften und andere große<br />
Vermieter. Ihr Interesse ist es, die langfristige Vermietbarkeit ihrer<br />
Wohnungen auch zu Zeiten des demographischen Wandels sicherzustellen.<br />
Wichtige Herausforderung bei der Gestaltung dieses<br />
Angebots ist es, die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten<br />
so zu bündeln, dass eine klare Aufgabenstellung formuliert werden<br />
kann. Vorbild für das vorgeschlagene Göttinger Zentrum “Wohnen<br />
im Alter“ ist eine vergleichbare Einrichtung der Handwerkskammer<br />
Düsseldorf.<br />
2. In Abstimmung mit der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen<br />
wird eine Initiative „seniorenorientierte Weiterbildung“<br />
für Handwerker gestartet. Sie umfasst Beratungsdienstleistungen für<br />
die Personalentwicklungsplanung (einschließlich der Weiterbildungsplanung,<br />
und altersgerechter Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung)<br />
von Handwerksbetrieben und die Schulung von Beschäftigten.<br />
Zielsetzung ist es, die Angebote der Handwerksbetriebe stärker an<br />
den Bedürfnissen von SeniorInnen zu orientieren und neue Marketingansätze<br />
zu realisieren. Eine demographiefeste Arbeits- und<br />
Personalplanung bedingt eine permanente Weiterqualifizierung der<br />
älteren Mitarbeiter. Das verstärkte Einbinden erfahrener Beschäftigter<br />
in die Betriebsabläufe und das Aktivieren ihres Know-hows<br />
sind erste Schritte bei der Bewältigung des demographischen<br />
Wandels. Darüber hinaus besteht ein Bedarf an grundlegenden Bildungsangeboten,<br />
die die altersspezifischen Bedürfnisse und Anforderungen<br />
aufzeigen. Dazu gehört die Vermittlung von Verständnis<br />
für die Probleme, welche sich aus den verschiedenen geriatrischen<br />
Einschränkungen und Krankheitsbildern ergeben und auf die Lebensumstände<br />
älterer Menschen einwirken. Diese Einsichten gilt es<br />
nicht nur für eine Verbesserung der innerbetrieblichen Strukturen<br />
im Hinblick auf ältere Mitarbeiter zu nutzen, sondern auch für eine<br />
Anpassung an die speziellen Bedürfnisse des Seniorenmarktes hinsichtlich<br />
produktspezifischer sowie sozialer Qualitäten. Insbesondere<br />
den kleinen und auch mittleren Betrieben des Handwerks muss<br />
hier eine Hilfestellung gegeben werden, um deren größenbedingte<br />
Nachteile auszugleichen.<br />
3. Es wird eine (möglichst mit dezentraler Wirkung) eine Vermittlungsstelle<br />
für haushaltsnahe Dienstleistungen eingerichtet. Offenbar<br />
besteht erheblicher Bedarf älterer Menschen, sich im Alltag helfen<br />
zu lassen. Dazu gehören auch Gartenpflege, Handlangerdienste<br />
sowie die Betreuung.<br />
198
4. In Abstimmung mit Herstellern, Handwerk, Verbraucherberatung,<br />
Wohnungsgesellschaften und anderen großen Vermietern wird<br />
eine barrierefreie Wohnung eingerichtet und als Modellwohnraum<br />
zu Besuchen zur Verfügung gestellt.<br />
Angesichts der demographischen Entwicklung im Landkreis Göttingen<br />
wird die Bedeutung der über 50-Jährigen als Konsumenten zunehmen.<br />
Dabei ist zu beachten, dass es sich hierbei nicht um eine homogene Zielgruppe<br />
handelt. Produkte und Dienstleistungen sowie deren Bewerbung<br />
sollten seniorengerecht sein, ohne “omahaft“ zu wirken. Probleme im<br />
Umgang mit Produkten des täglichen Bedarfs behindern deren Vermarktung<br />
massiv.<br />
Einkaufen ist insbesondere für Ältere nicht nur ein Versorgungsvorgang,<br />
sondern bietet auch die Möglichkeit zur Kommunikation, Service hat<br />
daher auch immer eine persönliche Note. Bei älteren Kunden lohnt sich<br />
die Beratung mehr, weil sie die Kaufentscheidung eher Informationen<br />
des Verkaufspersonals stützen als junge. Bei der Beratung ist neben der<br />
fachlichen auch die sprachliche Fähigkeit des Verkäufers wichtig. Gerade<br />
von jüngeren Menschen erwarten Senioren Respekt, einen freundlichen<br />
und zuvorkommenden Umgangston. Senioren schätzen eine persönliche<br />
Beratung, weil ihre Bedürfnisse und Wünsche häufig speziell sind.<br />
Zuzustimmen ist dem Vorsitzenden des Landesseniorenrates Niedersachsen,<br />
der wenig von dem Konzept des Seniorenkaufhauses hält. 0 Es sollte<br />
auch darauf verzichtet werden, “Seniorenecken“ in Supermärkten einzurichten.<br />
Gesunde Senioren sind mobil und flexibel. Ihnen ist es möglich,<br />
sich auch ohne diese Einrichtung einen Überblick über seniorengerechte<br />
Produkte und Dienstleistungen zu verschaffen.<br />
Viel wichtiger ist eine kompetente Beratung im Handel allgemein. Häufig<br />
bringen Senioren älteren Verkäufern mehr Vertrauen gegenüber als jüngeren.<br />
Es kommt immer darauf an, dem Konsumenten bei der Beratung<br />
den Spielraum zu geben, sich selbst zu entscheiden. Während früher eine<br />
altenspezifische Bekleidung vorherrschte, tragen heute auch 70-jährige<br />
Menschen Jeans. Da Marketingfachleute raten, älteren Personen zielgruppenorientiert<br />
anzusprechen, aber nicht als Senioren zu bezeichnen, wird<br />
der Vorschlag abgelehnt, ein regionales Göttinger Gütesiegel “seniorengerecht“<br />
einzuführen.<br />
Initiativen für Verbesserung der Seniorengerechtigkeit des Handels bestehen<br />
aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen. Gemeinsam mit Vertretern<br />
des Handels wird geprüft, ob ein seniorengerechter Supermarkt als Modellprojekt<br />
mit Aspekten wie den Folgenden eingerichtet werden kann:<br />
Gestaltung der Schaufenster: die Preisschilder sind klar und deutlich zu<br />
lesen, der Preis ist den ausgestellten Ware leicht zuzuordnen, an Treppen<br />
werden beidseitig Geländer angebracht, Türen sind leichtgängig, Ruhebereiche<br />
werden eingerichtet. Der Bürgersteig ist rutschfrei. Standorte für<br />
220 Gespräch mit Dr. Christoph Steinbach am 5. April 2006<br />
199<br />
Handlungsempfehlungen<br />
HanDel
Einkaufswagen sind sowohl am Eingangsbereich des Ladens als auch am<br />
Parkplatz vorhanden. Seniorenparkplätze werden in Eingangsnähe ausgewiesen.<br />
Bei der Ladengestaltung wird auf eine orientierungsfreundliche<br />
Gestaltung geachtet, der wichtigste Punkt ist dabei die Wegeführung.<br />
Trend ist es, sich von den üblichen, rechtwinkligen Wegeführungen zu<br />
verabschieden und den Kunden in den Mittelpunkt der Betrachtung zu<br />
stellen. Bei Älteren besteht die Gefahr, dass bei Orientierungsproblemen<br />
ein unangenehmes Gefühl der Unterlegenheit und damit eine negative<br />
Kaufstimmung entsteht, die Einfluss auf Produktbewertung und -auswahl<br />
hat.<br />
Im Eingangsbereich werden Orientierungstafeln aufgestellt, bei denen<br />
durch Knopfdruck auf die gewünschte Ware eine Lampe mit dem entsprechenden<br />
Standplatz aufleuchtet. Die Schrift ist groß genug und wird durch<br />
Bilder ergänzt. Zusätzlich tragen Übersichtspläne über die Ladengestaltung<br />
dazu bei, den Senioren ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Wegweiser und<br />
Bodenpfeile helfen an Wegkreuzungen, die Orientierung zu behalten.<br />
Es wird darauf geachtet, dass Senioren häufig langsamer sind und längere<br />
Zeit an einer Stelle bleiben, um sich über ein Produkt zu informieren.<br />
Sie sollen dabei nicht das Gefühl haben, andere zu behindern. Rund ein<br />
Fünftel aller Senioren erledigt den Einkauf mit dem Fahrrad. Es ist also<br />
wichtig, über ausreichend (gute, möglichst überdachte) Fahrradständer zu<br />
verfügen. Zwei Drittel der Senioren legen Wert darauf, in den Geschäften<br />
Sitzgelegenheiten zu erhalten. Senioren, die mit dem Bus zum Einkaufen<br />
fahren, kaufen häufiger ein und dann nur geringere Mengen. Große Einkaufswagen<br />
empfinden sie als unhandlich und sperrig. Kleinere Körbe sind<br />
eine sinnvolle Alternative. Einkaufswagen sollen leicht funktionieren, eine<br />
Ablage besitzen und häufiger auf Funktionsfähigkeit untersucht werden.<br />
Idealerweise werden Einkaufswagen mit Papier und Stiften sowie einer<br />
Halterung für Gehstöcke ausgerüstet. Für Ältere ist es wichtig, dass auf<br />
jeder Etage eine nicht zu kleine, mit Haken für Jacken und Taschen ausgerüstete<br />
Toilette vorhanden ist.<br />
Für Regenschirm und Taschen sind Aufbewahrungsmöglichkeiten und<br />
Schließfächer vorhanden. Denkbar ist es, bereits am Eingang zu den<br />
Geschäften auf den Bringservice aufmerksam zu machen. Die Hälfte der<br />
Senioren würde für diesen Dienst einen Mindesteinkaufswert akzeptieren.<br />
Häufig wurde beobachtet, dass altengerechte Produkte in den Läden<br />
weit hinten angeboten werden. Eine bessere Präsentation würde auch<br />
zu mehr Umsatz führen.<br />
Obstangebote aus dem Ausland werden erläutert, insbesondere was<br />
Herkunft und Zubereitungsmöglichkeiten angeht. Der Bestand an Einkaufswagen<br />
wird überprüft, es werden leichtere Einkaufswagenmodelle<br />
angeschafft, die – wie auf Flughäfen – mit einer Handbremse ausgestattet<br />
sind. Sie sind leichtgängig und dürfen nicht unabsichtlich blockieren und<br />
nicht zur Seite driften. Einkaufswagen werden am Eingang sowie an den<br />
Parkplätzen aufgestellt, um längere Wege zu vermeiden, sie sind auch nach<br />
vorne zu öffnen, um das Umladen der Waren ins Auto zu ermöglichen. Es<br />
werden höhenverstellbare Einkaufswagen angeschafft.<br />
200
Sonderangebote werden deutlich gekennzeichnet – ein Vergleich mit dem<br />
alten Preis ist leicht möglich. Es werden keine grellen und schlecht lesbaren<br />
Farben verwandt. Seniorenorientierte Waren werden nicht zu hoch<br />
oder zu niedrig platziert. Getränkekisten werden nicht zu hoch gestapelt.<br />
Tiefkühlschränke lösen wegen der besseren Entnahmemöglichkeiten<br />
der Produkte Truhen ab. Es erfolgt eine deutliche und große Preisauszeichnung.<br />
Durch Pfeile o. Ä. wird Klarheit darüber geschaffen, ob der<br />
Preis zu einem unteren oder oberen Regal gehört. Eine Umstellung von<br />
Waren innerhalb der Geschäfte sollte nur erfolgen, wenn dies unbedingt<br />
notwendig ist. Häufige Änderungen verwirren Senioren. In Einzelfällen<br />
kann es sinnvoll sein, Hinweisschilder an den alten Plätzen anzubringen,<br />
die erklären, wo sich die Ware nun befindet.<br />
Eingänge sind ebenerdig und gut beleuchtet. Preisauszeichnungen kleben<br />
nicht auf dem Haltbarkeitsdatum und anderen wichtigen Informationen.<br />
Leihkühltaschen werden im Laden zur Verfügung gestellt. Trinkwasserbehälter<br />
werden aufgestellt. Ein Infostand für Senioren mit einem Ansprechpartner<br />
bindet Kunden ebenso wie gut ausgeschilderte Kundentoiletten<br />
oder überdachte Parkplätze oder Parkhäuser. Die Schrift auf Kassenbons<br />
ist gut zu lesen, die Artikel verständlich aufgeführt. Sonderkassen für<br />
Ältere können Rücksicht darauf nehmen, dass Senioren langsamer bezahlen,<br />
weil sie schlechter sehen, das Geld schlechter erkennen und evtl.<br />
langsamer zusammenrechnen. Stehhilfen vor der Seniorenkasse können<br />
für Entlastung sorgen. Die Kassenbereiche werden so gestaltet, dass ein<br />
Rollstuhl oder Rollator hindurchpasst. Schnellkassen sind für Senioren<br />
doppelt wichtig: Sie müssen nicht so lange warten und fühlen sich auch<br />
nicht von nachfolgenden jüngeren Leuten bedrängt. Ein Scanner am Einkaufswagen<br />
der die Preise anzeigt und addiert erleichtert den Einkauf. An<br />
den Regalen hängen Lupen.<br />
Über diese Einzelvorschläge hinaus werden folgende Handlungsempfehlungen<br />
gegeben:<br />
1.<br />
2.<br />
Gemeinsam mit einer Telefongesellschaft wird ein Modellvorhaben<br />
“Die generationengerechte Beratung“ gestartet. Zunächst erfolgt<br />
eine gezielte Schulung der BeraterInnen im Sinne des Leitsatzes:<br />
Immer an das Alter des Kunden denken, aber niemals drüber sprechen.<br />
Im Rahmen des Modellvorhabens wird zweitens ein Beratungsservice<br />
eingerichtet, der sich gezielt am Informationsbedürfnis von<br />
SeniorInnen orientiert und so auch gekennzeichnet wird. Denkbar ist<br />
drittens die Einrichtung eines gesonderten “generationengerechten<br />
Telefonladens“.<br />
Gemeinsam mit dem Betreiber eines Computerladens wird ein<br />
Modellvorhaben “Die generationengerechte Beratung“ gestartet.<br />
Zunächst erfolgt eine gezielte Schulung der BeraterInnen im Sinne<br />
des Leitsatzes: Immer an das Alter des Kunden denken, aber niemals<br />
drüber sprechen. Im Rahmen des Modellvorhabens wird zweitens<br />
ein Beratungsservice eingerichtet, der sich gezielt am Informationsbedürfnis<br />
von SeniorInnen orientiert und so auch gekennzeichnet<br />
wird. Denkbar ist drittens die Einrichtung eines gesonderten “generationengerechten<br />
Computerladens“.<br />
201<br />
Handlungsempfehlungen
ambulante pflege<br />
3.<br />
4.<br />
5.<br />
Innenstadt-Marketing-Einrichtungen starten gemeinsam mit dem<br />
Handel Initiativen zum generationengerechten Innenstadthandel.<br />
Zunächst wird bei der Ausrichtung von Aktivitäten wie Stadtfesten<br />
etc. auf Senioreninteressen besonders Rücksicht genommen, z. B.<br />
was Sitzgelegenheiten angeht.<br />
Es wird ein Modellvorhaben “Reklamationsmanagement“ gestartet.<br />
Das Handelsmarketing für Senioren unterscheidet mit tatsächlichen,<br />
ehemaligen und möglichen Kunden drei wichtige Kundengruppen.<br />
Dabei ist zu beachten, dass sich nur wenige tatsächlichen Kunden<br />
äußern, wenn sie unzufrieden sind. Gute Kundenorientierung im<br />
Handel wird von allen Konsumentengruppen für wichtig erachtet.<br />
Fehlt sie, werden aus tatsächlichen Kunden ehemalige Kunden.<br />
Das gilt insbesondere auch für Senioren. Jeder Beschwerde sollte<br />
deshalb nachgegangen werden. In Abstimmung mit Innenstadt-Marketing-Initiativen<br />
werden Weiterbildungsveranstaltungen zum Thema<br />
„professionelles Beschwerdemanagement im Handel“ angeboten.<br />
Es wird geprüft, welche Anreize seitens der Kommunen für die Etablierung<br />
von Nahversorgungszentren in räumlicher Nähe zu Anlagen<br />
des betreuten Wohnens gegeben werden können. Es bestehen<br />
Ausbauchancen für angeschlossene Dienstleister, z. B. Cafés, Friseur,<br />
Einkaufsdienste, Fußpflege, die auch von älteren Arbeitnehmern<br />
geleistet werden können.<br />
Die Hilfesysteme für pflegebedürftige Menschen stehen vor neuen Herausforderungen.<br />
Die Träger der ambulanten und der stationären Pflege<br />
sind gefordert, neue Strategien zu entwickeln, damit die Einrichtungen im<br />
Wettbewerb bestehen können. Sowohl der Bereich der Gesundheitswirtschaft<br />
als auch der Bereich der ambulanten Pflege ist von der Thematik<br />
aber vor allem auch durch die Vielzahl von Akteuren sehr unübersichtlich<br />
und komplex. Um über eine Weiterentwicklung der ambulanten Pflege<br />
bzw. über neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu diskutieren, könnte eine<br />
Pflegekonferenz bzw. ein Pflegeforum umgesetzt werden.<br />
Es wird Folgendes empfohlen:<br />
1.<br />
Es wird ein Pflegeforum veranstaltet, das insbesondere die Frage<br />
klären soll, ob die Etablierung einer Pflegekonferenz für den Landkreis<br />
Göttingen sinnvoll ist. Beteiligt werden neben den Leistungserbringern<br />
auch die Betroffenen (Selbsthilfegruppen, Angehörigengruppen,<br />
Seniorenrat, etc.), die Kostenträger und sonstige Akteure<br />
(Wohlfahrtsverbände, Altenpflegeschulen, etc.) sowie ggf. die<br />
Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen. Dem Pflegeforum<br />
vorgeschaltet werden sollten vertiefende Interviews, deren<br />
Ergebnisse vorgestellt und diskutiert werden. Es ist davon auszugehen,<br />
dass die Pflegedienste die Bedarfe ihrer Klienten gut kennen<br />
221 Die Landkreise und kreisfreien Städte erstellen nach §4 des Niedersächsischen Pflegegesetz (NpflegeG)<br />
einen örtlichen Pflegeplan. Darüber hinaus können nach §5 NpflegeG örtliche Pflegekonferenzen<br />
gebildet werden, um dort Fragen der pflegerischen Versorgung der Bevölkerung, der notwendigen pflegerischen<br />
Versorgungsstruktur und der Koordinierung von Leistungsangeboten zu beraten.<br />
202
2.<br />
und deshalb auch die Nachfragepotenziale im Bereich barrierefreies<br />
Wohnen gut einschätzen können. Diese Kenntnisse werden damit<br />
auch dem Handwerk erschlossen. Im Kreis Minden-Lübbecke hat<br />
NADel e.V. ein Netzwerk von zehn ambulanten Diensten gebildet.<br />
Im Vordergrund stehen die qualitative Selbstkontrolle und eine<br />
vertrauensvolle Zusammenarbeit. So ist die Aufnahme in NADel e.<br />
V. an die Qualitätsrichtlinien nach § 80 SGB XI gebunden und muss<br />
durch die Träger rechtsverbindlich erklärt werden. Das Netzwerk<br />
beschäftigt sich unter anderem mit folgenden Themen: Planung<br />
gemeinsamer Fortbildungen, Abgleich der Abläufe in den Diensten,<br />
Hilfen bei der Personalakquise, Entwicklung eines Aufnahme- und<br />
Entlassungsmanagements mit den Kliniken und Durchführung von<br />
Projekten. Vorbild kann auch die Pflegekonferenz der Region Hannover<br />
sein.<br />
Geprüft werden sollte das Angebot für Reisebegleitungen von SeniorInnen.<br />
Auch im Bereich der Demenzerkrankung dürfte Beschäftigungspotenzial<br />
liegen: Viele Demenzkranke brauchen keine Pflege,<br />
vielmehr brauchen sie Gesellschaft. Diese Dienstleistung können<br />
auch Ältere anbieten, die körperlich nicht mehr in der Lage sind,<br />
Pflegeleistungen zu erbringen. Das muss aber organisiert werden.<br />
Ältere wollen im Urlaub den gewohnten Lebensstil möglichst ohne Einschränkungen<br />
beibehalten. Dazu gehören Selbstständigkeit und Autonomie.<br />
Die Herausforderungen im Seniorentourismus liegen vor allem darin,<br />
Angebotscluster zu schaffen.<br />
Bei Übernachtungen sind folgende Aspekte wichtig: altengerechte Telefone<br />
und Fernbedienungen, einfach zu bedienende Technik, leuchtende<br />
Lichtschalter, große Bäder, leicht zu bedienende Bad-Armaturen, Reduzierung<br />
der Rutschgefahr im Bad, helle Lampen, gute Nachtbeleuchtung,<br />
unkomplizierte Wecker mit großen Zahlen, große Schriftgröße bei Mitteilungen<br />
und Speisekarten, keine komplizierten Videokommunikationssysteme,<br />
Kissen, Nackenrollen und zusätzliche Decken, nicht zu tief gelegte<br />
Betten, Betten mit verstellbaren Kopfteilen.<br />
Bei der Gastronomie ist zu beachten: gut lesbare Speisekarten, bequeme<br />
Sitzmöglichkeiten, möglichst frei wählbare Beilagen, freundliche Bedienung.<br />
Wichtig sind außerdem folgende Punkte: erhöhtes Sicherheitsbedürfnis,<br />
hoher Komfort, Höflichkeit/Freundlichkeit, Geduld, Aufmerksamkeit,<br />
Dienstleistungsmentalität der Anbieter, Gesellschaft nach Bedarf, individuelle<br />
Behandlung, Arzt auf Abruf, Abholservice zu Hause/am Bahnhof/am<br />
Flughafen sowie Einzelzimmer ohne Aufpreis.<br />
222 Nähere Informationen können bei einer der beiden Vorstände des Netzwerkes NADel e.V., Beate<br />
Oberschür, Ambulante Dienste des Diakonischen Werkes Minden erfragt werden. Tel.: 0571/88804-200,<br />
oberschuer@dwminden.de<br />
223 http://www.hannover.de/de/gesundheit_soziales/beratung/pflegebe/Pflegekonferenz.html und<br />
http://www.braunschweig.de/soziales_senioren/senioren/konferenz.html<br />
203<br />
Handlungsempfehlungen<br />
tourIsmus unD<br />
mobIlItät
Über diese Einzelvorschläge hinaus werden folgende Handlungsempfehlungen<br />
gegeben:<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
4.<br />
5.<br />
6.<br />
7.<br />
8.<br />
9.<br />
10.<br />
Es findet gemeinsam mit dem DeHoGa Kreisverband Göttingen<br />
eine Vortragsveranstaltung mit einem Vertreter der Tourismusförderung<br />
aus der Region Teutoburger Wald “TeutoWellness50plus“<br />
statt. Zielgruppe sind Hoteliers, Gastronomen und andere Akteure<br />
der Tourismuswirtschaft. Ihnen werden Rahmenbedingungen und<br />
Ergebnisse einer Tourismuswirtschaft erläutert, die sich gezielt an<br />
SeniorInnen richtet.<br />
Geprüft wird eine Kooperation zwischen Wohlfahrtsverbänden und<br />
Reiseunternehmen im Sinne des “betreuten Reisens“.<br />
Geprüft wird, ob in Anlehnung an das Beispiel “TeutoWellness-<br />
50plus“ eine Gesundheitsregion im Landkreis Göttingen bzw. in der<br />
Region Südniedersachsen als Anbieterkooperation zu realisieren ist.<br />
Gefragt sind zunehmend auch buchbare Angebote für bestimmte<br />
Krankheitsbilder.<br />
Es wird ein Expertengremium zum Thema “Seniorentourismus im<br />
Landkreis Göttingen als Jobmotor für die Region“ zusammengestellt.<br />
Vertreten sein sollen die Tourismusvereine Göttingen, Duderstadt,<br />
Hann. Münden, Landkreis Göttingen und Kreisverband Göttingen<br />
des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DeHoGa).<br />
Es wird überprüft, inwieweit gezielte Reiseangebote für SeniorInnen<br />
unter Berücksichtigung von Kultur-, Qualifizierung-, und Rehabilitations-<br />
bzw. Kurangeboten gestaltet werden können. Mögliches Motto<br />
“Reise in den Landkreis Göttingen der Bildung wegen!“<br />
Es wird ein Modellvorhaben “seniorengerechtes Hotel“ gestartet.<br />
Betreiber von Hotels werden motiviert, zu überprüfen, inwieweit ihr<br />
Haus die “Qualitätskriterien für seniorenorientierte Beherbergungsbetriebe“<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen erfüllt oder welcher Aufwand<br />
erforderlich wäre, sie einzuhalten. Es wird darüber hinaus<br />
überprüft, ob der Begriff “Seniorengerechtigkeit“ benutzt werden<br />
sollte oder ob beispielsweise mit dem Begriff der Generationengerechtigkeit<br />
gearbeitet werden kann.<br />
Im Rahmen eines anschließenden Modellvorhabens testet ein<br />
Hotelbetrieb, inwieweit Qualitätsverbesserungen, die gezielt im<br />
Sinne von SeniorInnen liegen, die höheren Kosten überkompensieren.<br />
Möglicherweise bietet sich hier in einem Markt, der stark von<br />
Preiswettbewerb geprägt ist, eine Möglichkeit, auch höhere Preise<br />
durchzusetzen.<br />
Es wird überprüft, inwieweit Unternehmensnetzwerke im Hinblick<br />
auf die gemeinsame Angebotsgestaltung und auf ein gemeinsames<br />
Marketing realisierbar sind.<br />
Im Rahmen der Entwicklung des Wandertourismus werden spezielle<br />
Themenrouten kreiert (z. B. zur Kulturhistorie des Landkreises).<br />
Es werden Gespräche mit Busunternehmen über die Gestaltung von<br />
alternativen, anspruchsvolleren „Kaffeefahrten“ unternommen.<br />
224 http://www.seniorenwirt.de<br />
204
Beschäftigungspotenziale im Bereich der neuen Medien liegen vor allem<br />
in der Umgestaltung von Homepages im Sinne der Barrierefreiheit. Außerdem<br />
lassen sich Beschäftigungspotenziale gerade für ältere Menschen<br />
sehen, die Senioren für die Nutzung des Computers und des Internets<br />
schulen. Die barrierefreie Gestaltung von Websites ist ähnlich wie beim<br />
Universal Design nicht nur für Menschen mit Einschränkungen eine große<br />
Hilfe, sondern nützt jedem Anwender. Ein übersichtliches Design und<br />
klare Strukturen vereinfachen das Lesen und Finden von Informationen.<br />
Sogar der Autor einer Seite profitiert, kann z. B. ein blinder Mensch die<br />
Seite lesen, dann kann dies auch eine Suchmaschine, d. h., die Website<br />
wird von Interessenten leichter gefunden. Oft bedarf es zudem nur relativ<br />
einfacher Überlegungen und Mittel, eine Website zumindest barrierearm<br />
zu konzipieren.<br />
Für Webdesign und das redaktionelle Bearbeiten der Homepages sind<br />
neben Senior-Entwicklern auch Senior-Berater gut vorstellbar. Erfahrung,<br />
eine andere Sicht und Wahrnehmung des Internets lässt diese evtl. sensibler<br />
mit barrierefreiem Design und Inhalt umgehen als jüngere Vertreter<br />
der von unergonomischen SMS geprägten Generation.<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
1) Im Rahmen eines Modellversuchs strebt eine Kommune im<br />
Landkreis Göttingen in Abstimmung mit ihrem Seniorenbeirat sowie<br />
der Landesinitiative für generationengerechte Produkte eine Vereinbarung<br />
mit einer ausgesuchten Bank und Sparkasse über eine<br />
seniorengerechte Gestaltung von Produkten und Vertriebsformen<br />
an. Grundlage sind Berichte von SeniorInnen, die sich von Kreditinstituten<br />
wegen ihres Alters diskriminiert fühlen. Mit dem Partner-<br />
Institut wird im Rahmen des Modellversuchs zunächst überprüft, ob<br />
und inwieweit eine Diskriminierung Älterer in der Praxis stattfindet.<br />
Dabei wird geklärt, ob sie Gegenstand der Geschäftspolitik ist oder<br />
ob es Defizite in der Ausbildung der Beschäftigten gibt. Am Abschluss<br />
des Modells steht eine Vereinbarung zwischen Kommune<br />
und Kreditinstitut.<br />
Im Banksektor sind Hausbesuche unüblich. Diese könnten aber<br />
unbeweglich gewordene Kunden stark entlasten. Ein guter Senioren-Service<br />
der Banken und Sparkassen könnte sich dadurch<br />
auszeichnen, dass einmal pro Monat ein vertrauter Kundenberater<br />
kommt, Bargeld mitbringt, aufgelaufene Rechnungen anschaut und<br />
Überweisungen tätigt.<br />
In Japan werden seit einiger Zeit neue Finanzkonstruktionen erprobt:<br />
Dort gibt es viele ältere Menschen mit Immobilienbesitz, die oftmals<br />
nur ungern verkauft werden (wie in Deutschland auch). Ältere<br />
HausbesitzerInnen können Teile ihres Hauses an Finanzdienstleister<br />
verkaufen und erhalten dafür monatliche Zahlungen, quasi als Zusatzrente.<br />
Diese Aktivitäten sind in Deutschland noch unüblich und<br />
mit großen Unsicherheiten behaftet, z. B. bei der Bewertung der<br />
Immobilien. Aber sie zeigen Möglichkeiten auf, wie ältere Menschen<br />
ihren monatlichen Lebensunterhalt verbessern können. Zudem wird<br />
das im Immobilienbesitz gebundene Kapital wieder dem volkswirt-<br />
205<br />
Handlungsempfehlungen<br />
neue meDIen<br />
unD telekommunIkatIon<br />
fInanzDIenstleIstungen
DIe näcHsten<br />
scHrItte<br />
4.<br />
schaftlichen Kreislauf zugeführt. Vergleichbare Produkte (Reverse<br />
Mortgage, Home Reversion) werden vor allem in den USA und<br />
Großbritannien angeboten.<br />
Auch Versicherungsprodukte, die sich an den geänderten Bedürfnissen<br />
einer älter werdenden Gesellschaft orientieren und flexibel auf<br />
unterschiedliche Lebensphasen angepasst werden, sind vorstellbar.<br />
Das Modell der privaten Absicherung im Krankheits- oder Pflegefall<br />
könnte durch ein Modell, das die wohnbegleitende Unterstützung für<br />
Ältere finanziell und – bestenfalls – auch organisatorisch absichert,<br />
ergänzt werden.<br />
Mit dem Auftraggeber wurde vereinbart, dass nach Vorlage der Studie<br />
einige Themenfelder mit Praktikern vertieft diskutiert und Handlungsvorschläge<br />
konkretisiert werden. Zu den extern moderierten und gemeinsam<br />
mit Partnerorganisationen ausgerichteten Veranstaltungen lädt der<br />
<strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen VertreterInnen der Zielgruppen und<br />
ReferentInnen ein.<br />
Erste Veranstaltung mit dem Titel: Ignoriert der Handel in Stadt und<br />
Landkreis Göttingen die reichste Generation aller Zeiten? Termin: Erste<br />
Novemberhälfte 2006; Zielgruppen: Senioren, Einzelhandel, Marketingexperten,<br />
Niedersächsisches Ministerium für Familie, Senioren, Frauen<br />
und Jugend, Kommunalpolitik in Stadt und Landkreis Göttingen. Mögliche<br />
Themen: Darstellung der Kaufkraft von SeniorInnen in Stadt und Landkreis<br />
Göttingen, Einkaufsverhalten und Präferenzen von Senioren, gute<br />
Beispiele aus anderen Städten, Probleme beim Seniorenmarketing. Zum<br />
Einsatz kommt auch der „Age-Explorer“.<br />
Zweite Veranstaltung mit dem Titel: Generationengerechtes Wohnen;<br />
Termin: Erste Dezemberhälfte; Zielgruppen: Architekten, Wohnungsgesellschaften,<br />
private Planungsbüros, Gemeindeverwaltungen, Stadtverwaltung<br />
und Kreisverwaltung Göttingen, Altenheimbetreiber, Interessenten an innovativen<br />
Wohnprojekten. Mögliche Themen: Neue Rahmenbedingungen<br />
für das Wohnen zu Hause, Planung von Um- und Neubauten (Barrierearm<br />
bzw. -frei), bestehende Netzwerke, Bedeutung der Wohnungsanpassungsberatung,<br />
innovative Wohnprojekte in Bremen.<br />
Dritte Veranstaltung mit dem Titel: Das Handwerk als Dienstleister für<br />
Senioren; Termin: Zweite Januarhälfte 2007. Mögliche Themen: Potenziale<br />
des Göttinger Zentrums “Wohnen im Alter“, geänderte Ansprüche im Privathaushalt;<br />
Kooperationen und Anbietergemeinschaften von Handwerksbetrieben,<br />
Gesundheitshandwerk (wie Hörgeräteakustiker), Weiterbildung<br />
im Handwerk; Zielgruppen: Handwerksbetriebe, Seniorenvertretungen,<br />
Architekten, Wohnungsgesellschaften, Altenheimbetreiber, Interessenten<br />
an innovativen Wohnprojekten.<br />
Vierte Veranstaltung mit dem Titel: Pflegeforum Göttingen; Termin: Zweite<br />
Februarhälfte 2007; Themen: Bessere Abstimmung der Anbieter von<br />
Pflegedienstleistungen, Beschäftigungsperspektiven in der ambulanten<br />
Pflege durch den demographischen Wandel, Gesundheitswirtschaft als<br />
206
wichtiger Wirtschaftssektor, Bedeutung ambulanter Betreuungsmöglichkeiten.<br />
Zielgruppen: Stationären/teilstationäre Träger, Krankenhäuser,<br />
Kassenärztliche Vereinigung, Hospizarbeit, Seniorenbeiräte, Pflege- und<br />
Krankenkassen, Sozialhilfeträger, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung,<br />
Wohlfahrtsverbände, DRK-Altenpflegeschule, Gesundheitsamt<br />
und die Heimaufsicht von Stadt und Landkreis Göttingen.<br />
207<br />
Handlungsempfehlungen
lIteratur<br />
Arbeitsgemeinschaft Online Forschung AGOF (2006): “Sonderbericht ’Silver Surfer’<br />
zu den internet facts 2005-II“, URL: http://www.agof.de/index.download.<br />
df923023a13a077d1f3da30b28cf4c94.pdf (31.08.2006).<br />
Baurecht.de (2006): “Niedersächsische Bauordnung (NBauO) in der Fassung vom<br />
10. Februar 2003“, URL: http://www.baurecht.de/landesbauordnung-niedersachsen.html<br />
(07.2006).<br />
Becker, V. (2005): “Bauleistungen und neue Dienstleistungen des Handwerks im<br />
Marktfeld Seniorengerechtes Wohnen“ in: Demographischer Wandel – Auswirkungen<br />
auf das Handwerk, Kontaktstudium Wirtschaftswissenschaft 2004, hrsg.<br />
v. Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen, Duderstadt.<br />
Bovensiepen, Gerd; Fobbe, Katrin; Kruthoff, Kai; Rumpff, Stephanie; Schögel,<br />
Marcus; Wulff, Christian (2006): “’Generation 55+’ – Chancen für Handel und<br />
Konsumgüterindustrie“. PriceWaterhouseCoopers und Institut für Marketing<br />
und Handel, Universität St.Gallen.<br />
BTE – Tourismusmanagement, Regionalentwicklung (2003): “Tourismuskonzeption<br />
für den Landkreis und die Stadt Göttingen – Gutachten im Auftrag des Landkreises<br />
Göttingen Stabsstelle für Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung“,<br />
Hannover, Nierstein.<br />
Braubach, M. (2003): “Wohnumwelt und Pflegebedürftigkeit im Alter“, Veröffentlichungsreihe<br />
des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld<br />
(IPW), Bielefeld.<br />
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2002): “Aktuelle Daten zur Entwicklung<br />
der Städte, Kreise und Gemeinden“, Bonn.<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2005): “Demographischer<br />
Wandel – (k)ein Problem! – Werkzeuge für betriebliche Personalarbeit“, Berlin.<br />
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (1998): “Zweiter<br />
Altenbericht der Bundesregierung über das Wohnen im Alter“, Bonn.<br />
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005): “Fünfter<br />
Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland<br />
– Potenziale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft. Der Beitrag älterer Menschen<br />
zum Zusammenhalt der Generationen“, Berlin.<br />
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2006): “Baumodelle<br />
der Altenhilfe und Behindertenhilfe“, URL: http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/<br />
aeltere-menschen, did=69842.html. (08.2006)<br />
Bundesministerium für Gesundheit (2002): “KDA Hausgemeinschaften 2001/2002<br />
– Eine Dokumentation zur Verbesserung der Situation Pflegebedürftiger“, Band<br />
9, Köln.<br />
Cassing, Gerd (2006): „Erwerbs-Szenario Südniedersachsen 2020: Gehen der<br />
Region die Mitarbeiter aus?“, Informationsveranstaltung „Landesförderung für<br />
autdit berufundfamilie“ vom 09. Mai 2006, Göttingen.<br />
208
Circel, Michael; Hilbert, Josef; Schalk, Christa (2004): “Produkte und Dienstleistungen<br />
für mehr Lebensqualität im Alter“, Institut für Arbeit und Technik,<br />
Gelsenkirchen.<br />
Cramer, G. (2003): „Improving the Quality of Life – A Future Market for SMEs and<br />
Skilled Trades“ (Vortrag), The ageing society: Opportunities and challenges for<br />
strengthening Europe‘s competitiveness, Brüssel 09.12.2003; URL: http://www.<br />
seniorenwirt.de (08.2006).<br />
Deutscher Berufsverband für Altenpflege (2005): URL: http://www.dbva.de<br />
(08.2006).<br />
Deutsches Handwerksblatt (2005): “Kaufrausch kennt keine Altersgrenze“,<br />
Deutsches Handwerksblatt vom 25.8.2005.<br />
Deutscher Mieterbund (2005): “Mieterlexikon“, Berlin.<br />
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft (DSSW) (Hrsg.) (2004): “Leitfaden<br />
Senioren und Innenstadt – Eine Übersicht über die Literatur zum Thema“ – DSSW-<br />
Material, Berlin. URL: http://www.dssw.de/downloads/dl_hd_dssw_09.pdf<br />
(08.2006).<br />
Eichener, V. (2004): “Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW<br />
– Formen, Modelle, Zukunftsperspektiven, Expertise für die Enquetekommission<br />
’Situation und Zukunft der Pflege in NRW’ beim Landtag des Landes Nordrhein-<br />
Westfalen“, Bochum.<br />
Fachstelle Wohnberatung (2002): “Selbstorganisiert gemeinschaftlich Wohnen.<br />
Projektbeispiele und ausgewählte Projektadressen in Niedersachsen“, URL:<br />
http://www.fachstelle-wohnberatung.de/Vortrag_Wohngemeinschaften.pdf<br />
(08.2006).<br />
Fachstelle Wohnberatung (2006): “Ambulant betreute Wohngemeinschaften“,<br />
Forum gemeinschaftliches Wohnen e. V., URL: http://www.fachstelle-wohnberatung.de/Vortrag_Wohngemeinschaften.pdf<br />
(08.2006).<br />
Fuchs, J. (2005): “Auswirkungen des demographischen Wandels auf das Arbeitskräftepotenzial“,<br />
in: Demographischer Wandel – Auswirkungen auf das<br />
Handwerk, Kontaktstudium Wirtschaftswissenschaft 2004, hrsg. v. Seminar für<br />
Handwerkswesen an der Universität Göttingen, Duderstadt.<br />
Fuchs, J.; Dörfler, K. (2005): “Projektion des Arbeitsangebots bis 2050 – Demografische<br />
Effekte sind nicht mehr zu bremsen“, in: IAB Kurzbericht Nr. 11/2005,<br />
hrsg. v. Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg.<br />
GdW – Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen (Hrsg.) (2004): “Innovative<br />
Dienstleistungen ‘rund um das Wohnen’ professionell entwickeln – Service<br />
Engineering in der Wohnungswirtschaft”, Berlin. URL: http://www.izt.de/pdfs/<br />
sewowi/leitfaden-service-engineering-10-03-2004.pdf (06.2006).<br />
Geißler, Clemens (2003): “Für einen Perspektivenwechsel: Die Potenziale des<br />
Alters als Triebkräfte gesellschaftlicher Entwicklung“, in: Raumforschung und<br />
Raumordnung, Heft 5/2003, 61. Jahrgang.<br />
Geroweb (2006): “Heimgesetz Stand Januar 2002“, URL: http://www.geroweb.<br />
de/altenheim/heimgesetz-1.html (08.2006).<br />
209
Gewos (2004): “Entwicklung des Wohnungsmarktes in Bremen und Niedersachsen<br />
bis 2020“, Hamburg.<br />
Gewos (2005): “Göttingen, Bovenden, Rosdorf 2020 – Wohnungsmarktanalyse<br />
und -prognose“, Hamburg.<br />
Grohs, George (2004): “Telemedizin“, in: c’t 12/2004, S. 54, bzw. URL: http://www.<br />
heise.de/ct/04/12/054/<br />
Haimann, Richard (2005): “Alt! – Wie wichtigste Konsumentengruppe der Zukunft<br />
die Wirtschaft verändert“, Redline Wirtschaft, Frankfurt.<br />
Handwerkskammer Düsseldorf (Hrsg.) (2002): “Marktfeld seniorengerechtes<br />
Wohnen – StartSet für Handwerksorganisationen“, Düsseldorf.<br />
Handwerkskammer Düsseldorf (Hrsg.) (2005): “Marktfeld seniorengerechtes<br />
Wohnen – StartSet für Handwerksbetriebe“, Düsseldorf.<br />
Handwerkskammer Hamburg (Hrsg.) (2001): “Zukunftsfähige Konzepte für das<br />
Handwerk zur Bewältigung des demographischen Wandels“, Broschürenreihe:<br />
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Heine, Achim; Knigge Mathias; Schmidt-Ruhland, Karin (1999): “Image – Das Alter<br />
im Bild oder das Bild vom Alter“, Berlin. URL: http://www.sentha.udk-berlin.<br />
de/download/Studien/sentha-Image.pdf (08.2006).<br />
Hellbusch, Jan Eric: “Barrierefreies Webdesign – Ein behindertengerechtes Internet<br />
gestalten“, URL: http://www.barrierefreies-webdesign.de/barrierefrei/ueberblick.<br />
html (08.2006).<br />
Herwig, Oliver: “Die jungen Alten“, form 206, Sonderheft: Universal Design,<br />
Juli/August 2006, URL: http://www.form.de/data/u/Universal_Design.pdf, S.<br />
3–8 (08.2006).<br />
Hiege, Karsten; Hesse, Wolf-Ekkehard (2006): “Regionalanalyse des Landkreises<br />
Göttingen – Basisdaten zu älteren Beschäftigten und Erwerbslosen“, <strong>Regionalverband</strong><br />
Süd-Niedersachsen, Göttingen.<br />
Hilbert, Josef; Fretschner, Rainer; Dülberg, Alexandra (2002): “Rahmenbedingungen<br />
und Herausforderungen der Gesundheitswirtschaft.“ Manuskript,<br />
Gelsenkirchen, Institut Arbeit und Technik, URL: http://iat-info.iatge.de/aktuell/<br />
veroeff/ds/hilbert02b.pdf (06.2006).<br />
Huber, Th. (2005): “Die Zukunft des Handwerks vor dem Hintergrund des demographischen<br />
und gesellschaftlichen Wandels – Das Handwerk aus der Perspektive<br />
der Zukunfts- und Trendforschung“, in: Demographischer Wandel – Auswirkungen<br />
auf das Handwerk, Kontaktstudium Wirtschaftswissenschaft 2004, hrsg.<br />
v. Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen, Duderstadt.<br />
Kasper, P. (2005): “Andere Zeiten – andere Kunden?“, in: GFF Zeitschrift für Glas-<br />
Fenster-Fassade-Metall, Nr. 11/2005, Schorndorf.<br />
Kistler, E.; Mendius, H.G. (Hrsg.) (2002): “Demographischer Strukturbruch und<br />
Arbeitsmarktentwicklung. Probleme, Fragen, erste Antworten“, SAMF-Jahrestagung<br />
2001, Stuttgart.<br />
210
Kremer-Preiß, Ursula; Stolarz, Holger (2003): “Forum für Gemeinschaftliches Wohnen<br />
im Alter, 2000“ Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen.<br />
Kremer-Preiß, Ursula; Stolarz, Holger (2003): “Neue Wohnkonzepte und praktische<br />
Erfahrungen bei der Umsetzung – eine Bestandsanalyse“, Bertelsmann Stiftung/<br />
Kuratorium Deutsche Altershilfe (Hrsg.), Köln.<br />
Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) (2005): “Positionspapier Perspektiven für das<br />
Wohnen im Alter“, Handlungsempfehlungen des Beirates „Leben und Wohnen<br />
im Alter“ der Bertelsmann Stiftung. URL: http://www.kda.de/files/wohnen/2006-<br />
03-01positionspapier_wohnen.pdf (06.2006).Landes-Gewerbeförderungsstelle<br />
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Landestreuhandstelle (LTS) (2005): “Perspektiven der Wohnungsnachfrage. Wohnungsprognose<br />
2010/2015“, Hannover.<br />
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www.lts-nds.de/index2.php?t=21211 (06.2006).<br />
Landkreis Göttingen (Hrsg.) (1984): “Altenhilfeplan 1984“.<br />
LTS (2005): “Perspektiven der Wohnungsnachfrage. Wohnungsprognose<br />
2010/2015, Wohnungsnachfragemuster nach Lebensphasen“.<br />
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reichste Generation aller Zeiten – die 50plus-Generation“, in: Jahrbuch Seniorenmarketing<br />
2006/2007. Deutscher Fachverlag, Frankfurt a. M.<br />
Meyer-Hentschel, Hanne; Meyer-Hentschel, Gundolf (Hrsg.) (2006): “Jahrbuch<br />
Seniorenmarketing 2006/2007“, Deutscher Fachverlag, Frankfurt a. M.<br />
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Wirklichkeit verdrängen“, Ullstein Verlag, Ulm.<br />
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– Arbeitshilfen für Theorie und Praxis“, Düsseldorf.<br />
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Wohnungsfortschreibung“, URL: http://www.nls.niedersachsen.de/html/basisdaten_niedersachsen.html<br />
(06.2006).<br />
Niedersächsisches Landesamt für Statistik (2004): “Statistische Berichte Niedersachsen,<br />
A I Bevölkerungsstand“, URL: http://www.nls.niedersachsen.<br />
de/html/veroeffentlichungen.html (06.2006).<br />
Niedersächsisches Landesamt für Statistik (2004): “Statistische Berichte Niedersachsen.<br />
A I 5 Bevölkerung, Erwerbstätigkeit, Haushalte und Familien – Ergebnisse<br />
des Mikrozensus. März 2004“, URL: http://www.nls.niedersachsen.<br />
de/html/veroeffentlichungen.html (06.2006).<br />
Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (2004):<br />
“Grundprinzipien und Leitlinien der Pflegedokumentation“, Hannover, URL:<br />
http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C5782565_L20.pdf (08.2006).<br />
Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit<br />
(2005): “Landespflegebericht – nach § 2 des Niedersächsischen Pflegegesetzes<br />
(NPflegeG)“, Hannover.<br />
Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit<br />
(2006): “Wohnraumförderung“, URL: http://www.ms.niedersachsen.de/master/<br />
C1829960_N2776011_L20_D0_I674.html (07.2006).<br />
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in Niedersachsen“, in: Statistische Monatshefte Nds. 5/2005,<br />
hrsg. v. Niedersächsischen Landesamt für Statistik, Hannover.<br />
Nullbarriere.de (2006): “Dienstleistungsnormung: DIN-Norm für ’Betreutes Wohnen’<br />
77800“, URL: http://www.nullbarriere.de/din77800_betreutes_wohnen.<br />
htm (09.2006).<br />
Opaschowski, Horst (2005): “Wir werden es erleben. Zehn Zukunftstrends für<br />
unser Leben von morgen“, Darmstadt.<br />
Pöppel, Ernst (2006), in: form 206, Sonderheft Universal Design, Juli/August 2006,<br />
URL: http://www.form.de/data/u/Universal_Design.pdf (08.2006).<br />
Portal der Landeshauptstadt und der Region Hannover:URL: http://www.hannover.<br />
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Sonntag, Ulf; Sierck, Astrid (2006): Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen<br />
(FUR), Kiel.<br />
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und Gründungshemmnisse in Südniedersachsen sowie daraus abzuleitende<br />
Handlungsbedarfe“, Göttingen.<br />
Stadt Göttingen (Hrsg.) (2006): “Leitbild 2020, Göttingen stellt sich der Zukunft“,<br />
Göttingen.<br />
212
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der deutschen Urban-Audit Städte“, in: Göttinger Statistik aktuell 15: 3.<br />
Steffens, B. et al. (2004): “Enquetekommission ’Situation und Zukunft der Pflege<br />
in NRW’ – Bericht der Arbeitsgruppe Wohnen“, URL: http://www.landtag.nrw.<br />
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T.E.A.M. Team für Effiziente Angewandte Marktpsychologie GmbH, (2004): “Die<br />
unterschätzte Generation“, Frankfurt a. M.<br />
VDW – Verband der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen und Bremen e.V.<br />
(2006): “Daten und Fakten“, URL: http://www.vdw-online.de/de/html/Daten<br />
Fakten_30_70.php (06.2006).<br />
Weber, B.; Packebusch, L. (2005): “Altern im Handwerk – Betriebliche Strategien<br />
einer alternsgerechten Arbeits- und Personalpolitik“, in: Demographischer<br />
Wandel – Auswirkungen auf das Handwerk, Kontaktstudium Wirtschaftswissenschaft<br />
2004, hrsg. v. Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen,<br />
Duderstadt.<br />
Wirtschaftswoche (2006): “Frischer Wind”, in: Wirtschaftswoche vom 10.07.2006<br />
(Nr. 28).<br />
Zentralverband des Deutschen Handwerks (2001): Demographische Entwicklung.<br />
Eine Herausforderung für die Berufsbildung im Handwerk, Berlin.<br />
Ziehe, Vera (2005): “Teutowellness50plus – Tourismusförderung in der Region Teutoburger<br />
Wald“, Europäische Konferenz <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Europa, Bonn.<br />
213
InternetlInks<br />
Ausgewählte Internetlinks von Akteuren in der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Telekommunikation und Neue Medien<br />
Landesarbeitsgemeinschaft lokale<br />
Medienarbeit NRW e.V.<br />
http://medienarbeit-nrw.de/<br />
Ganz einfach Internet für 50plus http://www.50plus-ans-netz.de/<br />
Sonderbericht „Silver Surfer“ zu<br />
den internet facts 2005-II der<br />
AGOF<br />
Werkzeuge zur Validierung und<br />
Überprüfung von barrierefreiem<br />
Webdesign<br />
http://www.agof.de/index.395.html<br />
http://www.barrierefreies-webdesign.<br />
de/verweise/tools.html<br />
Partnervermittlung ab 40 http://www.derzweitefruehling.de<br />
Stiftung Digitale Chancen Bremen http://www.digitale-chancen.de<br />
Europäisches Zentrum für Medienkompetenz<br />
http://www.ecmc.de<br />
HNF Heinz Nixdorf Museum Forum http://www.hnf.de<br />
Medienkompetenz Netzwerk http://www.mekonet.de<br />
Online-Lern Seite für SeniorInnen http://www.senioren-lernen-online.de<br />
Senioren OnLine http://www.senioren-online.net<br />
Zentrum für Telematik im Gesundheitswesen<br />
Bildung<br />
Weiterbildungen in der Region Süd-<br />
Niedersachsen<br />
http://www.ztg-nrw.de<br />
http://www.bildung21.net<br />
Fortbildungen für Pflegepersonal http://www.fortbildung-pflege.com<br />
Bildungswerk Neues Alter Hattingen<br />
Weiterqualifizierung für Betriebe<br />
http://www.neues-alter.de<br />
des Gesund-heitswesens und der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
http://www.regioplus-weserbergland.de/<br />
Das Netz für Leute ab 50 von Senioren<br />
für Senioren<br />
http://www.seniorennet.de<br />
Europäisches Zentrum für universitäre<br />
Studien der Senioren<br />
http://www.zig-owl.de/<br />
Ältere ArbeitnehmerInnen<br />
Beschäftigungspakt für Ältere im<br />
Landkreis Göttingen<br />
http://www.50plus-goettingen.de<br />
Börse für Seniorenführungskräfte http://www.erfahrung-deutschland.de<br />
214
G.I.B. Gesellschaft für innovative<br />
Beschäftigungsförderung mbH<br />
http://www.gib.nrw.de<br />
Equal – Offensive für Ältere http://www.offensive-fuer-aeltere.de<br />
Zwischen Arbeit und Ruhestand<br />
(ZWAR) NRW<br />
Reisen<br />
http://www.zwar.org<br />
50plus Hotels in Deutschland http://www.50plushotels.de<br />
Info- und Freizeitbörse Galerie Göttinger<br />
Land<br />
http://www.goettingerland.de/<br />
Nordrhein-Westfalen Tourismus e.V. http://www.nrw-tourismus.de<br />
Teutoburger Wald Tourismus http://www.teutoburgerwald.de<br />
Wellness im Teutoburger Wald<br />
Handwerk<br />
Dienstleistungsnetzwerk: Ein Team<br />
für alle Fälle<br />
Kooperation von Betrieben in Niedersachsen<br />
Passgerecht – Handwerk für mehr<br />
Lebensqualität<br />
Service-Organisation für Senioren<br />
von Senioren<br />
Handwerkszentrum – Internetportal<br />
für barrierefreies Bauen und<br />
Wohnen<br />
Wohlfahrtsorganisationen<br />
Informations- und Kontaktstelle für<br />
die Arbeit mit älteren MigrantInnen<br />
Aktuelle Informationen zur Pflegeversicherung<br />
http://www.teutoburgerwald.de/wellness50plus/<br />
http://ein-team.de<br />
http://www.hand-in-hand-werker.de<br />
http://www.passgerecht.de<br />
http://www.service-org-senioren.de<br />
http://www.wia-handwerk.de<br />
http://www.aktioncourage.org/ikom/fortangebot.htm<br />
http://www.carehelix.de<br />
Caritas in Deutschland http://www.caritas.de/<br />
Der Paritätische Landesverband in<br />
Niedersachsen<br />
Informations- und Ideenpool für<br />
Initiativen älterer Menschen<br />
Plattform für Fachinformationen aus<br />
Sozialwirtschaft und Nonprofit-Management<br />
Forschung<br />
Deutsches Zentrum für<br />
Alternsforschung<br />
Forschungsinstitut Technologie .<br />
Behindertenhilfe<br />
http://www.paritaetischer.de/<br />
http://www.senioren-initiativen.de/<br />
http://www.socialnet.de/<br />
http://www.dzfa.de<br />
http://www.ftbvolmarstein.de<br />
215
GRP – Forschung für alle<br />
Generationen<br />
http://www.grp.hwz.uni-muenchen.de<br />
Institut Arbeit und Technik http://www.iat-info.iatge.de<br />
Seniorengerechte Technik im<br />
häuslichen Alltag<br />
http://www.sentha.udk-berlin.de<br />
Institut für Gerontologie http://www.uni-dortmund.de/FFG/<br />
Wohnen<br />
Anbieter von 24-Stunden Seniorenbetreuung<br />
http://www.seniocare24.de<br />
BMFSFJ – Weiterentwicklung zukunftsorientierter<br />
Wohn– und Pflegeangebote<br />
für alte Menschen<br />
http://www.baumodelle-bmfsfj.de/Modellreihen_Altenhilfe.html<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung<br />
e.V.<br />
http://www.wohnungsanpassung.de<br />
Designzeitschrift Form: Spezialaushttp://www.form.de/data/u/Universal_Degabe<br />
Barrierefrei – Universal Design<br />
sign.pdf<br />
now<br />
Empirica – SeniorInnen Immobilien http://www.empirica-institut.de/empirica/<br />
und neue Wohnformen für Ältere htm/produkt/7.htm<br />
Förderverein Lebensgerechtes Woh- http://www.lebensgerechtes-wohnen.<br />
nen OWL<br />
de<br />
Forum Gemeinschaftliches Wohnen<br />
e.V.<br />
http://www.fgwa.de/<br />
Gang-way GmbH Produkte und<br />
Ideen zum Wohnen ohne Hindernisse<br />
http://www.gang-way.com/web/index.<br />
php<br />
Hilfe und Pflege im Alter zu Hause http://www.hilfe-und-pflege-im-alter.de/<br />
Institut Wohnen im Alter http://www.institut-wohnen-im-alter.de/<br />
InWis GmbH Wohnungswesen und<br />
Immobillienwirtschaft: Wohnen im<br />
Alter<br />
Kommunalkongress Altersgerechte<br />
Wohnkonzepte:<br />
Gestaltungsmöglichkeiten für Kommunen<br />
Kuratorium Deutsche Altershilfe – Leben<br />
und Wohnen im Alter<br />
http://www.inwis.de/htm/start/images<br />
/wus_trendreport.pdf_<br />
http://www.aktion2050.de/cps/rde/<br />
xchg/SID-0A000F0A-F85273F3/aktion/<br />
hs.xsl/6594.html<br />
http://www.kda.de/german/showarticles.<br />
php?id_pag=8&id_art=113<br />
LAG Wohnberatung NRW http://www.wohnberatungsstellen.de<br />
Niedersächsische Fachstelle Wohnberatung<br />
nullbarriere.de – Barrierefreies Planen,<br />
Bauen und Wohnen<br />
Realisierung für barrierefreies Bauen,<br />
Wohnen, Arbeiten<br />
http://www.fachstelle-wohnberatung.<br />
de/<br />
http://www.nullbarriere.de/<br />
http://www.barrierefreileben.de<br />
Selbstbestimmtes Wohnen im Alter http://www.Wohnbund-beratung-nrw.de<br />
Smarter Wohnen<br />
Sozialnetz Hessen – Wohnen in jedem<br />
Alter<br />
http://www.smarterwohnen.net/deutsch/<br />
startseite/<br />
http://www.sozialnetz.de/ca/bez/fxa/<br />
216
Wohn mobil – Beratungsstelle für<br />
http://www.wohn-mobil-koeln.de/<br />
Wohnraumanpassung<br />
Wohnberatung für ältere und behin-<br />
http://www.wohnberatung.info<br />
derte Menschen in NRW<br />
Wohnraumberatung und Hilfsmittelversorgung<br />
für Senioren, Behinderte http://www.gerotronik.de<br />
und Kranke<br />
Verbände und Verwaltung<br />
Bundesministerium für Familie,<br />
Senioren, Frauen und Jugend zum<br />
Thema „Ältere Menschen“<br />
KCR, Konkret Consult Ruhr, Dienstleistungen<br />
für Unternehmen der<br />
Sozialwirtschaft<br />
http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/<br />
aeltere-menschen.html<br />
http://www.KCR-net.de<br />
Kuratorium Deutsche Altershilfe http://www.kda.de<br />
Impuls 50plus, Initiative der Rheinisch-BergischenWirtschaftsförderung<br />
GmbH<br />
Verband Deutscher Alten- und<br />
Behindertenhilfe e.V.<br />
Ver.di Vereinte Dienstleistungsgesellschaft<br />
http://www.rbk-direkt.de/do/de/Verbraucher.asp<br />
http://www.vdab.de<br />
http://www.verdi.de<br />
Verbraucherzentrale Niedersachsen http://www.vzniedersachsen.de/<br />
ZIG, Zentrum für Innovation in der<br />
Gesundheitswirtschaft Ostwestalen-<br />
Lippe<br />
Politik<br />
http://www.zig-owl.de<br />
AG SPD 60 plus http://www.ag60plus.de/<br />
http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/genera-<br />
Altenberichte des BMFSFJ<br />
tor/ Kategorien/ Publikationen/publikationsliste.html<br />
Die Grauen/Graue Panther in Südnie- http://www.die-grauen-niedersachsen.<br />
dersachsen<br />
de/SSB-Südniedersachsen<br />
Senioren Union CDU http://www.seniorenunion.cdu.de/<br />
Handel<br />
Großes Handy http://www.fitage.de<br />
Deliga: Pflegeversand http://www.pflegeversand.de<br />
Senio: Fachhandel für Senioren http://www.senio.de<br />
217
Seniorenportale, Seniorenorganisationen<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen<br />
218<br />
http://www.bagso.de<br />
Deutsche Seniorenliga e.V. http://www.deutsche-seniorenliga.de<br />
Informationsdienst Altersfragen http://www.dza.de<br />
Lifestyle Portal 50plus http://www.forum-fuer-senioren.de<br />
Senioren-Pflege-Informationsportal http://www.geroweb.de<br />
Portal mit seniorenrelevanten Themen http://www.lebensphasen.net<br />
Portal mit vielen SeniorInnen-Themen http://www.seniorenfreundlich.de<br />
Senioren Initiativen http://www.senioren-initiativen.de<br />
Portal mit Schwerpunkt auf <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Landesseniorenvertretung NRW<br />
Allgemeines Portal mit SeniorInnen-<br />
Themen<br />
http://www.seniorenmarkt.de<br />
http://www.senioren-online.net/lsvnrw/<br />
http://www.seniorentreff.de<br />
Internationale Seniorenseiten http://www.seniorenweb.ch/de<br />
Ver.di Internet Senioren Club http://www.verdi-senioren.club.de<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
Geschäftsstelle <strong>Seniorenwirtschaft</strong> http://seniorenwirt.de<br />
Zukunftsmarkt 70plus, Frankfurt November<br />
2006<br />
http://www.euroforum.de<br />
Senioren im Ehrenamt http://www.feierabend.com<br />
Portal für bürgerschaftliches Engagement,<br />
Ehrenamt und Selbsthilfe in<br />
Niedersachsen<br />
http://www.freiwilligenserver.de<br />
Gesellschaft für Gerontotechnik http://www.gerontotechnik.de<br />
Landesinitiative <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />
NRW<br />
SEN@ER, <strong>Seniorenwirtschaft</strong> Netwzwerk<br />
Europäischer Regionen<br />
SWZ, <strong>Seniorenwirtschaft</strong>szentrum Gelsenkirchen<br />
Verschiedenes<br />
Tipps Gegen Trickbetrüger<br />
und Trickdiebe<br />
http://www.seniorenwirt.de<br />
http://www.silvereconomy-europe.<br />
org<br />
http://www.swz-net.de<br />
http://www.pfiffige-senioren.de<br />
Senioren besser verstehen http://www.seniorenfreundlich.de
abbIldungsverzeIchnIs<br />
Abbildung 1: Verbindungen der drei Studien untereinander 15<br />
Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Göttingen 18<br />
Abbildung 3: Verschiebung der Altersanteile in der<br />
Region Südniedersachsen 19<br />
Abbildung 4: Bevölkerungsentwicklung in der<br />
Region Göttingen 2004-2020 (Prozent) 20<br />
Abbildung 5: Entwicklung der Alterskohorten nach Raumtypen 21<br />
Abbildung 6: Entwicklung des Altersaufbaus der<br />
Bevölkerung im Landkreis Göttingen 21<br />
Abbildung 7: Prognose des Erwerbspersonenpotenzials<br />
im Landkreis Göttingen 22<br />
Abbildung 8: Seniorentypen bei den über 50-Jährigen 29<br />
Abbildung 9: Idee der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> 31<br />
Abbildung 10: Sinus-Milieus Quelle: Grey Global Group 32<br />
Abbildung 11: Einkommensverteilung der über<br />
50-jährigen im Landkreis Göttingen 56<br />
Abbildung 12: Eigenheimquote 77<br />
Abbildung 13:Wohnformen 78<br />
Abbildung 14: „Was macht für sie seniorengerechtes<br />
Wohnen aus?“ 79<br />
Abbildung 15: Eigenschaften von Wohnungen 79<br />
Abbildung 16: Eignung derzeitiger Wohnungen 80<br />
Abbildung 17: Wohnformenpräferenz bei Umzug 81<br />
Abbildung 18: „Welche der folgenden Wohnformen würden<br />
Sie im Falle eines Umzuges bevorzugen?“ (Nach Alter) 82<br />
Abbildung 19: Kriterien seniorengerechten Wohnens 85<br />
Abbildung 20: Handwerksbetriebe im Landkreis Göttingen 110<br />
Abbildung 21: Handwerksbetriebe im<br />
Landkreis Göttingen nach Branchen 110<br />
Abbildung 22: Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten<br />
im Landkreis Göttingen (Anteile in Prozent) 111<br />
Abbildung 23: Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten<br />
im Landkreis Göttingen 112<br />
Abbildung 24: Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten<br />
nach Betriebsgrößenklassen 112<br />
Abbildung 25: Modulares Managementkonzept, ifh Göttingen 115<br />
Abbildung 26: Liste lokaler Akteure im Bereich der<br />
<strong>Seniorenwirtschaft</strong> 117<br />
Abbildung 27: Handwerks-Faktoren 119<br />
Abbildung 28: “Was ist Ihnen beim Einkauf wichtig?“ 130<br />
Abbildung 29: “Wo liegen für Sie die Hauptprobleme<br />
beim Einkaufen?“ 130<br />
219
Abbildung 30: Hauptprobleme des Einkaufens nach Altersgruppen 130<br />
Abbildung 31: “Nehmen Sie Lieferdienste in Anspruch?“ 131<br />
Abbildung 32: Informationsstand bezüglich<br />
seniorengerechter Produkte nach Alter 131<br />
Abbildung 33: Präferenz für das Seniorenkaufhaus 132<br />
Abbildung 34: Internetnutzung 132<br />
Abbildung 35: Internetnutzung nach Bildungsabschluss 133<br />
Abbildung 36: Wünsche nach haushaltsbezogenen<br />
Dienstleistungen 133<br />
Abbildung 37: Inanspruchnahme haushaltsnaher<br />
Dienstleistungen 133<br />
Abbildung 38: Cluster-Modell Institut für Arbeit und Technik 143<br />
Abbildung 39: Mitgliederstruktur des Kreissportbundes<br />
Göttingen 159<br />
Abbildung 40: Mitgliederstruktur des ASC Göttingen 159<br />
220
pflegesätze der altenhIlfeeInrIchtungen Im land-<br />
kreIs göttIngen<br />
Pflegesätze und Abrechnungsweise der Einrichtungen Landkreis Göttingen (ohne Stadt Göttingen)<br />
Name:<br />
Alma Louisenstift<br />
Mühlenanger<br />
Adelebsen<br />
Tel: 0 0 / 0 Fax: 0<br />
HeimNr.<br />
Altenheim St. Martini<br />
Göttinger Str.<br />
Duderstadt<br />
Tel: 0 / 0 Fax:<br />
HeimNr.<br />
HollenbachStiftung<br />
Adenauerring<br />
Duderstadt<br />
Tel: 0 / 0 Fax:<br />
HeimNr.<br />
Pflegeheim Müller<br />
Hünstollenstr.<br />
Ebergötzen<br />
Tel: 0 0 / Fax:<br />
HeimNr. 0<br />
HerzoginElisabethStift<br />
Am Plan<br />
Hann. Münden<br />
Tel: 0 / 0 Fax: 0 0<br />
HeimNr. 0<br />
Altenwohnheim Hermannshagen<br />
Wiershäuser Weg<br />
Hann. Münden<br />
Tel: 0 / 00 Fax: 0<br />
HeimNr. 0<br />
Haus Tillyschanze<br />
Tillyschanzenweg<br />
Hann. Münden<br />
Tel: 0 / 0 Fax:<br />
HeimNr. 0<br />
Haus der Heimat<br />
Hubertusweg<br />
Hann. Münden<br />
Tel: 0 / 0 0 Fax: 0 0<br />
HeimNr. 0<br />
Stand: 26. Juli 2006<br />
Unterkunft<br />
&<br />
Verpflegung<br />
Geringer<br />
Pflegeaufwand<br />
(keine<br />
Pflegestufe)<br />
16,34 € 22,62 €<br />
16,99 €<br />
24,58 €<br />
(16,05 €)<br />
(Altenheim)<br />
16,23 € 21,27 €<br />
14,40 € 21,41 €<br />
16,96 € 23,36 €<br />
16,89 €<br />
16,97 €<br />
24,20 €<br />
(15,56 €)<br />
(Altenheimb.)<br />
23,64 €<br />
(21,13 €)<br />
(Altenheim)<br />
17,47 € 23,71 €<br />
221<br />
Pflegestufen<br />
I<br />
II<br />
III<br />
38,61 € Stufe I<br />
50,38 € Stufe II<br />
63,18 € Stufe III<br />
44,46 € Stufe I<br />
58,72 € Stufe II<br />
73,01 € Stufe III<br />
34,07 € Stufe I<br />
43,92 € Stufe II<br />
54,32 € Stufe<br />
III<br />
37,09 € Stufe I<br />
47,97 € Stufe II<br />
61,38 € Stufe III<br />
42,54 € Stufe I<br />
56,29 € Stufe II<br />
71,01 € Stufe III<br />
43,47 € Stufe I<br />
57,46 € Stufe II<br />
71,27 € Stufe III<br />
42,13 € Stufe I<br />
55,40 € Stufe II<br />
68,70 € Stufe III<br />
42,04 € Stufe I<br />
55,19 € Stufe II<br />
68,38 € Stufe III<br />
14,32 € Tagesstr.<br />
Investionkosten<br />
(tägl.):<br />
11,87 € 0,<br />
6,45 €<br />
13,79 €<br />
15,79 €<br />
9,05 €<br />
19,00 €<br />
14,00 €<br />
21,00 €<br />
15,82 €<br />
Investionskosten-<br />
Faktor:<br />
0,<br />
0,<br />
0,<br />
0,<br />
0,<br />
gültig ab:<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 000<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
.0 . 00
Name:<br />
Seniorenheim Hartel GmbH<br />
Oberdorf 0<br />
Rhumspringe<br />
Tel: 0 / 0 Fax:<br />
HeimNr.<br />
Seniorenheim Birkenhof<br />
In der Fuldaaue 1<br />
Staufenberg<br />
Tel: 0 / 0 Fax: 0<br />
HeimNr. 0<br />
Haus Elisabeth GmbH<br />
Hauptstr.<br />
Wollbrandshausen<br />
Tel: 0 / Fax:<br />
HeimNr.<br />
Seniorengemeinschaft Am Reinhardswald<br />
Veckerhäger Str.<br />
Hann. Münden<br />
Tel: 0 / 0 0 Fax: 0<br />
HeimNr. 0<br />
Landhaus Fuldablick<br />
Am Sonnenhang<br />
Staufenberg<br />
Tel: 0 / 0 0 Fax: 0 0<br />
HeimNr.<br />
Haus St. Georg<br />
Tannenweg<br />
Duderstadt<br />
Tel: 0 / 0 Fax: 0<br />
HeimNr.<br />
Pflegeheim Hemeln<br />
Im Klimpe 28<br />
Hann. Münden<br />
Tel: 0 / 0 0 Fax: 0 0<br />
HeimNr. 0<br />
Haus Drei Linden<br />
Hauptstr. 0<br />
Wollbrandshausen<br />
Tel: 0 / Fax:<br />
HeimNr.<br />
Haus Am Park<br />
Löwengasse<br />
Duderstadt<br />
Tel: 0 / 0 Fax:<br />
HeimNr.<br />
Seniorenresidenz Eschenhof<br />
Knickgasse 31<br />
Gieboldehausen<br />
Tel: 0 / 0 Fax: 00<br />
HeimNr.<br />
Unterkunft<br />
&<br />
Verpflegung<br />
Geringer<br />
Pflegeaufwand<br />
(keine<br />
Pflegestufe)<br />
15,56 € 20,94 €<br />
16,40 € 22,04 €<br />
15,47 €<br />
22,84 €<br />
18,82 € 23,03 €<br />
15,60 €<br />
17,09 €<br />
20,77 €<br />
(13,72 €)<br />
(Altenheim)<br />
23,86 €<br />
(16,03 €)<br />
(Altenheim)<br />
16,60 € 19,45 €<br />
16,31 € 23,62 €<br />
15,88 € 21,28 €<br />
16,38 € 20,85 €<br />
Pflegestufen<br />
I<br />
II<br />
III<br />
Inv. Kosten Stufe<br />
G<br />
36,27 € Stufe I<br />
47,36 € Stufe II<br />
58,19 € Stufe III<br />
37,83 € Stufe I<br />
50,05 € Stufe II<br />
60,24 € Stufe III<br />
40,86 € Stufe I<br />
52,85 € Stufe II<br />
64,83 € Stufe III<br />
38,38 € Stufe I<br />
49,89 € Stufe II<br />
69,08 € Stufe III<br />
35,86 € Stufe I<br />
46,49 € Stufe II<br />
56,46 € Stufe<br />
III<br />
40,45 € Stufe I<br />
52,66 € Stufe II<br />
64,88 € Stufe III<br />
29,42 € Stufe I<br />
37,34 € Stufe II<br />
49,93 € Stufe<br />
III<br />
43,37 € Stufe I<br />
63,05 € Stufe II<br />
74,34 € Stufe III<br />
33,48 € Stufe I<br />
42,40 € Stufe II<br />
55,39 € Stufe III<br />
§ BSHG<br />
35,35 € Stufe I<br />
46,28 € Stufe II<br />
61,91 € Stufe III<br />
222<br />
Investionkosten<br />
(tägl.):<br />
10,69 €<br />
10,69 €<br />
12,00 €<br />
13,00 €<br />
13,00 €<br />
12,10 €<br />
21,41 €<br />
13,91 €<br />
13,10 €<br />
12,00 €<br />
16,48 €<br />
96,43 €<br />
19,75 €<br />
monatlich<br />
Investionskosten-<br />
Faktor:<br />
0,<br />
0,<br />
0,<br />
0,<br />
gültig ab:<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0 . 0. 00<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0, 0 . 0. 00<br />
0 .0 .<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 . 0. 000<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0, .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0,<br />
0 .0 . 00<br />
– 0.0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00
Name:<br />
Vitanas GmbH & Co. KGaA-<br />
BS Königshof<br />
Berliner Ring –<br />
Hann. Münden<br />
Tel: 0 / 0 Fax: 00<br />
HeimNr. 0 ab 0 .0 . 00<br />
Vitanas GmbH & Co. KGaA-<br />
BS Königshof – Gerontho<br />
Berliner Ring –<br />
Hann. Münden<br />
Tel: 0 / 0 Fax: 00<br />
HeimNr. 0 ab 0 .0 . 00<br />
Haus Hainbuchenbrunnen<br />
Am Hainbuchenbrunnen<br />
Hann. Münden<br />
Tel: 0 / 0 0 Fax:<br />
HeimNr.<br />
Pflegeheim Schloß Friedland<br />
Schloßstr. 11<br />
Friedland<br />
Tel: 0 0 / 0 Fax:<br />
HeimNr. 0<br />
Pflegeheim Johannishof zu<br />
Rosdorf<br />
Kampweg 9<br />
Rosdorf<br />
Tel: 0 / 00 Fax: 0<br />
HeimNr.<br />
Haus der Heimat<br />
Spezialpflegeeinrichtung<br />
“Phase F“<br />
Hubertusweg<br />
Hann. Münden<br />
Tel: 0 / 0 0 Fax:<br />
HeimNr.<br />
Seniorenwohnanlage Dransfeld<br />
GmbH<br />
„Wohnen im alten Dorf“<br />
Im alten Dorf 8<br />
Dransfeld<br />
Tel.: 0 0 / 0 Fax: <br />
HeimNr.:<br />
Haus St, Martinus GmbH<br />
Auf der Winsche<br />
Bilshausen<br />
Tel.: 0 / 0 0 Fax: 0<br />
HeimNr.: 0<br />
Seniorenpflegezentrum Bovenden<br />
Wurzelbruchweg<br />
0 Bovenden<br />
Tel.: 0 / 0 Fax:<br />
HeimNr.:<br />
Unterkunft<br />
&<br />
Verpflegung<br />
16,87 €<br />
17,05 €<br />
Geringer<br />
Pflegeaufwand<br />
(keine<br />
Pflegestufe)<br />
22,23 €<br />
22,34 €<br />
15,34 € 22,50 €<br />
16,22 €<br />
21,77 €<br />
16,82 € 23,56 €<br />
(Altenheim<br />
61,01 €)<br />
14,68 € ,- €<br />
16,49 € 21,45 €<br />
16,03 € 21,61 €<br />
16,01 € 21,14 €<br />
223<br />
Pflegestufen<br />
I<br />
II<br />
III<br />
38,90 € Stufe I<br />
51,34 € Stufe II<br />
63,68 € Stufe III<br />
41,54 € Stufe I<br />
59,59 € Stufe II<br />
69,69 € Stufe III<br />
38,61 € Stufe I<br />
49,42 € Stufe II<br />
64,10 € Stufe III<br />
36,77 € Stufe I<br />
47,87 € Stufe II<br />
59,02 € Stufe III<br />
41,93 € Stufe I<br />
55,46 € Stufe II<br />
68,98 € Stufe III<br />
49,45 € Stufe I<br />
75,23 € Stufe II<br />
103,25 € Stufe<br />
III<br />
– € Tagesstr.<br />
37,35 € Stufe I<br />
48,74 € Stufe II<br />
60,07 € Stufe III<br />
37,49 € Stufe I<br />
49,34 € Stufe II<br />
61,34 € Stufe III<br />
36,69 € Stufe I<br />
52,80 € Stufe II<br />
65,77 € Stufe III<br />
Investionkosten<br />
(tägl.):<br />
19,27 €<br />
19,27 €<br />
16,50 €<br />
14,56 €<br />
26,54 €<br />
15,82 €<br />
23,05 €<br />
21,75 €<br />
Investionskosten-<br />
Faktor:<br />
gültig ab:<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 . 0. 00<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 . . 00<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 . . 00<br />
0, 0 .0 . 00<br />
0 .0 . 00<br />
0, 0 . 0. 00<br />
0 . 0. 00<br />
0, 0 .0 . 00
pflegesätze der altenhIlfeeInrIchtungen In der<br />
stadt göttIngen<br />
Stand: August 2006<br />
Name:<br />
Unterkunft<br />
& Verpflegung<br />
Geringer<br />
Pflegeaufwand<br />
(keine Pflegestufe)<br />
Pflegestufen<br />
I<br />
II (§ 75 SGB XII) (§ 82 IV SGB X!)<br />
III „Sozialhilfefälle“ „Selbstzahler“<br />
224<br />
Investionkosten Investionskosten-<br />
Feierabendhaus 16,57 € 22,53 € 41,44 € Stufe I 22,00 € 24,76 €<br />
Alten- und Pflegeheim Bode<br />
GbR<br />
55,00 € Stufe II<br />
68,61 € Stufe III<br />
16,10 € 21,50 € 37,67 € Stufe I 16,15 € 17,89 €<br />
49,27 € Stufe II<br />
60,90 € Stufe III<br />
Stift am Klausberg 18,11 € 23,14 € 39,61 € Stufe I 23,00 € 27,58 €<br />
51,59 € Stufe II<br />
64,63 € Stufe III<br />
St. PaulusStift 17,21 € 24,20 € 42,47 € Stufe I 12,29 € 13,14 €<br />
55,42 € Stufe II<br />
68,42 € Stufe III<br />
MatthiasClaudiusStift 17,73 € 24,74 € 44,51 € Stufe I 17,41 € 19,84 €<br />
58,69 € Stufe II<br />
72,91 € Stufe III<br />
GDA Wohnstift Göttingen 17,95 € 24,38 € 43,94 € Stufe I 17,78 € 19,74 €<br />
Zentrum für ältere Menschen<br />
/ St. Petri<br />
57,98 € Stufe II<br />
72,06 € Stufe III<br />
16,60 € 25,85 € 42,46 € Stufe I 16,75 € 17,95 €<br />
55,72 € Stufe II<br />
67,46 € Stufe III<br />
Seniorenzentrum Göttingen 19,23 € 26,84 € 45,13 € Stufe I 18,27 € 18,46 €<br />
(ehemals Altenzentrum 61,88 € Stufe II<br />
72,35 € Stufe III
Name:<br />
Unterkunft<br />
& Verpflegung<br />
Geringer<br />
Pflegeaufwand<br />
(keine Pflegestufe)<br />
225<br />
Pflegestufen<br />
I<br />
Investionkosten Investionskosten-<br />
II (§ 75 SGB XII) (§ 82 IV SGB X!)<br />
III „Sozialhilfefälle“ „Selbstzahler“<br />
AltBethlehem 18,48 € 24,47 € 43,64 € Stufe I 19,50 € 20,59 €<br />
57,40 € Stufe II<br />
71,20 € Stufe III<br />
Pro Seniore Residenz 16,40 € 24,69 € 41,11 € Stufe I 21,39 € 23,41 €<br />
Friedländer Weg 54,98 € Stufe II<br />
68,90 € Stufe III<br />
Pro Seniore Residenz 16,62 € 24,13 € 40,78 € Stufe I 23,12 € 25,20 €<br />
Posthof 54,85 € Stufe II<br />
68,95 € Stufe III<br />
Altenzentrum Luisenhof 16,04 € 20,98 € 40,04 € Stufe I 19,75 € 22,50 €<br />
53,73 € Stufe II<br />
67,44 € Stufe III<br />
PhönixHaus 16,44 € 20,97 € 39,06 € Stufe I 20,24 € 22,83 €<br />
Am Steinsgraben 51,96 € Stufe II<br />
64,83 € Stufe III<br />
Seniorenzentrum Weende 16,41 € 21,65 € 39,23 € Stufe I 21,50 € 24,33 €<br />
51,85 € Stufe II<br />
64,42 € Stufe III<br />
Kurzzeitpflege 16,93 € 33,95 € 59,06 € Stufe I<br />
am Hainberg 62,73 € Stufe II<br />
68,65 € Stufe III
adressen der alten- und pflegeeInrIchtungen In der<br />
stadt göttIngen<br />
Name Träger Anschrift Telefon homepage<br />
Wohnanlage<br />
Reinhäuser Landstraße<br />
Wohnanlage Ingeborg-<br />
Nahnsen Platz<br />
Wohnanlage<br />
Ewaldstraße 42<br />
Wohnanlage Haselweg<br />
, , 0<br />
Wohnanlage Danziger<br />
Straße/ Tilsiterstraße<br />
Städtische<br />
Wohnungsbau<br />
GmbH<br />
Städtische<br />
Wohnungsbau<br />
GmbH<br />
Wohnungsgenossenschaft<br />
e.G. GÖ<br />
Wohnungsgenossenschaft<br />
e.G. GÖ<br />
Wohnungsgenossenschaft<br />
e.G. GÖ<br />
Firma Residenz<br />
am Hainberg<br />
Gemeinschaft<br />
Deutsche<br />
Altenhilfe GmbH<br />
Ev. Stift Alt und<br />
NeuBethlehem<br />
Ev. Stift Alt und<br />
NeuBethlehem<br />
Reinhäuser Landstr.<br />
, 0 Göttingen<br />
Reinhäuser Landstr.<br />
, 0 Göttingen<br />
Oesterleystr. ,<br />
0 Göttingen<br />
Oesterleystr. ,<br />
0 Göttingen<br />
Oesterleystr. ,<br />
0 Göttingen<br />
0 / 0 http://www.swbgoe.de<br />
0 / 0 http://www.swbgoe.de<br />
0 / 0 0 http://www.wggoe.de 0<br />
0 / 0 0 http://www.wggoe.de<br />
0 / 0 0 http://www.wggoe.de<br />
226<br />
Anzahl der<br />
Wohnungen<br />
,<br />
Fertigstellung<br />
Ende 00<br />
Residenz am Hainberg<br />
Ewaldstr. 0,<br />
0 Göttingen<br />
0 / 00 http://www.residenzamhain<br />
Charlottenburger Str.<br />
berg.de/<br />
0<br />
GDA Wohnstift<br />
,<br />
0 / 0 http://www.gda.de/<br />
0 Göttingen<br />
Stift am Klausberg<br />
Habichtsweg ,<br />
0 Göttingen<br />
0 / 0 0 http://www.stiftamklausberg.de 0<br />
Alt Bethlehem<br />
Obere Karspüle 24,<br />
, 0 Göttingen<br />
0 / 0 http://www.altbethlehem.de/<br />
Feierabendhaus Ev. Stift Alt und<br />
NeuBethlehem<br />
Merkelstr. ,<br />
0 Göttingen<br />
0 / 0<br />
http://www.feierabendhaus.<br />
com/<br />
Seniorenzentrum<br />
Weende<br />
Firma Seniorenzentrum<br />
Weende<br />
MaxBorn Ring<br />
0 Göttingen<br />
,<br />
0 / 00 0<br />
http://www.seniorenzentrumweende.de/seite<br />
.htm<br />
Seniorenwohnanlage<br />
am Weendespring<br />
Wolfgang<br />
Fehrmann<br />
Am Weendespring a,<br />
0 Göttingen<br />
0 / 0<br />
http://www.seniorenbetreuunggoettingen.de/<br />
Wohnanlage Am<br />
Korbhofe, Bovenden<br />
Flecken<br />
Bovenden, WRG,<br />
AWO<br />
Am Korbhofe 2-10,<br />
0 Bovenden<br />
0 / 0<br />
http://www.awokvgoettingen.<br />
de/pflege/framepflegebetreuung.htm<br />
AlmaLouisenStift<br />
Adelebsen<br />
Diakonischer<br />
Pflegedienst<br />
Mühlenanger<br />
Adelebsen<br />
0 0 / <br />
http://www.almalouisenstift.de<br />
Haus St. Laurentius<br />
Haus St. Georg<br />
Gruppe<br />
Bahnhofstr. ,<br />
Gieboldehausen<br />
0 / 0<br />
http://www.hausstgeorg.<br />
de/blank_Portal/unternehmen/<br />
bwstlaurentius<br />
Haus St. Georg<br />
Haus St. Georg<br />
Gruppe<br />
Tannenweg a,<br />
Duderstadt<br />
Nesselröden<br />
0 / 0<br />
http://www.hausstgeorg.<br />
de/blank_Portal/unternehmen/<br />
bwstgeorg/<br />
Haus Tillyschanze<br />
Tillyschanzenweg ,<br />
Hann. Münden<br />
0 / 0<br />
http://www.haustillyschanze.<br />
de/home.htm<br />
Am Kronenturm<br />
Gemeinnütziger<br />
Bauverein und<br />
AWO<br />
Wiershäuser Weg ,<br />
Hann. Münden<br />
0 / 0 0<br />
http://www.awokvgoettingen.<br />
de<br />
http://ww.bauvereinmuenden.<br />
de/<br />
Haus der Heimat Monika Keuthen<br />
Hubertusweg ,<br />
Hann. Münden/<br />
Hedemünden<br />
0 / 0 0<br />
http://www.hausderheimat.<br />
de/<br />
Vitanas<br />
Seniorenzentrum<br />
Königshof<br />
Vitanas<br />
Berliner Ring – ,<br />
Hann. Münden<br />
0 / 0 http://www.vitanas.de/<br />
HerzoginElisabethStift<br />
Ev. Stift Alt und<br />
NeuBethlehem<br />
Am Plan – ,<br />
Hann. Münden<br />
0 / 0<br />
http://www.herzoginelisabethstift.de<br />
Seniorenwohnanlage<br />
Gr. Schneen<br />
Dieter Gremmes<br />
Am Birkenfeld – ,<br />
37133 Groß Schneen<br />
0 /<br />
Seniorenwohnanlage<br />
Dransfeld<br />
Seniorenwohnanlage<br />
Dransfeld<br />
GmbH<br />
Im alten Dorf 8, 37125<br />
Dransfeld<br />
0 0 / 0
adressen der alten- und pflegeheIme Im<br />
bereIch des landkreIses göttIngen<br />
Heim Anschrift Plätze Gemeinde<br />
HerzoginElisabethStift<br />
Hann. Münden<br />
Altenwohnheim Hermannshagen<br />
Hann. Münden<br />
Haus Tillyschanze<br />
Hann. Münden<br />
Haus der Heimat,<br />
Oberode<br />
Pflegeheim Am Reinhardswald<br />
Hann. Münden<br />
Pflegeheim Hemeln<br />
Hemeln<br />
Senioren- und Wohnpark Königshof<br />
Hann. Münden<br />
Haus Hainbuchenbrunnen<br />
Hann. Münden<br />
Alten- und Pflegeheim St. Martini<br />
Duderstadt<br />
HollenbachStiftung<br />
Duderstadt<br />
Haus Am Park<br />
Duderstadt<br />
Haus St. Georg<br />
Nesselröden<br />
227<br />
Am Plan<br />
Hann. Münden<br />
Tel.: 0 / 0<br />
Fax: 0 / 0 0<br />
Wiershäuser Weg<br />
Hann. Münden<br />
Tel.: 0 / 00<br />
Fax: 0 / 0<br />
Tillyschanzenweg<br />
Hann. Münden<br />
Tel.: 0 / 0<br />
Fax: 0 /<br />
Hubertusweg<br />
Hann. Münden<br />
Tel.: 0 / 0 0<br />
Fax: 0 / 0 0<br />
Veckerhäger Str.<br />
Hann. Münden<br />
Tel.: 0 / 0 0<br />
Fax: 0 / 0<br />
Im Klimpe 28<br />
Hann. Münden<br />
Tel.: 0 / 0 0<br />
Fax: 0 / 0<br />
Berliner Ring –<br />
Hann. Münden<br />
Tel.: 0 / 0<br />
Fax: 0 /<br />
Am Hainbuchenbrunnen<br />
Hann. Münden<br />
Tel.: 0 / 0 0<br />
Fax: 0 / 0 0<br />
Göttinger Str.<br />
Duderstadt<br />
Tel.: 0 / 0<br />
Fax: 0 /<br />
Adenauerring<br />
Duderstadt<br />
Tel.: 0 / 0<br />
Fax: 0 /<br />
Löwengasse<br />
Duderstadt<br />
Tel.: 0 / 0<br />
Fax: 0 /<br />
Tannenweg a<br />
Duderstadt<br />
Tel.: 0 / 0<br />
Fax: 0 / 0<br />
0<br />
Hann.Münden<br />
Duderstadt
Heim Anschrift Plätze Gemeinde<br />
Seniorenresidenz Eschenhof<br />
Gieboldehausen<br />
Haus Drei Linden,<br />
Wollbrandshausen<br />
Haus Elisabeth<br />
Wollbrandshausen<br />
Seniorenheim Hartel<br />
Rhumspringe<br />
Haus St. Martinus<br />
Bilshausen<br />
Seniorenheim Birkenhof<br />
Spiekershausen<br />
Landhaus Fuldablick<br />
Spiekershausen<br />
AlmaLouisenStift<br />
Adelebsen<br />
Alten- und Pflegeheim Müller<br />
Holzerode<br />
Johannishof<br />
Rosdorf<br />
Pflegeheim Schloß Friedland<br />
Friedland (Eingliederungshilfe)<br />
Seniorenpflegezentrum Bovenden<br />
Bovenden<br />
Seniorenwohnanlage<br />
Dransfeld<br />
Knickgasse 31<br />
Gieboldehausen<br />
Tel.: 0 / 0<br />
Fax: 0 / 00<br />
Hauptstr. 0<br />
Wollbrandshausen<br />
Tel.: 0 /<br />
Fax: 0 /<br />
Hauptstr.<br />
Wollbrandshausen<br />
Tel.: 0 /<br />
Fax: 0 /<br />
Oberdorf – 0<br />
Rhumspringe<br />
Tel.: 0 / 0<br />
Fax: 0 /<br />
Auf der Winsche<br />
Bilshausen<br />
Tel.: 0 / 0 0<br />
Fax: 0 / 0<br />
In der Fuldaaue 1<br />
Staufenberg<br />
Tel.: 0 / 0 und 0<br />
Fax: 0 / 0<br />
Am Sonnenhang<br />
Staufenberg<br />
Tel.: 0 / 0 0<br />
Fax: 0 / 0 0<br />
228<br />
SG Gieboldehausen<br />
Staufenberg<br />
Mühlenanger<br />
Adelebsen<br />
Tel.: 0 0 / 0<br />
Fax: 0 0 / 0 Adelebsen<br />
Hünstollenstr.<br />
Ebergötzen<br />
Tel.: 0 0 /<br />
Fax: 0 0 /<br />
Kampweg 9<br />
Rosdorf<br />
Tel.: 0 / 00<br />
Fax: 0 / 0<br />
0<br />
SG<br />
Radolfshausen<br />
Rosdorf<br />
Schloßstr. 11<br />
Friedland<br />
Tel.: 0 0 / 0<br />
Fax: 0 0 / Friedland<br />
Wurzelbruchweg<br />
0 Bovenden<br />
Tel.: 0 / 0<br />
Fax.: 0 / Bovenden<br />
Im alten Dorf 8<br />
Dransfeld<br />
Tel.: 0 0 / 0<br />
Fax.: 0 0 / Dransfeld
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen e.V.<br />
Geschäftsführer Rüdiger Reyhn<br />
Barfüßerstr. 1<br />
37073 Göttingen<br />
Tel.: 0551/5472810<br />
Fax: 0551/5472820<br />
http://www.regionalverband.de<br />
E-Mail: info@regionalverband.de<br />
Projektleitung: Rüdiger Reyhn<br />
Projektkoordination: Holger Balderhaar und Marcus Lemke<br />
Bearbeitung: Holger Balderhaar, Kilian Bizer, Julia Busche,<br />
Gerd Cassing, Wolf-Ekkehard Hesse, Karsten Hiege, Ullrich Kornhardt,<br />
Marcus Lemke, Steffen Reißig und Rüdiger Reyhn<br />
Mitarbeit: Ulrike Brammer, Bettina Keuthen, Odilia König,<br />
Bernd Kreutzfeldt, Erika Lohe, Christiane Röbbel, Ulf Schmidt,<br />
Dirk Spenn und Gudrun Surup<br />
Wissenschaftliche Beratung: Gerhard Bäcker<br />
Moderation der narrativen Gesprächsrunden: Silke Inselmann<br />
(WIDServe)<br />
Datenerhebung: Helga Wehler, Christiane Wilde, Swaantje Krasky<br />
Seniorenscout: Swaantje Krasky<br />
Auswertung der Fragebögen: Nils-Christian Schwarz und<br />
Katharina Ratke<br />
Lektorat: Ingo Chao<br />
Layout und Grafiken: OPTEX Werbeagentur, Maike Lambrecht und<br />
Jens Geumann<br />
Göttingen, im September 2006<br />
229
230<br />
© <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen e.V. | Barfüßerstr. 1 | 37073 Göttingen | www.regionalverband.de