09.11.2012 Aufrufe

Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft - Regionalverband ...

Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft - Regionalverband ...

Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft - Regionalverband ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Holger Balderhaar | Julia Busche | Marcus Lemke | Rüdiger Reyhn<br />

<strong>Potenzialanalyse</strong> <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Regionalökonomische Impulse für Stadt und<br />

Landkreis Göttingen durch ältere Menschen<br />

Beschäftigungspakt für Ältere im<br />

Eine Studie im Rahmen des Beschäftigungspaktes „50 plus - Erfahrung zählt!“ im Landkreis Göttingen<br />

Gefördert und unterstützt durch das


Herausgeber<br />

<strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen e.V.<br />

Barfüßerstraße 1, 37073 Göttingen<br />

info@regionalverband.de<br />

0551-5472810<br />

www.regionalverband.de<br />

in Kooperation mit dem<br />

Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der<br />

Universität Göttingen (ifh)<br />

Im auftrag von<br />

www.50plus-goettingen.de<br />

Göttingen, September 2006


Holger Balderhaar<br />

Kilian Bizer<br />

Julia Busche<br />

Gerd Cassing<br />

Wolf-Ekkehard Hesse<br />

Karsten Hiege<br />

Ullrich Kornhardt<br />

Marcus Lemke<br />

Steffen Reißig<br />

Rüdiger Reyhn<br />

<strong>Potenzialanalyse</strong> <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Regionalökonomische Impulse für Stadt und Landkreis Göttingen<br />

durch ältere Menschen


InhaltsverzeIchnIs<br />

1 Zusammenfassung 7<br />

2 Einführung und Aufgabenstellung 11<br />

Vorbemerkungen 11<br />

Das Modellprojekt “50plus – Erfahrung zählt!“ 15<br />

Methodisches Vorgehen 16<br />

3 Demographischer Wandel 18<br />

Analyse und Prognose 18<br />

Situation auf dem Arbeitsmarkt 22<br />

Anpassungsleistungen der Kommunen 23<br />

4 SeniorInnen in der Gesellschaft 26<br />

Altersbilder und Altersbegriffe 26<br />

Armut im Alter 32<br />

Seniorenarbeit 34<br />

Interessenvertretung in den Parteien 39<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) 41<br />

Überregionale Beispiele 42<br />

5 Initiativen für SeniorInnen 45<br />

Altenbericht und Stellungnahme zum Altenbericht 46<br />

Landesinitiative <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in NRW 47<br />

Landesinitiative <strong>Seniorenwirtschaft</strong> Niedersachsen 48<br />

Förderung des Ehrenamtes in Niedersachsen 50<br />

Exkurs: Mehrgenerationenhäuser 52<br />

6 <strong>Seniorenwirtschaft</strong> 54<br />

Begriffsbestimmung 54<br />

Kaufkraft von Senioren 55<br />

Senioren-marketing 58<br />

Einfach für alle: Universal Design 67<br />

Exkurs: <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Japan 68<br />

Exkurs: Demographischer Wandel in China 69<br />

4


7 Gestaltungsfelder der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> 71<br />

Wohnen 71<br />

Situation im Landkreis Göttingen (ifh) 107<br />

Handel 125<br />

Gesundheitswirtschaft, ambulante Pflege und Sport 141<br />

Finanzdienstleistungen 163<br />

Neue Medien und Telekommunikation 166<br />

Tourismus 173<br />

Mobilität im Alltag 179<br />

Seniorenbildung 182<br />

8 Perspektiven der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> 184<br />

9 Qualifizierung und Beratung 186<br />

Qualifizierung für den ersten Arbeitsmarkt 186<br />

Existenzgründungsberatung 190<br />

10 Handlungsempfehlungen 192<br />

Kommunen als Impulsgeber 192<br />

Handwerk und Wohnen 196<br />

Handel 199<br />

Ambulante Pflege 202<br />

Tourismus und Mobilität 203<br />

Neue Medien und Telekommunikation 205<br />

Finanzdienst-leistungen 205<br />

Die nächsten Schritte 206<br />

Literatur 208<br />

Internetlinks 214<br />

Abbildungsverzeichnis 219<br />

ANHANG<br />

Pflegesätze der Altenhilfeeinrichtungen im Landkreis Göttingen 221<br />

Pflegesätze der Altenhilfeeinrichtungen in der Stadt Göttingen 224<br />

Adressen der Alten- und Pflegeeinrichtungen in der<br />

Stadt Göttingen 226<br />

Adressen der Alten- und Pflegeheime im Bereich des<br />

Landkreises Göttingen 227<br />

5


Zwei sarkastische Definitionsversuche<br />

A) Gerontologie ist eine zunehmend erfolgreich benützte<br />

Strategie jüngerer Menschen, schon in jungen Jahren an<br />

der demographischen Alterung zu verdienen. Die GerontologInnen<br />

sind deshalb existentiell daran interessiert, dass<br />

niemand vorzeitig wegstirbt und den Alten die Probleme nicht<br />

ausgehen.<br />

B) Gerontologie ist eine kluge Strategie von Berufsfachleuten,<br />

sich durch die Beschäftigung mit hochbetagten Menschen<br />

auch noch mit 50 jung zu fühlen, was Personen, die sich mit<br />

Jugendfragen befassen, eindeutig schwieriger fällt.<br />

François Höpflinger<br />

1 François Höpflinger ist Titularprofessor für Soziologie an der Universität Zürich. Er beschäftigt sich vor<br />

allem mit Fragen zur Bevölkerungssoziologie.<br />

6


1 zusammenfassung<br />

Entwicklung und Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen für<br />

ältere KundInnen sind geeignet, Perspektiven für die wirtschaftliche Entwicklung<br />

der Stadt und des Landkreises Göttingen und darüber hinaus<br />

für die gesamte Region Südniedersachsen zu eröffnen. Seniorinnen und<br />

Senioren verfügen über eine hohe Kaufkraft. Der Anteil dieser Altersgruppe<br />

an der Gesamtbevölkerung ist in den vergangenen Jahren gestiegen – er<br />

wird auch weiter an Bedeutung gewinnen.<br />

Überlappt wird diese Entwicklung jedoch durch regionale Struktur- und<br />

Wachstumsprobleme, die sich unter anderem in deutlich geringeren<br />

Durchschnittseinkommen gegenüber prosperierenden Regionen Nordwest-Niedersachsens,<br />

z. B. dem Landkreis Leer, manifestieren.<br />

Die Wirtschaft in Stadt und Landkreis Göttingen wird sich der neuen<br />

Möglichkeiten, die sich aus dem demographischen Wandel ergeben,<br />

zunehmend bewusst. Bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen<br />

berücksichtigen viele Unternehmen die erhöhte Bedeutung der<br />

SeniorInnen auf den regionalen und überregionalen Märkten.<br />

Trotz vielfältiger punktueller Bemühungen in Stadt und Landkreis Göttingen<br />

mangelt es jedoch in vielen Gestaltungsfeldern der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

noch immer an ausreichender Anpassungsflexibilität der Anbieter. Das<br />

gilt sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor. Viele Facetten des<br />

demographischen Wandels werden in der aktuellen Geschäftspraxis und<br />

der strategischen Unternehmensausrichtung nur unzureichend berücksichtigt.<br />

Um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Standort sichern<br />

und entwickeln zu können, ist es deshalb erforderlich, den Gruppen der<br />

Älteren als Leistungserbringer und Leistungsbezieher eine noch höhere<br />

Aufmerksamkeit zu schenken, als dies bislang erfolgt ist.<br />

Die in der vorliegenden <strong>Potenzialanalyse</strong> aufgezeigten Handlungsansätze<br />

sollten deshalb konkretisiert und auf eine Umsetzung weiter geprüft<br />

werden. Ein in Nordrhein-Westfalen entwickeltes Ignoranz-Szenario zeigt<br />

die Konsequenzen für den Fall auf, dass die erforderlichen Anpassungsleistungen<br />

nicht erbracht werden.<br />

In Gestaltungsfeldern wie der ambulanten Pflege und dem seniorengerechten<br />

Wohnen bestehen – das zeigt die vorliegende Studie – unmittelbar<br />

neue Beschäftigungspotenziale. Beim Vorliegen persönlicher und fachlicher<br />

Eignung können in Sektoren wie diesen auch ältere Erwerbslose auf<br />

den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden – wenn auch möglicherweise<br />

nur im Rahmen prekärer Arbeitsverhältnisse. In den meisten anderen<br />

Gestaltungsfeldern dürften die Wirkungen aber eher mittelbar sein.<br />

2 Hiege, Karsten; Hesse, Wolf-Ekkehard (2006): “Regionalanalyse des Landkreises Göttingen – Basisdaten<br />

zu älteren Beschäftigten und Erwerbslosen“ (<strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen e.V.)<br />

3 Circel, Michael; Hilbert, Josef; Schalk, Christa (2004): “Produkte und Dienstleistungen für mehr Lebensqualität<br />

im Alter“, Institut für Arbeit und Technik, Gelsenkirchen, S. 103<br />

7


Die wichtigsten Perspektiven der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Stadt und Landkreis<br />

Göttingen liegen also primär in der Wirtschafts- und Strukturpolitik und<br />

weniger in der Beschäftigungspolitik. Damit stützt die vorliegende Studie<br />

eine wesentliche These, die bei der Bildung des Beschäftigungspaktes für<br />

Ältere im Landkreis Göttingen im Juli 2005 formuliert wurde.<br />

Nicht bestätigt werden kann jedoch, dass sich durch eine Nutzung der<br />

Möglichkeiten der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> älteren Erwerbslosen in größerem<br />

Umfang neue Beschäftigungsfelder eröffnen. Das gilt insbesondere<br />

angesichts der in der Regionalanalyse nachgewiesenen Bedeutung der<br />

Langzeitarbeitslosigkeit älterer Erwerbsfähiger im Landkreis Göttingen.<br />

Zu einer ähnlichen Bewertung kam Mitte September 2006 auch der Präsident<br />

des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg<br />

Braun. Er erklärte, die Initiative des Bundes werde kaum dazu beitragen,<br />

dass nennenswert viele ältere Erwerbslose in den Arbeitsmarkt integriert<br />

werden könnten. Brauns Einschätzung: Die Qualifizierung von Arbeitslosen<br />

wird nach wie vor vernachlässigt.<br />

Trotz positiver Grundstimmung bei Wirtschaft und Verbrauchern im<br />

Spätsommer 2006 fehlt es den Betrieben an Anreizen, ältere Arbeitslose<br />

einzustellen. Ob die neuen beschäftigungspolitischen Ansätze der Landes-<br />

und der Bundesregierung die Perspektiven für Ältere verbessern, lässt<br />

sich derzeit nicht abschätzen. Beim Abbau von Personal trennen sich<br />

viele Unternehmen nach wie vor eher von Älteren – die Volkswagen AG<br />

beispielsweise beim geplanten Personalabbau an mehreren Standorten in<br />

Niedersachsen und Nordhessen, ebenso gilt dies bei dem Einzelfall des<br />

Vorstandsvorsitzenden der BMW AG, der im Juli 2006 mit sechzig Jahren<br />

in den Ruhestand ging, obwohl er gern weitergearbeitet hätte.<br />

Der Sachverständigenkommission für den fünften Bericht zur Lage der<br />

älteren Generation in der Bundesrepublik ist zuzustimmen, wenn sie<br />

feststellt, dass alle Maßnahmen zur Erhöhung der Beschäftigungsquote<br />

Älterer letztlich nur greifen werden, wenn die Wirtschaft kräftig wächst<br />

und eine steigende Arbeitskräftenachfrage die Betriebe motiviert, auch<br />

Ältere einzustellen.<br />

Die vorliegende Studie will zum Abbau von Vorurteilen hinsichtlich der<br />

Qualifikation, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit von Älteren<br />

beitragen. Sie nimmt dabei unmittelbar Bezug auf das letzte der drei<br />

vordringlichen Aktionsfelder der Bundesregierung. Nachdrücklich plädieren<br />

die Autoren dafür, die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Stadt und Landkreis<br />

Göttingen unter dem Blickwinkel ihrer Lupenfunktion zu betrachten. Was<br />

für ältere Menschen gut und richtig ist, nützt in aller Regel auch Jüngeren.<br />

Umgekehrt gilt das nicht.<br />

Angesichts der Heterogenität der 50plus-Generationen wird darauf verzichtet,<br />

altersspezifische Angebotssegmentierungen vorzunehmen. So<br />

wird weder geraten, dem Beispiel Großräschens zu folgen und ein Seniorenkaufhaus<br />

zu installieren, noch wird der Erarbeitung eines regionalen<br />

Qualitätssiegels „seniorengerecht“ das Wort geredet.<br />

4 Bundesministerium für Familie, Senioren, Familie und Jugend (2005): „Potenziale des Alters in Wirtschaft<br />

und Gesellschaft. – Der Beitrag älterer Menschen zum Zusammenhalt der Generationen“, Berlin.<br />

8


Die Handlungsempfehlungen dienen vielmehr dazu, den Standort Landkreis<br />

Göttingen generationengerechter und damit zukunftsfähiger zu<br />

machen. Deshalb können sie auch als Elemente regionaler Bevölkerungspolitik<br />

angesehen werden: Wenn sich Wirtschaft und Gesellschaft stärker<br />

generationen- und damit altengerecht orientieren, tragen sie dazu bei,<br />

Abwanderungen zu verhindern und Anreize für Zuwanderung zu schaffen.<br />

Generationengerechtigkeit in Sektoren wie Handel, Handwerk und Tourismus<br />

wird damit zu einem Merkmal der Standortqualität.<br />

Bevölkerungspolitik umfasst in diesem Sinne nicht nur überregionale<br />

Arbeitsplatzwanderungen, sondern auch Alten- und Ausbildungswanderungen.<br />

Eine der Handlungsempfehlungen besteht darin, die Elterngeneration<br />

von Berufstätigen zu einem Umzug in den Landkreis Göttingen zu<br />

motivieren, u. a. mit dem Argument, nahe bei den Enkelkindern sein und<br />

sie betreuen zu können. Möglicherweise kann Älteren damit sogar ein<br />

Anreiz gegeben werden, auch die dritte Lebensphase in Deutschland zu<br />

verleben und auf einen Umzug ins Ausland zu verzichten.<br />

Wenn es gelingt, die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Göttingen<br />

positiver zu gestalten, wird dies auch nicht ohne Folgen für die Beschäftigung<br />

Älterer bleiben. Anders formuliert: Das oben genannte Wirtschaftswachstum<br />

innerhalb des Landkreises Göttingen kann nur erreicht werden,<br />

wenn Stadt- und Landkreis ihre Bevölkerungsentwicklung mindestens<br />

stabilisieren.<br />

Die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen beispielsweise zur Bildung<br />

von seniorenorientierten Anbieter-Gemeinschaften im Handwerk wirkt<br />

beschäftigungsstabilisierend. Im Idealfall gelingt es, Aufträge aus anderen<br />

Regionen zu akquirieren. Neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen<br />

auch im Tourismus durch eine stärkere Generationenorientierung der<br />

Angebote.<br />

Die ambulanten Pflegedienste im Landkreis rechnen selbst mit tief<br />

greifenden Strukturveränderungen im Zuge der erwarteten Veränderung<br />

der Pflegeversicherung. Viele Studien gehen davon aus, dass in den<br />

vergangenen Jahren bereits zahlreiche Arbeitsplätze durch das Altern<br />

der Gesellschaft entstanden sind. Sie für den Landkreis Göttingen zu<br />

quantifizieren war im Rahmen der vorliegenden Studie weder gefordert<br />

noch möglich. Deshalb lassen sich auch keine seriösen Aussagen darüber<br />

machen, welche Beschäftigungswirkungen ohnehin durch die Alterung im<br />

Landkreis Göttingen entstehen, und erst recht lässt sich nicht abschätzen,<br />

welche Folgerungen die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen nach<br />

sich ziehen würden.<br />

In der Gastronomie, bei leichten Pflegetätigkeiten, in der Arbeitnehmerüberlassung<br />

und in Dorfläden können also neue Arbeitsplätze entstehen.<br />

Der Teilnahmebeitrag des Landkreises Göttingen am Ideenwettbewerb<br />

des Bundes ging davon aus, dass zusätzliche Angebote für SeniorInnen<br />

auch von SeniorInnen erbracht werden können. Dieser Grundannahme<br />

kann nur bedingt zugestimmt werden. Zwar bestätigt der Einzelhandel,<br />

dass Auswahl und Einsatz von Personal kundenorientiert erfolgen müssen.<br />

Auch seniorengerechte Angebote im Bereich der Finanzdienstleistungen<br />

können von älteren Beratern seriös dargestellt werden. Insgesamt aber<br />

9<br />

Zusammenfassung


edingen seniorenorientierte Angebote nicht unmittelbar eine Beschäftigung<br />

von Personen, die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Bei<br />

Pflegedienstleistungen, die eine hohe körperliche Fitness voraussetzen,<br />

ist zweifelhaft, ob Ältere diesen Anforderungen entsprechen. Auch bei<br />

der Gründung von Existenzen haben Ältere immer noch mehr Probleme zu<br />

überwinden als Jüngere – insbesondere gilt das bei der Finanzierung.<br />

Dass die Bedürfnisse Älterer gute Wachstums- und Beschäftigungsperspektiven<br />

für solche Betriebe und Branchen eröffnen, die Produkte und<br />

Dienstleistungen für mehr Lebensqualität im Alter (<strong>Seniorenwirtschaft</strong>)<br />

liefern, zeigt sich bundesweit in der Vielzahl von Projekten der letzten<br />

Jahre. Vielfach kommen Impulse aus den Unternehmen selbst, häufig<br />

jedoch gehen sie auf kommunale Initiativen zurück.<br />

10


2 eInführung und<br />

aufgabenstellung<br />

Der Titel der vorliegenden Untersuchung “<strong>Potenzialanalyse</strong>: Regionalökonomische<br />

Impulse für Stadt und Landkreis Göttingen durch ältere<br />

Menschen“ im Rahmen des Projektes “50plus – Erfahrung zählt!“ markiert<br />

einen hohen Anspruch. Er leitet sich ab aus dem Ideenwettbewerb<br />

“Regionale Beschäftigungspakte für Ältere“ des Bundesministeriums für<br />

Wirtschaft und Arbeit (BMWA) aus dem Juni 2005. Nach dieser These führt<br />

die steigende Nachfrage Älterer nach seniorengerechten Produkten und<br />

Dienstleistungen auch zu Beschäftigungseffekten von Erwerbsfähigen,<br />

die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Mit dem zunehmenden<br />

Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung im Landkreis Göttingen und<br />

den Beschäftigungsproblemen Älterer verbindet die Studie damit zwei<br />

zentrale gesellschaftliche Herausforderungen, vor denen der Landkreis<br />

und darüber hinaus die gesamte Region Göttingen in Zusammenhang<br />

mit dem demographischen Wandel stehen.<br />

Die Autoren gehen davon aus, dass es sich hier um einen Prozess handelt,<br />

der weit über die neue EU-Förderperiode 2007–2013 hinausreicht.<br />

Der Prozess ist nicht im Detail vorhersehbar und erst recht nicht planbar.<br />

Viele Entwicklungslinien vollziehen sich auf den Märkten mit der ihnen<br />

eigenen Entwicklungsdynamik und -logik. Um die bestehenden Beschäftigungspotenziale<br />

ausschöpfen zu können, gilt es, die gesellschaftlichen<br />

Teilsysteme in ihrer Wirkungsweise zu erkennen. Insofern kann die Studie<br />

zwar wesentliche Gestaltungsfelder untersuchen, nicht aber den Anspruch<br />

erheben, alle relevanten Aspekte der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> zu analysieren.<br />

Gerade die Erhöhung der Erwerbsquote der mehr als 55 Jahre Alten bietet<br />

noch viele Ansatzpunkte. Modellrechnungen zeigen, dass es 21,4 Milliarden<br />

Euro oder ein Prozent Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt bringt,<br />

wenn man ein Viertel der heute nicht erwerbstätigen über 55-Jährigen in<br />

Beschäftigung bringt. Dazu reiche es sogar, wenn diese MitarbeiterInnen<br />

nur 50 Prozent der durchschnittlichen Produktivität erreichten.<br />

Bei der Bearbeitung ging es darum, den nur auf dem ersten Blick eindeutigen<br />

Begriff der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> zielgerichtet zu definieren und<br />

die Handlungsansätze zu ordnen. Bei der Recherche zeigte sich, dass<br />

so gut wie alle Gesprächs- und Interviewpartner im Untersuchungsraum<br />

ein hohes Maß an Interesse und Neugier am Thema <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

zeigten. Die meisten von ihnen bestätigten, dass es auf diesem Feld erheblichen<br />

Handlungsbedarf und damit große Entwicklungschancen gibt.<br />

Die wenigsten von ihnen haben sich nach eigenen Aussagen bislang<br />

systematisch mit der Fragestellung befasst. So gehörte die Bitte um Information<br />

über die Ergebnisse der Studie zu den Standardbemerkungen<br />

bei Abschluss der ExpertInnen-Gespräche.<br />

5 http://www.50plus-goettingen.de<br />

6 Ursula Staudinger, Professorin an der International University in Bremen, FAZ 19. September 2006,<br />

S. 19<br />

11<br />

vorbemerkungen


Bei der Diskussion um generationengerechtes Wirtschaften hat Deutschland<br />

im internationalen Vergleich einen erheblichen Nachholbedarf.<br />

Insbesondere Japan ist uns voraus. Innerhalb Deutschlands wird Nordrhein-Westfalen<br />

eine Vorreiterrolle attestiert – zumindest was den Stand<br />

der wissenschaftlichen Arbeit angeht. Deshalb widmet die vorliegende<br />

Studie diesen Ansätzen eigene Kapitel.<br />

Die Niedersächsische Landesregierung startete Anfang Mai 2006 – von<br />

der Öffentlichkeit und auch den Verantwortlichen in den Kommunen im<br />

Landkreis Göttingen weitgehend unbeachtet – die „Landesinitiative für<br />

generationengerechte Produkte und Dienstleistungen“. Mit dem Niedersächsischen<br />

Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit<br />

verabredete der <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen eine enge Kooperation,<br />

die sich – wie im Folgenden dargestellt – in einem ersten Schritt in<br />

der gemeinsamen Ausrichtung von Veranstaltungen manifestiert.<br />

Die Vorlage der <strong>Potenzialanalyse</strong> markiert den Auftakt zu einem öffentlichen<br />

Diskurs, der die bisherige Diskussion über die Auswirkungen des<br />

demographischen Wandels in der Region fortführt und um neue Aspekte<br />

ergänzt. Mit dem Auftraggeber abgestimmt wurde der Vorschlag, nach<br />

Vorlage der Studie Ende 2006/Anfang 2007 jeweils mit Partnern vertiefende<br />

Veranstaltungen zu verschiedenen Schwerpunkten zu geben. Dies<br />

geschieht zum einen in der Absicht, für Praktiker besonders wichtige<br />

Einzelaspekte näher zu beleuchten, andererseits wird damit der Prozesscharakter<br />

der Aufgabenstellung unterstrichen.<br />

Die Initiative „50plus – Erfahrung zählt!“ sieht sich darüber hinaus als<br />

wesentlicher Bestandteil der europäischen Beschäftigungsstrategie, der<br />

„Lissabon-Strategie“. Sie umfasst sämtliche Maßnahmen zur wirtschaftlichen,<br />

sozialen und ökologischen Erneuerung der EU. Im März 2000 hatte<br />

der Europäische Rat auf seiner Tagung in Lissabon diese auf zehn Jahre<br />

angelegte Strategie angenommen, mit deren Hilfe sich die EU bis 2010<br />

zur weltweit dynamischsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsregion<br />

entwickeln soll. Im Sinne dieser Strategie treibt eine starke Wirtschaft die<br />

Schaffung von Arbeitsplätzen voran und fördert soziale und ökologische<br />

Maßnahmen, welche wiederum eine nachhaltige Entwicklung und sozialen<br />

Zusammenhalt gewährleisten.<br />

Die vorliegende Studie stellt kein Konzept zur Umsetzung der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

im Landkreis Göttingen dar. Sie untersucht vielmehr Auswirkungen<br />

des demographischen Wandels auf den Landkreis Göttingen,<br />

analysiert den Bedarf von SeniorInnen auf Teilmärkten und leitet daraus<br />

Empfehlungen für Einzelmaßnahmen ab. Wie im Folgenden dargestellt<br />

wird, kommt den Kommunen dabei eine wichtige Funktion als Impulsgeber<br />

zu.<br />

Unter <strong>Seniorenwirtschaft</strong> werden nach dem Teilnahmebeitrag des Landkreises<br />

Göttingen am Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für<br />

Wirtschaft und Arbeit aus dem Juli 2005 die Entwicklung und Vermarktung<br />

von Produkten und Dienstleistungen für ältere Kundinnen und Kunden<br />

12


verstanden. Danach ist die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> geeignet, neue Perspektiven<br />

für die wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises Göttingen zu<br />

eröffnen.<br />

Untersuchungsgebiet ist der Landkreis Göttingen mit der Stadt Göttingen<br />

als Oberzentrum und den Mittelzentren Duderstadt und Hann. Münden.<br />

Berücksichtigt wurden die bestehenden Verflechtungen des Landkreises<br />

Göttingen innerhalb Südniedersachsens. Für eine sachgerechte Analyse<br />

und Einschätzung der Region Göttingen wurden Vergleichsanalysen und<br />

-daten des Bundes, der Länder, Regionen und Gemeinden sowie der EU herangezogen.<br />

Dazu gehören die Ergebnisse der Regionalanalyse im Rahmen<br />

des Projektes “50plus – Erfahrung zählt!“, also Arbeitsmarkt-, Branchen-,<br />

Konjunktur- und Strukturdaten. Durch Vergleiche mit dem Bundes- und<br />

Landesdurchschnitt sowie der Entwicklung in vergleichbaren Regionen<br />

wird der Entwicklungsprozess im Untersuchungsraum analysiert.<br />

Angesichts der finanziellen Restriktionen, unter denen Bund, Länder und<br />

Kommunen leiden, können neue Beschäftigungsmöglichkeiten für über<br />

50-jährige Menschen im öffentlichen Sektor – wenn überhaupt – nur in<br />

äußerst geringem Umfang entstehen. Der Fokus der Untersuchungen lag<br />

deshalb im Sektor der privaten Anbieter.<br />

Da nach dem o. g. Teilnahmebeitrag das Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten<br />

auf Anbieterseite zu den wichtigsten Aufgaben gehört, zählen<br />

die Leistungsanbieter in der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> zu den wesentlichen Zielgruppen.<br />

In der Untersuchung wurde viel Wert auf die unterschiedlichen<br />

Aspekte des Seniorenmarketings gelegt. Diese Erkenntnisse können sich<br />

Investoren und Anbieter generationengerechter Produkte und Dienstleistungen<br />

nutzbar machen.<br />

Erklärtes Ziel ist es, dass private Anbieter, zu denen auch Einrichtungen<br />

der Weiterbildung zählen, diese Hinweise zur Grundlage eigener Initiativen<br />

(wie Businessplänen) machen und ihr Portfolio modifizieren. Ein<br />

Automatismus, demzufolge diese neuen Angebote auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

für Menschen ab 50 schaffen, existiert nicht. Die<br />

Ergebnisse bieten jedoch die Grundlage für seniorengerechtes Marketing<br />

und Produktgestaltung in bestehenden Unternehmen des Landkreises<br />

sowie bei Existenzgründern.<br />

Die vorliegende Studie richtet sich außerdem an die kommunalpolitisch<br />

Verantwortlichen in Stadt und Landkreis Göttingen sowie den kreisangehörigen<br />

Städten, Gemeinden und Samtgemeinden. Darüber hinaus werden<br />

Hinweise gegeben für die Positionierung des Landkreises Göttingen<br />

sowie der anderen Partner im <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen im<br />

Rahmen der Ende Mai 2006 in Wolfsburg gestarteten „Landesinitiative<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>“. Zu den Zielgruppen zählen also auch Landes- und<br />

Bundespolitik.<br />

7 Die in diesem Zusammenhang erforderliche Diskussion über Altersbilder und Altersbegriffe erfolgt im<br />

Kapitel „Altersbilder und Altersbegriffe“.<br />

13<br />

Einführung und<br />

Aufgabenstellung


Die aus dem o. g. Teilnahmebeitrag im Sommer 2005 abgeleitete Themenstellung<br />

der Studie ist breit angelegt. Sie umfasst viele Bereiche<br />

wirtschaftlicher und sozialer Tätigkeiten im Landkreis Göttingen. Bei den<br />

Analysen hat sich gezeigt, dass diese Aufgabe äußerst umfassend ist.<br />

Die Autoren haben sich deshalb auf elf Gestaltungsfelder konzentriert und<br />

dafür konkrete Ansatzpunkte für Anpassungsmaßnahmen analysiert. Zu<br />

den Voraussetzungen für die Umsetzung zählen jedoch in den meisten<br />

Fällen weitergehende Marktanalysen und Machbarkeitsstudien.<br />

Nur einen kurzen Überblick geben die Autoren über die unterschiedlichen<br />

Facetten der für die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> so wichtigen Gesundheitswirtschaft.<br />

Da sich hier am ehesten Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere<br />

abzeichnen, konzentrieren sie sich auf die ambulante Pflege, deren Bedeutung<br />

in den nächsten Jahren zunehmen dürfte.<br />

Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere unter dem Aspekt des demographischen<br />

Wandels und ihre Bedeutung als Konsumenten und Produzenten<br />

werden ausführlich dargestellt. Dabei besitzt die Frage nach den<br />

Perspektiven für die wirtschaftliche Entwicklung in Stadt und Landkreis<br />

Göttingen durch die Entwicklung und den Absatz spezieller Produkte und<br />

Dienstleistungen für Ältere einen hohen Stellenwert. Untersucht werden<br />

Erkenntnisse über erfolgreiche Konzepte der Senioren. Dabei wurde<br />

anhand mehrerer Handlungsvorschläge überprüft, ob und inwieweit sich<br />

diese Konzepte im Landkreis Göttingen umsetzen lassen, ob Anpassungsbedarf<br />

besteht und wie die Umsetzung erfolgen kann.<br />

An der Bearbeitung der <strong>Potenzialanalyse</strong> waren zahlreiche Institutionen<br />

beteiligt. Zu danken ist insbesondere dem Ministerium für Soziales, Frauen,<br />

Familie und Gesundheit des Landes Niedersachsen, dem Volkswirtschaftlichen<br />

Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen<br />

(das für die Bearbeitung von Kapitel „Handwerk im demographischen<br />

Wandel“ verantwortlich zeichnet), dem Institut für Sozialpädagogik und<br />

Soziologie der Lebensalter der Universität Kassel, der Handwerkskammer<br />

Hildesheim-Südniedersachsen, Kreishandwerkerschaft Südniedersachsen,<br />

der AOK-Geschäftsstelle Göttingen, der Wolfsburg AG und dem Seniorenbüro<br />

der Stadt Braunschweig. Intensiv war auch die Kooperation mit den<br />

anderen Akteuren des Projektes „50plus – Erfahrung zählt!“, insbesondere<br />

mit der Stadt Göttingen und dem Landkreis Göttingen.<br />

Von besonderer Bedeutung bei Vorbereitung und Durchführung der Senioren-Workshops<br />

war die Unterstützung des Kolping-Familienferienzentrums<br />

Duderstadt, des Ortsvereins Hann. Münden des Kreisverbandes<br />

Göttingen der Arbeiterwohlfahrt (AWO), des Kreisverbandes Göttingen der<br />

Senioren-Union, der Arbeitsgemeinschaft 60plus des SPD-Unterbezirks<br />

Göttingen, der Freien Altenarbeit Göttingen sowie der Seniorenbeiräte der<br />

Stadt Göttingen und der Samtgemeinde Dransfeld sowie des Landesseniorenrates<br />

Niedersachsen.<br />

8 Beispielsweise hängt die Umsetzbarkeit des Vorschlags “Seniorenkaufhaus“ von zahlreichen Faktoren<br />

(und insbesondere von den handelnden Personen) ab, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung<br />

nicht analysiert werden konnten.<br />

14


Zu danken ist zudem der Wirtschaftsförderung Region Göttingen (WRG)<br />

GmbH, dem Stadtmarketing Duderstadt, der Wirtschaftsförderung und<br />

Erschließungsgesellschaft Hann. Münden, Göttingen Tourismus e.V., der<br />

Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung der Stadt<br />

Göttingen (GWG GmbH), dem Center-Management des Kauf Parks Göttingen,<br />

der Heimat GmbH (Hann. Münden), der Larsen-Frels Gewerbe- und<br />

Industrie-Immobilien GmbH und dem Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümerverein<br />

Duderstadt e.V.<br />

Großer Dank gilt auch den zahlreichen Gesprächspartnern, die hier nicht<br />

namentlich genannt sind, für ihre wertvollen Hinweise und Vorschläge.<br />

Der Landkreis Göttingen hat sich im Juli 2005 unter dem Motto “50plus<br />

– Erfahrung zählt!“ am Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für<br />

Arbeit und Soziales beteiligt. Das Projekt wurde Anfang September 2005<br />

als eines von insgesamt 62 regionalen Modellvorhaben im Rahmen des<br />

Programms “Perspektive 50plus – Beschäftigungspakte für Ältere in den<br />

Regionen“ ausgewählt.<br />

Die vorliegende <strong>Potenzialanalyse</strong> ist Bestandteil von vier wissenschaftlichen<br />

Untersuchungen, die der <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen e.<br />

V. in Kooperation mit dem Verein für prospektive Entwicklungen (ZOOM<br />

e. V.) sowie weiteren Partnern als Grundlage der geplanten Umsetzungsmaßnahmen<br />

erstellt hat. In einer “Betriebsstudie” wird die Situation<br />

älterer Beschäftigter in den Unternehmen der Region und deren altersbezogene<br />

Personalpolitik analysiert. Während die Regionalanalyse die<br />

Beschäftigungssituation Erwerbsfähiger im Landkreis Göttingen darstellt,<br />

identifiziert die <strong>Potenzialanalyse</strong> Defizite im bisherigen Angebot an Produkten<br />

und Dienstleistungen mit Älteren als Zielgruppe. Sie versucht damit,<br />

Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen ab 50plus<br />

aufzuzeigen.<br />

15<br />

Einführung und<br />

Aufgabenstellung<br />

Das moDellprojekt<br />

“50plus – erfaHrung<br />

zäHlt!“<br />

Abbildung 1: Verbindungen der drei<br />

Studien untereinander<br />

(Geumann/<strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen)


metHoDIscHes<br />

vorgeHen<br />

In einer vierten Studie zu Best-Practice-Ansätzen in anderen europäischen<br />

Ländern werden die entwickelten erfolgreichen Ansätze einer regionalisierten<br />

Beschäftigungsförderung für ältere Menschen zusammengetragen,<br />

um diese für die Region nutzbar zu machen. In allen Untersuchungen werden<br />

die Kategorien Alter, Geschlecht und Migration/Herkunft analysiert.<br />

Die <strong>Potenzialanalyse</strong> knüpft direkt an vorliegende Untersuchungen zur<br />

demographischen Entwicklung sowie zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung<br />

des Landkreises Göttingen an. Diese wurden in jüngerer<br />

Vergangenheit mehrfach untersucht – so durch das Institut für Regionalforschung<br />

(IfR) an der Universität Göttingen, das Niedersächsische Institut für<br />

Wirtschaftsforschung (NIW) und den <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen<br />

e. V. NIW und IfR haben im Auftrag des <strong>Regionalverband</strong>s im Juni 2000 auf<br />

der Grundlage einer Stärken-Schwächen-Analyse ein regionales Entwicklungskonzept<br />

(REK) für die Arbeitsmarktregion Göttingen/Northeim vorgelegt.<br />

Darüber hinaus hat das IfR im Rahmen der Studie „Südniedersachsen<br />

– Kompetenzregion oder Problemregion“ wichtige Erkenntnisse über die<br />

Situation im Landkreis Göttingen geliefert (2003).<br />

Als Bestandteile des Modellvorhabens der Raumordnung (MoRo) „Infrastruktur<br />

und demographischer Wandel“ hat der <strong>Regionalverband</strong> in den<br />

Jahren 2004 bis 2006 Beiträge zur demographischen Entwicklung der<br />

Region geleistet. Im Auftrag des Landkreises Göttingen hat der <strong>Regionalverband</strong><br />

am 17. Juni 2005 eine Arbeitstagung zum Thema „Der demographische<br />

Wandel – Herausforderung im Landkreis Göttingen“ ausgerichtet.<br />

Im Rahmen der Workshops wurde insbesondere die Notwendigkeit der<br />

Qualifizierung von Erwerbsfähigen (lebenslanges Lernen) deutlich.<br />

Zur Bearbeitung der o. g. Aufgabenstellung liegen für den Landkreis<br />

Göttingen nur wenige empirische Daten vor. Es war deshalb erforderlich,<br />

Zahlen von der Bundes- und Landesebene auf Stadt und Landkreis zu<br />

projizieren und dabei eigene Berechnungen anzustellen. Im Wesentlichen<br />

wurde die <strong>Potenzialanalyse</strong> im Jahr 2006 auf der Basis unterschiedlicher<br />

methodischer Ansätze erarbeitet.<br />

�<br />

�<br />

�<br />

Jeweils sechs- bis achtstündige Umfragen wurden im Fachmarktzentrum<br />

Grone (30. Mai), in den Innenstädten Göttingen (13. Juni),<br />

Duderstadt (27. Juni) und Hann. Münden (22. Juni), im Einkaufszentrum<br />

Ebergötzen (2. Juni). Zu den Ergebnissen zählen 250 ausgefüllte<br />

Fragebögen zu den Themen Wohnen im Alter, Einkaufen, Nutzung<br />

neuer Medien.<br />

Gespräche mit den Bürgermeisterinnen der Flecken Bovenden und<br />

Adelebsen und den Bürgermeistern der kreisangehörigen Gemeinden<br />

bzw. deren Beauftragten.<br />

Gespräche mit der Stadtverwaltung Göttingen und Kreisverwaltung<br />

Göttingen.<br />

16


�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

Die narrativen Gesprächsrunden mit zwei bis 22 Teilnehmern, die sich<br />

im Vorfeld bereits kannten, wurden extern moderiert. Sie wurden mit<br />

den jeweiligen Mitveranstaltern vorbereitet und begannen mit Kurzstatements<br />

von zwei Personen. Die Ergebnisse aus den Gesprächsrunden<br />

stellen Beurteilungen aus der Perspektive der Betroffenen dar und<br />

ergänzen die empirischen und theoretischen Ausführungen. Die Zitate<br />

werfen unterschiedliche und assoziative Schlaglichter auf einzelne<br />

Themenkomplexe der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> und sind nicht repräsentativ.<br />

Möglicherweise unterschätzen einige der GesprächsteilnehmerInnen<br />

den Erkenntnisstand der Verantwortlichen in den Unternehmen. Bekannt<br />

ist, dass auch viele Personal- und Unternehmensberater die<br />

Situation anders einschätzen als die zitierten SeniorInnen aus dem<br />

Landkreis Göttingen. Den Wert der Gesprächsrunden bringt folgendes<br />

Zitat auf den Punkt: „Ich freue mich, dass endlich einmal jemand uns<br />

ältere Leute fragt.“<br />

Sieben von WIDserve (Gleichen) moderierte, jeweils rund dreistündige<br />

narrative Gesprächsrunden mit Seniorinnen und Senioren (22. Mai in<br />

Göttingen: Freie Altenarbeit, Alten-WG am Goldgraben; 1. Juni und 30.<br />

August in Rosdorf: Kreisverband Göttingen der Senioren-Union; 21.<br />

Juni in Hann. Münden: Ortsverein Hann. Münden des Kreisverbandes<br />

Göttingen der Arbeiterwohlfahrt (AWO), 30. Juni: Stadt Dransfeld, Seniorenbeirat<br />

der Samtgemeinde Dransfeld; 18. Juli: in Hann. Münden:<br />

Arbeitsgemeinschaft 60plus des SPD-Unterbezirks Göttingen; 28. Juli<br />

in Duderstadt: Familienferienzentrum am Pferdeberg),<br />

Situationsanalyse durch einen Seniorenscout in den Innenstädten von<br />

Göttingen und Duderstadt<br />

schriftliche Befragung von Vermietern in Duderstadt<br />

schriftliche Befragung aller Pflegedienste in Stadt und Landkreis Göttingen<br />

Akteurinterviews zu spezifischen Gestaltungsfeldern der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Literaturrecherche/Internetrecherche<br />

Besuche von Fachkongressen in Bonn, Bremen, Hannover und Wolfsburg<br />

durch die Autoren der Studie.<br />

9 Zitat aus Seniorenrunde AWO Hann. Münden am 21. Mai 2006.<br />

17<br />

Einführung und<br />

Aufgabenstellung


analyse unD<br />

prognose<br />

Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung<br />

im Landkreis Göttingen<br />

(Quelle: NLS-Online,<br />

Berechnungen ifh Göttingen)<br />

3 demographIscher Wandel<br />

Die Bedeutung der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> für die Regionalentwicklung ergibt<br />

sich aus dem demographischen Wandel, der in Südniedersachsen bereits<br />

weit fortgeschritten ist und Anpassungsleistungen von Wirtschaft und<br />

Gesellschaft erfordert. Dass die Einschätzungen über die Auswirkungen<br />

des demographischen Wandels durchaus differieren, zeigte sich u. a. an<br />

einem Streitgespräch zwischen Herwig Birg und Albrecht Müller. 0<br />

Nach der aktuellen Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Landesamtes<br />

Niedersachsen wird die Einwohnerzahl im Landkreis Göttingen<br />

von heute gut .000 auf knapp .000 im Jahr 0 0 zurückgehen. Das<br />

entspricht einem Minus von , Prozent.<br />

Insgesamt am davon im Alter von … bis … Jahren<br />

Jahresende 0 - 14 15 - 29 30 - 49 50 - 64 65 und älter<br />

00 264.285 14,2% 20,5% 31,6% 17,0% 16,7%<br />

0 0 260.478 12,8% 21,7% 29,3% 18,2% 18,1%<br />

0 0 252.668 12,4% 19,4% 26,4% 23,0% 18,8%<br />

Damit einher geht eine deutliche Verschiebung im Altersaufbau. Grund<br />

hierfür sind hauptsächlich die niedrige Geburtenrate, die schon seit langem<br />

nicht mehr das für eine langfristige Bestandserhaltung notwendige Niveau<br />

erreicht, sowie eine kontinuierlich ansteigende Lebenserwartung.<br />

Angesichts der engen Verflechtungen innerhalb der Region Göttingen<br />

und der Tatsache, dass der demographische Wandel in den Landkreisen<br />

Northeim und Osterode am Harz besonders ausgeprägt ist, sind kurze Ausführungen<br />

über die Gesamtregion erforderlich. Die Einwohnerzahl dieser<br />

aus den Landkreisen Göttingen, Northeim und Osterode a. H. bestehenden<br />

Region wird nach der Prognose des Niedersächsischen Landesamtes für<br />

Statistik von 2004 bis 2020 um neun Prozent abnehmen. Dabei wird es<br />

zu erheblichen Verschiebungen der Bevölkerungsanteile zwischen den<br />

Teilräumen und zwischen den Altersgruppen kommen. Dies wirkt sich auf<br />

die Nachfrage nach Arbeitsplätzen, Wohnungen und Infrastruktur aus:<br />

Der Anteil der Personen im Alter von 45 und mehr Jahren steigt von 44,4<br />

Prozent auf 52,1 Prozent. Während bisher der größere Teil der Regionsbevölkerung<br />

unter 45 Jahre alt war, so wird im Jahre 2020 der größere<br />

Teil über 45 Jahre alt sein.<br />

10 FAZ vom 28. August 2006, S. 32 u. 33. Bis zu seiner Emeritierung 2004 lehrte Birg, der als Demograph<br />

weltweit bekannt ist, an der Universität Bielefeld. Er erregte mit seiner These Aufsehen, Deutschland<br />

steuere auf einen jahrzehntelangen Niedergang zu. Albrecht Müller, Leiter der Planungsabteilung im Kanzleramt<br />

unter Willy Brandt und Helmut Schmidt und Autor des Bestsellers „Die Reformlüge“ behauptet:<br />

Das Land kann die Herausforderung meistern.<br />

11 Vgl. Abbildung 2<br />

18


Der Anteil des Landkreises Göttingen an der Regionsbevölkerung steigt<br />

von 53,3 Prozent auf 56,0 Prozent. Damit findet eine weitere relative Konzentration<br />

der Einwohner im Untersuchungsraum statt.<br />

Die Alterung setzt sich aus unterschiedlichen Trends in den einzelnen<br />

Altersgruppen zusammen:<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

Die Zahl der Kinder (0–14 Jahre) geht in der Region um nahezu ein<br />

Viertel zurück. Dabei unterscheidet sich die Stadt Göttingen mit leichten<br />

Zuwachserwartungen deutlich vom umgebenden ländlichen Raum mit<br />

Rückgängen bis zu einem Drittel.<br />

Die Altersgruppe der Heranwachsenden (15–24 Jahre) nimmt in Stadt<br />

und Landkreis Göttingen um ca. 20 Prozent ab.<br />

Die Zahl der jüngeren Erwerbstätigen (25–34 Jahre) wird in Stadt und<br />

Landkreis Göttingen noch etwas ansteigen, in den Landkreisen Northeim<br />

und Osterode jedoch stärker sinken.<br />

Besonders gravierend wird sich die Altersgruppe der 35–44-Jährigen<br />

verkleinern um fast ein Viertel im Landkreis Göttingen (ohne Stadt), um<br />

gut ein Drittel in der Stadt Göttingen und sogar um nahezu die Hälfte<br />

in den Landkreisen Northeim und Osterode am Harz.<br />

Die Generation der 45–54-Jährigen geht in der Region um ca. sechs<br />

Prozent zurück, am stärksten in der Stadt Göttingen mit 15,5 Prozent.<br />

Im übrigen Landkreis Göttingen ist dagegen mit einem Zuwachs von<br />

5,5 Prozent zu rechnen.<br />

Im Mittel um ein Viertel anwachsen wird die Altersgruppe der älteren<br />

Erwerbsfähigen (55–64 Jahre). Der Zuwachs schwankt zwischen 5<br />

Prozent im Landkreis Osterode und 38 Prozent in der Stadt Göttingen<br />

bzw. 34 Prozent im Landkreis Göttingen (ohne Stadt).<br />

19<br />

Demographischer Wandel<br />

Abbildung 3: Verschiebung<br />

der Altersanteile in der Region<br />

Südniedersachsen


Abbildung 4: Bevölke-<br />

rungsentwicklung in der<br />

Region Göttingen 2004-<br />

2020 (Prozent)<br />

nach Alter und Kreisen<br />

�<br />

�<br />

Die Zahl der jüngeren Senioren (65–74 Jahre) nimmt in der Region leicht<br />

ab (3,8 Prozent). Hierbei stehen einem leichten Zuwachs in der Stadt<br />

Göttingen (3,7 Prozent) geringe Verluste von 1,7 Prozent im Landkreis<br />

Göttingen (ohne Stadt) und etwas stärkere Verluste in den anderen<br />

Landkreisen gegenüber.<br />

Die Generation der Hochaltrigen (75 Jahre und älter) nimmt in der<br />

Region Göttingen um 14 Prozent zu – mit nur geringen Unterschieden<br />

in den einzelnen Kreisen.<br />

Zu deutlichen Unterschieden wird es in der regionalen Verteilung der<br />

Alterskohorten kommen. Dies wird beim Vergleich der Landkreise nach<br />

ihren siedlungsstrukturellen Merkmalen deutlich. Der Landkreis Göttingen<br />

gilt aufgrund seiner höheren Einwohnerdichte als „verdichteter Kreis“, die<br />

Landkreise Northeim und Osterode am Harz als “ländliche Kreise“. Während<br />

im “verdichteten“ Landkreis Göttingen im Jahre 2020 die Jüngeren<br />

(unter 45-Jährige) noch die Mehrzahl bilden (52,4 Prozent), wird in den<br />

„ländlichen“ Kreisen Northeim und Osterode a. H. diese Alterskohorte<br />

zur Minderheit (42,1 Prozent). Umgekehrt wird sich der Anteil der Älteren<br />

(über 45-Jährige) verhalten: im Landkreis Göttingen 2020 der kleinere, in<br />

den Nachbarkreisen der größere Teil. Trotz dieses Trends wird im Prognosezeitraum<br />

der verdichtete Kreis in Zukunft den größeren Teil der Älteren<br />

(51,1 Prozent ) übernehmen. Das liegt an den Änderungsraten für die ältere<br />

Generation, die im Landkreis Göttingen mit 11,4 Prozent deutlich höher<br />

ausfällt als in den Landkreisen Northeim und Osterode (2,2 Prozent).<br />

12 Vgl. Abbildung 5<br />

13 Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2002): “Aktuelle Daten zur Entwicklung der Städte,<br />

Kreise und Gemeinden“<br />

20


Alterskohorten Verdichteter Kreis Ländliche Kreise Region Göttingen<br />

(Landkreis Göttingen) (Landkreis Northeim und<br />

Landkreis Osterode am<br />

Harz)<br />

2004 2020 2004 2020 2004 2020<br />

Unter 45 Anzahl 156.383 132.445 119.326 83.779 275.709 216.224<br />

Alters-Anteil 59,2 52,4 51,5 42,1 55,6 47,9<br />

Reg.-Anteil 56,7 61,3 43,3 38,7 100,0 100,0<br />

Veränd. -15,3 -29,8 -21,6<br />

Über 45 Anzahl 107.902 120.223 112.500 115.018 220.402 235.241<br />

Alters-Anteil 40,8 47,6 48,5 57,9 44,4 52,1<br />

Reg.-Anteil 49,0 51,1 51,0 48,9 100,0 100,0<br />

Veränd. 11,4 2,2 6,7<br />

Zusammen Anzahl 264.285 252.668 231.826 198.797 496.111 451.465<br />

Alters-Anteil 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0<br />

Reg.-Anteil 53,3 56,0 46,7 44,0 100,0 100,0<br />

Veränd. -4,4 -14,2 -9,0<br />

Interessant ist auch eine Darstellung der Entwicklung der Zahl der Menschen<br />

bis 50 Jahre und über 50 Jahre. Aus der folgenden Abbildung wird<br />

ersichtlich, dass die jüngeren Altersgruppen bis 50 Jahre bis zum Jahr 2020<br />

im Landkreis Göttingen anteilsmäßig abnehmen, während die Altersgruppen<br />

ab 50 Jahre deutliche Zuwächse erfahren. Besonders auffällig ist der<br />

relativ starke Rückgang bei den 30- bis 49-Jährigen in diesem Zeitraum (von<br />

31,6 Prozent auf 26,4 Prozent) und umgekehrt die starke Zunahme bei den<br />

50- bis 64-Jährigen um 6 Prozentpunkte (von 17 Prozent auf 23 Prozent).<br />

Die altersmäßige Zusammensetzung der Erwerbspersonen entwickelt<br />

sich noch ausgeprägter als die der Bevölkerung. Unter Berücksichtigung<br />

der derzeitigen altersspezifischen Erwerbsquoten lässt sich eine<br />

Projektion des künftigen Altersaufbaus des Erwerbspersonenpotenzials<br />

ableiten (vgl. Abbildung 7). Legt man die Personen im Alter von 15 bis<br />

64 Jahren als beschäftigungsrelevant zugrunde, so zeigt sich, dass der<br />

demographische Wandel deutliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt<br />

in der Region haben wird.<br />

14 In der Projektion des Erwerbspersonenpotenzials sind gleichbleibende altersspezifische Erwerbsquoten<br />

bis zum Jahr 2020 unterstellt.<br />

21<br />

Demographischer Wandel<br />

Abbildung 5: Entwicklung der<br />

Alterskohorten nach Raumtypen<br />

(Quelle: NLS-Online)<br />

Abbildung 6: Entwicklung des Altersaufbaus<br />

der Bevölkerung im Landkreis<br />

Göttingen NLS-Online;<br />

Berechnungen ifh Göttingen


Abbildung 7: Prognose des<br />

Erwerbspersonenpotenzials<br />

im Landkreis Göttingen<br />

Quelle: NLS; Berechnungen<br />

Cassing<br />

sItuatIon auf Dem<br />

arbeItsmarkt<br />

Altersgruppe<br />

2004 2020<br />

Anzahl Anteil Anzahl Anteil Veränderung<br />

15 - 34 47070 36,1% 45589 37,8% 1,6%<br />

35 - 54 69825 53,6% 56985 47,2% -6,4%<br />

55 - 64 13345 10,2% 18083 15,0% 4,7%<br />

gesamt 130240 100,0% 120657 100,0%<br />

Zum einen fällt der zahlenmäßige Rückgang bei den Erwerbspersonen<br />

bis 2020 mit 7,4 Prozent erheblich höher aus als der allgemeine Bevölkerungsrückgang<br />

im Landkreis Göttingen. Damit stehen der Wirtschaft insgesamt<br />

weniger Arbeits- bzw. Nachwuchskräfte zur Verfügung, wodurch<br />

der Wettbewerb der Unternehmen um qualifizierte Facharbeitskräfte<br />

zunehmen wird. Dadurch wächst die Gefahr, dass es in Teilbereichen der<br />

Wirtschaft zu einem Fachkräftemangel und in der Folge zu Produktionsengpässen<br />

kommt.<br />

Zum anderen ergeben sich bis 2020 Verschiebungen in der altersmäßigen<br />

Zusammensetzung des Erwerbspersonenpotenzials im Landkreis Göttingen.<br />

Der Anteil der mittleren Altersgruppe bei den Erwerbspersonen<br />

sinkt von 53,6 Prozent auf 47,2 Prozent, während die älteren Erwerbspersonen<br />

ab 55 Jahre anteilsmäßig drastisch zulegen (von 10,2 Prozent auf<br />

15 Prozent).<br />

In der Fachdiskussion über die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Stadt<br />

und Landkreis Göttingen und in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt<br />

ist eine deutliche Segmentierung zu beobachten. Das Projekt „50plus<br />

– Erfahrung zählt“ macht deutlich, dass neben Frauen, Ostdeutschen,<br />

Langzeitarbeitslosen und MigrantInnen auch die über 50-Jährigen eine<br />

Zielgruppe sind, deren Zugangsmöglichkeit auf den ersten Arbeitsmarkt<br />

durch staatliche Förderung unterstützt werden soll. Diese Förderpolitik<br />

wird von einigen Arbeitsmarktexperten kritisiert. Für immer kleinere<br />

Gruppen würden immer speziellere Instrumente definiert.<br />

Kritiker argumentieren damit, dass durch den Abbau von Kündigungsschutzes<br />

und Alterszuschlägen in Tarifverträgen eine nachhaltigere<br />

Wirkung entfaltet werden könnte. Durch die Einführung Intelligenterer<br />

Zeitkonten sowie altersgerechte Arbeitsplätze, Betriebsabläufe und Entlohnungsbedingungen<br />

könnten auch die Tarifparteien für mehr Beschäftigung<br />

Älterer sorgen. Insgesamt müssten die Anreize abgebaut werden, Ältere<br />

aufs Abstellgleis zu schieben.<br />

15 Vgl. Abbildung 7<br />

16 Hiege, Karsten; Hesse, Wolf-Ekkehard (2006): “Regionalanalyse des Landkreises Göttingen“<br />

17 Fickinger, Nico: “Auf dem Abstellgleis“, FAZ vom 6. September 2006, S. 15<br />

22


In den vergangenen Jahren ist bei den Verantwortlichen in den Städten und<br />

Gemeinden eine Sensibilisierung für die Bedeutung des Themas demographischer<br />

Wandel eingetreten. Das wurde u. a. deutlich während eines<br />

Bürgermeistertreffens des Städte- und Gemeindebundes im Landkreis<br />

Göttingen Ende Juni 2006 in Duderstadt. Die Diskussionen bezogen sich<br />

auch auf die Beteiligung des <strong>Regionalverband</strong>es am Modellvorhaben der<br />

Raumordnung (MoRo) „Infrastruktur und demographischer Wandel“.<br />

Bei Kommunalbefragungen im Juni und Juli 2006 im Rahmen von “50plus<br />

– Erfahrung zählt!“ bezeichneten zehn der elf kreisangehörigen Gemeinden<br />

den demographischen Wandel als wichtiges Thema. So verwies der<br />

Flecken Bovenden darauf, dass bereits Anfang der 90er-Jahre Arbeitskreise<br />

zu den Bereichen Kultur und Freizeit von Senioren und Wohnen<br />

im Alter eingerichtet worden seien. Aus den damaligen Diskussionen<br />

entstand die Wohnanlage Korbhof, in der Betreutes Wohnen durch die<br />

AWO angeboten wird. Außerdem ist dort eine generationenübergreifende<br />

Begegnungsstätte angesiedelt. Die Bürgermeisterin führt den hohen<br />

Anteil an Senioren in ihrer Gemeinde auch auf diese Aktivitäten zurück.<br />

Durch die Nähe zu Göttingen und die Attraktivität der Wohngebiete ist es<br />

Bovenden in den vergangenen Jahren gelungen, aus anderen Regionen<br />

Senioren anzuwerben, die in der Nähe ihrer Kinder und Großkinder wohnen<br />

wollen. Der Flecken Bovenden verfolgt bei der Siedlungsentwicklung<br />

eine Doppelstrategie. Neben die Sanierung vorhandenen Wohnraums<br />

unter Berücksichtigung von Senioren- und Behinderteninteressen tritt die<br />

Ausweisung neuen Baulandes für jüngere Familien. Beispielsweise im<br />

Neubaugebiet Am Junkernberg soll auch das Mehr-Generationen-Wohnen<br />

ermöglicht werden. Inzwischen ist auch eine hochwertige Pflegeeinrichtung<br />

mit 78 Betten entstanden. Von der Volksheimstätte werden weitere<br />

48 Wohnungen “Am Teiche“ vermietet.<br />

Die Stadt Duderstadt verfolgt ein Konzept der Anpassung an den demographischen<br />

Wandel z. B. dadurch, dass sie das Bauen in den Ortskernen<br />

propagiert. Das gilt auch für die Ortsteile an der Peripherie. In den<br />

vergangenen Jahren wurden bereits zwei Kindergärten im Rahmen von<br />

Zusammenlegungen geschlossen.<br />

In Hann. Münden wurden Betreuungseinrichtungen erweitert. Von einem<br />

Gesamtkonzept zur Anpassung an den demographischen Wandel spricht<br />

die Verwaltungsleitung allerdings ebenso wenig wie die Samtgemeinde<br />

Dransfeld. In Dransfeld ist eine Fülle von Initiativen tätig, so z. B. das<br />

Internetcafé im Jugendheim. Dort findet seit 1993 jährlich in der Stadt-<br />

18 Dieses Thema wurde erstmals ausdrücklich während eines Workshops am 24. Oktober 2003 in<br />

Stadtoldendorf von den Hauptverwaltungsbeamten und weiteren Fachleuten aus den Verwaltungen<br />

erörtert. Die Veranstaltung im Landkreis Holzminden war ausgerichtet worden vom Niedersächsischen<br />

Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) sowie dem<br />

<strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen. Moderiert und vorbereitet wurde sie vom Institut für Entwicklungsplanung<br />

und Strukturforschung GmbH (ies) an der Universität Hannover.<br />

19 In Kooperation mit verschiedenen Partnern hat der <strong>Regionalverband</strong> im Anschluss an diese Veranstaltung<br />

das Thema weiterbearbeitet, so etwa im Rahmen der Modellprojekte in Gleichen, Hardegsen, Holzminden<br />

und Bad Sachsa/Walkenried. Eine im Rahmen des MoRo konzipierte Wanderausstellung wurde im Jahre<br />

2006 u. a. im Kreishaus Göttingen sowie in den Rathäusern in Adelebsen und in Ebergötzen gezeigt.<br />

Aktiv beteiligt hat sich der <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen auch an der Konzipierung der Bündnisse<br />

für Familie innerhalb des Landkreises Göttingen.<br />

23<br />

Demographischer Wandel<br />

anpassungsleIstungen<br />

Der<br />

kommunen


halle ein Seniorennachmittag statt, der von bis zu 400 Seniorinnen und<br />

Senioren besucht wird. Kleinere Veranstaltungen dieser Art gibt es z. B.<br />

auch in Niemetal.<br />

Der Flecken Adelebsen hat erkannt, dass er zu den ersten Gemeinden<br />

im Landkreis gehört, in denen schon jetzt ein deutlicher Bevölkerungsrückgang<br />

erfolgt. Die Bürgermeisterin setzt auf die Anwerbung jüngerer<br />

Familien und verweist auf die Bedeutung der im Juli 2005 erfolgten<br />

Ausstellung „Demographischer Wandel“ des <strong>Regionalverband</strong>es. Sie sei<br />

maßgeblich gewesen bei der Gründung des Adelebser Bündnisses für<br />

Familie. Ausgehend vom Bündnis für Familie und in Zusammenarbeit mit<br />

der Gemeindeverwaltung und dem Diakonischen Pflegedienst wurde<br />

im Frühjahr 2006 ein Antrag auf ein Mehrgenerationenhaus beim Land<br />

gestellt. Seit Anfang 2006 finden regelmäßige Eltern-Kind- und Vater-Kind-<br />

Treffen statt, zu denen auch Bewohnerinnen des betreuten Wohnens des<br />

Alma-Luisen-Stifts eingeladen werden. Darüber hinaus gibt es Projekte<br />

der Begegnung zwischen der Albert-Schweitzer-Schule und den Kindergärten<br />

des Ortes.<br />

Die Gemeinde Gleichen setzt nach einem Ratsbeschluss und der Vorbereitung<br />

im Rahmen des Modellvorhabens der Raumordnung des <strong>Regionalverband</strong>es<br />

ein auf mehrere Jahre angelegtes Anpassungskonzept zum Betrieb<br />

der Kindergärten um. Vergleichbare Maßnahmen sollen in den nächsten<br />

Jahren auch für die Grundschulen erfolgen. Ein aus Lehrern, Politikern und<br />

Fachleuten gebildeter Arbeitskreis soll Kriterien für die vermutlich erforderliche<br />

Schließung von zwei Grundschulen im Gemeindegebiet erarbeiten.<br />

Dabei soll auch der Aspekt der Vermarktung bzw. Umnutzung bisheriger<br />

Grundschulgebäude berücksichtigt werden. Zu den konkreten Ergebnissen<br />

des Mitte 2005 gegründeten Bündnisses für Familie zählt die Einrichtung<br />

eines Linientaxis, dessen Betrieb u. a. mit Arztpraxen abgestimmt wurde.<br />

Außerdem erfolgte eine altersübergreifende Kinderbetreuung. In Gleichen<br />

hat sich ein Seniorentanz etabliert, der vom DRK organisiert wird.<br />

Auch die Gemeinde Friedland sieht sich vor gravierenden Veränderungen<br />

in der Grundschulstruktur und will das Angebot von Ganztagsschulen prüfen.<br />

Bei den politisch Verantwortlichen hat das Thema demographischer<br />

Wandel nach Einschätzung des Bürgermeisters eine hohe Bedeutung<br />

erlangt, allerdings meint er, dass es noch nicht Thema von „Geburtstagsrunden“<br />

sei. Die Gemeinde organisiert regelmäßig Erzählcafés, die von<br />

der Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinde moderiert werden und zu<br />

denen jeweils 20 bis 50 Personen kommen. Mit Gemeindeunterstützung<br />

finden z. B. über den Kulturring Chorabende statt. Ausgerichtet wurden<br />

zudem Veranstaltungen zu den Themen „Erben und Vererben“, Demenz<br />

und Patientenverfügungen. In Gieboldehausen unterstützt die Samtgemeindeverwaltung<br />

einen Mittagstisch, der sich zweimal im Monat speziell<br />

an Senioren richtet.<br />

24


Eher zurückhaltend äußert sich auch der Bürgermeister der Gemeinde<br />

Rosdorf. Der demographische Wandel als wichtiges Thema sei von den<br />

Politikern erkannt worden, es sei allerdings bei vielen BürgerInnen noch<br />

nicht recht angekommen. Die Gründung des lokalen Bündnisses für Familie<br />

wird in Rosdorf als Ansatz gesehen, BürgerInnen aktiv zum Thema<br />

demographischer Wandel einzubinden. Lediglich die Verwaltungsspitze<br />

der Samtgemeinde Gieboldehausen erklärt, der demographische Wandel<br />

sei für die Samtgemeinde noch kein spezifisches Thema, das gelte auch<br />

für den Rat.<br />

Mehrere Gemeinden, so der Flecken Bovenden, die Samtgemeinde Dransfeld<br />

und Radolfshausen sowie die Gemeinde Rosdorf und Friedland haben<br />

beim Geografischen Institut der Universität Göttingen gemeindebezogene<br />

Bevölkerungsprognosen in Auftrag gegeben.<br />

25<br />

Demographischer Wandel


altersbIlDer unD<br />

altersbegrIffe<br />

4 senIorInnen In der<br />

gesellschaft<br />

Keine Seniorengeneration konnte im Leben so viel erleben wie die heutige.<br />

Viele alte Menschen sind aktiv und unternehmungslustig, sie gestalten<br />

ihr Leben ereignisreich. Wissenschaft, Medizin und Technik erlauben es,<br />

körperliche Fitness, Potenz, Wissen und Selbstbewusstsein bis weit ins<br />

hohe Alter zu erhalten. Die heutigen Senioren wollen möglichst lange ihre<br />

Gesundheit und Vitalität bewahren, ihre Selbstständigkeit erhalten, aktiv<br />

am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, lust- und leistungsfähig bleiben,<br />

aktiv und passiv genießen, auch im Alter mit Zukunftsperspektiven leben<br />

und ihre mögliche Pflegebedürftigkeit unter humanen Bedingungen erleben.<br />

Ein Indiz für die immer jünger werdenden Senioren ist der Wandel in den<br />

Wertvorstellungen: Traditionelle Werte wie Sparsamkeit, Bescheidenheit<br />

und Genügsamkeit verlieren bei den „nachwachsenden“ Senioren an Bedeutung,<br />

und Werte wie Toleranz, Aufgeschlossenheit und Unabhängigkeit<br />

werden wichtiger. Viele Menschen, die aus dem Berufsleben ausscheiden,<br />

wollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben.<br />

Diese wachsenden Potenziale der Älteren können nach Einschätzung von<br />

Prof. Dr. Clemens Geißler von der Deutschen Gesellschaft zur Förderung<br />

der Forschung im Alter als Triebkräfte der gesellschaftlichen Entwicklung<br />

gesehen werden. Dabei bezieht sich Geißler hauptsächlich auf die Gruppe<br />

der SeniorInnen in der nachberuflichen Phase. Die schlummernden Potenziale<br />

der Senioren dürften nicht unbeachtet bleiben. Vielmehr wohne<br />

dem demographischen Wandel eine Chance inne. Statt die älteren Menschen<br />

als Objekte zu behandeln, müsse man sie als für die Gesellschaft<br />

verantwortlich handelnde Subjekte in den Blick rücken. Neben einem<br />

reichen Schatz an Erfahrungswissen verfüge die Gruppe der Senioren<br />

über ein hohes marktbezogenes Nachfragepotenzial. „Dem Wandel der<br />

Altersstruktur entsprechend nimmt die Bedeutung der Älteren als (regionale)<br />

Nachfragemacht zu.“ Die Nachfrage nach Gütern und insbesondere<br />

nach Dienstleistungen habe erhebliche positive Auslastungs- und<br />

Arbeitsmarkteffekte. „Regional- und Stadtmarketing, das diese Effekte<br />

nicht gebührend beachtet, ist in Gefahr, ähnliche Fehler zu machen wie die<br />

Werbewirtschaft, die, auf Jüngere fixiert (‘Jugendwahn’), vor den Älteren<br />

und dem Alter eher ‘Angst’ zu haben scheint.“<br />

Altern ist als ein kontinuierlicher Prozess in der Entwicklung des Menschen<br />

zu verstehen. Er findet in jeder Lebensphase statt: durch Veränderung<br />

der physiologisch-biologischen Gegebenheiten, der Werthaltungen und<br />

Einstellungen sich selbst und der Umwelt gegenüber sowie durch die<br />

äußerliche Stellung des Einzelnen in seinem Lebensraum. Die einzelnen<br />

Phasen dieser Entwicklung werden durch Faktoren wie durch gesundheitliche<br />

Einbußen beeinflusst.<br />

1 Geißler, Clemens (2003): “Für einen Perspektivenwechsel: Die Potenziale des Alters als Triebkräfte<br />

gesellschaftlicher Entwicklung“. In: Raumforschung und Raumordnung. Heft 5/2003, 61. Jahrgang, S.<br />

395–403<br />

2 Ebd., S. 398<br />

3 Ebd., S. 398<br />

26


Aufgrund der uneinheitlichen Entwicklung lassen sich nur schwer eindeutige<br />

Altersbegriffe bzw. Altersbilder formulieren. Bei der Beschreibung von<br />

Alterungsprozessen schwingt unbewusst oder bewusst eine normative<br />

Altersgrenze mit. Der individuelle Lebenslauf wird häufig in Lebensphasen<br />

unterteilt, die einen Höhepunkt und eine Abnahme oder einen Abbau beinhalten.<br />

Die Bewertung dieser Vorgänge manifestiert sich in den Altersbegriffen<br />

und -bildern. Diese unterliegen einem deutlichen gesellschaftlichen<br />

Wandel. Insbesondere in den letzten 30 Jahren haben sich tradierte<br />

Altersbilder und dadurch auch die Altersbegriffe stark verändert.<br />

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird als Senior bezeichnet, wer die<br />

“Altersgrenze“ erreicht und seine Berufstätigkeit beendet hat. Als das<br />

Deutsche Reich unter Bismarck am Ende des 19. Jahrhunderts die Altersversorgung<br />

einrichtete, wurde die Altersgrenze auf 70 Jahre festgelegt.<br />

Das entsprechende Altersbild eines zufriedenstellenden Lebensabends<br />

bestand darin, von den Nachkommen versorgt und gepflegt zu werden,<br />

nicht mehr arbeiten zu müssen, passiv, als Zuschauer, in den Genuss von<br />

sozialen Aktivitäten zu gelangen.<br />

Dieses Altersbild hat sich heute radikal geändert. Während der Bearbeitung<br />

der Studie traten in Hannover die Rolling Stones mit dem 63-jährigen<br />

Leadsänger Mick Jagger auf, am selben Tag war eine 53-jährige Ärztin<br />

aus Nikolausberg über 5000 Meter schnellste Frau beim Altstadtlauf in<br />

Göttingen. Mit sieben Weltmeister- und sechs Europameistertiteln scheut<br />

ein 63-jähriger Sportdozent der Universität Göttingen keine sportliche<br />

Konkurrenz von Studenten, die 40 Jahre jünger sind als er.<br />

Für viele ältere Menschen ist der Seniorenbegriff also nicht mehr passend.<br />

Die Gesprächsrunden im Landkreis Göttingen bestätigten dies: Eine ca.<br />

60 Jahre alte Frau erlebte es als stigmatisierend, als Seniorin bezeichnet<br />

zu werden. Sie würde gerne als Jungseniorin angesprochen werden. Hier<br />

müsse ein Umdenken stattfinden. In einem anderen Gespräch wurde<br />

betont, dass das Wort “alt“ in unserer Gesellschaft immer noch negativ<br />

besetzt sei. Der Begriff „junge Menschen“ sei gesetzlich definiert, nicht<br />

aber der Begriff „Senior“. „Es wird immer nur von Alten gesprochen oder<br />

von Grufties. Da kommt man gar nicht gegen an. Eigentlich müssten wir<br />

die Jüngeren öfter zur Rede stellen und etwas gegen die Diskriminierung<br />

tun. Der Jugendwahn ist doch eigentlich ungebrochen.“<br />

Aufgrund verschiedener Formen von Vorruhestandsregelungen, Frühverrentung<br />

und Altersteilzeit beenden heute viele Menschen ihre Berufstätigkeit<br />

mit 55 oder 58 Jahren. Statistisch haben sie dann noch etwa ein<br />

Drittel ihres Lebens vor sich. Durch die Verlängerung des Ruhestandes,<br />

4 Damals erreichten nur zwei Prozent der Bevölkerung dieses Lebensalter. Die durchschnittliche<br />

Lebenserwartung betrug 45 Jahre. Die Altersgrenze wurde erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg auf 65<br />

Jahre reduziert.<br />

5 Ob dies von den Betroffenen auch so zufriedenstellend erlebt wurde (und wird), sei dahingestellt.<br />

6 Gesprächsrunde am 30. Juni 2006 mit dem Seniorenbeirat Dransfeld<br />

7 In Schweden gibt es speziell für den Bereich der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> im direkten Vergleich zu deutschen<br />

Verhältnissen einige Unterschiede. Als Erstes fällt auf, dass Ältere und Altern in der sehr egalitären<br />

schwedischen Gesellschaft weniger negativ belegt sind. Durch die “schwedische Reichsorganisation<br />

der Rentner“ (Pensionärernas Riksorganisation, PRO) verfügen die Senioren über eine starke Lobby und<br />

einen mit einer Gewerkschaft vergleichbaren Einfluss.<br />

8 Gesprächsrunde am 1. Juni 2006 in Rosdorf<br />

27<br />

SeniorInnen in der<br />

Gesellschaft


eine Erhöhung der durchschnittlichen Lebensdauer und die besseren Aktivitätsressourcen<br />

hat sich aus einer ehemals passiv durchlebten “Restzeit“<br />

eine eigenständige Lebensphase entwickelt.<br />

Anfang September 2006 beschäftigte sich eine Tagung der Evangelischen<br />

Akademie Hofgeismar mit der „Kunst des Alterns“. Der Wiener Soziologe<br />

Professor Dr. Anton Amann forderte einen sachgemäßen Diskurs über<br />

das Altern. Die gegenwärtige Diskussion verlaufe „verquer“, so seine<br />

These. Auf der einen Seite werde das Alter hochgejubelt und behauptet,<br />

die Alten verfügten über große Kaufkraft und könnten neue Lebensstile<br />

verwirklichen, auf der anderen Seite würden die Alten als Bürde und Last<br />

bezeichnet, für die Gesellschaft, für den Staat und für sich selbst. Die<br />

Tagung selbst befasste sich intensiv mit der Frage, wie Ältere für ehrenamtliche<br />

Tätigkeit gewonnen werden können.<br />

Die Studie von PriceWaterhouse Cooper (PWC) differenziert diese These<br />

und weist darauf hin, dass in der bisherigen Unternehmenspraxis häufig<br />

Umsetzungsfehler bei der Ansprache Älterer auftreten, wie z. B. der<br />

„Seniorenteller-Effekt“ (Unterschätzung) oder der „Silver-Surfer-Effekt“<br />

(Überschätzung der Zielgruppe).<br />

Nicht nur WissenschaftlerInnen bemühen sich um eine Beschreibung<br />

dieser neuen Lebensphase, 0 auch im Marketing wird in den letzten Jahren<br />

verstärkt diese neue Zielgruppe in den Blick genommen. Die neue Konsumentengruppe<br />

wird mit den unterschiedlichen Begriffen umschrieben:<br />

die „Jungen-Alten“, die „Jungsenioren“, „Best Age 50plus“, „Silvergeneration“,<br />

„Silversurfer“, „Silver Consumer“, „Golden Oldies“, „Generation<br />

Gold“, „Best Ager“, „Master Consumer“, „Woopies“ oder gar „Selpies“<br />

– um nur einige Beschreibungsversuche zu nennen. Die Vielfalt dieser<br />

phantasievollen Begriffsschöpfungen symbolisiert die Unsicherheit der<br />

Anbieter gegenüber den Nachfragergruppen.<br />

Da es keine überzeugende Alternative gibt und der Seniorenbegriff durchaus<br />

auch mit Respekt und Anerkennung geprägt ist, wird vorgeschlagen,<br />

diese Bezeichnung konsequent und selbstbewusst zu benutzen und auf<br />

verschämte Umschreibungen zu verzichten.<br />

In der mehrere Jahrzehnte umfassenden Altersspanne des Seniorenlebens<br />

sind unterschiedliche Generationen mit unterschiedlichem zeitgeschichtlichen<br />

Hintergrund, Sozialisationen, Konsum- und Technikerfahrungen<br />

vertreten. Dieser Trend der Differenzierung der Altersgruppe geht mit einer<br />

Differenzierung der Lebensstile einher: Die jetzigen Alten zeichnen sich<br />

durch unterschiedliche Lebensstile auch innerhalb der Generation aus, die<br />

sich zukünftig noch weiter ausdifferenzieren werden. Von der Gruppe der<br />

Senioren zu sprechen ist daher unangemessen, es ist eine sehr heterogen<br />

zusammengesetzte Gruppe, die sich mindestens so stark untergliedern<br />

lässt, wie es von der Jugendkultur her bekannt ist.<br />

9 PWC-Studie: “Generation 55+, Chancen für Handel und Konsumgüterindustrie“, S. 19<br />

10 Die Gerontologie beschäftigt sich als Wissenschaft vom Altern u. a. mit dem Altersbegriff und der<br />

Definition von Altersstilen. Derzeit werden 150 bis 180 Altersstile identifiziert.<br />

11 Abkürzung für “well-off old people“, für gut situierte alte Menschen<br />

12 Kurzform von “second life people“, für Menschen im zweiten Lebensalter<br />

28


Auftragsgemäß befasste sich die Studie mit den Altersgruppen der über<br />

50-Jährigen. Diese Zielgruppendefinition impliziert eine Reihe von Fragestellungen.<br />

Ob wirtschafts- oder beschäftigungspolitische Maßnahmen<br />

auf Zielgruppen ausgerichtet werden sollten, die nach dem Alter definiert<br />

werden, ist ebenso zweifelhaft wie die Frage, ob sich die Vermittelbarkeit<br />

eines 55-Jährigen gravierend von der einer 49-Jährigen unterscheidet und<br />

ob nicht vielmehr die Frage nach der Qualifikation bzw. der Dauer der<br />

Arbeitslosigkeit relevanter als das Geburtsdatum ist. Nicht das Alter ist<br />

also bestimmender Faktor für die Lebensperspektive, sondern Aspekte<br />

wie Integration, Mobilität, körperliche und geistige Fitness. Mithilfe einer<br />

Clusteranalyse des Frankfurter Marktforschungsinstituts T.E.A.M. wurden<br />

auf Basis von 200 ausführlichen explorativen Interviews mit 50- bis<br />

90-jährigen Verbrauchern sechs verschiedene Seniorentypen identifiziert,<br />

die sich in ihren Einstellungen und in ihrem Konsumverhalten voneinander<br />

unterscheiden.<br />

Die anspruchsvollen Konsumfreudigen (Typ 1) kommen unter den Senioren<br />

mit am häufigsten vor: Sie haben Spaß am Aussuchen und Einkaufen und<br />

geben auch entsprechend Geld aus. Sie sind finanziell gut situiert und<br />

haben hohe Qualitätsansprüche.<br />

Die wertkonservativen Genießer (Typ 2) sind traditionsverbundene Senioren,<br />

die nach einem langen Arbeitsleben endlich ihren Alltag genießen<br />

wollen. Beim Einkauf und Konsum legen sie auch Wert auf Qualität; sind<br />

aber grundsätzlich eher sparsam und der Ansicht, dass preiswerte Produkte<br />

heute meist genau so gut sind wie teure.<br />

Die ausgabebereiten Innovatoren (Typ 3) lieben die Abwechslung, sind<br />

Neuem gegenüber aufgeschlossen und probieren gern neue Produkte<br />

aus. Auch sie legen großen Wert auf Qualität; sie geben dafür lieber<br />

etwas mehr Geld aus.<br />

13 Team für effiziente angewandte Marktpsychologie (2004): “Die unterschätzte Generation“. Frankfurt<br />

29<br />

SeniorInnen in der<br />

Gesellschaft<br />

Abbildung 8: Senio-<br />

rentypen bei den über<br />

50-Jährigen


Die sparsamen Zurückgezogenen (Typ 4) entsprechen am ehesten dem<br />

traditionellen Vorstellungsbild alternder Senioren, sind inzwischen aber<br />

die kleinste Personengruppe. Sie stehen Neuem eher ablehnend gegenüber,<br />

sind grundsätzlich sehr sparsam und kaufen generell preiswerte<br />

Produkte.<br />

Die risikoscheuen Traditionalisten (Typ 5) sind die konservativsten unter<br />

den Senioren. Sie sind sehr sicherheitsbewusst, kaufen lieber altbewährte<br />

Produkte und sind dabei sehr markentreu.<br />

Die erlebnishungrigen Aktiven (Typ 6) sind sehr unternehmungslustig,<br />

fühlen sich jung und fit und lieben die Abwechslung. Beim Einkauf sind sie<br />

aber sehr wählerisch und achten auf ein angemessenes Preis-Leistungs-<br />

Verhältnis.<br />

Diese Seniorentypen verdeutlichen, dass die Generation der heute über<br />

50-Jährigen, also der zukünftigen Seniorengeneration, differenziert betrachtet<br />

werden muss. Diese Erkenntnis, dass es sich hierbei um eine<br />

attraktive Zielgruppe handelt, setzt sich gerade unter Marketingfachleuten<br />

immer mehr durch. Die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen bestimmt das<br />

Konsumverhalten. Besonders die Typen 1, 3 und 6 sind für das Seniorenmarketing<br />

interessant. Sie machen zusammen 55 Prozent aus.<br />

Diese Vielschichtigkeit in den verwandten Begriffen zeigt, dass sich ein<br />

durchgehender gesellschaftlicher Konsens nicht herstellen lässt. Erst<br />

recht finden sich alle der so gruppierten Personen nicht komplett in den<br />

Begriffen wieder. Wer Impulse für die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> benennen will,<br />

kann aber auf eine Definition von Begriffen nicht verzichten. Die Autoren<br />

der Studie unterscheiden bei den über 50-Jährigen zwischen den Produzenten<br />

sowie den Konsumenten von Produkten und Dienstleistungen.<br />

Zu der letztgenannten Kategorie gehören auch die über 50-Jährigen in<br />

ihren verschiedenen Funktionen innerhalb der Gesellschaft. Auf dem<br />

Arbeitsmarkt sind die über 50-Jährigen Zielgruppen mit besonderen<br />

altersspezifischen Risiken. Im Bereich des Konsums unterscheiden die<br />

Autoren folgende Zielgruppen:<br />

Die “Jungsenioren“ (etwa 60–70 Jahre) sind körperlich und geistig aktiv.<br />

Das Teilnahmebedürfnis ist groß, wichtig sind für sie v. a. Freizeit- und Bildungsangebote,<br />

soziale Kontakte und bürgerschaftliches Engagement.<br />

“Senioren“ (etwa 70–80 Jahre) können im Allgemeinen selbstständig<br />

ihren Lebensalltag bewältigen, jedoch aufgrund teilweise reduzierter<br />

körperlicher Leistungsfähigkeit weniger aktiv auftreten und sind u. U. mit<br />

längeren Krankheitsphasen konfrontiert. Die Pflegefallwahrscheinlichkeit<br />

liegt allerdings noch unter fünf Prozent.<br />

In der Gruppe der “Hochbetagten“ (über 80 Jahre) sinkt die Beteiligung am<br />

gesellschaftlichem Leben, die Pflegefallwahrscheinlichkeit steigt leicht an.<br />

Gerade bei Älteren, deren Ehepartner gestorben sind, nimmt das Problem<br />

der Vereinsamung zu. In dieser Altersgruppe gewinnt die Pflegeeignung<br />

30


der Wohnung im Zusammenhang mit aufsuchender Betreuung an Bedeutung,<br />

ebenso die ambulante und die stationäre Pflege. Jedoch sind auch<br />

unter den Hochbetagten 80 Prozent nicht pflegebedürftig.<br />

Inzwischen befassen sich auch Messeveranstalter gezielt mit den<br />

Bedürfnissen von SeniorInnen. So richten Euroforum The Conference<br />

Company und „seniorenmarkt.de“ am 15. und 16. November 2006 den<br />

„Zukunftsmarkt 70plus“ aus. Dargestellt werden gute Praxisbeispiele aus<br />

verschiedenen Branchen wie Finanzdienstleistungen, Handels- und Produktkonzepte,<br />

Verpflegungs- und Managementkonzepte für SeniorInnen<br />

und Wohnformen.<br />

Exkurs: Soziodemographische Einteilung der Zielgruppen<br />

In der Literatur herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Zielgruppendefinition<br />

allein über das Alter nicht ausreicht und dass das biologische<br />

Alter des Menschen wenig über individuelle Präferenzen aussagt. In<br />

Ergänzung zu den angesprochenen Differenzierungsversuchen stellt das<br />

vom Heidelberger Sinus-Institut entwickelte Modell des Sinus-Milieus eine<br />

recht exakte Konsumprofilierung dar. Nach der Definition des Instituts fassen<br />

soziale Milieus Menschen zusammen, die sich in Lebensauffassung<br />

und Lebensweise ähneln, die also so etwas wie subkulturelle Einheiten<br />

innerhalb der Gesellschaft bilden. Es erfolgt eine Einteilung nach Werteorientierungen<br />

und Lebenszielen, nach Einstellung zu Arbeit, Freizeit<br />

und Konsum, zu Familie und Partnerschaft, nach Zukunftsperspektiven,<br />

politischen Grundüberzeugungen und Lebensstilen. Die Abgrenzungen<br />

markieren keine scharfen Grenzen, vielmehr gibt es fließende Übergänge,<br />

Zwischenformen und Überschneidungen.<br />

14 Steffens et al. (2004), S. 9<br />

15 http://www.euroforum.de/p1100528<br />

31<br />

SeniorInnen in der<br />

Gesellschaft<br />

Abbildung 9: Idee der Seni-<br />

orenwirtschaft (Geumann/<br />

<strong>Regionalverband</strong>)


Abbildung 10: Sinus-Milieus<br />

Quelle: Grey Global Group<br />

armut Im alter<br />

Die oben genannte Darstellung hat die Grey Global Group in einer weitergehenden<br />

Studie auf die über 50-Jährigen bezogen. Danach sind in<br />

der Sinus A23 Gruppe („Traditionsverwurzelte“) 87 Prozent über 50 Jahre<br />

alt. Bei den „Modern Performers“ sind dagegen nur knapp neun Prozent<br />

über 50 Jahre.<br />

Diese differenzierte Darstellung wird im Folgenden nicht weiter genutzt.<br />

Bei der Analyse der möglichen Beschäftigungseffekte der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

spielt sie nur eine untergeordnete Rolle. Sie wurde dennoch<br />

erwähnt, weil sie ein wichtiges Instrument im Marketing ist und bei der<br />

Entwicklung neuer Produkte und Entwicklungen relevant sein kann.<br />

Obwohl es sich bei der derzeitigen Seniorengeneration um die reichste<br />

handeln dürfte, die es je gegeben hat, gibt es auch in Deutschland zahlreiche<br />

Ältere, die als arm zu bezeichnen sind. Es besteht die Gefahr, dass<br />

deren Zahl künftig steigen wird und die Schere zwischen Arm und Reich<br />

weiter auseinandergeht. Wer sich mit <strong>Seniorenwirtschaft</strong> befasst, kann<br />

diesen Aspekt nicht ignorieren.<br />

Nach einer Definition der Europäischen Union ist arm, wem weniger als 60<br />

Prozent des Durchschnittseinkommens pro Monat zur Verfügung steht. In<br />

Deutschland liegt diese Grenze nach dem aktuellen Armutsbericht bei 938<br />

Euro. Auch für den Begriff des Existenzminimums gibt es unterschiedliche<br />

Einschätzungen. Berechnungen des Arbeitslosengeldes II orientieren sich<br />

an dem soziokulturellen Existenzminimum. Es liegt für Alleinstehende<br />

bei 7.356 Euro jährlich. Deutlich höher liegt mit knapp 1.000 Euro das<br />

pfändungsfreie Existenzminimum.<br />

16 Michael, Grey (2003): Berechnung Grey Strategic Planning.<br />

32


Nach dem SGB XII haben Personen ab dem 65. Lebensjahr Anspruch auf<br />

Grundsicherung, wenn der Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln<br />

bestritten werden kann. Nicht alle Anspruchsberechtigten kennen diese<br />

Rechtslage. Andererseits gibt es viele, die ihre Rechte zwar kennen, sie<br />

aber nicht wahrnehmen, weil sie sich scheuen, der Allgemeinheit zur<br />

Last zu fallen.<br />

Während bislang viele NeurentnerInnen und Pensionäre über eine<br />

durchgängige Erwerbsbiographie verfügen, haben viele der künftigen<br />

Renten- und Pensionsbezieher geringere Ansprüche z. B. gegenüber<br />

den Rentenkassen. Vielfach wird nicht mehr durchgängig gearbeitet, die<br />

Berufstätigkeit wird vielmehr in prekären Arbeitsverhältnissen ausgeübt.<br />

Dazu gehören Teilzeitarbeitsverhältnisse, Tätigkeiten auf Honorarbasis und<br />

(projektorientierte) befristete Tätigkeit. Altersarmut, insbesondere unter<br />

alleinstehenden Frauen, existiert nach wie vor, doch das Verarmungsrisiko<br />

hat sich bei älteren Menschen gegenüber den 60er- und 70er-Jahren<br />

stark verringert.<br />

Ein weiterer Aspekt ist der Beschluss der Bundesregierung, schrittweise<br />

die Rente mit 67 einzuführen. Künftige wirtschaftliche Probleme älterer<br />

Personen dürften also multifaktoriell bedingt sein. Wer in der Erwerbsbiographie<br />

erhebliche Lücken aufweist, verfügt in der Regel auch über<br />

weniger sozialen Rückhalt. Personen, die durchgehend berufstätig sind<br />

oder aber freiwillig nicht arbeiten, leben in vielen Fällen gesundheitsbewusster<br />

und sind weniger anfällig für Drogenprobleme. In der soziologischen<br />

Forschung werden auch Zusammenhänge zwischen einem hohen<br />

Bildungsgrad und der Fähigkeit zu perspektivischer Lebensplanung hergestellt.<br />

Faktoren wie diese tragen dazu bei, das Armutsrisiko im Alter zu<br />

erhöhen. Sie erschweren zudem die Bemühungen auch von Kommunen,<br />

ältere Personen aus der Einsamkeit zu holen und in das gesellschaftliche<br />

Leben zu integrieren.<br />

Viele der heute angebotenen Produkte und Dienstleistungen für SeniorInnen<br />

sind noch immer teuer und ähneln Luxusartikeln. Die <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

steht vor der Aufgabe, preiswerte und gleichwohl qualitativ<br />

hochwertige Produkte zu erschwinglichen Preisen anzubieten.<br />

Nach Einschätzung der Verantwortlichen der Stadt- und Gemeindeverwaltungen<br />

im Landkreis Göttingen ist die Armut im Alter bislang noch<br />

kein zentrales Thema. Ökonomische Probleme Älterer sind danach zwar<br />

vorhanden, können aber noch nicht pauschal als Armut qualifiziert werden.<br />

Zudem sind die Probleme meist nicht offen erkennbar. Betroffene<br />

schildern die Probleme, wenn überhaupt, eher verschämt. Viele derjenigen,<br />

die jetzt im Rentenalter sind, haben Kriegs- und Nachkriegszeiten<br />

kennengelernt und sind es gewohnt, bescheiden und sparsam zu leben.<br />

Vielfach herrschen, gerade auf dem Land, intakte Familienverhältnisse<br />

mit gegenseitiger materieller Unterstützung vor. Bei der Erbringung von<br />

Dienstleistungen, z. B. im Handwerk, spielt die gegenseitige Unterstützung<br />

eine große Rolle.<br />

17 Prof. Dr. Fred Karl, FB Sozialwesen der Universität Kassel, am 7. Juli 2006 in Kassel<br />

33<br />

SeniorInnen in der<br />

Gesellschaft


senIorenarbeIt<br />

Nach Ansicht der Kommunen besteht aber die Gefahr, dass sich die wirtschaftliche<br />

Situation Älterer in den nächsten Jahren verschlechtert. Die<br />

Ankündigung der Bundesregierung, dass in den nächsten Jahren deutliche<br />

Rentenanpassungen nicht zu erwarten sind, ist dabei nur ein Faktor. Eine<br />

zunehmende Bedeutung dürfte zudem die Tatsache erlangen, dass durch<br />

den Bevölkerungsrückgang gerade in der Fläche die Mieten und damit für<br />

Hauseigentümer die Einnahmemöglichkeiten sinken. Der demographische<br />

Wandel wird auch auf die Immobilienpreise durchschlagen und damit den<br />

Verkauf von Eigentum erschweren.<br />

Weitere Aspekte sind das zunehmende Auseinanderfallen von Familien und<br />

die Singularisierung der Gesellschaft. Der Bürgermeister der Gemeinde<br />

Friedland beobachtet, dass manche Ältere bei der Bewirtschaftung ihrer<br />

Häuser überfordert sind. In den Häusern dieser Gemeinde wie auch in anderen<br />

Teilen des Kreisgebiets besteht bei vielen Immobilien in Privatbesitz<br />

erheblicher Sanierungs- und Modernisierungsbedarf. Wenn mittelfristig<br />

die Einkommen Älterer zurückgehen, steigen tendenziell die Ausgaben<br />

der Sozialhilfeträger.<br />

Deutlich wird also, dass die erwarteten Impulse, die die <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

für die Regionalentwicklung auslöst, relativiert und in Anbetracht<br />

der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme vieler SeniorInnen bewertet<br />

werden müssen.<br />

Seniorenarbeit wird in vielfältigen gesellschaftlichen Bereichen geleistet:<br />

von Wohlfahrtsverbänden oder Gewerkschaften bis hin zum Kleingartenverein<br />

und Ehemaligentreffen von Unternehmen. Im Folgenden wird ein<br />

Überblick mit Schwerpunkt auf die kommunalen Aktivitäten gegeben.<br />

Kreisangehörige Städte und Gemeinden<br />

Im Rahmen von Kommunalbefragungen im Juni und Juli 2006 gaben für<br />

die Seniorenarbeit sechs der elf kreisangehörigen Kommunen klare Zuständigkeiten<br />

in Fachämtern bzw. Fachbereichen an. In Friedland und Gleichen<br />

liegt die Zuständigkeit bei der Gleichstellungsbeauftragten, in Adelebsen,<br />

Staufenberg und Rosdorf beim Bürgermeister bzw. der Bürgermeisterin.<br />

Mit Ausnahme der Stadt Hann. Münden halten alle Verwaltungsspitzen<br />

Seniorenfragen für ein Querschnittsthema.<br />

Die spezifisch auf SeniorInnen zugeschnittenen Angebote der Stadt- und<br />

Gemeindeverwaltungen im Landkreis Göttingen – mit Ausnahme der Stadt<br />

Göttingen – orientieren sich eher am klassischen Altersbild. Wenngleich<br />

Veranstaltungen wie Kaffeenachmittage wichtige Foren der Begegnung<br />

und des Austauschs von SeniorInnen sind und für die Veranstalter häufig<br />

viel Aufwand und Mühe bedeuten, zeugen sie weder von besonderer<br />

Kreativität noch berücksichtigen sie, dass viele SeniorInnen über diese<br />

Veranstaltungen hinaus vielfältige Interessen haben, von denen zumindest<br />

einige auch von den Kommunen aufgegriffen werden könnten.<br />

34


Bereits im Oktober 1993 hat die Gemeinde Rosdorf damit begonnen, das<br />

Konzept des Erzählcafés als Zeitzeugenprojekt und Mehrgenerationendialog<br />

umzusetzen. Jeden letzten Freitag im Monat findet dort ein Mehrgenerationendialog<br />

mit den vielfältigsten Themen statt. Das Erzählcafé hat<br />

auch das Rosdorfer Kochbuch herausgegeben und zeichnet verantwortlich<br />

für diverse andere Bildungsveranstaltungen. Das Erzählcafé ist Mitglied<br />

im lokalen Bündnis für Familie. Außerdem hat die Gemeinde Rosdorf ein<br />

Internetcafé eingerichtet, das auf die Interessen von SeniorInnen ausgerichtet<br />

ist. Jeder Ortsrat veranstaltet einmal jährlich eine Seniorenausfahrt<br />

und eine Seniorenweihnachtsfeier. Monatliche Kaffeenachmittage finden<br />

in fast allen Ortschaften statt. SeniorInnen treffen sich auf privater Basis<br />

sowie in Vereinen und Verbänden, in Kirchen und Gewerkschaften sowie<br />

in vielfältigen anderen Zusammenhängen wie etwa den Freiwilligen Feuerwehren.<br />

Festzuhalten bleibt jedoch, dass es immer schwieriger wird, bestehende<br />

Angebote aufrechtzuerhalten. Es fehlt vielfach noch immer an der Bereitschaft<br />

zu ehrenamtlicher Tätigkeit. Viele ehrenamtlich tätige SeniorInnen<br />

werden in immer neue Arbeitszusammenhänge eingebunden und sind<br />

damit vielfach überfordert.<br />

Spezielle, von den Kommunen unterstützte Netzwerke für SeniorInnen<br />

sind eher die Ausnahme. In Bovenden gehört dazu die erweiterte Nachbarschaftshilfe<br />

der AWO.<br />

Ende September 2006 fand die „Seniorenmesse Bovenden“ statt – eine<br />

Premiere für den Flecken. Genutzt wurde die Veranstaltung von 30<br />

Dienstleistern und Organisationen aus den Bereichen Reisen, Finanzen,<br />

Gesundheit, Vorsorge, Sport, Sicherheit, Betreuung, Versorgung, Beruf<br />

und Freizeit. Zielsetzung war es, über das traditionelle kommunale<br />

Angebot „gemeinsames Kaffeetrinken“ hinaus die unterschiedlichen<br />

Ansprüche und Bedürfnisse von SeniorInnen darzustellen. In der neuen<br />

Kommunalwahlperiode ab dem 1. November 2006 sollen die wichtigsten<br />

der im Bürgerhaus vermittelten Impulse aufgegriffen und die Arbeit des<br />

Seniorenbeirats erweitert werden. Bei den Referaten ging es z. B. um<br />

strukturelle Änderungen in der Altersvorsorge, gesunde Ernährung im<br />

Alter, Prävention und Rehabilitation am Wohnort, Erhaltung von Gesundheit<br />

und Aktivität, Wohnformen im Alter und besondere medizinische<br />

Dienstleistungen für Diabetiker.<br />

In Dransfeld wird die Initiative „Atempause“ unterstützt, in der Betreiber<br />

von Pflegediensten und Mitglieder des Seniorenbeirats sowie Einzelpersonen<br />

mit dem Ziel kooperieren, niedrigschwellige Betreuungsangebote<br />

anzubieten. Konkrete Planungen: LaienhelferInnen besuchen SeniorInnen,<br />

gehen mit ihnen spazieren, lesen ihnen etwas vor, klönen mit ihnen, hören<br />

gemeinsam Musik oder singen und basteln. Eine Fördergruppe soll sich<br />

künftig zweimal im Monat treffen und SeniorInnen einladen, gemeinsam<br />

kreativ zu werden. Ein Kreis von Helfern soll in einem 40-stündigen Lehrgang<br />

auf diese Arbeit vorbereitet werden. Die Initiative „Atempause“ ist<br />

eingebunden in das Projekt „Niedrigschwellige Betreuungsangebote“, wie<br />

es bereits von der Sozialstation Göttingen-Ost als Modellvorhaben von der<br />

Landesregierung zusammen mit den Pflegekassen gefördert wird.<br />

35<br />

SeniorInnen in der<br />

Gesellschaft


In Friedland wurde der Biete-Hole-Austausch eingerichtet. Angelegt wurde<br />

eine Kartei, in der Hilfsangebote wie etwa Einkaufshilfe und Gartenarbeit<br />

mit der entsprechenden Nachfrage zusammengeführt wird. In Radolfshausen<br />

wird derzeit versucht, die Initiativen in einzelnen Mitgliedsgemeinden<br />

zur Organisation von Reisen für SeniorInnen aufeinander abzustimmen.<br />

Als besonders wichtiges Netzwerk innerhalb des Landkreises gilt die<br />

Nachbarschaftshilfe Friedland-Rosdorf.<br />

Adelebsen setzt z. B. im Rahmen des Bündnisses für Familie auf intergenerative<br />

Zusammenarbeit. Begonnen wurden Initiativen wie Erzählcafé<br />

und regelmäßige Frühstückstreffen. Die Vorträge, zu denen eingeladen<br />

wird, sind meist generationenübergreifend ausgerichtet und behandeln<br />

vorwiegend medizinische Themen wie etwa die Gesundheitsprophylaxe.<br />

Von Oktober bis Dezember 2005 fand in Adelebsen einmal wöchentlich<br />

ein Kurs des Gleichstellungsbüros für Frauen mit einem kombinierten<br />

Bewegungs- und Ernährungsangebot sowie der Anleitung für Entspannungsübungen<br />

statt. Wiederholungen sind für Oktober 2006 geplant.<br />

Vorgesehen ist ein Kurs zum Thema Wechseljahre. In Zusammenarbeit mit<br />

den Landfrauen sollen spezielle Angebote für Seniorinnen wie Vorträge,<br />

Führungen, Lesungen, Musik und Ausflüge gestaltet werden. Aufgebaut<br />

werden Netzwerke zwischen dem Adelebser Bündnis für Familie und<br />

bestehenden Senioren- und Seniorinnengruppen. Zentrales Angebot der<br />

Stadt Hann. Münden ist die Seniorenbegegnungsstätte, die die Arbeiterwohlfahrt<br />

mit Unterstützung der Stadt am Tanzwerder betreibt. Die<br />

Samtgemeinde Radolfshausen vergibt – mit den Einwohnerzahlen als<br />

Schlüssel – Mittel an die Seniorenarbeit der Mitgliedsgemeinden.<br />

Ergänzt werden die Angebote der Kommunen im Landkreis Göttingen<br />

durch die Arbeit von Seniorenbeiräten, -beauftragten und -obleuten. Sie<br />

erschöpft sich allerdings in den meisten Kommunen in der Vorbereitung<br />

von Weihnachts- und Adventsfeiern, Kaffeenachmittagen und Ausflügen.<br />

Beispielsweise in Gieboldehausen kümmern sich die Seniorenobleute der<br />

Mitgliedsgemeinden um Fachvorträge, z. B. zur Abfassung von Testamenten.<br />

Außerdem erfolgen Besichtigungen von Altenheimen.<br />

Gesamteindruck: Die Organisation von Veranstaltungen bezieht sich meist<br />

auf Gemeinde- bzw. Ortsteilebene. In manchen Fällen ist es schwierig, für<br />

Veranstaltungen und gemeinsame Reisen ausreichend Teilnehmer zu finden.<br />

In der Gemeinde Rosdorf nehmen Mitglieder der Seniorenvertretung<br />

an allen Fachausschusssitzungen mit beratender Stimme teil. Informationsveranstaltungen<br />

zur Patientenverfügung wurden bereits vor längerer<br />

Zeit, einmal auch in Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten,<br />

durchgeführt und stießen auf breite Resonanz.<br />

Landkreis Göttingen<br />

Mit Beschlussfassung vom 10. Mai 2006 hat der Kreistag die Kreisverwaltung<br />

aufgefordert, eine Publikation herauszugeben, die neben der<br />

allgemeinen Präsentation vorhandener Einrichtungen auch Ideen für bürgerschaftliches<br />

Engagement und aktive Freizeitgestaltung beinhaltet. Nach<br />

einem Kreistagsbeschluss vom 19. Juli 2006 will der Landkreis Göttingen<br />

einen runden Tisch “Senioren“ einrichten.<br />

36


Nach Angaben der Kreisverwaltung ist der demographische Wandel für<br />

den Landkreis Göttingen ein wichtiges Thema. Zwar liegt bislang kein<br />

Gesamtkonzept vor, doch fördert der Landkreis im Rahmen konkreter<br />

Aufgabenstellungen die Anpassungsfähigkeit gesellschaftlicher Einrichtungen.<br />

So werden zwei Honorarkräfte mit jeweils 500 Euro monatlich für<br />

die Gestaltung der ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfe Friedland-Rosdorf<br />

finanziert. Die offizielle Zuständigkeit für Seniorenfragen liegt im Sozialamt,<br />

als Querschnittsthema der Kreisverwaltung nimmt das Sozialamt die<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong> jedoch nicht wahr. Ein Seniorenbeirat wurde auf der<br />

Ebene des Landkreises wegen der erforderlichen Basisnähe der Städte<br />

und Gemeinden nicht eingerichtet.<br />

Der derzeitige Altenhilfeplan des Landkreises Göttingen stammt aus dem<br />

Jahr 1984. Altenhilfe ist ein klassisches Aufgabenfeld der Landkreise und<br />

der kreisfreien Städte. Sie fasst gesetzliche Maßnahmen und Initiativen zur<br />

Förderung und Unterstützung alter Menschen zusammen. Das kann in Institutionen<br />

oder in offener Weise geschehen. Offen meint dabei nicht allein<br />

die räumliche Anlage, sondern den hohen Grad an Unverbindlichkeit für die<br />

Klientinnen und Klienten. So ist beispielsweise ein Altenheim “Einrichtung<br />

der Altenhilfe”, unabhängig davon, ob eine gemeinnützige Organisation<br />

die Alten- und Pflegeheime unterhält oder ein Gewerbebetrieb, beide<br />

sind “Träger der Altenhilfe”. Auch ambulante Dienste sind “Einrichtungen<br />

der Altenhilfe”. Sozialstationen sind Häuser, die betreuungsbedürftigen<br />

Menschen Alten- und Krankenpflege in der jeweils eigenen Wohnung<br />

gegen Entgelt zukommen lassen. Mitarbeit dort ist Teil der professionellen<br />

Pflege. Außerdem wird unter Altenhilfe auch eine Form der Sozialbetreuung<br />

verstanden, losgelöst von pflegerischen oder hauswirtschaftlichen<br />

Betreuungsformen, die z. B. von der Caritas und der Diakonie, also im<br />

Rahmen der Kirchengemeinden, angeboten werden.<br />

Im Vorwort der erwähnten Ausgabe heißt es, es sei nicht darum gegangen,<br />

ein „hochwissenschaftliches, statistisches Werk“ oder ein „soziales Telefonbuch“<br />

vorzulegen. Vielmehr wünschte man sich „einen transparenten<br />

Plan, mit dem gearbeitet werden könnte“ und der „sich als eine Hilfe<br />

für die Beteiligten erweisen“ würde. Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis<br />

zeigt, wie vielfältig das Thema SeniorInnen im Landkreis Göttingen bearbeitet<br />

wurde: Die vielfältigen Angebote, Dienste und Einrichtungen<br />

wurden untersucht und die Ergebnisse der Arbeitsgruppe “Altenhilfeplanung“<br />

vorgelegt. Diese Arbeitsgruppe erarbeitete auf der Basis der<br />

Bestandsaufnahme Maßnahmen, die der Ausweitung, Verbesserung und<br />

bedürfnisorientierten Weiterentwicklung der Altenhilfe dienen sollten. In<br />

nahezu allen untersuchten Bereichen der Altenhilfe sind die angestrebten<br />

Veränderungen insbesondere qualitativer Art. Im Vorwort heißt es außerdem:<br />

„Die projektorientierten Maßnahmen bedürfen fortlaufender Überprüfung<br />

und Weiterentwicklung.“ Und: „Bei aller Lust zum Handeln, die<br />

– hoffentlich – aus dieser Planungsarbeit entsteht, sind alle aufgefordert,<br />

eigene Vorstellungen vom Altern zu überdenken und Selbstbestimmung,<br />

Partizipation und Ganzheitlichkeit des alten Menschen zur Grundlage und<br />

Richtschnur des Handelns zu machen.“<br />

18 Vorwort aus der Altenhilfeplanung, August 1985<br />

37<br />

SeniorInnen in der<br />

Gesellschaft


Die Ende Mai 2006 gestartete Landesinitiative für generationengerechte<br />

Produkte und Dienstleistungen ist in der Kreisverwaltung zwar zur Kenntnis<br />

genommen worden, eine ausführliche inhaltliche Befassung mit den<br />

Leitlinien des Landes ist bis Juli 2006 noch nicht erfolgt. Die meisten SeniorInnen<br />

verfügen im Landkreis nach Einschätzung der Kreisverwaltung über<br />

gute Kenntnisse über die Verfügbarkeit von Pflegediensten. Weniger gut<br />

sind die Kenntnisse zu den unterschiedlichen Wohnformen. Offensichtlich<br />

sehen die Pflegedienste eine Information älterer Kreisbewohner zu diesem<br />

Thema nicht gerade als Schwerpunkt an. Mitarbeiter der Kreisverwaltung<br />

halten zuweilen Vorträge zu seniorenrelevanten Fragen – wie z. B. im März<br />

2006 zur Frage der Pflegebedürftigkeit vor den Landfrauen in Northeim.<br />

Stadt Göttingen<br />

Der demographische Wandel hat spezifische Auswirkungen auf Göttingen<br />

als Universitätsstadt und Oberzentrum. Die Stadt, deren Verwaltung über<br />

eine eigene Seniorenberatungsstelle verfügt, geht von einer Stagnation der<br />

Bevölkerungszahl für die nächsten 15 Jahre aus. Bei der Einrichtung ihres<br />

Seniorenbeirates hat die Stadt Anfang der 90er-Jahre Neuland betreten<br />

und war auch für andere Gemeinden im Landkreis Göttingen wegweisend.<br />

Zwar werden die Seniorenbeiräte in der NGO nicht erwähnt, dennoch hat<br />

sich dieses Gremium in Göttingen nach Einschätzung der Stadt etabliert.<br />

Der Seniorenbeirat ist ehrenamtlich und unabhängig tätig. Er ist vertreten<br />

in Gremien wie Bauausschuss, Jugendhilfeausschuss, Sozialausschuss,<br />

Kulturausschuss und dem Unterausschuss Grone. In den Ausschüssen<br />

haben die SeniorenvertreterInnen Antragsrecht. Auch im Unterausschuss<br />

“die Soziale Stadt in Grone“ arbeiten SeniorenvertreterInnen.<br />

Als zentrale Veranstaltung richtet die Stadt den “Tag der Göttinger Senioren“<br />

aus. Die Veranstaltung hatte in den vergangenen Jahren (1996,<br />

1999, 2001, 2004) drei Säulen:<br />

Informationsstände verschiedener Göttinger Organisationen, Vereine,<br />

Verbände, insbesondere aus dem Bereich der Wohlfahrtspflege. Zu den<br />

Themenbereichen der Veranstaltung gehörten unter anderem Beratung,<br />

Wohnen, Pflege, Freizeitgestaltung. Einem Unterhaltungsprogramm mit<br />

Café im Großen Saal folgte ein politisches Forum, moderiert vom Seniorenbeirat<br />

als politisches Vertretungsgremium der älteren Bevölkerung in<br />

Göttingen.<br />

Im Juli 2006 legte die Stadt Göttingen die dritte aktualisierte Auflage des<br />

Seniorenwegweisers vor. Wichtigste Kapitel: Beratung und Information,<br />

Pflege und Entlastung, Wohnen und Freizeit. Die Stadt Göttingen stellt<br />

darüber hinaus kostenlose Broschüren zu Themen wie Vorsorgevollmacht,<br />

Betreuungsrecht, Patientenverfügung, Erben und Vererben, Pflegeversicherung,<br />

Pflege zu Hause und Sozialhilfe und Grundsicherung zur Verfügung.<br />

Darüber hinaus existieren u. a, ein Wegweiser “Jugend, Gesundheit<br />

und Soziales in Stadt und Landkreis Göttingen“ und eine Broschüre des<br />

Göttinger Tageblatts unter dem Titel „Leben im Alter in Göttingen und in<br />

Südniedersachsen“.<br />

19 Gespräch mit der Sozialdezernentin Dr. Dagmar-Schlapeit-Beck am 23. Mai 2006<br />

38


Die Verwaltung moderiert eine Vielzahl von Netzwerken und begleitet sie.<br />

Eine wichtige Aufgabe sieht sie auch im Bereich Qualitätsentwicklung.<br />

Nach Schätzungen der Stadtverwaltung leben 55 Prozent der BürgerInnen<br />

allein. Viele davon sind nicht mehr berufstätig – nicht wenige leiden unter<br />

Vereinsamung. Das Interesse an Bürgerforen in Anlehnung an die Altenbegegnungsstätten<br />

werde in den letzten Jahren stärker. Um der Isolation<br />

der älteren Generation entgegenzuwirken, wurde im Stadtteil Grone mit<br />

Unterstützung des Landes ein Nachbarschaftszentrum/Mehrgenerationenhaus<br />

gebaut. Die Stadtverwaltung hat nach eigenen Angaben einen guten<br />

Überblick über die Angebote, die es für SeniorInnen im Stadtgebiet gibt.<br />

Außer einer Wohnberatungsstelle gibt es nach ihrer Darstellung kaum<br />

etwas, was die Stadt Göttingen nicht vorweisen kann.<br />

Auch mit planerischen Mitteln will die Stadt auf die demographische Entwicklung<br />

frühzeitig reagieren. Geschaffen werden sollten Wohnangebote<br />

für ältere Menschen, die über die bisherigen Angebote hinausgehen. So<br />

wird das Baugebiet “Dawe“ in Grone als generationsübergreifendes Baugebiet<br />

(Familien und ältere Menschen) mit besonderen Angeboten im Einzelhausbereich<br />

und in der Gestaltung der öffentlichen Flächen entwickelt.<br />

Damit wird deutlich, dass SeniorInnen ein besonderes “Marktsegment“<br />

für den Immobilienmarkt sind.<br />

Der Bereich der Göttinger Innenstadt bzw. der City-nahe Bereich soll mit<br />

seiner Vielzahl und Vielschichtigkeit an Angeboten als bevorzugter Wohnstandort<br />

für ältere Menschen ausgebaut werden. Bei Stadtumbauprogrammen<br />

und bei der Sanierung von Wohngebäuden will die Stadtverwaltung<br />

auf die Interessen dieser Bevölkerungsgruppe besonders achten. Dazu<br />

gehören Vielfalt und Lebendigkeit, aber auch maßgeschneiderte Angebote<br />

(z. B. Mehrgenerationenhaus in Grone). Teilhabe- und Beteiligungsangebote<br />

sollen deshalb gefördert werden.<br />

Entwickelt werden sollen auch abgestimmte Kultur, Sport- und Freizeitangebote<br />

mit entsprechender Erreichbarkeit durch den öffentlichen<br />

Personennahverkehr (ÖPNV). Ältere Menschen haben gesundheitliche<br />

Bedürfnisse, sowohl in der täglichen Verpflegung wie auch im medizinischen<br />

Bereich. Hierauf kann sich das Angebot der öffentlichen und privaten<br />

Dienstleistung einrichten. Ziel ist die Sicherung der Nahversorgung<br />

im fußläufig erreichbaren Wohnumfeld. Im Rahmen der städtebaulichen<br />

Planung (z. B. städtebauliches Leitbild) und bei der Planung der Stadtinfrastruktur<br />

wird der Gender-Aspekt (hier definiert auf Seniorinnen) besonders<br />

berücksichtigt. Ziel ist die Gestaltung eines Wohn- und Lebensumfelds,<br />

das die Bedürfnisse älterer Menschen im Blick hat.<br />

Die Parteien versuchen seit vielen Jahren, die staatliche und die kommunale<br />

Seniorenarbeit voranzubringen. Die großen Volksparteien und die FDP<br />

haben Arbeitsgemeinschaften gebildet, die die Interessen von SeniorInnen<br />

parteiintern und innerhalb der Gesellschaft vertreten.<br />

Die Senioren-Union der CDU ist tätig im Rahmen des CDU-Kreisverbandes<br />

Göttingen. Sie will im Sinne der Ziele der CDU an der politischen Meinungs-<br />

und Willensbildung mitwirken. Zentrales Anliegen ist die Förderung des<br />

39<br />

SeniorInnen in der<br />

Gesellschaft<br />

Interessenvertretung<br />

In Den<br />

parteIen


Miteinanders der Generationen. Deshalb befasst sich die Senioren-Union<br />

der CDU mit Themen wie Nachbarschaftshilfe, Ausbau von Mehrgenerationenhäusern,<br />

Förderung von Seniorenwohnungen und Einrichtung von<br />

Seniorenvertretungen. Erkenntnis: Noch nie seien die Älteren so gesund,<br />

so gut ausgebildet und so kompetent gewesen. Deshalb sei es durchaus<br />

sinnvoll, dass ein geeigneter 70-Jähriger im Rahmen der Ganztagsbetreuung<br />

Kindern bei den Schularbeiten hilft. 0<br />

Die SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus ist tätig auf der Ebene des Unterbezirks<br />

Göttingen. Ihr gehören alle SPD-Mitglieder ab dem 60. Lebensjahr an<br />

– das sind ca. 250.000 bundesweit. Die AG SPD 60plus ist eigenständig.<br />

Sie hat einen eigenen organisatorischen Aufbau und sie fasst Beschlüsse.<br />

60plus-Gliederungen gibt es auf allen Ebenen der SPD: im Ortsverein, im<br />

Unterbezirk bzw. Kreisverband, im Bezirk, auf Landesebene und schließlich<br />

auf Bundesebene. Die AG SPD 60plus hat das Antrags- und Rederecht für<br />

den Parteitag auf der jeweiligen Ebene.<br />

In Göttingen sind außerdem die GRAUEN als Interessenvertretung der<br />

über 60-Jährigen aktiv. Die Grauen treten dafür ein, dass die Interessenvertretung<br />

für SeniorInnen auf deren Konsuminteressen und -bedürfnisse<br />

ausgedehnt werden. Das gelte auch gegenüber den Herstellern von<br />

Produkten und Dienstleistungen. Die Grauen verstehen sich als Generationenpartei.<br />

Ihr Motto ist „Jung und Alt gemeinsam“. Die Partei hat deutlich<br />

weniger Mitglieder als die Senioren-Union oder die Arbeitsgemeinschaft<br />

SPD 60plus. Stark vertreten sind Frauen über 60.<br />

Seit dem 22. September 2001 verfügt auch die FDP über eine eigene<br />

Seniorenorganisation. Ziel der Arbeit des „Bundesverbands Liberale Senioren“<br />

ist es, durch Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse in Politik<br />

und Gesellschaft die Interessen älterer Menschen wahrzunehmen, den<br />

gesellschaftlichen Stellenwert der älteren Generation hervorzuheben sowie<br />

das Generationenverständnis zu fördern. Dies soll im Geiste liberaler<br />

europäischer Tradition durch die Zusammenarbeit sowie den Gedanken-<br />

und Erfahrungsaustausch mit anderen Seniorenvereinigungen erfolgen.<br />

Die Liberale Senioren, die in Göttingen über eine Vertretung verfügen,<br />

wollen dazu beitragen, dass Bürger für ehrenamtliche Tätigkeiten für die<br />

Beratung älterer Menschen gewonnen werden können. Außerdem fördern<br />

sie die Zusammenarbeit mit Jugendorganisationen zur Stärkung eines<br />

gegenseitigen Generationsverständnisses, die Planung und Durchführung<br />

von Veranstaltungen.<br />

Der Senioren-Schutz-Bund SSB „Graue Panther e. V.“ wurde 1975 gegründet.<br />

Seit 1996 sind die Vereine in den Städten und Gemeinden<br />

selbstständig und arbeiten in Eigenverantwortung. Sie sind Mitglied im<br />

Bundesdachverband und ihre Mitglieder können die Angebote des Generationenverbundes<br />

Graue Panther nutzen (z. B. Fortbildungen). Auch<br />

in Göttingen bestand bis 1996 eine Gruppe engagierter SeniorInnen, die<br />

2001 einen eigenständigen und förderungswürdigen Verein Senioren-<br />

Schutz-Bund Graue Panther Südniedersachsen (SSB) gegründet haben, die<br />

Anzahl der aktiven Mitglieder liegt bei 17. Der Verein soll dem Schutz alter<br />

20 http://www.seniorenunion.cdu.de/<br />

21 http://www.ag60plus.de/servlet/PB/menu/1107821/index.html<br />

40


und behinderter Menschen dienen (ab 60 Lebensjahre) und bezweckt die<br />

Durchsetzung einer individuellen Lebensgestaltung in Selbstbestimmung<br />

– insbesondere auch beim Betreuungsrecht. Dieses Ziel bezieht sich auf<br />

alle älteren BürgerInnen einschließlich der Bewohner von Altenheimen<br />

und Alteneinrichtungen sowie auf Langzeitpatienten. Dazu gehört die<br />

Durchsetzung, Ausgestaltung und Absicherung einer neuen Alterswürde<br />

in Gesundheit und Lebensqualität nach den neuesten Erkenntnissen der<br />

Geriatrie und einer besonderen Altenpflege im Bund der Generationen<br />

– bis zum würdigen Sterben. Der Verein setzt sich u. a. für nachfolgende<br />

Ziele ein: Einrichtung von Beratungsstätten gegen Hilflosigkeit und Verzweiflung,<br />

Einsatz für selbstbestimmte, familienähnliche und wohnliche<br />

Strukturen in Alten- und Pflegeheimen sowie Psychiatrie, Auflösung menschenunwürdiger<br />

Anstalten, Schutz vor Schufa-Willkür; Einrichtung und<br />

Führung von Begegnungsstätten Alt–Jung und Einsatz für neue Lebens-<br />

und Wohnformen (besonders im Generationenverbund).<br />

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO e.<br />

V.) tritt als Interessenvertretung der älteren Generationen vor allem dafür<br />

ein, dass jedem Menschen ein selbstbestimmtes Leben im Alter möglich<br />

ist und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.<br />

Alten Menschen soll ermöglicht werden, sich aktiv am gesellschaftlichen<br />

Leben zu beteiligen, und dies soll sich auch im öffentlichen Meinungsbild<br />

widerspiegeln. Unter dem Dach der BAGSO arbeiteten im Juli 2006 92<br />

Verbände, Organisationen und Initiativen der freien Altenarbeit zusammen.<br />

Über ihre Mitglieder vertritt die BAGSO nach eigenen Angaben<br />

mehr als zwölf Millionen ältere Menschen in Deutschland. Grundthese:<br />

Die vielschichtigen Interessen der älteren Generationen können von den<br />

einzelnen Mitgliedsorganisationen oft nur in spezifischen, sie betreffenden<br />

Teilgebieten aufgegriffen werden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft versteht<br />

sich daher als Forum verschiedener Ansätze der Arbeit mit älteren<br />

Menschen. Sie macht die gemeinsamen Anliegen in der Öffentlichkeit<br />

bekannt und vertritt sie gegenüber den politisch Verantwortlichen, um<br />

so in der Altenarbeit und Altenpolitik auf allen Ebenen beratend und verbessernd<br />

zu wirken.<br />

Im Abstand von jeweils drei Jahren richtet die BAGSO den Deutschen<br />

Seniorentag aus: Am 29. Mai 2006 fand der 8. Deutsche Seniorentag<br />

unter dem Motto „Alter als Chance“ in Bonn statt. Der Seniorentag 2003<br />

stand in Hannover unter dem Motto „Senioren – Aktiv in Europa“. Bereits<br />

im 14. Jahrgang erscheinen vierteljährlich BAGSO-Nachrichten, eine<br />

Fachzeitschrift für Aktive in Seniorenarbeit und Seniorenpolitik. Jede<br />

Ausgabe behandelt ein aktuelles Leitthema wie etwa „Wohn(t)räume“,<br />

„Hören und Sehen“, „Lernen mal anders“ oder „Internet macht‘s möglich“.<br />

Darüber hinaus gibt die BAGSO Faltblätter, Informationsbroschüren und<br />

Publikationen heraus.<br />

Die BAGSO hat Fachkommissionen und Arbeitsgruppen gegründet, die<br />

verbandsübergreifend zusammengesetzt sind, so dass jede Thematik von<br />

Vertreter/-innen aus den Organisationen behandelt wird, die in diesem<br />

Bereich ihren Arbeitsschwerpunkt haben. Die Ergebnisse dieser Arbeit<br />

werden für Positionspapiere und Rundschreiben genutzt.<br />

41<br />

SeniorInnen in der<br />

Gesellschaft<br />

bunDesarbeItsgemeInscHaft<br />

Der<br />

senIorenorganIsatIonen<br />

(bagso)


ÜberregIonale<br />

beIspIele<br />

Die Fachkommission “Pflege“ war bei Einführung und Umsetzung der<br />

Pflegeversicherung beratend tätig. Sie hat das BAGSO-Positionspapier<br />

„Qualität der Pflege in stationären Einrichtungen“ entworfen und die Initiative<br />

zur Entwicklung des BAGSO-Qualitätssiegels „Seniorengerechtes<br />

Leben und Wohnen“ ergriffen. Darüber hinaus hat sie Stellungnahmen<br />

zum Pflegekräftebedarf in der ambulanten und stationären Altenpflege,<br />

zur Einführung von Fallkostenpauschalen (DRGs), zur Zukunft der Pflegeversicherung<br />

und zum Vorschlag der Rürup-Kommission zur Reform der<br />

Pflegeversicherung erarbeitet. Fachgruppen sind zudem zu den Schwerpunkten<br />

Ehrenamt und Selbsthilfe tätig.<br />

Das Leistungsportfolio der meisten Kommunen in Deutschland umfasst<br />

auch die Seniorenarbeit. Umfang und Ausrichtung der Dienstleistungen<br />

für und mit SeniorInnen sind aber unterschiedlich.<br />

Besonders vielfältig ist die Seniorenarbeit in Braunschweig. Sie nimmt<br />

in Niedersachsen und darüber hinaus eine Vorreiterrolle ein. Ausdruck<br />

hierfür sind die Wiederaufnahme der Altenhilfeplanung im Jahr 2005, die<br />

Entwicklung eines Leitbildes “Braunschweig – lebenswert auch im Alter“<br />

sowie die umfangreichen Informationen auf der städtischen Homepage.<br />

Außerdem haben die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Braunschweig<br />

die Möglichkeit, sich per E-Mail einen Newsletter “Seniorenbüro aktuell“<br />

kostenfrei zuschicken zu lassen (im Einzelfall auch per Post).<br />

An der Überarbeitung der Altenhilfeplanung in Braunschweig wird deutlich,<br />

dass sich an den klassischen Zielen der Altenarbeit nichts Wesentliches<br />

ändert, sondern die Aufgabenfelder wie z. B. im Bereich der sozialen<br />

und kulturellen Angebote für ältere Menschen ausgebaut werden. Diese<br />

Maßnahmen können dazu beitragen, dass sich in der Gesellschaft ein<br />

verändertes Bild vom Alter niederschlägt und über die klassische Seniorenarbeit<br />

auch Akteure aus der Wirtschaft eingebunden werden. Am 20.<br />

Dezember 2005 hat der Rat der Stadt Braunschweig ein Leitbild verabschiedet.<br />

Zu den Adressaten gehören neben der Gesellschaft im Ganzen und<br />

der Gesetzgeber die Träger von Angeboten und Dienstleistungen, örtliche<br />

Akteure wie Wohnungsbaugenossenschaften, die Stadt als Anbieter und<br />

als Verantwortliche für Infrastruktur, Koordination und Planung.<br />

Die Arbeit des Seniorenbüros hat sich in den letzten Jahren verändert.<br />

Bedingt durch Mittelkürzungen und Personaleinsparungen führt das Seniorenbüro<br />

weniger die Veranstaltungen selber durch. Vielmehr sorgt es<br />

einerseits dafür, dass die bestehenden Projekte erhalten bleiben. Dazu<br />

gehört, dass ehrenamtlich tätige Menschen in ihrer Arbeit unterstützt<br />

werden, evtl. auftretende Kompetenzprobleme im jeweiligen Leitungsteam<br />

geklärt werden oder für engagierte Menschen Fortbildungen organisiert<br />

werden. Da es immer schwerer werde, die Menschen für ehrenamtliches<br />

Engagement zu motivieren, sei es wichtig, dass das Seniorenbüro eine<br />

begleitende Rolle in der Seniorenarbeit einnehme. Darüber hinaus hat<br />

es Initiativen und Ideen angeregt und ins Leben gerufen, so z. B. eine<br />

Fahrradlern-AG für ältere Mitbürger, die lange kein Fahrrad mehr gefahren<br />

22 http://www.braunschweig.de/senioren<br />

23 http://www.braunschweig.de/soziales_senioren/senioren/broschueren_14.html<br />

42


sind. In Zusammenarbeit mit der Polizei wurden Kurse und Stadtfahrten<br />

durchgeführt. Ein anderes Beispiel ist ein Seniorenkreis, der ehrenamtlich<br />

junge Existenzgründer berät und so die eigenen Erfahrungen weitergibt.<br />

Oftmals sei es schwierig und dauere Jahre, bis die Angebote etabliert<br />

seien. Das Seniorenbüro verfügt durch seine hauptamtlichen MitarbeiterInnen<br />

über den langen Atem, so dass aus Ideen auch langfristig laufende<br />

Projekte werden.<br />

Das Veranstaltungsprogramm für Seniorenbildung wird von der Arbeitsgemeinschaft<br />

der Seniorenbildungsträger herausgegeben. Mitglieder sind<br />

verschiedene Wohlfahrtsverbände, Senioreninitiativen, Sportvereine, Museen,<br />

Hochschulen und Institutionen der Erwachsenenbildung. Die Auflage<br />

liegt bei 6.000 Exemplaren. Durch das Veranstaltungsprogramm entsteht<br />

neben dem Seniorenwegweiser, der auch vom Seniorenbüro herausgebracht<br />

wird und vor allem Beratungsangebote für Ältere Menschen beinhaltet,<br />

ein vielgestaltiges Bild an Aktivitäten für und von SeniorInnen.<br />

Das Seniorenbüro der Stadt Braunschweig, in dem derzeit 14 Mitarbeiter<br />

und Mitarbeiterinnen arbeiten, gibt in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft<br />

der Senioren-Bildungsträger halbjährlich ein Veranstaltungsprogramm<br />

„Seniorenbildung auf einen Blick“ heraus. Auch diese Auflage<br />

liegt bei 6.000 Exemplaren. In Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft<br />

der Wohlfahrtsverbände veranstaltet das Seniorenbüro jährlich einen<br />

„Tag der Senioren“. Im Jahr 2006 fand die Veranstaltung am 21. Juli mit<br />

54 Marktständen in der Innenstadt statt. Gezeigt werden soll, dass SeniorInnen<br />

fest im gesellschaftlichen Leben eingebunden sind. Beteiligt<br />

waren 2006 die Verkehrswacht Braunschweig, Wohnungsgesellschaften,<br />

Wohnstifte und Altenheime, Seniorenorganisationen der Parteien und<br />

Reisebüros. Die Braunschweiger Zeitung veröffentlichte am 19. Juli 2006<br />

eine Senioren-Kontaktbörse.<br />

Im Sommer 2005 hat die aus fünf Ortsteilen mit 11.000 Einwohnern<br />

bestehende Gemeinde Schauenburg (Kreis Kassel) den Fachbereich<br />

Sozialwesen der Universität Kassel mit der Bearbeitung der Studie „Älter<br />

werden in Schauenburg“ beauftragt. In Schauenburg ist jeder Fünfte<br />

älter als 50 Jahre, jeder Vierte ist älter als 60 Jahre. Zehn Prozent der<br />

Einwohner sind über 80 Jahre. Die Gemeinde lässt erforschen, wie sie<br />

den demographischen Wandel aktiv gestalten kann. Neu ist der Ansatz,<br />

bereits Menschen ab 40 Jahre in die Planungen mit einzubeziehen. Die<br />

Gemeindeverwaltung hat festgestellt, dass insbesondere die Bevölkerung<br />

in den früheren Neubaugebieten stark altert. Außerdem ist das bestehende<br />

ÖPNV-Angebot in Gefahr. Der Fachbereich Sozialwesen hat im<br />

Spätsommer 460 Einwohner befragt und darüber hinaus Gesprächskreise<br />

in einigen Ortsteilen durchgeführt. Außer “vielen Fragezeichen“ ergaben<br />

die Interviews Visionen, die für die Wissenschaftler verblüffend waren: So<br />

bekundeten einige Einwohner Interesse an Alten-WGs – erstaunlicherweise<br />

gehören dazu auch alteingesessene Dorfbewohner. Aktuelle Zielsetzung<br />

ist, dass aus den Befragungen sowie aus den Gesprächskreisen konkrete<br />

Projekte entwickelt werden und die Moderation Schritt für Schritt an die<br />

Verantwortlichen der Gemeinden zurückgegeben wird.<br />

24 Überschrift: „Marathon nicht mehr. Aber ist das ein Grund auf der Couch zu versauern? Sie sucht<br />

lockeren Herrn ab siebzig mit Humor.“<br />

43<br />

SeniorInnen in der<br />

Gesellschaft


Der Regionalverbund K.E.R.N. e. V. vertritt die Städte Kiel, Eckernförde,<br />

Rendsburg, Neumünster sowie den Kreis Rendsburg-Eckernförde. Der<br />

Regionalverbund wurde – ebenso wie der <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen<br />

– Ende 2003 in einem bundesweiten Wettbewerb vom Bundesamt<br />

für Bauwesen und Raumordnung als eine Modellregion zur Bewältigung<br />

des demographischen Wandels ausgewählt. Im Rahmen des bis Ende<br />

2005 laufenden MoRo sollten Strategien und Projekte entwickelt werden,<br />

um die Region auf den bevorstehenden demographischen Wandel einzustellen<br />

und die Bedürfnisse einer zukünftig älteren Gesellschaft auch als<br />

wirtschaftliche Chance für die Region zu begreifen. Die Region will sich<br />

mit dem Leitbild „Lebensqualität ein Leben lang“ profilieren.<br />

Dabei geht es um eine ausgewogene Entwicklung für alle Altersgruppen.<br />

Wirtschaft und Infrastruktur lassen sich aus Sicht des Regionalverbunds<br />

nur dann umbauen, wenn für jüngere Menschen Arbeitsplätze und das<br />

Lebensumfeld attraktiv sind. Um die Wachstumschancen des demographischen<br />

Wandels zu nutzen, wurden gemeinsam mit Industrie, Handel,<br />

Handwerk, Dienstleistern und Kommunen Ideen entwickelt und Strategien<br />

erarbeitet. K.E.R.N. hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in<br />

der Verbände und Unternehmen aus Wohnungswirtschaft, Tourismus,<br />

Gesundheitswirtschaft, Verkehrsbetriebe, Regionalplanung sowie die<br />

Volkshochschule des Kreises Plön vertreten sind.<br />

44


5 InItIatIven für senIorInnen<br />

Zitate wie die Folgenden aus den Gesprächsrunden werfen Schlaglichter<br />

auf die unterschiedlichen Themen, die SeniorInnen beschäftigen. Auf kommunaler<br />

sowie auf Landes- und auf Bundesebene versuchen Regierungen<br />

und Parlamente, diese Themen für SeniorInnen aufzugreifen.<br />

„Wer pensioniert wird, verkriecht sich zu Hause. Die Vereinsamung ist ein<br />

riesiges Problem. Es ist schwierig, mit anderen in Kontakt zu kommen.<br />

In bestehende Zirkel kommt man kaum rein.“ (Rosdorf)<br />

„Wir werden zu alt, Altern ist eine Last. Ich bin zwar noch rüstig, brauche<br />

aber unbedingt Gesellschaft. Sich um Gesellschaft zu kümmern ist aber<br />

mühsam.“ (Göttingen)<br />

„In Mielenhausen haben wir 1975 unser Gemeinschaftshaus gekriegt.<br />

Wir haben damals vereinbart, dort nicht über Politik und Krankheiten<br />

zu reden. Es ist dann eine sehr schöne Gruppe zusammengewachsen,<br />

inzwischen sind aber viele von denen verstorben. Wir haben Alten-<br />

Nachmittage veranstaltet und es aber nicht geschafft, für die Gruppe<br />

Nachwuchs zu kriegen. Jetzt haben wir uns entschlossen, von Bürgerbegegnung<br />

anstatt von Altennachmittagen zu sprechen.“ (Hann.<br />

Münden)<br />

„Man sollte einen Austausch Jung und Alt organisieren. Einigen fehlt<br />

die Oma, die auf die Kinder aufpassen kann. Den Älteren fehlt die Hilfe<br />

beim Einkaufen oder bei Reparaturen in der Wohnung.“ (Göttingen)<br />

„Ich wohne mit meinem Mann in einer Doppelhaushälfte, dennoch<br />

habe ich wenig Kontakt zu meinen Nachbarn. Im Winter sieht man sich<br />

manchmal wochenlang gar nicht.“ (Rosdorf)<br />

„Ich brauche Gesellschaft. Die kriege ich aber nur mit viel Mühe. Häufig<br />

lade ich Leute ein, die laden mich aber nicht wieder ein.“ (Göttingen)<br />

Anfang Juli 2006 haben z. B. neun Bundestagsabgeordnete von CDU, SPD,<br />

FDP und den Grünen fraktionsübergreifend vorgeschlagen, die Generationengerechtigkeit<br />

als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. Damit soll<br />

verhindert werden, dass politische Entscheidungen gefällt werden, die<br />

den jungen oder noch nicht geborenen Generationen Handlungsspielräume<br />

verbauen. Die Schuldenaufnahme der öffentlichen Hand soll damit<br />

begrenzt werden. Da Lasten und Probleme gerecht verteilt werden sollen,<br />

sollen sich Rentnerinnen und Rentner durch Nullrunden an der Lösung<br />

von Finanzproblemen beteiligen. Im Gegenzug sollen für die Jungen die<br />

Beiträge steigen und die private Vorsorge an Bedeutung gewinnen.<br />

„Zukunftschancen durch Produkte und Dienstleistungen für mehr Lebensqualität<br />

im Alter“ – so lautet der Titel einer Projektinitiative, mit der das<br />

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Chancen<br />

und Potenziale des Alters betonen und zu einem modernen Altersbild beitragen<br />

will. Produkte, Güter und Dienstleistungen des täglichen Lebens<br />

sollen stärker auf die Bedürfnisse und Wünsche der älteren Menschen<br />

abgestimmt werden. Zugleich soll die Wirtschaft einen Schub erhalten,<br />

45


altenberIcHt unD<br />

stellungnaHme<br />

zum altenberIcHt<br />

denn in der älteren Generation steckt – auch ökonomisch – enormes<br />

Potenzial. Rund 300 Milliarden Euro jährlich beträgt das Konsumbudget<br />

der Menschen über 60 Jahre.<br />

Um die politischen und gesellschaftlichen Aktivitäten älterer Menschen<br />

zu beleuchten und zu fördern, hat das Bundesministerium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend den 5. Altenbericht der Bundesregierung<br />

unter das Thema “Potenziale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft<br />

– Der Beitrag älterer Menschen zum Zusammenhalt der Generationen” gestellt.<br />

Die interdisziplinär zusammengesetzte Kommission unter Leitung<br />

von Prof. Dr. Andreas Kruse hat den Altenbericht am 30. August 2005 der<br />

Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend übergeben.<br />

Schon während der Erarbeitungsphase haben die Sachverständigen den<br />

Dialog mit relevanten gesellschaftlichen Akteuren gesucht und an Veranstaltungen<br />

mit Seniorenorganisationen sowie mit Wirtschaft, Politik und<br />

Wissenschaft mitgewirkt. Es wurden gemeinsame Fachtagungen und<br />

Workshops zu zentralen Themen des Altenberichts durchgeführt; daneben<br />

gab es Konsultationen mit den Kirchen. Damit hat die Kommission bereits<br />

in der Erarbeitungsphase einen Beitrag zur Neubestimmung der Politik für<br />

ältere Menschen im gesellschaftlichen Diskurs geleistet.<br />

Die Handlungsempfehlungen der Kommission befassen sich mit den<br />

Schwerpunktthemen Erwerbsarbeit, Bildung, Einkommenslage im Alter,<br />

Chancen der <strong>Seniorenwirtschaft</strong>, Familie und private Netzwerke, Engagement<br />

und Teilhabe älterer Menschen und ältere MigrantInnen. Diskutiert<br />

wurden Fragen wie diese:<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

Was kann getan werden, um das in unserer Gesellschaft zurzeit vorherrschende,<br />

eher negativ akzentuierte Altersbild zu beeinflussen?<br />

Welche Stärken habe ältere Menschen und wie sind diese Stärken für<br />

neue soziale Rollen in einer sich wandelnden Gesellschaft nutzbar zu<br />

machen?<br />

Welche Rahmenbedingungen sind nötig, um die Bereitschaft zur Nutzung<br />

der Potenziale des Alters zu fördern?<br />

Was bedeutet die Alterung der Gesellschaft für Konsum, Produktion<br />

und Dienstleistungssektor?<br />

Welche Bildungsangebote für SeniorInnen müssen bereitgestellt werden<br />

"Lebenslanges Lernen" zu unterstützen?<br />

Wie gelingt eine bessere Integration älterer MigrantInnen?<br />

25 Den Auftakt von insgesamt fünf Veranstaltungen zu dieser Thematik bildete am 8. Februar 2006 der<br />

Workshop „Wohnen und <strong>Seniorenwirtschaft</strong>“ im Institut für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen. Am 19.<br />

Mai 2006 beschäftigte sich ein Workshop in Berlin mit dem Thema Handwerk. Es folgten im Juni 2006<br />

„Wellness-Tourismus“ und im August 2006 „Finanzdienstleistungen“, bevor eine große Abschlusstagung<br />

im Herbst 2006 die Ergebnisse zusammenfassen und vorstellen wird.<br />

26 http://www.bmfsfj.de/Kategorien/Publikationen/Publikationen,did=78114.html<br />

46


Das Bundeskabinett hat sich Anfang Juli 2006 auf eine Stellungnahme<br />

zu dem Bericht verständigt. Zentrale Aussage: Ältere Menschen sind<br />

ein Aktivposten in der Gesellschaft. Die Bundesregierung sieht sich<br />

bestätigt, den eingeleiteten Wechsel hin zu einem neuen Leitbild des<br />

Alters fortzuführen. „Das Bild des Alters hat sich in den vergangenen<br />

Jahrzehnten entscheidend gewandelt“, erklärte die Bundesministerin für<br />

Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ursula von der Leyen, anlässlich<br />

des Kabinettsbeschlusses. „Viele ältere Menschen sind körperlich und<br />

geistig fit. Sie verfügen über Fachwissen und jahrzehntelange berufliche<br />

Erfahrung. Und sie haben dank ihres Alters auch mehr Lebenserfahrung<br />

als die Jüngeren. Das sind Ressourcen, auf die wir nicht länger verzichten<br />

dürfen“, so von der Leyen.<br />

Die demographische Entwicklung in Deutschland bewirke, dass sich die<br />

Altersstruktur der Bevölkerung deutlich verändert. Sinkende Geburtenziffern<br />

und ein gleichzeitiges Älterwerden der Gesellschaft führten dazu, dass<br />

der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung weiter wachse.<br />

Diese Herausforderung werde derzeit vor allem unter ökonomischen<br />

Gesichtspunkten diskutiert. Dabei sei der Wandel der Altersstruktur auch<br />

eine Chance für die Gesellschaft, die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt.<br />

Die Bundesregierung, so die Ankündigung der Ministerin, werde ihre Anstrengungen<br />

verstärken, die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer<br />

deutlich zu verbessern. Diese Bemühungen seien im Kontext mit dem<br />

Beschluss der Bundesregierung zu sehen, das Renteneintrittsalter auf 67<br />

Jahre zu erhöhen. An diesem Beschluss halte die Bundesregierung fest.<br />

Die Altenberichtskommission vertrete in dieser Frage keine einheitliche<br />

Position: Ein Teil der Mitglieder spricht sich dagegen aus, ein anderer<br />

unterstützt die Haltung der Bundesregierung.<br />

„Wir werden verdeutlichen, dass Kompetenz, Kreativität und persönliche<br />

Weiterentwicklung nicht mit dem Eintritt in das höhere Lebensalter enden“,<br />

so von der Leyen. Diese Überzeugung zu vermitteln geht nicht ohne die<br />

aktive Beteiligung der älteren Menschen. Ihre Einbeziehung werde maßgeblich<br />

dazu beitragen, ein positives Leitbild des Alters in das Bewusstsein<br />

der Öffentlichkeit zu rufen. Hier setze die Idee der Mehrgenerationenhäuser<br />

an. Sie seien eine Antwort darauf, die Potenziale des Alters zu nutzen,<br />

denn sie böten Älteren oder Menschen, deren Angehörige weit entfernt<br />

wohnen, Möglichkeiten, Netzwerke zur Alltagsbewältigung zu knüpfen<br />

und soziale Beziehungen aufzubauen.<br />

Inzwischen haben sich mehrere Bundesländer, Kommunen und auch Industrie-<br />

und Handelskammern für den Auf- und Ausbau der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

engagiert. Das Land Nordrhein-Westfalen unterhält beim Institut Arbeit<br />

und Technik in Gelsenkirchen eine eigene Geschäftsstelle <strong>Seniorenwirtschaft</strong>.<br />

Die Landesregierung will Impulse geben zu einer Schließung der<br />

Lücken zwischen Angebot und Nachfrage. Das erfolgt in Bereichen wie<br />

Freizeitgestaltung, Wohnen, haushaltsnahe Dienstleistungen, Tourismus,<br />

neuen Medien, Telekommunikation, im Handel und bei den Finanzdienstleistungen.<br />

Die Geschäftsstelle veranstaltete 2005 eine erste europäische<br />

Konferenz zur <strong>Seniorenwirtschaft</strong>.<br />

47<br />

Initiativen für SeniorInnen<br />

lanDesInItIatIve<br />

senIorenwIrtscHaft<br />

In nrw


lanDesInItIatIve<br />

senIorenwIrtscHaft<br />

nIeDersacHsen<br />

Der zuständige Landesminister Armin Laschet, Minister für Generationen,<br />

Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen hat im<br />

November 2005 auf der Messe vitactiv in Essen den „Innovationspreis<br />

2005 – Technik und Dienstleistungen für das Alter“ verliehen, mit dem<br />

Sonderpreis „Wohnen und personenbezogene Dienstleistungen“. Mit ihm<br />

wurde einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt, welche neuen Produkte<br />

und Dienstleistungen es für ältere Menschen gibt. Prämiert wurden z. B.<br />

neu gestaltete Leselupen, eine praktische Einkaufs- und Handtasche oder<br />

ein elektrisch oder mechanisch verstellbares Toilettensystem.<br />

Die vitactiv ist der größte Markt für Engagement und Ehrenamt älterer<br />

Menschen in NRW. Seniortrainerinnen und Senior-Experten, Leih-Großeltern,<br />

Aktive aus Sportvereinen und Kirchengemeinden, SeniorenOnline,<br />

Nachbarschaftshilfe, Senioren-Beiräte, Politikerinnen und Politiker, Zeitungsmacher<br />

und Fotografinnen, Bastler und Tüftlerinnen, Schauspieler<br />

und Kindergarten-Vorleserinnen und Geschichtenerzähler, geben Einblicke<br />

in die Vielfalt des gesellschaftlichen Engagements Älterer.<br />

Die Angebote sollten Lust auf Bewegung vermitteln. Die Aussteller stellten<br />

gesundheitsorientierte Informationen dar, also Tipps für wohnortnahe<br />

Bewegungsangebote und aktivierende Mit-Mach-Aktionen. Auf der vitactiv<br />

gab es Oasen mit Anregungen für Entspannung und Gesundheitsförderung<br />

im Alltag: Stressabbau durch Atemtraining zum Beispiel, rückenfreundliche<br />

Massage, die harmonisierende Klangliege, den naturnahen Bauerngarten,<br />

die praktischen Tipps und Produkte für bekömmliche Ernährung und erholsamen<br />

Schlaf. Bei Gesundheits-Selbsthilfegruppen haben chronisch<br />

Erkrankte und ihre Angehörigen Verständnis gefunden, Rat und eine<br />

Kontaktadresse für zu Hause.<br />

Die Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, Mechthild<br />

Ross-Luttmann, hat im Mai 2006 die Leitlinien der neuen Seniorenpolitik<br />

für Niedersachsen vorgestellt. Erreicht werden soll ein breiter Dialog<br />

über die Herausforderungen, vor allem aber auch über die Chancen der<br />

Gesellschaft des langen Lebens. Hintergrund ist der Wandel in der seniorenpolitischen<br />

Diskussion: Das neue Bild vom Alter nimmt Abschied<br />

von einseitigen Sichtweisen wie “Altenlast”, “Rentenlast”, “Pflegelast”.<br />

Gebraucht wird nach Einschätzung des Landes ein Bild vom Alter, das<br />

die Vielfältigkeit dieser Generation umfasse und deutlich mache, dass die<br />

längere Lebenszeit zunächst einmal ein großartiger Gewinn ist – für jede<br />

und jeden Einzelnen ebenso wie für die Gesellschaft insgesamt.<br />

Das Land will deutlich machen, dass der demographische Wandel keine<br />

Katastrophe ist. Vielmehr sollen die darin liegenden Chancen erkannt<br />

und aufgegriffen werden. Zwar ist das Alter häufig mit Einschränkungen<br />

verbunden, doch war keine Altengeneration jemals zuvor so gesund und<br />

so gut ausgebildet wie die heutige. Keine Generation verfügte über ein<br />

so großes Spektrum an Kompetenzen und Interessen und war so gut finanziell<br />

abgesichert. Und nicht zuletzt: Keine Altengeneration zuvor hatte<br />

eine positivere Einstellung zum eigenen Alter.<br />

48


Handlungsbedarf besteht nach Einschätzung des Ministeriums im Hinblick<br />

auf besondere Zielgruppen wie ältere Menschen mit Behinderungen,<br />

ausländischer Herkunft und Hochbetagte. Auch in Zeiten knapper Kassen<br />

gelte es, Impulse für eine neue Seniorenpolitik zu setzen und den großen<br />

Erfahrungsschatz älterer Menschen besser für die gesamte Gesellschaft<br />

zu nutzen.<br />

Am 24. Mai 2006 richtete das Ministerium eine Veranstaltung „Altern<br />

als Chance“ aus. Die Ankündigung ist offensichtlich nicht in allen Gemeinden<br />

des Landkreises Göttingen angekommen. Lediglich Bovenden,<br />

Gieboldehausen, Friedland, Hann. Münden und Staufenberg haben von<br />

diesem Termin erfahren. Die dort vorgestellten „Leitlinien für eine moderne<br />

Seniorenpolitik in Niedersachsen“ wurden bis Juli 2006 in den Gemeindeverwaltungen<br />

und Gremien nicht nennenswert diskutiert. Lediglich die<br />

Gleichstellungsbeauftragte des Fleckens Adelebsen hat sich nach eigenen<br />

Aussagen mit den Leitlinien inhaltlich beschäftigt.<br />

Die am 30. Mai 2006 in Wolfsburg gegründete „Landesinitiative für seniorengerechte<br />

Produkte und Dienstleistungen“ zielt darauf ab, die Chancen<br />

der demographischen Entwicklung für die Wirtschaft, Gesellschaft und<br />

Politik zu untersuchen sowie die Realisierung der Umsatz- und Beschäftigungspotenziale<br />

zu fördern. Vermittelt werden soll ein differenziertes Bild<br />

des Alterns und Alters in der Gesellschaft. Die Initiative, für die zum 1.<br />

September 2006 bei der Wolfsburg AG eine mit Landesmitteln finanzierte<br />

Geschäftsstelle eingerichtet wurde, will dazu beitragen, dass Menschen<br />

über 50 mit ihren Erwartungen, Bedürfnissen und Wünschen ausreichend<br />

Beachtung finden. Berücksichtigt werden sollen die unterschiedlichen sozialen<br />

und regionalen Bedingungen und Bedürfnisse dieser Zielgruppen.<br />

Verbessert werden sollen Kommunikation, Wissenstransfer und die Vernetzung<br />

der Akteure untereinander. Die Landesinitiative will die Stärken,<br />

Angebote, Produkte und Initiativen unter Berücksichtigung des demographischen<br />

Wandels identifizieren und daraus strategische Vorschläge entwickeln.<br />

Neue Themen sollen identifiziert, anwendungsorientierte Projekte<br />

mit verschiedenen Partnern entwickelt, organisiert und begleitet werden.<br />

Zunächst will die Initiative einen Dialog mit dem Innovationsnetzwerk Niedersachsen<br />

führen, um zum einen die für die Landesinitiative relevanten<br />

Innovationsprozesse in die Netzwerkknoten einfließen zu lassen und zum<br />

anderen Impulse für die Innovationsförderung zu geben.<br />

Die Initiative beabsichtigt, Studien in Auftrag zu geben. Sie will Marktanalysen<br />

durchführen, Trends identifizieren und Potenziale ausloten. Die<br />

Ergebnisse werden durch Newsletter, Tagungen und Seminare verbreitet.<br />

Geplant ist ein Workshop zu neuen Wohnformen, der am 29. November<br />

2006 in Celle stattfinden soll. Mobilität für SeniorInnen ist das erste Thema,<br />

das Anfang 2007 in Wolfsburg behandelt werden soll.<br />

Einen Schwerpunkt wird die Landesinitiative auf die Zukunftsbereiche mit<br />

hohem Beschäftigungspotenzial legen. Nach Angaben des Ministeriums<br />

besteht Interesse daran, die mit dem <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen<br />

begonnene Kooperation zu vertiefen und zu verstetigen. Die Entwicklung<br />

27 Gespräch am 5. Juli 2006 in Hannover<br />

49<br />

Initiativen für SeniorInnen


förDerung Des<br />

eHrenamtes In<br />

nIeDersacHsen<br />

neuer angepasster Freizeitangebote soll Niedersachsen als Region mit<br />

hoher Lebensqualität für ältere Menschen noch attraktiver machen. Die<br />

bisherigen Kompetenzen und Aktivitäten sollen besser vernetzt werden.<br />

Dabei können Dienstleistungen entwickelt werden, die für alle Regionen<br />

nutzbar sind. Die Landesinitiative setzt sich für ein zielgruppenorientiertes<br />

Marketing ein. Sie strebt Zielvereinbarungen z. B. mit Sparkassen und<br />

Kooperationen mit Verantwortlichen aus den Bereichen Tourismus und<br />

Gesundheitswirtschaft an. Die nationale und internationale Positionierung<br />

und Profilierung Niedersachsens zum Thema generationengerechte<br />

Produkte soll unterstützt werden. Der Beitritt des Landes Niedersachsen<br />

in das Netzwerk europäischer <strong>Seniorenwirtschaft</strong> SEN@ER soll hierzu<br />

Möglichkeiten bieten. In Gang gesetzt werden soll ein sich selbst verstärkender<br />

nachhaltiger Prozess.<br />

Die Landesinitiative soll als kooperatives Netzwerk in Form eines runden<br />

Tisches sowie als Koordinierungskreis der strategischen Ausrichtung<br />

mit einer kleinen operativen Geschäftsstelle arbeiten. Teilnehmer sind<br />

Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung, Politik, SeniorInnen<br />

und Interessenverbänden. Zu einzelnen Gestaltungsfeldern können sich<br />

eigenständige Netzwerkknoten bilden, die projektbezogen und branchenübergreifend<br />

arbeiten. Die Organisation und Arbeit der Knoten werden<br />

vorhandene Ressourcen und Kompetenzen nutzen.<br />

Die Landesvereinigung für Gesundheit Niedersachsen e. V. (Hannover)<br />

bearbeitet die vom Land geförderten Projekte “Niedersächsische Landesagentur<br />

Generationendialog“ und „Informationsbüro für niedrigschwellige<br />

Betreuungsangebote“. Darüber hinaus koordiniert die Landesvereinigung<br />

den landesweiten Arbeitskreis „Alter(n) und Gesundheit“, der viermal im<br />

Jahr in Hannover tagt. Die Förderlandschaft im Seniorenbereich bezeichnet<br />

die Landesvereinigung als „leider sehr unübersichtlich“, es fehle eine<br />

Bündelung bestehender Programme. Eine Bestandsaufnahme wäre aus<br />

Sicht der Landesvereinigung spannend, aber auch zeitaufwendig.<br />

Das ehrenamtliche Engagement in Vereinen, Verbänden und sozialen Netzwerken<br />

hat in Deutschland lange Tradition und große Bedeutung. Insgesamt<br />

engagieren sich mehr als zwei Drittel der Bundesbürger regelmäßig<br />

ehrenamtlich. In Deutschland gab es 2005 rund 594.000 Vereine. Jedes<br />

Jahr werden 15.000 Vereine neu eingetragen. Pro 100.000 Einwohner gab<br />

es 1960 160 Vereine, heute sind es bereits 725. In der Stadt Göttingen sind<br />

rund 1.000 Vereine registriert, im übrigen Landkreis weitere 700.<br />

Das Statistische Bundesamt hat in einer Zeitverwendungserhebung für<br />

2001 ein Jahresvolumen von insgesamt 96 Mrd. Stunden unbezahlter<br />

Arbeit (Haus- und Gartenarbeit, handwerkliche Tätigkeiten, Einkaufen,<br />

Haushaltsplanung, Pflege und Betreuung, Ehrenamt/Hilfen) ermittelt. Von<br />

28 Ehrenamt bezeichnet ein (öffentliches) unbezahltes Amt wie ein traditionelles Ehrenamt (wie ein<br />

Schöffe). In anderen Sprachen fehlt der Begriff mit gleicher Bedeutung. Ehrenamtliches Handeln meint<br />

ein freiwilliges, deshalb auch Freiwilligenarbeit oder bürgerschaftliches Engagement oder zivilgesellschaftliches<br />

Engagement. Im englischen Sprachraum heißt es durchgehend Volunteering, was den<br />

freiwilligen Charakter betont.<br />

50


diesem unbezahlten Arbeitsvolumen erbringen Menschen im Alter über 65<br />

Jahre 24 Prozent. Erst ab einem Alter von ca. 75 Jahren ist ein deutliches<br />

Absinken des freiwilligen Engagements erkennbar.<br />

Als Aktivposten der Gesellschaft nutzen viele Ältere Menschen ihre Fähigkeiten<br />

und geben das, was sie in ihrem Lebensverlauf gewonnen haben,<br />

an die nachfolgenden Generationen weiter. SeniorInnen initiieren und<br />

beteiligen sich an Projekten im Gemeinwesen. Sie bringen sich mit ihrem<br />

Erfahrungswissen ein und verknüpfen so das Engagement für andere mit<br />

einem persönlichen Gewinn.<br />

Die Freiwilligenakademie Niedersachsen (fan) organisiert das Qualifizierungsprogramm<br />

ELFEN im Auftrag der Landesregierung. Sie möchte<br />

erfahrene Menschen gewinnen, die Projekte fördern, Einzelpersonen,<br />

Initiativen und Vereine beraten, Kommunen in der Engagementförderung<br />

unterstützen sowie bei der Suche nach Finanzmitteln helfen. Durch<br />

Fortbildungskurse vorbereitet, sollen sie mit lokalen Anlaufstellen der<br />

Freiwilligenarbeit und Kommunen aktiv werden. Ziel der Qualifizierung ist<br />

es, die Teilnehmenden zu eigenständig arbeitenden Engagement-Lotsen<br />

weiterzubilden. 0 Als ein Beispiel können die Projekte Wunschgroßelternvermittlung<br />

in Braunschweig und Hardegsen gesehen werden. Hier<br />

werden mit dem Ziel der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />

Wunschgroßeltern für Kinder, deren Eltern berufstätig sind, vermittelt.<br />

Ehrenamtliche Arbeit ist unverzichtbar und stellt den sozialen Kitt der<br />

Gesellschaft dar.<br />

Angebote im Ehrenamt können auch als Indikatoren für Nachfragepotenziale<br />

Älterer gewertet werden. Für die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> entscheidend<br />

ist die Frage, ob aus gut funktionierenden Angeboten im Ehrenamt auch<br />

tragende Geschäftsideen, z. B. für Existenzgründungen, werden können.<br />

Am Beispiel der so genannten Gesellschaftsdamen zeigt sich die Problematik<br />

besonders gut: Meist sind es SeniorInnen, die sich ehrenamtlich<br />

als GesprächspartnerInnen für ältere Menschen zur Verfügung stellen,<br />

um die Einsamkeit älterer Menschen zu mildern. Im Jahr 2004 machte<br />

sich eine Göttingerin selbstständig und begann als Gesellschaftsdame zu<br />

arbeiten. Nach ihren Erfahrungen gibt es für diese Dienstleistung durchaus<br />

eine Nachfrage. Es gebe vereinsamte Damen, die nicht nur über ausreichend<br />

finanzielle Ressourcen verfügen, sondern auch bereit seien, diese<br />

Dienstleistung zu entlohnen. Nach Aussage der Wolfsburg AG gibt es<br />

für die Etablierung von Gesellschaftsdamen bundesweit eine Reihe von<br />

Initiativen. Mehrfach wurde der Versuch unternommen, die Arbeit zu professionalisieren,<br />

meist mit wenig Erfolg. Sobald die Betreuungsleistung<br />

aber in Rechnung gestellt werde, sinke die Nachfrage.<br />

29 Freiwilligenakademie Niedersachsen, Trygve Heinrichson, Projektleiter, c/o Freiwilligenzentrum<br />

Hannover, Im üstra ServiceCenter City, Karmarschstr. 30–32, 30159 Hannover, Tel. 0511 300344-6, info@<br />

freiwilligenakademie.de, http://www.freiwilligenakademie.de<br />

30 http://www.freiwilligenakademie.de/ELFEN-Curriculum_kurz_Mai.pdf, 31. August 2006<br />

31 http://www.muetterzentrum-braunschweig.de/register_frame.html<br />

32 Cassing, Gerhard (2005): “Generationen-Netzwerk Südniedersachsen. Modellplanung zur generationsübergreifenden<br />

Infrastrukturentwicklung“, S. 120<br />

33 Selbst ein Betrag von zehn Euro pro Betreuungsstunde zuzüglich fünf Euro Anfahrtskosten führte<br />

häufig dazu, dass die Nachfrage einbrach. Nach Beobachtung der Wolfsburg AG waren es häufig die<br />

Älteren selbst, die nicht bereit waren, diese Dienstleistung zu honorieren. Noch häufiger aber waren es<br />

Angehörige, die diesen professionalisierten Ansatz im Keim erstickten.<br />

51<br />

Initiativen für SeniorInnen


exkurs:<br />

meHrgeneratIonen-<br />

Häuser<br />

Dieses Beispiel zeigt, dass es zwischen ehrenamtlicher und bezahlter<br />

Arbeit ein Spannungsverhältnis gibt. Potenziell besteht immer die Gefahr,<br />

dass ehrenamtliche Arbeit bezahlte Arbeit verdrängt. Das gilt insbesondere<br />

auch deshalb, weil ehrenamtliche Arbeit häufig kompetent und professionell<br />

geleistet wird. Aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive können sich<br />

allerdings beide Sektoren gut ergänzen, um die Anpassungsfähigkeit an<br />

den demographischen Wandel zu verbessern.<br />

In der Regel wird ehrenamtliche Arbeit nur von denjenigen geleistet, die<br />

über ein Einkommen verfügen – aus Vermögen oder aus der Berufstätigkeit<br />

des Ehepartners. Wer keine bezahlte Arbeit findet, ist in der Regel nicht<br />

bereit, ehrenamtliche Arbeit zu leisten. Ehrenamtliche Arbeit ist somit<br />

beschäftigungspolitisch weitgehend neutral.<br />

Wenn aber durch die ehrenamtliche Arbeit die Anpassungsfähigkeit des<br />

Standortes verbessert und er somit gestärkt wird, kann ehrenamtliche<br />

Arbeit einen Beitrag zur Sicherung der Bevölkerungszahlen und somit<br />

ein Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten. Mittelbar kann sie damit<br />

auch zur Beschäftigungssicherung bzw. zum Beschäftigungsausbau<br />

beitragen.<br />

„Dialog kann nicht gelingen, wenn sich die Altersgruppe in verschiedenen<br />

Häusern treffen. Deswegen sollten wir mal intensiver über<br />

Mehr-Generationen-Häuser nachdenken.“ (Hann. Münden)<br />

„Dass die Kontakte untereinander nicht immer so gut sind, wissen wir.<br />

Das soll u. a. durch Mehrgenerationenhäuser aufgebrochen werden.“<br />

(Rosdorf)<br />

„Ich habe früher im ASC für Senioren gearbeitet. Bei mir in der Gegend<br />

sterben die Männer alle weg. Ich lade oft Frauen zum Kaffeetrinken ein,<br />

die Leute wollen miteinander reden. Es müsste mehr Möglichkeiten<br />

zur persönlichen Begegnung geben.“ (Rosdorf)<br />

„Das Treffen mit anderen ist wichtig, um das Alleinsein zu unterbrechen.<br />

Frage mich, wie kann man das Alleinsein älterer Menschen<br />

unterbinden?” (Göttingen)<br />

Die Landesregierung startete 2003 das Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser.<br />

Zielsetzung der Mehrgenerationenhäuser ist es, die Begegnung<br />

und Kommunikation der Generationen fördern. Diese Einrichtungen sind<br />

offene Tagestreffpunkte für Jung und Alt, in denen vielfältige Aktivitäten<br />

und Serviceangebote möglich sind. Es handelt sich dabei aber nicht um<br />

Wohnprojekte. Der Bund hat dieses Programm 2006 übernommen und bis<br />

2010 sollen in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt Mehrgenerationenhäuser<br />

entstehen, die jährlich mit 40.000 Euro aus Bundesmitteln für<br />

52


einen Zeitraum von maximal fünf Jahren gefördert werden. Die Bundesregierung<br />

will dadurch die Begegnung, Kommunikation und Zusammenhalt<br />

der Generationen untereinander mit Mehrgenerationenhäusern als<br />

Familien unterstützende Zentren fördern. Mehrgenerationenhäuser sollen<br />

bürgerschaftliches Engagement erschließen, Zusammenhalt erfahrbar<br />

machen und Alltagskompetenzen und Erziehungswissen weitergeben.<br />

Der wechselseitige Austausch von Wissen und Erfahrung soll u. a. junge<br />

Eltern in ihrer Erziehungskompetenz stärken und älteren Menschen die<br />

Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtern.<br />

34 Entwurf einer Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Sachverständigenkommission<br />

für den 5. Altenbericht, S. 27<br />

53<br />

Initiativen für SeniorInnen


egrIffsbestImmung<br />

6 senIorenWIrtschaft<br />

Idee und Konzept einer eigenständigen “<strong>Seniorenwirtschaft</strong>“ sind in der<br />

Bundesrepublik noch jung. Zwar hat es bereits in den 70er-Jahren des<br />

vergangenen Jahrhunderts erste zaghafte Versuche gegeben, den bereits<br />

damals so benannten “Seniorenmarkt“ systematisch in den Blick zu nehmen<br />

und auch wissenschaftlich zu erkunden. Die Bemühungen blieben<br />

jedoch zum einen wegen des zu geringen Interesses der Wirtschaft und<br />

zum anderen wegen fehlender ökonomischer Potenziale der Älteren zu<br />

dieser Zeit de facto erfolglos (Altenbericht, S. 234). Seit Beginn der 80er-<br />

Jahre lässt sich eine langsame Entdeckung des „Seniorenmarktes“ erkennen,<br />

was sich u. a. am Beispiel der kommerziellen Werbung verdeutlichen<br />

lässt: Waren in den 70er- und frühen 80er-Jahren ältere Menschen vor<br />

allem Objekt der pharmazeutisch ausgerichteten Werbebotschaften, so<br />

hat sich seither das Bild zunehmend gewandelt. Heute findet man ältere<br />

Menschen als Werbeträger für zahlreiche Konsumgüter und Dienstleistungsangebote.<br />

Für die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Stadt und Landkreis Göttingen<br />

werden hiermit folgende Oberziele definiert:<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

Verbesserung der gesellschaftlichen Anerkennung von SeniorInnen,<br />

Erhalt der Selbstständigkeit bis ins hohe Alter,<br />

Impulse für die Regionalentwicklung,<br />

Beschäftigungsförderung für die Gruppe 50plus.<br />

Mit <strong>Seniorenwirtschaft</strong> ist der Teil der Wirtschaft gemeint, der sich systematisch<br />

mit den Bedürfnissen und Konsumwünschen älterer Menschen<br />

beschäftigt und neue und/oder angepasste Produkte und Dienstleistungen<br />

anbietet. Hauptbranchen sind Bildung/Freizeit/Tourismus, Ernährungswirtschaft,<br />

Wohnen/Dienstleistungswirtschaft, Transport, Handwerk sowie<br />

Medizin/Gesundheit/Pflege. Ebenso wie in anderen Regionen sind in Stadt<br />

und Landkreis Göttingen Idee und Konzept einer eigenständigen <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

noch relativ jung. Auf europäischer Ebene macht sich das SEN@<br />

ER – <strong>Seniorenwirtschaft</strong> Netzwerk Europäischer Regionen dafür stark, im<br />

demographischen Wandel eine wirtschaftliche Chance zu sehen.<br />

Im Jahre 2003 betrugen die Ausgaben der Haushalte von Menschen über<br />

60 Jahre 308 Milliarden Euro, das ist fast ein Drittel der Gesamtausgaben<br />

für den privaten Verbrauch in Höhe von 987 Milliarden Euro. Die SeniorInnen<br />

haben also als Konsumentengruppe eine enorme Bedeutung.<br />

Obwohl sich die Marktforschung schon lange mit der demographischen<br />

Alterung befasst, gibt es nur wenige greifbare Praxiskonzepte. Das traditionelle<br />

Seniorenbild wandelt sich zum aktiven und genussorientierten<br />

Senior, der über hohe Zeit- und Kaufkraftressourcen verfügt. Studien ergaben,<br />

dass die älteren Konsumenten dabei vor allem auf intensive und<br />

privilegierte Kundenbeziehungen sowie auf Service und Qualität setzen.<br />

Gleichzeitig sind Senioren firmen- und markentreue Kunden. Befragungen<br />

renommierter Institute zeigen, dass Senioren vor allem Klarheit in der<br />

35 Sprich: sien’äter<br />

54


Kommunikation erwarten. Derzeit empfindet sich diese Zielgruppe als zu<br />

wenig “beworben“, da Werbemaßnahmen zu stark auf junge Zielgruppen<br />

fokussieren.<br />

Gerade für Ältere gibt es jedoch noch immer Hindernisse im Umgang mit<br />

Produkten. Hersteller sind sich oftmals der spezifischen Interessen und<br />

Anliegen der älteren Generation nicht ausreichend bewusst. Die Bemühungen<br />

der Wirtschaft, den wachsenden, in wenigen Jahrzehnten riesigen<br />

Markt zu bearbeiten, sind bislang bestenfalls in Ansätzen auszumachen.<br />

Wenn aber Industrie, Handel und Dienstleister nicht lernen, stärker auf<br />

die Wünsche und Bedürfnisse der älteren Menschen einzugehen, werden<br />

sie auf einem wichtigen Markt das Nachsehen haben.<br />

Dabei geht es gar nicht mal nur um die ältere Generation. Auch Jüngere<br />

ärgern sich häufig über schwierig zu öffnende Verpackungen, schlecht<br />

lesbare Hinweise, unverständliche Bedienungsanleitungen. Unter dem<br />

Stichwort <strong>Seniorenwirtschaft</strong> eröffnen sich große Marktchancen, mit intelligenten<br />

Produkten und Dienstleistungen eine generationenübergreifende<br />

Kundschaft zu gewinnen.<br />

Auch im aktuellen Altenbericht für die Bundesregierung wird die <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

als Impulsgeber für Wachstum und Beschäftigung verstanden.<br />

Untersuchungen, beispielsweise die Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse<br />

(AWA) des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) oder<br />

der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zeigen, dass es sich bei der<br />

älteren Generation ab 70 um eine interessante Zielgruppe handelt, die<br />

im Vergleich zu früheren Generationen ökonomisch interessanter, aktiver<br />

und meist länger gesund, aber auch sehr heterogen ist. Japan und auch<br />

die USA gelten als Länder, in denen die Einstellung der Wirtschaft auf<br />

die älter werdende Kundschaft mit am weitesten fortgeschritten ist. Ein<br />

funktionierender und ausreichender Seniorenmarkt ist eine Voraussetzung<br />

dafür, dass es zu einem „aktiven Altern“ im Sinne des Paradigmas der<br />

Weltgesundheitsorganisation von 2002 kommen kann.<br />

Unter dem Begriff <strong>Seniorenwirtschaft</strong> werden also spezifische Handlungsansätze<br />

konkretisiert und in Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten<br />

Partnern so umgesetzt, dass das Angebot an altenorientierten und altengerechten<br />

Produkten und Dienstleistungen nachhaltig verbessert wird. Zentrales<br />

Anliegen der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> ist es, die Lebenssituation älterer<br />

BürgerInnen nachhaltig zu verbessern, den Stellenwert der SeniorInnen<br />

ab 70 Jahren als souveräne und qualitativ wie quantitativ bedeutsame gesellschaftliche<br />

Gruppe der Volkswirtschaft darzustellen und zu verbreiten<br />

sowie Unternehmen und andere Einrichtungen zu einer Ausweitung ihres<br />

Produkt- und Dienstleistungsangebotes für ältere Menschen anzuregen.<br />

Im Rahmen des Projektes “50plus – Erfahrung zählt!“ macht die Regionalanalyse<br />

detaillierte Aussagen zur Kaufkraft der BewohnerInnen von Stadt<br />

und Landkreis Göttingen. Sie differenziert dabei auch nach Altersstufen.<br />

Das Durchschnittseinkommen aller Steuerpflichtigen des Untersuchungsraumes<br />

liegt im statistischen Mittel des Landes. Landesweit betrug das<br />

Bruttodurchschnittseinkommen der Steuerpflichtigen im Jahr 2001 knapp<br />

36 DSSW-Studie, S. 4<br />

55<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

kaufkraft von<br />

senIoren


Abbildung 11: Einkommensver-<br />

teilung der über 50-jährigen im<br />

Landkreis Göttingen<br />

Quelle: eigene Berechnung auf<br />

Basis von Daten des NLS und<br />

GEROSTAT<br />

32.300 Euro im Jahr. Dabei reicht die Spanne der Durchschnittseinkommen<br />

zwischen den einzelnen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten von<br />

rund 20.400 bis 62.500 Euro. Das Durchschnittseinkommen im Landkreis<br />

Göttingen lag zwischen 32.000 und 34.000 Euro. Es gibt Unterschiede zwischen<br />

den Kommunen. Göttingens direkte Nachbargemeinden Gleichen,<br />

Rosdorf und Dransfeld bewegen sich bis auf wenige Ausnahmen in der<br />

gleichen statistischen Einkommensstufe wie die Universitätsstadt. Mit<br />

einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 36.000 bis 38.000 Euro<br />

liegt Bovenden innerhalb des Landkreises vorn. Die Stadt Göttingen wurde<br />

in die mittlere von neun Kategorien für Einkommen zwischen 32.000 und<br />

34.000 Euro eingestuft. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die über<br />

50-Jährigen jetzt auch zur Generation der Erben der Aufbaugeneration<br />

gehören.<br />

Nach Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel weist der Seniorenmarkt derzeit<br />

Ähnlichkeiten mit dem Markt in der Nachkriegszeit auf. Die Nachfrage sei<br />

vorhanden, aber die Produkte fehlten. Diese Bewertung erscheint viel zu<br />

weitgehend: In der Nachkriegszeit fehlte es an elementaren Gütern und<br />

Dienstleistungen. Dieser Nachholbedarf ist in der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

derzeit bestenfalls in einigen Teilsegmenten erkennbar. Meyer-Hentschel/<br />

Meyer-Hentschel ist deshalb nur insofern zuzustimmen, als der Markt<br />

für Senioren derzeit Chancen bietet, die auf anderen Teilmärkten zu den<br />

großen Ausnahmen gehören.<br />

Nach der Erhebung des Landesamtes für Statistik von 2001 wurden die<br />

höchsten Durchschnittseinkommen in Niedersachsen vor allem im Umland<br />

der Städte Hannover, Braunschweig und Wolfsburg sowie Hamburg oder<br />

Bremen festgestellt. In den Ballungszentren selbst waren die Einkommen<br />

pro Haushalt etwas niedriger. Die Statistiker führen diesen Effekt auf die<br />

Arbeitsmarktsituation zurück. Danach gibt es in Großstädten zwar mehr<br />

und besser bezahlte Arbeitsplätze, aber viele Familien wohnen lieber im<br />

Umland. Im Landkreis Göttingen scheint dies nicht so deutlich ausgeprägt<br />

zu sein, die in etwa dem Landesdurchschnitt entspricht. Zur Einschätzung<br />

des Kaufkraftpotenzials können auch die Pro-Kopf-Einkommen herangezogen<br />

werden. Diese liegen im Landkreis Göttingen bei 10.875 Euro<br />

pro Jahr. Damit liegt es deutlich unter dem Durchschnitt des Landes<br />

Niedersachsen (12.697 Euro) und des Bundes (11.727 Euro). Wie sich die<br />

Kaufkraft anteilsmäßig innerhalb der Altersgruppe der über 50-Jährigen<br />

verteilt, zeigt folgendes Diagramm:<br />

37 NLS 2001<br />

38 “Seniorenmarketing 2006/2007”, Edition Horizont 2006, S. 16<br />

39 Daten NIW, Bezugsjahr 2005 (vgl. Regionalanalyse)<br />

56


Das Gesamteinkommen der Bewohnerinnen und Bewohner des Landkreises<br />

einschließlich der Stadt Göttingen beläuft sich auf 4,46 Mrd. Euro<br />

– pro Person 17.000 Euro pro Jahr. Nach Berechnungen der Gesellschaft<br />

für Konsumforschung (GfK), Nürnberg, beläuft sich der jährliche Einzelhandelsumsatz<br />

im Landkreis Göttingen auf 1,47 Mrd. Euro. 23 Prozent aller<br />

Bewohnerinnen und Bewohner des Landkreises haben das 60. Lebensjahr<br />

überschritten. Sie verfügen über eine Einzelhandelsnachfrage von über<br />

320 Mio. Euro. Allein die Rentenbezüge aller Rentnerinnen und Rentner<br />

in Stadt und Landkreis Göttingen belaufen sich auf 458 Mio. Euro jährlich.<br />

In diesem Betrag sind Einkommen aus Vermögen (Mieten, Zinsen,<br />

Dividenden) noch nicht einmal enthalten.<br />

Die Ausgaben der Haushalte von Menschen im Alter von 60 Jahren und<br />

darüber machten im Jahr 2003 mit 308 Mrd. Euro fast ein Drittel der Gesamtausgaben<br />

für den privaten Verbrauch in Deutschland aus. Nach einer<br />

Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist<br />

die Konsumquote der Personen zwischen 65 und 75 Jahren mit 84 die<br />

höchste aller Altersgruppen. Die DIW-Forscher gehen davon aus, dass sich<br />

der Anteil von Haushalten der über 75-Jährigen bis zum Jahr 2050 verdoppeln<br />

wird. Die altersspezifischen Ausgaben werden nach Einschätzung des<br />

DIW künftig zunehmen. Dazu gehören Waren und Dienstleistungen für die<br />

Gesundheits-, Unterhaltungs- und Freizeitbranche. Auch Pharmaindustrie,<br />

Medizintechnik und die Ausstatter von Gesundheitsdiensten erwarten eine<br />

höhere Nachfrage. Ebenso steigen bei älteren Menschen in der Regel die<br />

Ausgaben für die Bereiche Energie und Wohnen.<br />

Momentan richten sich viele Unternehmen darauf ein, sich im Produktbereich<br />

auf die Ansprüche von SeniorInnen einzustellen. Wesentlich langsamer<br />

verläuft der Prozess bei den Dienstleistern. Ein Grund könnte darin<br />

liegen, dass die Generation der heutigen SeniorInnen selten dazu bereit<br />

ist, für zusätzliche altersspezifische Dienstleistungen wie die Gartenpflege<br />

zu bezahlen. Dies kann sich ändern, wenn die Generation der heutigen<br />

Doppelverdiener ins Rentenalter kommt.<br />

Eine Vielzahl neuerer Studien weist darauf hin, dass mit der heutigen<br />

Seniorengeneration eine neue Verbraucherzielgruppe herangewachsen<br />

ist, die mit der bisherigen Kriegs- und Nachkriegsgeneration nur noch<br />

wenig gemeinsam hat. Die heutigen Senioren werden zwar von der Lebenserwartung<br />

her immer älter, von ihren Einstellungen her aber immer<br />

jünger. Ein erstes Indiz für die immer jünger werdenden Senioren ist der<br />

Wandel bei den Wertvorstellungen: Traditionelle Werte wie Sparsamkeit,<br />

Bescheidenheit und Genügsamkeit verlieren bei den „nachwachsenden“<br />

Senioren zunehmend an Bedeutung, und moderne Werte wie Toleranz,<br />

Aufgeschlossenheit und Unabhängigkeit werden immer wichtiger.<br />

Ein zweites Indiz für die immer jünger werdenden SeniorInnen sind deren<br />

Einstellungen zum Kauf und Konsum. Die Senioren von heute definieren<br />

sich weniger über das Lebensalter, sondern über ihre psychische Verfassung,<br />

über ihre Lebenseinstellung und ihr Konsumverhalten. Es gilt<br />

unterschiedliche Verbrauchergruppen bei den über 50-Jährigen zu differenzieren,<br />

über die Marketingexperten Bescheid wissen müssen, wenn<br />

57<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


senIoren-<br />

marketIng<br />

sie seniorengerechte Produkte anbieten und adäquat bewerben und damit<br />

das Marktpotenzial der heutigen Seniorengeneration erschließen wollen,<br />

oder wenn sie auch nur im Dialog mit der Zielgruppe bleiben wollen.<br />

Die gesamte Generation über 50 wird in den kommenden Jahrzehnten<br />

zur wichtigsten Gruppe von Konsumenten in Deutschland. Das Zentrum<br />

der Gesellschaft wird bis dahin längst jenseits der 14- bis 49-Jährigen<br />

liegen, die von der Wirtschaft bisher besonders umworben worden sind.<br />

Durch die langjährige Konsumflaute und die öffentliche Diskussion ist den<br />

Unternehmen bewusst geworden, dass sie zunehmend vom Konsumverhalten<br />

der Generation 50plus abhängig werden. Die über 50-Jährigen<br />

disponieren über mehr als die Hälfte der Kaufkraft und des Geldvermögens<br />

in Deutschland. Sie kaufen 45 Prozent aller Neuwagen, 50 Prozent aller<br />

Gesichtspflegemittel und buchen 35 Prozent aller Pauschalreisen. 0<br />

„In der Werbung werden die Senioren manchmal wie Bekloppte dargestellt.“<br />

(Rosdorf)<br />

„In der Werbung wird doch gar nicht mehr deutsch gesprochen. Wir<br />

werden vom Denglisch überflutet. Das Wort von den No-Go-Areas<br />

ist doch schon wieder ein neuer Begriff, der über uns hereinbricht.“<br />

(Rosdorf)<br />

„Das Englische stört mich nicht. Und die Zeitung berichtet doch jetzt<br />

sehr viel über Senioren. Neulich wurde über einen Besuch von Senioren<br />

bei der Telekom berichtet zum Thema Handy-Nutzung, das war<br />

sehr gut.“ (Rosdorf)<br />

„Den Aspekt der Sprache sollte man nicht dramatisieren, das ist doch<br />

eine Modeerscheinung, die auch wieder verschwinden wird. Schließlich<br />

haben die Deutschen mit der Anglisierung als Erste begonnen. Viele<br />

junge Menschen nutzen englische Begriffe, ohne sie zu verstehen. Das<br />

Wort Outdoor-Jacke kann doch kaum jemand übersetzen.“ (Rosdorf)<br />

„Wir sind mit der deutschen Sprache groß geworden und sollen nun<br />

Denglisch lernen, das ist doch unmöglich.“ (Rosdorf)<br />

„Cityshoppingboulevard ist auch so ein scheußliches Wort. Ich bin bislang<br />

noch nicht shoppen gegangen, ich habe immer noch eingekauft.<br />

Outdoor-Kleidung und Coffee-Shop, es gibt viele dieser fürchterlichen<br />

Worte.“ (Rosdorf)<br />

Als zentrale Funktion der Betriebswirtschaftslehre bietet das Marketing<br />

Unternehmen und Organisationen einen systematischen Ansatz, um Entscheidungen<br />

markt- und kundenorientiert zu treffen. Alle Maßnahmen, die<br />

diesem Ziel untergeordnet sind, können je nach Ansatz auch auf indirekt<br />

marktrelevante Bereiche eines Unternehmens ausgeweitet werden. Marketing<br />

wird daher auch als Unternehmensprozess verstanden, bei dem<br />

40 Frischer Wind. Die Macht der jung gebliebenen Alten; in: Wirtschaftswoche Nr. 28/2006, S. 51<br />

58


ein Unternehmen Absätze planmäßig vorbereitet, durchführt und sichert.<br />

Zum Marketing gehört auch, neue Märkte zu erschließen und vorhandene<br />

Märkte zu erweitern.<br />

SeniorInnen werden häufig identifiziert mit dem Bild hilfsbedürftiger älterer<br />

Menschen, die sich mit vielen Handicaps auseinandersetzen müssen. Die<br />

Realität sieht ganz anders aus. Selbst bei den über 85-Jährigen bestreiten<br />

mehr als zwei Drittel ihren Alltag selbstständig, sind als Verbraucher aktiv<br />

und möchten wie Jüngere am Leben teilhaben. Andererseits wird das<br />

Image des “superaktiven“ genießenden Senioren transportiert, der in der<br />

Werbung durch Luftsprünge eines älteren Herrn symbolisiert wird. Ältere<br />

Menschen lehnen solche Werbebilder in der Regel ab.<br />

Die Kaufkraft der Älteren hat es sich Schritt für Schritt zur Nummer eins<br />

entwickelt. Konsumfreude älterer Personen wird in der Literatur auch als<br />

„eine neue Lust in reifer Schale“ bezeichnet. Die Entdeckung der neuen<br />

Konsumentengruppen setzt jedoch eine differenzierte Auseinandersetzung<br />

mit ihrer Lebenswirklichkeit und ihren Wünschen voraus. Noch im Jahr<br />

1992 stimmten nur 26 Prozent der 50- bis 75-Jährigen der Aussage zu:<br />

„Ich mache mir lieber ein schönes Leben, anstatt immer mehr zu sparen.“<br />

Zehn Jahre später hatte sich dieser Anteil verdoppelt. Selbstbewusstsein<br />

ist dabei ein zentraler Wert. Viele Vertreter der Generation 50plus – der<br />

SeniorInnengeneration von morgen – glauben, dass sie es sich verdient<br />

haben, gut zu leben. Aus ihrer Lebenserfahrung heraus bewegen sie<br />

sich sicher und überlegt. Sie haben gelernt, mit Geld umzugehen. Sie<br />

wissen, wo man günstig einkauft, aber auch, wo die Selbstverwöhnung<br />

kostspieliger ist. Viele der Älteren haben gelernt, mit Werbesprüchen<br />

umzugehen. Sie wissen auch, wer es ist, der ihnen ihre Wünsche vermeintlich<br />

von den Augen abliest. Doch es ist problematisch, Zielgruppen<br />

ausschließlich demographisch zu definieren. Vielmehr muss auch die<br />

Psychographie bemüht werden. In einer nahezu altersfreien Gesellschaft<br />

zählen insbesondere die Lebenseinstellung der Zielgruppen, ihr Lebensstil,<br />

ihre Gewohnheiten, ihre Vorlieben und ihre Vorurteile. Veigel spricht von<br />

einer Generation, die älter wird, ohne zu altern. Marketingfachleute unterscheiden<br />

deshalb zwischen wirklichem, erscheinendem und gefühltem<br />

Alter (real age, look age und feel age).<br />

Festzuhalten ist, dass der Markt für SeniorInnen derzeit Chancen bietet,<br />

die auf anderen Teilmärkten zu den großen Ausnahmen gehören. Wie<br />

unten im Einzelnen dargelegt wird, gibt es in einzelnen Marktsegmenten<br />

in Stadt und Landkreis Göttingen Angebotsdefizite. Folgender Aussage<br />

von Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel ist zuzustimmen: Die wachsende<br />

Zahl älterer Menschen ändert die Spielregeln auf vielen Märkten. Das gilt<br />

insbesondere für kundenbetriebene Märkte. Unternehmen, denen die Sensibilität<br />

für diese Änderungen fehlt, werden schwierige Zeiten erleben.<br />

41 Ulrich Veigel (CEO Grey Worldwide GmbH) während des Fachkongresses “Zukunftsmarkt 60plus“<br />

– Konsum- und Verbraucherschutz in einer älter werdenden Gesellschaft“ am 29. Mai 2006 in Bonn<br />

42 Bernd M. Michael (CEO der Grey Global Group Europe, Middeleast and Africa) auf derselben Veranstaltung<br />

43 „Warum ignoriert das Marketing die reichste Generation aller Zeiten – die 50plus-Generation“, in:<br />

Jahrbuch „Seniorenmarketing 2006/2007“, Meyer-Hentschel, Meyer-Hentschel (Hrsg.)<br />

44 Ulrich Veigel (CEO Grey Worldwide GmbH) während des Fachkongresses “Zukunftsmarkt 60plus“<br />

– Konsum- und Verbraucherschutz in einer älter werdenden Gesellschaft“ am 29. Mai 2006 in Bonn<br />

59<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Die Befriedigung dieser Konsumbedürfnisse ist unternehmerische Aufgabe<br />

und deutlich von der traditionellen Altenhilfe als öffentliche Aufgabe abzugrenzen.<br />

Die verstärkte Beachtung und Aktivierung der wirtschaftlichen<br />

Nachfrage- und Kaufkraftpotenziale kann auch als eine gesellschaftliche<br />

Aufgabe der Wirtschaft gesehen werden, für dessen Erfüllung der Staat<br />

oder die Kommune möglichst günstige Rahmenbedingungen schaffen<br />

kann. Die Kommunen können vor allem in Kooperation mit der Wirtschaft<br />

daran arbeiten, dass sich das Bild des Alter(n)s verändert und im Bereich<br />

der Produkte und Dienstleistungen keine Altersdiskriminierung vollzieht.<br />

Der Begriff der “<strong>Seniorenwirtschaft</strong>“ setzt sich mit diesen wirtschaftlichen<br />

Gestaltungsherausforderungen und Wachstumsperspektiven einer alternden<br />

Gesellschaft auseinander. Im Gegensatz zu den Akteuren in der<br />

Altenhilfeplanung (Städte und Gemeinden, Kirchen, Wohlfahrtsverbände,<br />

Erwachsenenbildung, etc.) gibt es im Handlungsfeld der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Akteure, die man bislang nicht mit dem Begriff der Senioren in<br />

Verbindung gebracht hat: Industrieunternehmen, Unternehmensverbände<br />

(z. B. Tourismus, Wohnungswirtschaft), Kammern oder auch Gewerkschaften.<br />

Produktpolitik/Konzeption<br />

„Warum eigentlich seniorengerechte Produkte? Warum werden die<br />

Produkte nicht ganz normal und massenweise, also auch preiswert, im<br />

Supermarkt angeboten? Ich will den Dosenöffner nicht als Ergotherapie-<br />

Produkt im Orthopädie-Fachgeschäft kaufen!“ (Göttingen)<br />

Aufgabe der vorliegenden Studie ist es nicht, die Seniorengerechtigkeit<br />

von Produkten zu analysieren. Sie will gleichwohl deutlich machen, dass<br />

sich viele Hersteller mit der Frage der Seniorengerechtigkeit beschäftigen;<br />

inzwischen ist eine große Vielfalt an Produkten auf dem Markt.<br />

Beispielsweise die Otto Bock Health Care als Weltmarktführer in der<br />

Orthopädietechnik, die Produkte gezielt für den Markt der SeniorInnen<br />

entwickelt, die unter Diabetes, Osteoporose sowie Gefäß- oder Atemwegserkrankungen<br />

leiden. Das Unternehmen entwickelt Medizintechnikprodukte,<br />

die zur Wundversorgung sowie zur Beatmungstherapie eingesetzt<br />

werden. Aber auch Mobilitätshilfen wie Elektromobile und Rollstühle und<br />

Pflegehilfsmittel im Heimbereich gehören in das Produktportfolio. Dass<br />

die SeniorInnen mit sinkenden Zuzahlungen der Krankenkassen rechnen<br />

müssen, ist zunächst ein Problem für die Patienten – es ist aber auch eine<br />

Herausforderung für die weitere Unternehmensentwicklung.<br />

Doch die Defizite im Angebot sind unübersehbar. Viele Anbieter erkennen<br />

nicht, dass die mit steigendem Alter auftretenden Probleme mit den Augen<br />

und dem Gehör, verringerte Kraft, Beweglichkeit und Geschicklichkeit<br />

sich auch in anderen Bedürfnissen niederschlagen. Andererseits entsteht<br />

zuweilen der Eindruck, dass die meisten Produkte eher für behinderte<br />

Senioren entwickelt wurden.<br />

So fordert das Institut für Arbeit und Technik, die Konsumartikelhersteller<br />

müssten sich stärker an den Wünschen Älterer orientieren. Mit maßgeschneiderten<br />

Angeboten könne die Kauflust älterer Menschen gesteigert<br />

60


werden. Ältere Kunden seien besonders kritisch und erwarteten gute<br />

Qualität. Als Konsumenten hätten sie langjährige Erfahrung: „Dieser Zielgruppe<br />

kann man nichts vormachen. Die Menschen sind gut informiert<br />

und wollen nicht als Dumme behandelt werden.“<br />

Nach neueren Marktforschungsstudien haben viele Unternehmen immer<br />

noch Schwierigkeiten, für die ältere Generation die richtige Produktstrategie<br />

zu finden. Vielfach wird das Flickwerk der Lösungen kritisiert.<br />

Manche Seniorenprodukte können als Beleidigung für die Intelligenz der<br />

Älteren aufgefasst werden – mehr noch: Sie kommen nicht selten mit<br />

“Krüppel-Design“ daher. Es fehlt bei der Entwicklung konkreter Produkte<br />

eben noch immer an Kreativität. Die Bedürfnisse der SeniorInnen werden<br />

nicht ausreichend untersucht. So liegt das Durchschnittsalter der Harley<br />

Davidson-Käufer bei 58 Jahren – und das meist georderte Extra ist die<br />

Sitzheizung.<br />

Vor der Herausforderung, bessere Produkte für Alt und Jung zu konzipieren<br />

und sie gut zu vermarkten, stehen alle Branchen. Dabei profitieren<br />

einige Branchen und ihre Unternehmen besonders vom demographischen<br />

Wandel. Das gilt insbesondere für Hersteller von Produkten aus dem<br />

Gesundheitswesen sowie der Medizintechnik, wie die Elektrokonzerne<br />

Siemens und Philipps oder das große mittelständischen Unternehmen<br />

Otto Bock in Duderstadt. Auch die Pharma- und die Nahrungsmittelindustrie<br />

werden die Gewinner sein. Gute Marktchancen haben auch die<br />

Hersteller von so genannter weißer Ware wie Herde, Kühlschränke und<br />

Waschmaschinen.<br />

Fertigkost ist für viele SeniorInnen attraktiv. Sie haben das höchste Risiko<br />

für Krankheiten und gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Gesundheitsprobleme<br />

hängen häufig direkt oder indirekt mit der Ernährung zusammen.<br />

Zu beobachten sind ein veränderter Nährstoffbedarf und veränderte Essgewohnheiten.<br />

Durch gesenkten Energiebedarf bei gleichbleibendem Bedarf<br />

an Nährstoffen wie Vitaminen und Spurenelementen kommt es oft zur<br />

Mangelversorgung. Deshalb müssen seniorengerechte Portionen kleiner<br />

und kalorienärmer sein, aber mehr Nährstoffe aufweisen. Bei der Produktpalette<br />

ist zu beachten, dass SeniorInnen aufgrund der biologischen<br />

Veränderungen mit zunehmendem Alter andere Bedürfnisse haben. Die<br />

Produkte sollten darauf abgestimmt sein und weniger Salz, Fett, Zucker<br />

etc. enthalten, ohne dabei an Qualität oder Geschmack zu verlieren.<br />

Auch der eher für die jüngeren Zielgruppen produzierende Sportartikelhersteller<br />

Adidas wendet sich an SeniorInnen. Aber nicht mit einem<br />

Schuh für rheuma- oder anderweitig geplagte Füße: Adidas registrierte<br />

die Beliebtheit des als Gelenk schonend geltenden Walking unter Älteren<br />

und entwickelte schon für die Herbstkollektion 2003 den ersten speziellen<br />

Walking-Schuh.<br />

Auch die Möbelhersteller nutzen die Chancen durch die wachsende<br />

Käuferschicht der Generation 50plus. Nach einer Untersuchung des Statistischen<br />

Bundesamtes geben die Senioren über 70 rund 40 Prozent ihres<br />

Einkommen für Wohnen aus, die jüngere Generation nur 30 Prozent. Von<br />

45 Hanne Meyer-Hentschel, ebd.<br />

61<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


der Kauflust der älteren Generation profitieren die klassischen Möbelhersteller.<br />

Manche Designermarken ignorieren die spezifischen Bedürfnisse<br />

der Älteren und gehen keine Kompromisse ein. Die Billigmöbelbauer<br />

entsprechen oft nicht den Qualitätsanforderungen der Älteren.<br />

Zu den seniorengerechten Produkten gehören außerdem Flachbildschirme<br />

sowie spezielle Flaschen- und Dosenöffner, Senioren-Portemonnaies,<br />

Greifarme, Knopf-Annähhilfen, Knopfschließer, Knietische, Rückenkratzer,<br />

Sicherheitslöffel, Rillenbecher, Anti-Rutsch-Tabletts, Senioren-Hausschuhe,<br />

Videolupen, TV-Vergrößerer, Lesestäbe, Vergrößerungsblätter, Fernseh-<br />

Spezialbrillen, sprechende Uhren, sprechende Reisewecker, Lastenroller,<br />

Gießarme für die Gartenpflege etc. Inzwischen gibt es bundesweit eine<br />

riesige Bandbreite seniorengerechter Produkte.<br />

In der Unterhaltungselektronik sind die Ansätze, intelligent auf die Generation<br />

50plus zuzugehen, eher zaghaft. Computer- und Handyhersteller<br />

sehen durch jahrelange hohe Wachstumsraten keinen Anlass, ihre bisherige<br />

Unternehmensstrategie zu ändern und auch Produkte für bestimmte<br />

Zielgruppen, wie die Generation 50plus zu entwickeln. Da Handys und<br />

Computer zur Grundausstattung jedes Haushalts gehören, ändert sich die<br />

Produktstrategie der Unternehmen langsam. So hat der Computerhersteller<br />

Fujitsu Siemens im Mai 2006 den Simplico auf den Markt gebracht und<br />

ihn als revolutionär einfachen PC bezeichnet, den jeder versteht. Leichte<br />

Bedienbarkeit, gute Lesbarkeit und mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnete<br />

Menüführung sollen dafür sorgen, dass die ältere Generation<br />

ihre Berührungsängste gegenüber der neuen Technik ablegen. Letztlich<br />

ist eine einfache Bedienung nicht nur für die Zielgruppe 50plus wichtig,<br />

sondern für jede Zielgruppe. Selbst in der Gruppe der über 60-Jährigen<br />

halten 61 Prozent Navigationsgeräte in Autos für sinnvoll. Nach Angaben<br />

von Georg Fuhrmann von der Abteilung Unternehmensentwicklung der<br />

Metro AG gab es Überraschungen bei der Nutzung von Self-Scanning-<br />

Kassen. Viele Ältere waren bereit, sich mit dieser neuen Technologie<br />

auseinander zu setzen.<br />

Der Mobilfunkbetreiber Vodafone und sein Kooperationspartner Vitaphone<br />

haben inzwischen das erste Handy auf den Markt gebracht, das<br />

sich auf die wesentlichen Funktionen beschränkt. Das Handy besitzt nur<br />

drei Tasten und eine Freisprecheinrichtung. Über die rote Notruftaste<br />

wird sofort zu dem rund um die Uhr besetzten Vitaphone-Service-Center<br />

verbunden, das im Notfall den Rettungsdienst benachrichtigt. Die gelben<br />

und grünen Tasten können mit den Handy- bzw. Telefonnummer der<br />

Familienangehörigen oder Nachbarn belegt werden. Bisher nutzen nur<br />

5.000 Vodafone-Kunden diesen monatlich 12,45 Euro teuren Service.<br />

Fünf Euro erhält davon Vitaphone. In Japan sind die bunten, modernen<br />

Seniorenhandys bereits Renner.<br />

Zu den interessanten Produkten gehören ein bequemer Duschklappsitz,<br />

der Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit, Behinderten oder<br />

älteren Menschen das Duschbad erleichtert, und ein verstellbarer Bade-<br />

46 Broschüre „Sunnywalz – Das Leben genießen“, Versandhaus Walz GmbH, 88336 Bad Waldsee<br />

47 “Zukunftsmarkt 60plus – Konsum- und Verbraucherschutz in einer älter werdenden Gesellschaft“ am<br />

29. Mai 2006 in Bonn<br />

62


wannensitz, der sich in jede handelsübliche Badewanne sicher einhängen<br />

lässt. Der Sitz benötigt keine festen Einbauten. Ähnlich hilfreich ist auch<br />

ein verstellbarer Toilettensitz.<br />

Eine für Senioren und motorisch beeinträchtigte Menschen entwickelte<br />

ergonomische Sitzliege, die verschiedene Einstiegshöhen und eventuell<br />

klappbare Armlehnen aufweist, ist damit bequem und funktional. Ein<br />

geschlossener TV-Stereo-Kopfhörer mit integriertem Lautstärkeregler im<br />

Kabel, einfach an den Fernseher anschließbar, mit hoher Sprachverständlichkeit<br />

und guter Reproduktion des Fernsehtons bietet mehr Komfort<br />

beim Fernsehen. Das geschlossene Design sorgt für den Hörenden für<br />

eine Dämmung der Umgebungsgeräusche. Am Lautstärkeregler lassen<br />

sich rechter und linker Kanal getrennt auf das Hörvermögen einstellen.<br />

Mobile Hörverstärker unterstützen das Gehör situationsgerecht. Ein leichter<br />

Kinnbügelhörer kann so was wie eine „Lesebrille“ für die Ohren sein:<br />

Immer dann zur Hand, wenn man ihn braucht, hört er auch das „Kleingedruckte“.<br />

Zwei ohrnahe Mikrofone übertragen Stimmen und Geräusche<br />

in Stereoton und ermöglichen so räumliches Hören. Die Lautstärke der<br />

dynamischen Hörersysteme kann individuell und situationsgerecht eingestellt<br />

werden.<br />

Ein Telefon mit Funk-Notrufsystem, zuschaltbarer optischer Signalgebung,<br />

gut greifbarem Hörer und einstellbarer Lautstärke für Hörer, Lautsprecher<br />

und Tonruf erleichtert ebenso das Telefonieren wie eine extra große<br />

Anzeige, die die Rufnummer des Anrufers verrät. Ein Mechanismus, der<br />

Türen automatisch verriegelt, wird inzwischen in viele Häuser eingebaut.<br />

Leuchtdioden zeigen den jeweiligen Betriebszustand an. Ergänzt werden<br />

diese technischen Einrichtungen durch eine Fernsteuerung für Beleuchtung,<br />

die Jalousien und andere Haustechnik wie Licht oder Temperatur<br />

bedienen. Raumspartüren (z. B. eine Schiebetür) verzichten ganz oder<br />

teilweise auf den Drehbereich herkömmlicher Türen, so kann Raum besser<br />

genutzt werden. Ein Liftsystem hebt und senkt fast alle Sitzmöbel und<br />

Betten auf Rollstuhlhöhe, so kann man selbstständig ohne Kraftaufwand<br />

auf ein normales Sitzmöbel und von dort wieder zurück in den Rollstuhl<br />

gelangen.<br />

Körpergerecht geformte Holzstiele ermöglichen Körperbehandlung an<br />

schwer erreichbaren Stellen. Der Anbieter eines Frühstücksbretts, das<br />

sicher und rutschfest auf der Tischplatte steht und verschiedene Utensilien<br />

in Löchern sicher unterbringt, wendet sich nicht nur an ältere Kundinnen<br />

und Kunden. Greifzangen und Haken zum Aufheben von Gegenständen<br />

können Hilfe bieten, Knöpfhilfen ermöglichen das Zuknöpfen von Kleidungsstücken<br />

mit nur einer Hand. Eine ergonomische Schreibhilfe eignet<br />

sich für Menschen, die in Händen und Fingern bewegungseingeschränkt<br />

sind. Der Knauf ist drehbar und lässt sich leicht führen. Mit einem Stechgießer<br />

lassen sich Saft- und Milchtüten einhändig öffnen und entleeren.<br />

Neuerdings sind auch Wecker auf dem Markt, die nicht klingeln, sondern<br />

vibrieren. So kann auch derjenige geweckt werden, der sein Hörgerät<br />

herausgenommen hat und dennoch pünktlich aufstehen will.<br />

63<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Das Projekt “Sentha – Seniorengerechte Technik im häuslichen Alltag“<br />

wurde von einer interdisziplinären Forschergruppe ins Leben gerufen, um<br />

die Bedürfnisse Älterer an Produkte des häuslichen Alltags zu untersuchen.<br />

Es werden auch neue, seniorengerechte Produkte entwickelt (Institut für<br />

Produkt- und Prozessgestaltung der Universität der Künste Berlin – Forschergruppe<br />

sentha). Insbesondere Konzepte, die an der Verbesserung<br />

von Serviceleistungen ansetzen und z. B. dem Wunsch nach besserer<br />

Erreichbarkeit, klarer Orientierung, Kundenberatung, Ruhe an der Kasse<br />

und Einpackhilfen gerecht werden, können auch altersübergreifende<br />

Nutzenvorteile schaffen.<br />

Kommunikationspolitik/Promotion<br />

Viele Produkte – z. B. im Bereich der Unterhaltungselektronik, vom<br />

Computer bis zum Handy – verfügen zwar potenziell über einen hohen<br />

Mehrwert für Senioren, zielgruppenadäquate Produktinformation und Produktgestaltung<br />

erfolgen jedoch nicht ausreichend. Wer seniorengerechte<br />

Produkte vermarkten will, muss sich mit der Frage beschäftigen, wie<br />

ältere Verbraucherinnen und Verbraucher angesprochen werden wollen.<br />

Die Produkte müssen den Bedürfnissen dieser Zielgruppen entsprechen,<br />

dürfen aber nicht seniorengerecht heißen. Insbesondere dürfen sich die<br />

KäuferInnen nicht stigmatisiert fühlen. Gerade die 50- bis 65-Jährigen sehen<br />

sich selbst nicht als “Senioren”. Sie kaufen keine “Seniorenprodukte”,<br />

wollen keine Ghetto-Waren und keine Ghetto-Werbung, so die Erkenntnis<br />

des Zentralverbandes der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Dies gilt<br />

vor allem mehr in Bereichen, in denen sich das Alter noch ignorieren<br />

lässt. Ein Produkt, das als Seniorenware angeboten wird, setzt sich am<br />

Markt nicht durch, wie ein Beispiel aus den USA zeigt. Der Autokonzern<br />

Mercedes hat dort die Modelle seiner neuen R-Klasse als Autos für die<br />

“Empty-Nesters“ angeboten, d. h. für ältere Menschen, deren Kinder flügge<br />

geworden sind. Viele Autohändler beschwerten sich und verlangten,<br />

die Werbung einzustellen. Niemand kaufe ein Auto, mit dem er sich als<br />

Senior zu erkennen gibt.<br />

Viele Produkte wären zwar für SeniorInnen nützlich, eine zielgruppenadäquate<br />

Produktinformation und Produktgestaltung erfolgt jedoch nicht<br />

ausreichend. Die Deutschen Gesellschaft für Gerontotechnik plädiert<br />

deshalb dafür, von benutzergerechten Produkten zu sprechen. Was für<br />

Senioren gut ist, nutzt in aller Regel auch jüngeren Konsumenten. Dies<br />

gilt aber nicht im Umkehrschluss. Produkte, die junge Leute bedienen<br />

können, wie z. B. Handys mit extrem kleinen Knöpfen, sind nicht unbedingt<br />

für Senioren geeignet. Die Deutschen Gesellschaft für Gerontotechnik<br />

bezeichnet deshalb – sprachlich etwas gewagt – Senioren als “Lupe aller<br />

Konsumenten“.<br />

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen beklagt,<br />

dass es eine mangelnde Transparenz über die Vielfalt dieser Produkte<br />

gibt. Außerdem haben viele Ältere Schwierigkeiten, diese Produkte<br />

48 Seniorentag Nordrhein-Westfalen „Altern als Chance“ am 29. Mai 2006 in Bonn, Geschäftsführerin<br />

Martina Koepp<br />

49 Dr. Erika Neubauer Seniorentag Nordrhein-Westfalen „Altern als Chance“ am 29. Mai in Bonn<br />

64


auch zu beziehen. Befragungen haben ergeben, dass nur 28 Prozent der<br />

Unternehmen sich stärker auf die Zielgruppe Älterer einrichten. 0 Dies<br />

hängt mit dem sich nur zögerlich verändernden Altenbild zusammen. Der<br />

Geschäftsführer des Stadtmarketings Duderstadt bestätigt, dass sich viele<br />

Einzelhandelsbetriebe scheuen, in ihren Werbeaussagen Ältere direkt<br />

anzusprechen. Sie fürchten Imageverluste bei den Angehörigen anderer<br />

Altersgruppen. Von dieser These hält das Ministerium der Generationen,<br />

Familie, Frauen und Integration des Landes NRW wenig. Es räumt allerdings<br />

ein, dass in den Köpfen mancher Marktteilnehmer noch immer so<br />

etwas wie Jugendwahn besteht. Es dauere lange, bis sich daran etwas<br />

ändere. Werbung für Senioren sei heute nicht mehr stigmatisierend. Die<br />

Deutsche Gesellschaft für Gerontotechnik beobachtet sogar, dass die<br />

Bereitschaft der Unternehmen, sich mit seniorengerechten Produkten<br />

auseinander zu setzen, deutlich gestiegen ist.<br />

Trendsetter passen ihre Produkte den Bedürfnissen Älterer an. Und sie<br />

schaffen den Spagat, seniorenkompatible Produkte nicht als „alt“ zu vermarkten.<br />

Berühmt wurde das mutige Konzept für die Marke Nivea Vital.<br />

Ab 1995 brachte Hersteller Beiersdorf die Serie “Nivea Vital – Pflege für<br />

die reife Haut“ auf den Markt. Die Produkte gehören zu den ersten, die<br />

sich an Frauen über 50 Jahren richten. Da Haut sich mit den Jahren offensichtlich<br />

ändert, wird ein „reifes“ Produkt in diesem Segment als legitim<br />

wahrgenommen. Die Marke wurde jedoch beworben mit einer dem modernen<br />

Lifestyle entsprechenden Kampagne (Agentur: TBWA), in deren<br />

Mittelpunkt eine sportlich-elegante Frau mit grauen Haaren und einem<br />

alterslosen Gesicht steht. Motto: „50 ist klasse.“ Heute ist die Tagescreme<br />

der Serie eine der drei meistverkauften in Deutschland.<br />

Die Älteren sind immer häufiger in Werbekampagnen zu sehen, sei es<br />

in TV-Spots der Sparkasse, von Mercedes oder beim Bierbrauer Veltins.<br />

Werbeexperten rügen, dass alte Leute in der Werbung noch häufig als<br />

Klischees, z. B. als kauziger Alter, netter Opa oder Strandwanderer und<br />

nicht in ihrer Lebenswirklichkeit dargestellt werden. Es müsse umgedacht<br />

werden.<br />

Einige Anbieter nutzen allerdings altersbedingte Verhaltensweisen und<br />

Informationsdefizite aus. Die Verbraucherberatung weist auf die Themen<br />

Haustürgeschäfte, Verkaufsfahrten mit den immer wieder angesprochenen<br />

Wärmedecken und Gewinnversprechen hin. Offensichtlich fühlen sich<br />

auch manche KundInnen von Kreditinstituten und Versicherungsgesellschaften<br />

zuweilen zu einem überhasteten Vertragsabschluss gedrängt.<br />

Nach Angaben der Verbraucherzentralen gibt es nur in Ausnahmefällen<br />

spezifische Klagen aus Seniorensicht. Meist wird die Kritik generationenübergreifend<br />

geäußert.<br />

50 Dr. Beate Wieland, Ministerium der Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW,<br />

am 29. Mai in Bonn<br />

51 Gespräch mit Hubertus Werner am 12. Juni 2006 in Duderstadt<br />

52 Dr. Beate Wieland, am 29. Mai 2006 in Bonn<br />

53 narrative Gesprächsrunde am 28. Juli 2006 in Familienferienzentrum am Pferdeberg in Duderstadt<br />

65<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Distributionspolitik<br />

Während das traditionelle Seniorenmarketing unter dem Stichwort Mangel-<br />

oder Defizitmodell noch von einem generellen Nachlassen aller Fähigkeiten<br />

mit zunehmendem Alter ausging, berücksichtigt die Werbung heute, dass<br />

manche Potenziale älterer Menschen durchaus anwachsen. So verfügen<br />

Ältere beispielsweise häufiger über einen reichhaltigeren Wortschatz<br />

als Jüngere. Gerade aber die richtige Einschätzung der Besonderheiten<br />

älterer Kunden ist im Verkauf wichtig. Für den Vertrieb gilt die Maxime:<br />

Nicht über das Alter der Kunden reden, aber immer daran denken. So ist<br />

zu berücksichtigen, dass in der Regel im Alter die Sehfähigkeit abnimmt.<br />

Das gilt zum Beispiel für das räumliche Sehen und die damit verbunden<br />

Orientierungsprobleme in großen Räumen.<br />

Es kann vorkommen, dass ältere Kunden Produkte nicht finden, obwohl<br />

sie schon des Öfteren in dem Laden eingekauft haben. Das führt zu<br />

Misserfolgserlebnissen, mit der Konsequenz, dass dieser Laden nicht<br />

mehr aufgesucht wird.<br />

Im Marketing werden drei Gruppen unterteilt: die tatsächlichen, die ehemaligen<br />

und die möglichen Kunden. Bei der ersten Gruppe geht es darum,<br />

die Kundenbedürfnisse zu erkennen und Sortiment- bzw. Serviceleistungen<br />

anzupassen und ggf. Mitarbeiter zu schulen. Dabei ist zu beachten, dass<br />

sich nur die wenigsten tatsächlichen Kunden äußern, wenn sie unzufrieden<br />

sind. Jeder Beschwerde sollte deshalb nachgegangen werden. Dazu<br />

dient auch ein Beschwerdekasten. Es ist wichtig, die Zielgruppen mit<br />

ihren Bedürfnissen und Wünschen zu kennen. Ältere Verbraucher klagen<br />

häufig über die Öffnung von Verpackungen. Sie wechseln den Hersteller,<br />

wenn sie mit einer Verpackung unzufrieden waren. Häufig funktionieren<br />

Öffnungsmechanismen wie Aufreißfäden nicht. Das gilt nicht zuletzt für<br />

Wurst und Käse. Die Größe von Verpackungen ist ein häufig geäußertes<br />

Problem von Senioren. Sie haben häufig Probleme beim Entnehmen von<br />

Ware aus den Regalen. Auch beim Transport kommen sie mit großen<br />

Mengen und/oder sperrig verpackten Produkten schlecht zurecht. Senioren<br />

sind oft Singles und brauchen meistens nur eine kleine Portion einer<br />

Mahlzeit. Entweder gibt es diese nur in geringer Auswahl oder sie sind<br />

teurer als größere Packungen.<br />

Die Kaufentscheidung der “reifen Generation” wird zukünftig oftmals<br />

über den Erfolg und den Fortbestand von Unternehmen entscheiden.<br />

Wer in Zukunft wachsen will, muss seine Produktentwicklung und sein<br />

Marketing verstärkt auf die “reifen” Kunden ausrichten – er muss also sein<br />

Unternehmen “demographiefest” machen. Aber nicht jedes Unternehmen<br />

kann auf diesem Markt ohne weiteres bestehen und das Potenzial einfach<br />

abschöpfen. Die “Generation 55plus” stellt höhere und differenziertere<br />

Anforderungen an Hersteller, Handel und Dienstleistungsunternehmen<br />

als die junge Kundschaft, die ihr Geld häufig weniger kritisch ausgibt.<br />

Hersteller und Handel benötigen also Strategien, mit denen sie auf dem<br />

“reifen Markt” der Zukunft erfolgreich auftreten können. Der demographische<br />

Wandel ist für alle Geschäftsmodelle relevant, auch für die, die<br />

sich nur an junge Kunden wenden.<br />

66


Ältere Personen legen offenbar besonderen Wert auf gute persönliche<br />

Beratung. Das gilt im Einzelhandel direkt, aber auch bei der Informationseinholung<br />

in Verbraucherzentralen. Dr. Erika Neubauer von der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

der Seniorenorganisationen (BAGSO, Bonn) regt<br />

deshalb Kooperationen zwischen Verbraucherzentralen und Seniorenverbänden<br />

an. Herbert Lechner von der Gesellschaft für Konsumforschung AG<br />

in Nürnberg sieht enge Grenzen bei der Discounterisierung des Handels.<br />

Die Zuwächse bei den großen Discountern nehmen schon jetzt ab. Das<br />

hat auch etwas mit dem demographischen Wandel zu tun. Die Fixierung<br />

auf den Preis geht zurück, es geht immer mehr um den Mehrwert eines<br />

Produktes und die Beratungsdienstleistung.<br />

Universal Design hat den Anspruch, Funktion, Komfort und Ästhetik positiv<br />

miteinander zu vereinen, also einfach für Jung und Alt, für Behinderte und<br />

Nichtbehinderte ganz individuell nach ihrem jeweiligen Wissens- und Erfahrungsstand<br />

problemlos genutzt werden zu können und gut auszusehen.<br />

Es soll gerade nicht der Eindruck entstehen, dass Produkte für eine ganz<br />

spezielle Zielgruppe und deren spezielle Bedürfnisse gestaltet wurden.<br />

Wer auf seniorengerechte Produkte angewiesen ist, schätzt es besonders,<br />

wenn seine Gebrauchsgegenstände keinen “geriatrischen Touch“ haben,<br />

sondern “normal“ aussehen und niemandem auffallen. Technologien sollen<br />

sich an die Bedürfnisse von Menschen anpassen, nicht umgekehrt.<br />

Die Fortschrittsformel kann nicht mehr lauten: schneller, kleiner, schöner,<br />

sondern: einfacher, größer, besser. Qualitätsverbesserungen kommen<br />

allen zugute, oft sind es Vereinfachungen, die nicht mit Zusatzkosten<br />

verbunden sind. Zielsetzung ist also, Komplexität moderner Produkte<br />

zu reduzieren, statt wie bislang nur das technisch Mögliche auch in ein<br />

Gerät aufzunehmen. Barrierefreiheit beginnt danach an der Schwelle zur<br />

Wohnung genauso wie an der zum Internet.<br />

Noch ist die Jugend eine stil- und marktbeherrschende Zielgruppe, obwohl<br />

die Alten über ein jährliches Einkommen verfügen, das in die Hunderte<br />

von Milliarden Euro geht. Universal Design bringt zwar Vorteile für alle,<br />

jedoch ignorieren die meisten Hersteller dieses Thema, als befürchte man,<br />

ein Negativ-Image aufzubauen. So bringt das Design-Magazin „form“ das<br />

Beispiel des “Senioren-Porsche“ Cayenne, in den auch Rheumapatienten<br />

bequem einsteigen können. Statt das als Verkaufsargument aufzugreifen,<br />

fürchtet der Sportwagenhersteller um sein jugendliches Image.<br />

Die “jungen Alten“ von morgen werden ihren individuellen Lebensstil beibehalten<br />

wollen. Das Alter wird das einzige gemeinsame Merkmal sein,<br />

dass sie untereinander verbinden wird, sie werden also keine eindeutige<br />

Zielgruppe bilden, die man klar umreißen und bedienen könnte. Wer Produkte<br />

so gestaltet, dass sie für alle Altersgruppen funktionieren, erweitert<br />

seinen Kundenkreis. Das Leben geht weiter und mit ihm der Wunsch,<br />

sich selbstständig in der Umwelt bewegen zu können. Voraussichtlich ab<br />

54 Bonn, 29. Mai 2006<br />

55 Vgl. Pöppel, Ernst, in: form 206, Sonderheft: Universal Design, Juli/August 2006<br />

http://www.form.de/data/u/Universal_Design.pdf, S. 4ff.<br />

67<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

eInfacH fÜr alle:<br />

unIversal DesIgn


exkurs:<br />

senIorenwIrtscHaft<br />

In japan<br />

2035 werden die SeniorInnen die Mehrheit der Konsumenten stellen. Ihre<br />

Wünsche kommen allen zugute: einfache Dinge, die Intelligenz als Gestaltungsleistung<br />

verstehen, nicht als aufgepfropfte technische Funktion.<br />

Jung entwirft für Alt: Die meisten Gestalter könnten Enkel der angepeilten<br />

Generation Plus sein. Um Fehleinschätzungen auszuschalten und zugleich<br />

Stereotype zu erforschen, nutzte das Berliner Projekt sentha einen Seniorenbeirat,<br />

der Erfahrungen und Eindrücke aus der eigenen Lebenswelt in<br />

die Gestaltung und Bewertung von neuen Produkten einbrachte.<br />

BSH Bosch hat das Konzept „Design für alle“ eingeführt, also eine<br />

Produktgestaltung für junge Menschen und Senioren. Bisher hatte das<br />

Unternehmen keine Seniorenprodukte hergestellt, inzwischen ist eine<br />

Waschmaschine im Programm, die mit großem Display und Klarschrift<br />

statt Symbolen sowie je vier große Tasten rechts und links davon ausgestattet,<br />

mit der die meisten Nutzer zurechtkommen.<br />

Reine Seniorenmöbel sucht man beim Polstermöbelhersteller im westfälischen<br />

Spenge vergebens. Das Unternehmen bietet den Älteren altengerechte<br />

und seniorengerechte Möbel an. Die Generation 50plus ist stolz<br />

auf ihr Alter, aber nicht bereit, Spezialmöbel für Betagte zu kaufen. Häufig<br />

sind Sitzhöhe, Tiefe der Sitzfläche oder die Armlehnen verstellbar. Zum Programm<br />

gehört auch ein Sessel mit motorisierter Neigevorrichtung, damit<br />

das Aufstehen leichter fällt. Das sind alles Funktionen, die auch die junge<br />

Generation schätzt. Für die Bequemlichkeit gibt es keine Altersgrenze.<br />

Japans Senioren sind fit, schlank, aktiv und wohlhabend. Sie sind eine<br />

Macht im Land. Derzeit ist jeder fünfte der rund 127 Millionen Einwohner<br />

über 65 Jahre alt, mit steigender Tendenz. 2015 wird jeder Vierte, 2050<br />

jeder Dritte Rentner sein. Japans Einwohner haben die weltweit höchste<br />

Lebenserwartung, und Japan führt wegen der geringen Geburtenrate<br />

beim weltweiten Trend der rapide alternden Gesellschaften. Anders als<br />

in Deutschland ist das Pensions- und Rentenalter mehr eine statistische<br />

Größe. Fast jeder Japaner arbeitet nach Ende seines ersten Berufslebens<br />

weiter. Er macht sich selbstständig oder übernimmt eine Stelle als Teilzeitkraft,<br />

Putzhilfe oder Wachmann. Die wenigsten Japaner verlassen sich auf<br />

die strapazierten Rentenkassen. Die Privatvorsorge ist für sie seit vielen<br />

Jahren eine Selbstverständlichkeit.<br />

Die finanzielle Absicherung der japanischen Senioren ist insgesamt sehr<br />

gut. Sie sind eine sehr attraktive, wachsende und heftig umworbene<br />

Zielgruppe. Nach Schätzungen des japanischen Wirtschaftsministeriums<br />

hat allein der so genannte “Silbermarkt“ für Pflege-, Gesundheits- und<br />

Hilfsprodukte ein Volumen von 30 Mrd. Euro. Analysten erwarten davon<br />

einen kräftigen Wachstumsschub, da Japans Senioren mehr als die<br />

anderen Bevölkerungsgruppen ausgegeben und immer mehr zu einer<br />

wichtigen Konjunkturstütze werden. Vor allem die Reisebranche und die<br />

Vermögensverwalter schätzen die Pensionäre. Das Reisebüro Kintetsu<br />

56 Herwig, Oliver: „Die jungen Alten“, form 206, Sonderheft: Universal Design, Juli/August 2006<br />

http://www.form.de/data/u/Universal_Design.pdf, S. 3–8<br />

68


international bietet 200 Interessenclubs an, mit denen Gleichgesinnte<br />

Weltreisen unternehmen. Die Finanzinstitute schalten aufwendige Werbespots,<br />

die sich an diese Kunden richten, und bieten auf sie zugeschnittene<br />

Dienstleistungen.<br />

Japanische Mobilfunkgesellschaften bieten Handys mit größeren Tasten<br />

an. Sie sind einfacher zu bedienen als die High-Tech-Turboversionen für die<br />

Jugend. Japans größter Sanitärhersteller entwickelt laufend neue Toiletten<br />

und Badezimmereinrichtungen für ältere Kunden, die im reinlichkeitsbedachten<br />

Japan auch von der jüngeren Generation sehr geschätzt werden.<br />

Ein Beispiel ist eine Toilette, die sich von allein öffnet und selbstständig<br />

reinigt. Sie kann auf Wunsch mit verschiedenen Stützfunktionen für pflegebedürftige<br />

Menschen geliefert werden. Die Kosmetikbranche geht sehr<br />

offensiv auf die Seniorengeneration zu. Marktführer Shiseido veranstaltet<br />

in Kaufhäusern und Pflegeheimen Seminare für “erfolgreiches Altern“<br />

und investiert darüber hinaus auch in die Forschung für entsprechende<br />

Produkte. Ein Beispiel ist ein Pulver, das mithilfe nanotechnologischer<br />

Lichtspiegelungen Falten kaschiert.<br />

Die japanischen Hersteller vermeiden es, beim Produktmarketing das<br />

Alter in den Vordergrund zu stellen. Die Pensionäre fühlen sich nicht alt<br />

und wollen auch entsprechend behandelt und angesprochen werden. Die<br />

Marketingabteilungen vieler Unternehmen haben sich deshalb auf das<br />

Konzept „Universal Design“ verständigt, dass die Nutzung quer durch alle<br />

Altersgruppen suggeriert. Das Nobelwarenhaus Matsuya auf der Tokioter<br />

Glitzermeile Ginza hat etwa 200 Universal Design-Produkte im Sortiment,<br />

die oft ganz unauffällig Altersprobleme kaschieren. Beispiele sind modische<br />

Garderobe mit weiter geschnittenen Schultern oder größeren<br />

Knopflöchern, rutschfeste Badematten oder extra laute Wecker.<br />

Noch sind nur sieben von 100 Chinesen älter als 65 Jahre. Weil die Geburtenzahlen<br />

infolge der Einkindpolitik der Regierung seit 1980 sinken und<br />

weil gleichzeitig die Lebenserwartung der Chinesen noch steigt, wird es<br />

jedoch bald mehr alte und weniger junge Chinesen geben. Schon in 20<br />

Jahren wird sich der Anteil der Bürger über 65 Jahre in China verdoppelt,<br />

in 40 Jahren mehr als verdreifacht, vielleicht sogar vervierfacht haben.<br />

Obwohl die Einkindpolitik vor allem auf dem Lande nicht ausnahmslos<br />

durchgehalten worden ist, wurde das Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern<br />

nachhaltig gestört. Chinesische Familien wünschen sich vor<br />

allem Söhne, auch weil nur Söhne traditionell zum Unterhalt der Eltern<br />

verpflichtet sind. Wenn das erste Kind eine Tochter ist, dürfen die Eltern auf<br />

dem Land noch einmal versuchen, einen Sohn zu bekommen. Ultraschalldiagnostik<br />

und selektive Abtreibungen sorgen dafür, dass zweite oder gar<br />

dritte Geburten meist Söhne werden. Schon in 15 Jahren werden mehr als<br />

30 Millionen junge Chinesen keine einheimische Frau finden können.<br />

Viele junge Chinesen in den Städten sind Einzelkinder. Wenn sie heiraten,<br />

stellt sich die Frage, ob die junge Familie irgendwann einmal für vier alte<br />

Menschen sorgen kann und ob der Tradition entsprechend die junge Frau<br />

eher die Eltern ihres Mannes als ihre eigenen pflegen soll. Hinzu kommt,<br />

dass es für die Mehrheit der Chinesen, die immer noch auf dem Lande<br />

69<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

exkurs:<br />

DemograpHIscHer<br />

wanDel In cHIna


lebt, praktisch keine soziale Sicherheit jenseits der eigenen Familie und<br />

der Kinder gibt. Zudem geht der Verstädterungsprozess mit der Auflösung<br />

der erweiterten Familie und der Durchsetzung der Kernfamilie einher, was<br />

die Versorgung der Alten im Haushalt erschwert.<br />

Die Abwanderung unterbeschäftigter Bauern in die Stadt sorgt weiterhin<br />

dafür, dass die Wirtschaft Arbeiter findet. Weil die Familien die Absicherung<br />

der Alten immer weniger leisten können, stellt sich die Frage<br />

nach der Belastbarkeit des chinesischen Staates. Noch betragen Chinas<br />

Staatsschulden rund ein Sechstel seines Bruttoinlandsprodukts. Aber die<br />

Übernahme „fauler“ Kredite der Staatsbanken an die Staatsbetriebe allein<br />

würde die Staatsschulden mehr als verdoppeln. Die Kapitaldeckung für<br />

mindestens einen Teil der künftigen Rentenansprüche der Städter, die<br />

Chinas Führung anstrebt, setzt die Weiterentwicklung der Kapitalmärkte<br />

und angemessene Kapitalerträge voraus. Während der Westen erst reich<br />

wurde und jetzt ergraut, wird China also grau sein, bevor es wirklich reich<br />

geworden sein kann.<br />

57 FAZ vom 11. September 2006, S. 12<br />

70


7 gestaltungsfelder der<br />

senIorenWIrtschaft<br />

Das Altern der Gesellschaft ist nicht nur mit Belastungen und Risiken<br />

verbunden, sondern es bietet auch Perspektiven für Wirtschaft und<br />

Beschäftigung. Der Begriff <strong>Seniorenwirtschaft</strong> greift diese Chancen auf<br />

und macht deutlich, dass alte Menschen nicht eher Last für das soziale<br />

System sind, sondern eine bisher vernachlässigte wirtschaftlich potente<br />

und politisch starke Gruppe, deren Gewicht in den nächsten Jahren weiter<br />

zunehmen wird.<br />

Die übergeordneten Ziele der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> sind gesellschaftspolitischer<br />

Natur und zielen darauf ab, SeniorInnen mehr Möglichkeiten zur<br />

Teilhabe und zur Selbstverwirklichung zu eröffnen und ihre Lebensqualität<br />

zu verbessern. Zum anderen sind sie ökonomisch orientiert und wollen<br />

zur Erschließung der Kundengruppe SeniorInnen beitragen und die Wirtschaft<br />

dahin gehend sensibilisieren, angemessene Produkte und Dienstleistungen<br />

für Ältere zu entwickeln und zu vermarkten.<br />

Die bisherigen Erfahrungen vor allem in Nordrhein-Westfalen zeigen, dass<br />

sich eine so verstandene (Sozial-)Politik für ältere Menschen durchaus<br />

mit dem marktwirtschaftlich orientierten Denken von Unternehmen in<br />

Einklang bringen lässt und dass es im Interesse des Gemeinwohls ist,<br />

diese unterschiedlichen Ziele zusammenzubringen.<br />

Eine klar konzipierte seniorenorientierte Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung<br />

erfolgt weder bei der Stadt noch im Landkreis Göttingen. Sowohl<br />

die Verwaltungschefs der kreisangehörigen Kommunen als auch Gesellschaften<br />

wie WRG, GWG und Wirtschaftsförderung- und Erschließungsgesellschaft<br />

Hann. Münden bestätigen, dass ihre Arbeit nicht spezifisch<br />

seniorenorientiert ausgerichtet ist. Insbesondere bei WRG und GWG wird<br />

aber attestiert, dass die Senioren angesichts ihrer steigenden Bedeutung<br />

in der Gesellschaft erhöhter Aufmerksamkeit bedürfen. Dies gelte jedoch<br />

weniger für öffentliche Initiativen als für die strategische Ausrichtung<br />

privater Leistungsanbieter.<br />

Als zentraler Wert unserer Gesellschaft ist Wohnen Ausdruck von Individualität,<br />

Selbstbestimmung, Repräsentation und Lebensqualität und ist<br />

damit ein wichtiger Faktor in der <strong>Seniorenwirtschaft</strong>. Ältere Menschen<br />

verbringen mit zunehmendem Alter einen immer größeren Teil ihrer Zeit<br />

zu Hause. Durch gesundheitliche Einschränkungen verringert sich der Aktionsradius,<br />

und die Bedeutung des Wohnumfeldes für die Lebensqualität<br />

steigt. Beziehungen und Kontaktmöglichkeiten bieten Unterstützung und<br />

gleichzeitig die Möglichkeit, eigene Fähigkeiten aktiv ins Gemeinschaftsleben<br />

einzubringen. Besonders für allein lebende Menschen spielt dieser<br />

Aspekt eine wichtige Rolle. Abgesehen vom ideellen Wert der eigenen<br />

Wohnung tragen zusätzlich die oft niedrigen Mieten (aufgrund langjähriger<br />

Mietverhältnisse) dazu bei, dass die Bereitschaft, das vertraute Umfeld<br />

zu verlassen, gering ist. Doch dem Wunsch des Verbleibens in der heimischen<br />

Umgebung bei aufkommender Pflegebedürftigkeit sind in der<br />

Praxis oft Grenzen gesetzt. Diese bestehen einerseits in der Finanzierung<br />

71<br />

woHnen


von Unterstützungsdienstleistungen, deren Qualität und Koordination,<br />

aber auch im zunehmenden Verlust familiärer Hilfepotenziale, z. B. durch<br />

die hohe Arbeitsmobilität der jüngeren Generationen.<br />

In den vergangenen Jahren wurden technologische Neuerungen entwickelt,<br />

die das Leben in den eigenen vier Wänden unterstützen. Trotz der<br />

genannten Probleme verfügen ältere Menschen heute über eine Vielzahl<br />

von Möglichkeiten und Hilfen, ihr Leben in den eigenen vier Wänden selbstbestimmt<br />

so lange wie möglich weiterzuführen. In den verschiedenen<br />

Wohnformen und Wohnbedürfnissen spiegeln sich die soziokulturellen Unterschiede<br />

wider. Abhängig von Alter, Wohnort, Familienstand, Haushaltsgröße,<br />

Vermögen, Bildungsstand und eventuellem Migrationshintergrund<br />

bestehen höchst unterschiedliche Voraussetzungen und Ansprüche bzw.<br />

Fähigkeiten, das Wohnen im Alter zu planen und gestalten. Angesichts<br />

fortschreitender gesellschaftlicher Ausdifferenzierung von Lebensstilen<br />

ist davon auszugehen, dass sich diese Unterschiede, vor allem unter<br />

den “jüngeren Älteren“, weiter ausprägen werden und dass mit höchst<br />

differenzierten Nachfragemustern zu rechnen ist.<br />

Die Nachfrage nach altengerechten Wohnformen wird aufgrund der demographischen<br />

Veränderungen in den kommenden Jahren zunehmen.<br />

Für bestimmte Altersgruppen lassen sich generalisierende Annahmen<br />

bezüglich ihrer Wohnbedarfe treffen :<br />

Die Wohnbedürfnisse der “Jungsenioren“ (etwa 60–70 Jahre) sind durch<br />

Komfort- und Freizeitorientierung geprägt. Aufgrund der meist vorangegangenen<br />

Konsolidierung der Wohnsituation ist die Mobilität in dieser<br />

Lebensphase relativ gering. 0<br />

Im Alter der “Senioren“ (etwa 70–80 Jahre) entstehen die ersten Bedarfe<br />

für vorpflegerische Hilfeleistungen, die häufig noch Komfortcharakter<br />

haben, aber dazu beitragen, eine selbstständige Lebensführung aufrechtzuerhalten.<br />

Nun werden dementsprechend Wohnraumanpassungsmaßnahmen,<br />

Betreutes bzw. Service-Wohnen und Angebote der Altenhilfe<br />

interessant.<br />

In der Gruppe der “Hochbetagten“ (über 80 Jahre) steigt die Pflegefallwahrscheinlichkeit<br />

an. In dieser Altersgruppe gewinnt die Pflegeeignung der<br />

Wohnung im Zusammenhang mit aufsuchender Betreuung an Bedeutung<br />

(z. B. ausreichende Bewegungsflächen, Ausstattung des Badezimmers<br />

und Dienstleistungen wie hauswirtschaftliche Hilfen, Essen auf Rädern<br />

etc.), ebenso die ambulante und auch die stationäre Pflege.<br />

Im Gegensatz zu Begriffen wie seniorengerecht, altengerecht, behindertenfreundlich<br />

und barrierearm, die unterschiedlich ausgeprägte Formen<br />

der Gebäudeausstattung und Umfeldgestaltung im Hinblick auf die Bedürfnisse<br />

Älterer und behinderter Menschen beschreiben, ist “Barrierefreiheit“<br />

ein gesetzlich festgelegtes baulich-technisches Qualitätsmerkmal.<br />

58 Steffens et al. 2004, S. 7<br />

59 Eichener 2004<br />

60 Vgl. auch LTS 2005: “Perspektiven der Wohnungsnachfrage. Wohnungsprognose 2010/2015“, Wohnungsnachfragemuster<br />

nach Lebensphasen, S. 15<br />

61 Steffens et al. 2004, S. 9<br />

72


Das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf Bundesebene<br />

schreibt Barrierefreiheit für neu gebaute oder zu sanierende öffentliche<br />

Räume vor. Barrierefrei bedeutet, dass jeder Mensch alle Bereiche seines<br />

Lebensraums betreten, befahren und weitgehend ohne fremde Hilfe benutzen<br />

kann. “Barrierefrei” bezieht sich nicht nur auf das Wohnen Älterer,<br />

sondern im Sinne von “Universal Design“ auf alle: Alte, Junge, Kinder, Kranke<br />

und Behinderte. Die Niedersächsische Bauordnung schreibt seit 2003<br />

vor, dass bei Neubauten mit mehr als vier Wohnungen, die Wohnungen<br />

eines Geschosses barrierefrei sein müssen. In jeder achten Wohnung<br />

eines Gebäudes müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein<br />

Bad und die Küche oder Kochnische zusätzlich rollstuhlgerecht sein, wenn<br />

dies nicht mit unverhältnismäßigem Mehraufwand verbunden ist.<br />

Die DIN 18 025 Teil 2 legt die Standards für behinderten- und pflegegerechten<br />

Wohnraum fest. Sie enthält Vorgaben zu notwendigen Bewegungsflächen,<br />

zur Vermeidung von Stufen und Schwellen beim Zugang zur<br />

und innerhalb der Wohnung sowie notwendige Türbreiten und Höhen von<br />

Bedienungselementen. DIN 18 025 Teil 2 hat sich nach ihrer Einführung<br />

zum Standard für altersgerechtes Bauen entwickelt, dessen Einhaltung<br />

bei Neubauten Mehrkosten in einer Größenordnung von lediglich rund<br />

fünf Prozent erfordert.<br />

Normgerecht “barrierefrei“ wird bisher in erster Linie im öffentlichen Raum,<br />

in Pflegeeinrichtungen sowie bei neuen Objekten gebaut. Barrierefreiheit<br />

in älteren Gebäuden umzusetzen ist baulich schwierig (vielfach fehlt Platz<br />

für einen Lift) und meist unwirtschaftlich.<br />

Der Begriff “seniorengerecht“, der streng genommen auch die Qualität<br />

des Wohnumfeldes umfasst, wird im Folgenden lediglich auf die technisch-bauliche<br />

Eignung der Wohnung für das Leben im Alter bezogen. Es<br />

sind Fragen wie diese zu diskutieren: Welche Ansprüche bestehen an das<br />

Wohnen im Alter? Wie wohnen Menschen über 50 in Stadt und Landkreis<br />

Göttingen? Welche Angebote gibt es und wo liegen Versorgungsdefizite?<br />

Welche Strategien verfolgen Anbieter bezüglich der wachsenden Nachfragergruppe<br />

der SeniorInnen?<br />

Die Antworten auf diese Fragen lassen ein Bild entstehen, das Chancen<br />

oder Defizite im Bereich Wohnen im Untersuchungsraum aufzeigen. Anschließend<br />

werden aktuelle Trends benannt und Vorbilder aus anderen<br />

Regionen vorgestellt. Daraus werden Handlungsempfehlungen für Sicherung<br />

und Schaffung von Beschäftigung durch die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> im<br />

Bereich des Wohnens abgeleitet und bewertet. Die verschiedenen Wohnangebote<br />

für ältere Menschen werden gesondert untersucht. Ausgehend<br />

von dem quantitativ umfangreichsten Bereich des traditionellen Wohnens<br />

im eigenen Zuhause, prüft die Studie das Angebot im Bereich des so<br />

genannten Betreuten oder Service-Wohnens, dem Wohnen in stationären<br />

Einrichtungen (Alten bzw. Pflegeheime) und untersucht einige der in den<br />

letzten Jahren entstandenen neuen Wohnformen, beispielsweise das<br />

selbst organisierte gemeinschaftliche Wohnen in Hausgemeinschaften.<br />

62 KDA 2005<br />

63 http://www.baurecht.de/landesbauordnung-niedersachsen.html<br />

64 Steffens 2005, S. 15<br />

73<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Wohnen zu Hause<br />

„Wir haben ein Haus im Grünen für uns alleine. Als unsere Kinder ausgezogen<br />

sind, wollte meine Frau unbedingt, dass wir ins Erdgeschoss<br />

ziehen. Heute bin ich froh darüber, dass sich meine Frau durchgesetzt<br />

hat. Jetzt haben wir nur noch vor dem Haus Stufen.“ (Hann. Münden)<br />

„In der Altstadt von Hann. Münden ist praktisch kein Haus seniorengerecht.<br />

Fahrstühle kann man auf dem Hof nicht bauen – das wird nicht<br />

genehmigt. Innerhalb der Häuser geht das erst recht nicht. In Hann.<br />

Münden stehen schon 200 Häuser leer, die nicht vermietbar sind.“<br />

(Hann. Münden)<br />

„Viele Ältere würden gerne in der Innenstadt wohnen, aber nur, wenn<br />

es dort auch Fahrstühle gebe. Es wäre doch prima, wenn man die Wohnebenen<br />

der Häuser miteinander verbinden würde und für mehrere<br />

Gebäude auf dem Hinterhof Fahrstühle installieren würde. Ich würde<br />

mich an der Vorbereitung gerne beteiligen und eine Bestandsaufnahme<br />

machen.“ (Duderstadt)<br />

„Ich bin jetzt 80 und habe mich auf mein Alter eingestellt. Man muss<br />

akzeptieren, alt zu werden. Ich reise gerne, man muss aber auch eine<br />

altersgerechte Wohnung haben. Ich habe nur ein ganz großes Problem,<br />

das Schneeschippen im Winter, das schaffe ich einfach nicht.“ (Hann.<br />

Münden)<br />

„Ich wohne im zweiten Stock. Das Treppensteigen macht mir nichts<br />

aus, ich habe neue Kniegelenke. Am Armband habe ich einen Sender,<br />

darüber bin ich mit dem ASB verbunden, der auch einen Schlüssel für<br />

meine Wohnung hat. Das kostet zwar 35 Euro im Monat, ist mir aber<br />

sehr wichtig. Bei Pflegestufe I übernimmt die Pflegekasse diese Kosten<br />

bei einem Eigenanteil von 8 Euro. Teilweise übernehmen das auch die<br />

Krankenkassen nach einer geriatrischen Diagnose, wenn z. B. Sturzgefahr<br />

besteht. Die Frage ist doch nur, wer informiert die Senioren darüber?“<br />

(Hann. Münden)<br />

„Ich bin schon in zwei Heimen angemeldet, aber will so lange wie<br />

möglich in meiner Wohnung bleiben. So lang man noch selbstständig<br />

wohnen kann, macht man das, bedeutet auch Freiheit und Individualität!”<br />

(Göttingen)<br />

„Ich wohne mit meiner Tochter und meiner Enkeltochter zusammen.<br />

Für meine Tochter erledige ich den ganzen Schriftverkehr. Neulich war<br />

ich eine Woche weg, als ich zurückkam, fand ich einen Zettel auf den<br />

Küchentisch. Dort hieß es, es wird Zeit, dass Du zurück bist, Du fehlst<br />

uns.“ (Hann. Münden)<br />

„In meine Dusche komme ich nicht mehr rein, deshalb kommt immer<br />

eine junge Frau, die mich zweimal die Woche duscht. Ein Umbau der<br />

Dusche würde 2.000 Euro kosten. Die Baugenossenschaft hat mir gesagt,<br />

dass das meine Krankenkasse bezahlen müsste. Da ich aber noch nicht<br />

in der Pflegeversicherung bin, zahlt sie nicht.“ (Göttingen)<br />

74


Bei der Wertschätzung des Wohnens zu Hause wird oft übersehen, dass<br />

der eigene Wohnraum eine Reihe von Risiken aufweist. Dies können Treppen,<br />

Stufen, Stolperfallen an Teppichen und Barrieren sein. Besonders in<br />

Altbauten bergen schadhafte Installationen, geringe Bewegungsflächen,<br />

unfallträchtige Badezimmer mit fehlenden Haltegriffen oder Türschwellen<br />

erhebliche Einschränkungen und Verletzungsgefahren. Eine rechtzeitige<br />

Anpassung des Wohnraums an die veränderten Bedürfnisse des Alters<br />

kann so einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Eigenständigkeit leisten<br />

und einer Pflegebedürftigkeit entgegenwirken.<br />

Die altersgerechte Anpassung einer Wohnung – z. B. durch Installation<br />

von Haltegriffen und Geländern, den Einbau eines Aufzuges oder Treppenlifters,<br />

die Beseitigung von Türschwellen oder die Installation einer<br />

bodengleichen Dusche – tragen dazu bei, körperliche Beeinträchtigungen<br />

zu kompensieren. Anpassungsmaßnahmen müssen individuell auf die<br />

spezifische Wohnsituation zugeschnitten sein und am besten so gestaltet<br />

werden, dass sie erweitert werden können. Deshalb sind qualifizierte Beratungsangebote<br />

wichtig. Bereits kleine Maßnahmen, wie das Umstellen<br />

der Möbel und die Entfernung von Stolperfallen, können risikomindernd<br />

sein und die Wohnqualität erhöhen. Darüber hinaus sind auch Hilfe- und<br />

Betreuungsmöglichkeiten (Familie, Hausnotrufsysteme, ambulante Dienste)<br />

bedeutsam, um auch bei entstehendem Pflegebedarf nicht umziehen<br />

zu müssen.65<br />

Gesunde ältere Menschen, also solche, die keine Leistungen aus der<br />

Pflegeversicherung erhalten, lassen sich statistisch praktisch nicht von<br />

anderen Altersgruppen unterscheiden. Um dennoch zu Aussagen über<br />

die Quantitäten des Wohnstatus älterer Menschen in den Kommunen<br />

des Untersuchungsraums zu kommen, wurden Daten des Niedersächsischen<br />

Landesamtes für Statistik (NLS) in Verbindung mit weiteren<br />

regionalstatistischen Studien ausgewertet. Sie geben Auskunft über die<br />

Altersstruktur in den Gemeinden und über den Bestand an Wohngebäuden<br />

und Wohneinheiten. Die Landestreuhandstelle berechnet die so genannte<br />

Eigenheimquote, die eine Annäherung an das Verhältnis der im Eigentum<br />

und zur Miete wohnenden Bevölkerung ermöglicht.<br />

Es erscheint sinnvoll bezüglich des Wohnens im Alter zwischen Mietern<br />

und Bewohnern von Eigentum zu differenzieren, da sich trotz ähnlicher<br />

Probleme unterschiedliche Lösungen zur Steigerung der Lebensqualität<br />

zu Hause anbieten. Mieter sind auf den Wohnungsmarkt und dessen<br />

Angebot angewiesen und müssen evtl. den Wohnort wechseln, falls die<br />

derzeitige Wohnung ein Verbleiben im Alter nicht erlaubt. Eigentümer sehen<br />

sich mit der Verantwortung konfrontiert, die Anpassung ihrer Wohnung<br />

an die Bedürfnisse des Alterns selbst zu organisieren, zu gestalten und<br />

zu finanzieren, sofern sie planen, ihren Lebensabend dort zu verbringen.<br />

Zwar existiert auf Bundesebene eine ganze Reihe von Untersuchungen bezüglich<br />

der Wohnwünsche und Probleme älterer Menschen, auf regionaler<br />

Ebene sind derartige Informationen jedoch nur für Teilräume verfügbar.66<br />

Um eine realitätsnahe Einschätzung der Situation in Stadt und Landkreis<br />

65 Vgl. Bertelsmannstiftung et al. (Hrsg.) 2005, S. 13<br />

66 GEWOS 2005: “Göttingen 2020.- Wohnungsmarktanalyse und –prognose“<br />

75<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Göttingen zu erhalten, führte der <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen<br />

Bürgerbefragungen an verschiedenen Orten des Landkreises durch. Zwar<br />

kann die Befragung aufgrund der geringen Größe der Stichprobe nicht<br />

als repräsentativ gelten, dennoch liefert sie, durch andere Daten ergänzt,<br />

einen Querschnitt, um die in der Literatur beschriebenen Annahmen zu<br />

prüfen.<br />

Im Anschluss wird das Angebot altengerechten Wohnraums und dessen<br />

Verfügbarkeit in Stadt und Landkreis Göttingen beschrieben. Dies bezieht<br />

sich vor allem auf Mietwohnungen. Regionalspezifisch wurden dazu Angaben<br />

einiger größerer Anbieter der in Stadt und Landkreis ansässigen<br />

gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften ausgewertet. Die Ergebnisse<br />

einer Befragung der Mitglieder des Haus- und Grundeigentümervereines<br />

Duderstadt erlauben stichprobenartig (28 Fälle) Rückschlüsse auf die<br />

Situation kleinerer Anbieter. Die Hypothese unterstellt, dass diese Anbietergruppe<br />

über geringere Investitionskapazitäten bei gleichzeitig höheren<br />

Betriebskosten verfügt und nicht so stark auf die Nachfragerbedürfnisse<br />

eingeht wie Großunternehmen, die sich gezielter und professioneller am<br />

Markt positionieren.<br />

Abgefragt wurde, was für den Einzelnen (sowohl als Nachfrager als auch<br />

Anbieter) unter seniorengerechtem Wohnen verstanden wird. Zusätzlich<br />

wurden Interviews mit Vertretern von Wohnungsunternehmen, Betreibern<br />

von Wohneinrichtungen, Beratungseinrichtungen, dem Mieterverein<br />

Göttingen, Vertretern von Kommunalverwaltungen, der Architektenkammer<br />

Niedersachsen und dem Ministerium für Soziales, Frauen, Familie<br />

und Gesundheit durchgeführt. Makler- und Hausverwaltungsfirmen<br />

wurden telefonisch befragt. Ergänzend dazu gingen auch Ergebnisse<br />

von Studien der GEWOS zur Wohnungsmarktsituation und -Entwicklung<br />

Niedersachsen/Bremen und in Göttingen, Bovenden und Rosdorf in die<br />

<strong>Potenzialanalyse</strong> ein.<br />

Der Untersuchung der Angebote in Stadt und Landkreis Göttingen liegt die<br />

Annahme zugrunde, dass zwischen den Städten Göttingen, Duderstadt<br />

und Hann. Münden und dem übrigen Teil des Landkreises teilweise große<br />

Unterschiede hinsichtlich Wohnungsangeboten und Gebäudebestand<br />

bestehen. Das gilt auch für Infrastruktur, Versorgung und Erreichbarkeit.<br />

Wie in der Regionalanalyse des <strong>Regionalverband</strong>es dargestellt, lebten am<br />

31. Dezember 2005 im Untersuchungsraum 90.247 Menschen über 50<br />

Jahre. Im Bezugsjahr 2004 gehörten 31.201 der Altersgruppe zwischen 50<br />

und 60 an (11,8 Prozent der Gesamtbevölkerung), 28.477 Personen waren<br />

zwischen 60 und 70 (10,8 Prozent von Gesamt) und 30.599 Menschen älter<br />

als 70 Jahre alt (entspricht 11,6 Prozent).67 Die über 50-Jährigen machen<br />

damit einen Anteil von 34,3 Prozent der Gesamtbevölkerung in Stadt und<br />

Landkreis Göttingen aus.<br />

Für das Jahr 2004 wurde einen Bestand von 53.968 Gebäuden mit insgesamt<br />

121.162 Wohnungen im gesamten Landkreis ermittelt.68 Daraus<br />

ergibt sich die von der LTS (Landestreuhandstelle) berechnete Eigenheim-<br />

67 NLS 2004, Bevölkerungsstand<br />

68 NLS 2004, Gebäude- und Wohnungsfortschreibung<br />

76


quote. Gebäude mit ein und zwei Wohnungen werden laut Mikrozensus<br />

2004 zu über 90 Prozent von den Eigentümern selbst genutzt. Auf dieser<br />

Basis wurde die Eigenheimquote für die Gemeinden des Landkreises<br />

gebildet.69 Demzufolge liegt die durchschnittliche Eigenheimquote des<br />

gesamten Landkreises bei 46,7 Prozent (Daten von 2004), für den Durchschnitt<br />

der ländlichen Gemeinden (ohne die Stadt Göttingen, Duderstadt<br />

und Hann. Münden) jedoch bei 79,3 Prozent. Die Stadt Göttingen weist eine<br />

Eigenheimquote von lediglich etwas über 27 Prozent auf. In Duderstadt<br />

liegt sie bei 80 Prozent und in Hann. Münden beträgt sie 51 Prozent.70 Es<br />

zeigt sich also, dass die Anteile regional stark variieren und die ländlichen<br />

Gemeinden des Landkreises weitaus höhere Eigenheimquoten als die<br />

städtischen Räume aufweisen.<br />

An der Straßenbefragung im Sommer 2006 nahmen insgesamt 251<br />

Menschen aus der Altersgruppe 50plus teil. Davon waren 97 Männer<br />

(38,6 Prozent) und 154 Frauen, 33,9 Prozent gehörten zur Gruppe der<br />

50- bis 59-Jährigen, 41,4 Prozent waren zwischen 60 und 69 und 24,7<br />

Prozent über 70. Befragte aus der Stadt Göttingen gaben zu 57 Prozent<br />

(78 Befragte) an, in einem eigenen Haus bzw. einer Eigentumswohnung<br />

zu leben, 44 Prozent wohnen zur Miete. In der Stadt Duderstadt (25 Befragte)<br />

leben 56 Prozent in Eigentum und 44 Prozent zur Miete, in Hann.<br />

Münden (37 Befragte) waren es 51 Prozent gegenüber 49 Prozent Mietern.<br />

Die 103 Befragten aus dem übrigen Kreisgebiet gaben an, zu 86 Prozent<br />

in eigenem Wohnraum zu leben, nur 14 Prozent wohnen zur Miete. Insgesamt<br />

leben 31,8 Prozent der Befragten zur Miete, 15 Prozent in einer<br />

Eigentumswohnung und 53 Prozent in eigenem Haus, es ergibt sich also<br />

ein Mieter-Eigentümerverhältnis von eins zu zwei. Damit bestätigt das<br />

Ergebnis der Befragung die o. g. Statistik. Der Anteil der Eigentümer ist<br />

in allen Altersgruppen ungefähr gleich.<br />

69 LTS Wohnortblitzlicht 2004<br />

70 Es ist anzunehmen, dass die Eigenheimquote bei über 50-Jährigen im Vergleich zum Durchschnitt<br />

der Gesamtbevölkerung um einige Prozentpunkte höher liegt.<br />

77<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Abbildung 12: Eigenheim-<br />

quote (eigene Berechnung<br />

mit Daten der LTS)


Abbildung 13:Wohnformen,<br />

Ergebnisse der Bürger-<br />

umfrage<br />

Die meisten Befragten sind Eigentümer. Ihnen fällt die Verantwortung der<br />

Wohnungsgestaltung selbst zu. Somit sind sie, auch unter Aspekten der<br />

Beschäftigungsförderung, die Hauptzielgruppe für Handwerksdienstleistungen<br />

und wohnungsbezogene Produkte.<br />

Ein Viertel der Befragungsteilnehmer lebt allein. 55 Prozent leben in Zweipersonenhaushalten<br />

und die restlichen 20 Prozent in Haushalten mit drei<br />

oder mehr Personen. Dies entspricht weitgehend den durchschnittlichen<br />

Haushaltsgrößen dieser Altersgruppe in Niedersachsen. Mehr als die<br />

Hälfte (55 Prozent) der Befragten gaben an, bereits in Rente zu sein, 6,3<br />

Prozent beziehen eine Pension, 20 Prozent sind noch erwerbstätig und<br />

knapp 20 Prozent erwerbslos.<br />

58 Prozent fühlen sich, unabhängig vom Bildungsstand, ausreichend über<br />

das “Wohnen im Alter“ informiert. Diese Aussage muss dahingehend relativiert<br />

werden, dass nicht näher spezifiziert wurde, was unter ausreichend<br />

verstanden wird. Es zeigt sich jedoch, dass sich die Mehrheit bereits mit<br />

dem Thema auseinandergesetzt hat und weiß, dass das Wohnen im Alter<br />

mit speziellen Bedingungen und Anforderungen verbunden ist. Damit ist<br />

aber noch nicht sichergestellt, dass sich der Einzelne über seine Wohnwünsche<br />

im Klaren ist und die bestehenden Möglichkeiten kennt. Hier<br />

kann Wohnberatung wichtige Leistungen erbringen.<br />

In welchem Umfang Kriterien seniorengerechten Wohnens bekannt sind<br />

und wahrgenommen werden, zeigt sich an den Antworten auf die Frage<br />

„Was macht für Sie seniorengerechtes Wohnen aus?“. Hier wurden vor<br />

allem der Zugang zur Wohnung, die Ausstattung des Badezimmers und<br />

das Fehlen von Türschwellen genannt. Auch sah fast die Hälfte der Befragten<br />

die Breite der Innentüren als wichtiges Kriterium einer seniorengerechten<br />

Wohnung an. Der Zuschnitt der Räume (34 Prozent), die Beratungsangebote<br />

(24 Prozent) und andere Kriterien (10 Prozent) spielen eine<br />

71 NLS Mikrozensus 2004, S. 27<br />

78


untergeordnete Rolle. Dies entspricht weitgehend der von Anbieterseite<br />

beschriebenen Auffassung von Seniorengerechtigkeit. Auch im Rahmen<br />

einer von der GEWOS durchgeführten Untersuchung zur Mieterzufriedenheit<br />

im Auftrag der Volksheimstätte gehörte der Zugang zur Wohnung und<br />

die Ausstattung des Badezimmers zu den meistgeäußerten Wünschen<br />

bezogen auf eine altersgerechte Wohnung.<br />

Interessant ist, dass Eigentumswohnungen hinsichtlich der Zugänglichkeit,<br />

Breite der Innentüren und Schwellenfreiheit sowie Bewegungsflächen<br />

innerhalb der Wohnung am ehesten den Kriterien des seniorengerechten<br />

Wohnens entsprechen. Auch nicht näher spezifizierte andere Kriterien<br />

sind hier am häufigsten vorhanden. Erhöhte Toilettensitze finden sich am<br />

häufigsten in Einfamilienhäusern, die Ausstattung mit bodengleichen<br />

Duschen vor allem in Mietwohnungen.<br />

79<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Abbildung 14: „Was macht für sie<br />

seniorengerechtes Wohnen aus?“,<br />

Ergebnisse der Bürgerumfrage<br />

Abbildung 15: Eigenschaften<br />

von Wohnungen, Ergebnisse<br />

der Bürgerumfrage


Abbildung 16: Eignung<br />

derzeitiger Wohnungen,<br />

Ergebnisse der Bürger-<br />

umfrage<br />

Durchschnittlich bewerten Eigentümer die Qualität ihrer Wohnung bezüglich<br />

des Alterns zu Hause deutlich höher als Mieter. Insgesamt finden<br />

knapp 28 Prozent ihre Wohnung absolut ausreichend geeignet, 40,6 Prozent<br />

eingeschränkt ausreichend; 25,8 Prozent meinen, ihre Wohnung sei<br />

nicht besonders gut geeignet und 5,7 Prozent geben an, ihre Wohnung sei<br />

absolut ungeeignet. Es zeigt sich, dass eine Nachfrage für Maßnahmen<br />

der Wohnungsanpassung im Privatsektor bei mehr als zwei Drittel der<br />

Befragten in unterschiedlichem Umfang besteht.<br />

Im Mietsektor halten lediglich 18 Prozent ihre Wohnung für absolut auseichend<br />

geeignet, immerhin 46 Prozent der Befragten für nicht besonders<br />

gut oder absolut ungeeignet. Dies weist darauf hin, dass der Bedarf an<br />

seniorengerecht ausgestatteten Mietwohnungen, trotz in den letzten<br />

Jahren im Zuge von Sanierungen hinzugekommener Wohnungen und<br />

neu gebauter Anlagen, nicht ausreichend gedeckt ist. Hier besteht die<br />

Möglichkeit bzw. Notwendigkeit, mittels handwerklicher Dienstleistungen<br />

nachzurüsten oder neue Angebote zu schaffen.<br />

Auf die Frage, ob geplant sei, dauerhaft in der eigenen Wohnung zu<br />

bleiben, ergaben sich nur geringe Unterschiede, auch innerhalb der<br />

verschiedenen Altersgruppen. Durchschnittlich geben 55 Prozent an,<br />

sie wollten zu Hause bleiben, 27 Prozent schränken diesen Wunsch mit<br />

“wenn möglich“ ein, aber immerhin 18 Prozent planen einen weiteren<br />

Umzug. Dabei ist die Bereitschaft bzw. Erwartung eines weiteren Umzugs<br />

bei den Jüngeren um einige Prozentpunkte höher (23 Prozent bei den bis<br />

60-Jährigen, 17 Prozent der bis 70-Jährigen und noch 12 Prozent der über<br />

70-Jährigen). Daran zeigt sich, dass eine überraschend hohe Mobilität im<br />

letzten Lebensabschnitt besteht und dementsprechend eine Nachfrage<br />

nach seniorengerechtem Wohnraum.<br />

Unabhängig von Alter und Bildung hatte sich nur ein Viertel der Befragungsteilnehmer<br />

bereits konkret mit einem Umbau ihrer Wohnung auseinandergesetzt.<br />

Auf die Frage, inwieweit sie bereit wären, einen finanziellen<br />

Beitrag zur Umgestaltung zu leisten (wobei der Umfang der Beteiligung<br />

nicht näher spezifiziert war), gaben immerhin 41 Prozent der Mieter, 61<br />

Prozent der Eigentumswohnungsbesitzer und 79 Prozent der Hausbesitzer<br />

an, sich finanziell engagieren zu wollen.<br />

80


Um diese Nachfrage bzw. das dahinter stehende Kaufkraftpotenzial abzuschätzen,<br />

sind ergänzende Daten über die jeweilige Einkommenssituation<br />

und den Umfang der erforderlichen Umbauten nötig. Dies konnte jedoch<br />

im Rahmen dieser Befragung nicht ermittelt werden. Soweit liefern die<br />

Antworten vor allem Hinweise darauf, dass das Bewusstsein einer Eigenverantwortung<br />

für dieses Thema relativ ausgeprägt ist. Dementsprechend<br />

besteht großes Interesse an Handwerksdienstleistungen aus einer Hand,<br />

70 Prozent der bis 50- bis 70-Jährigen und sogar 75 Prozent der über 70-<br />

Jährigen gaben an, dies bei Umgestaltungsmaßnahmen zu bevorzugen.<br />

Gefragt, wie man im Falle eines Umzuges am liebsten wohnen würde,<br />

ergaben sich unerwartete Ergebnisse. Im Durchschnitt aller Antworten<br />

zeigte sich, dass der Wunsch, in einer Seniorenwohnanlage zu leben, an<br />

erster Stelle steht (21 Prozent). Danach kommt das Wohnen in einer seniorengerechten<br />

Miet- oder Eigentumswohnung, das in allen Altersgruppen<br />

etwa gleich beliebt ist. Die Nachfrage nach seniorengerechten Mietwohnungen<br />

ist in Duderstadt und Hann. Münden am höchsten.<br />

Mit durchschnittlich 17 Prozent besteht großes Interesse an selbst organisierten<br />

Wohn- oder Hausgemeinschaften, am größten ist es unter den<br />

Jungsenioren und in der Stadt Göttingen. Dies kann als Hinweis auf die<br />

soziostrukturellen gesellschaftlichen Veränderungen (Stichwort Individualisierung)<br />

einerseits und die veränderten Einstellungen zum Alter andererseits<br />

gedeutet werden. Der Anteil derer, die das Alter mit der Familie<br />

erleben möchten, ist mit zehn Prozent insgesamt gering. Im ländlichen<br />

Raum sind es immerhin 17 Prozent. Dort sind familiäre Strukturen, um<br />

eine Versorgung im Alter zu ermöglichen, noch stärker vorhanden als in<br />

den Städten.<br />

Erwartungsgemäß ist das Pflegeheim als bevorzugter Alterswohnsitz am<br />

unpopulärsten und wird vor allem von älteren Senioren angestrebt. Die<br />

relativ geringe Präferenz des Mehrgenerationenwohnens, das vorwiegend<br />

von den Jungsenioren gewählt wurde, lässt sich mit dem bis dato geringen<br />

81<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Abbildung 17: Wohnformen-<br />

präferenz bei Umzug,<br />

Ergebnisse der Bürger-<br />

umfrage


Abbildung 18: „Welche der<br />

folgenden Wohnformen würden<br />

Sie im Falle eines Umzuges<br />

bevorzugen?“ (Nach Alter)<br />

Ergebnisse der Bürgerumfrage<br />

Verbreitungs- und Bekanntheitsgrad erklären, auch wenn es in Stadt und<br />

Landkreis Göttingen bereits eine Reihe derartiger Angebote gibt und weitere<br />

geplant sind. Möglicherweise begründet sich das geringe Interesse<br />

daran mit dem Wunsch Älterer nach Ruhe sowie einer Umgebung, die<br />

speziell für sie gestaltet wurde.<br />

Nach Beobachtungen von Maklern aus dem Landkreis Göttingen befassen<br />

sich viele Menschen bereits in der ersten Hälfte ihres sechsten<br />

Lebensjahrzehnts mit der Frage, wie sie im Alter wohnen wollen. Das<br />

Interesse an dieser Fragestellung hat demnach in den Jahren 2005 und<br />

2006 deutlich zugenommen. Häufig wird ein Zusammenhang zwischen<br />

dem Bildungsstand und der Langfristigkeit des Planungshorizonts beobachtet.<br />

Diese Korrelation bestätigte sich durch die Bürgerbefragung des<br />

<strong>Regionalverband</strong>es allerdings nicht. Der Informationsstand zum Thema<br />

Wohnen im Alter war hier durch alle Bildungsgruppen auch bei den 50- bis<br />

60-Jährigen etwa gleich verteilt. Viele dürften, einfach aus der Alltagspraxis<br />

mit älteren Angehörigen oder Bekannten heraus, bereits eine Vorstellung<br />

über ihre eigene Zukunft und die damit verbundenen Probleme des Alterns<br />

gewonnen haben.<br />

Die Anpassung des Wohnraums an das Alter scheitert häufig am organisatorischen<br />

Aufwand und der Finanzierung. Es wird oft übersehen, dass<br />

es eine Reihe von Fördermöglichkeiten gibt. Diese sind jedoch meist an<br />

eine bestehende, gesundheitliche oder finanzielle Bedürftigkeit gebunden.<br />

Bei Erwerbsunfähigkeit, z. B. durch Arbeits- und Wegeunfälle oder<br />

Berufskrankheiten, werden u. U. Zuschüsse für Umbaumaßnahmen gezahlt,<br />

wenn sie die Rehabilitation unterstützen. Geregelt wird dies durch<br />

das Bundesversorgungsgesetz (BVG), das Opferentschädigungsgesetz<br />

(OEG) oder das Schwerbehindertengesetz (SchwbG). Wohnumfeldverbessernde<br />

Maßnahmen für Pflegebedürftige – z. B. Türverbreiterungen,<br />

fest installierte Rampen und Lifte, die Einrichtung eines Bades und der<br />

Einbau oder Umbau von Mobiliar wie eine Küchenschrankabsenkvorrichtung,<br />

das Ersetzen einer Badewanne durch eine Dusche – können durch<br />

die Pflegeversicherung bezahlt werden, wenn dadurch im Einzelfall die<br />

häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst<br />

selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt<br />

wird.<br />

72 Gespräch mit Veronika Frels von Larsen-Frels Immobilien am 11. Mai 2006<br />

82


Bei einem Eigenanteil von zehn Prozent wird ein Zuschuss von höchstens<br />

2.557 Euro pro Maßnahme gezahlt. Ändert sich die Pflegesituation, kann<br />

eine weitere Maßnahme in Anspruch genommen werden. Einkommensabhängig<br />

werden Leistungen nach dem SGB XII, als Hilfe in besonderen<br />

Lebenslagen, für Menschen mit sehr geringem Einkommen und für pflegebedürftige<br />

Menschen erbracht, die nicht durch die Pflegeversicherung<br />

eingestuft sind.<br />

Wohnungsanpassungen, die das selbstständige Leben zu Hause ermöglichen,<br />

werden von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich unterstützt.<br />

Die Landesregierung fördert den Wohnungsumbau für Schwerbehinderte<br />

mit zinslosen Darlehen.<br />

Seit 1999 unterstützt das Land den Bau neuer Altenwohnungen in einer<br />

sozialen Staffelung für Haushalte mit geringen und mit mittleren Einkommen.<br />

Vorrangig gefördert werden Objekte des Betreuten Wohnens.<br />

Schwerpunkt der Förderung des Mietwohnungsbaus ist die Förderung<br />

von Modernisierungsmaßnahmen im Wohnungsbestand. Damit sollen<br />

neue Sozialbindungen für Wohnungssuchende mit niedrigen Einkommen<br />

begründet werden. Eine Neubauförderung bei Mietwohnungen erfolgt für<br />

Altenwohnungen und für Ersatzbauvorhaben in Sanierungs- und Unterkunftsgebieten.<br />

Vorrang haben hierbei Maßnahmen, die die Sozialstruktur<br />

eines Wohngebietes verbessern. Im Übrigen werden zukunftsweisende<br />

Projekte im Wohnungsbau berücksichtigt. Dazu gehören Projekte mit<br />

bedarfsgerechten Mischungen von Sozialwohnungen und freifinanziertem<br />

Wohnungsbau sowie allgemeinen Mietwohnungen, Alten- und<br />

Behindertenwohnungen einschließlich der erforderlichen Betreuungsangebote.<br />

Auch generationenübergreifendes Wohnen sowie Vorhaben im<br />

Zusammenhang mit städtebaulichen Maßnahmen in städtebaulichen<br />

Sanierungsgebieten sind von besonderer Bedeutung.<br />

Das Mietrecht billigt Mietern die Möglichkeit der Wohnraumanpassung im<br />

Bedarfsfall zu. 2001 hat der Bundesgesetzgeber den Vermieter verpflichtet,<br />

baulichen Veränderungen oder sonstigen Einrichtungen zuzustimmen, die<br />

für eine behindertengerechte Nutzung der Wohnung oder des Zugangs<br />

zu ihr erforderlich sind. Der Vermieter kann sich jedoch das Recht vorbehalten,<br />

den Mieter zum Rückbau im Falle des Auszuges zu verpflichten.<br />

Die Umsetzung der Maßnahmen muss jedoch, soweit der Vermieter<br />

keine Veranlassung sieht, selbst aktiv zu werden, von den Mietern selbst<br />

getragen werden.<br />

Im folgenden Abschnitt wird das Angebot an Mietwohnungen, die seniorengerechte<br />

Eigenschaften aufweisen, untersucht. Dabei liegt ein<br />

Schwerpunkt bei den gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften, da diese<br />

einerseits ein großes Angebot bereitstellen (niedersachsenweit elf Prozent<br />

aller Mietwohnungen) und andererseits aufgrund ihrer Einbindung in ihren<br />

Verband gut über das Marktgeschehen, auch bezüglich des demographischen<br />

Wandels, informiert sind. Es werden Tagungen zum Thema<br />

73 Sozialnetz Hessen 2006<br />

74 MSFFG Niedersachsen 2006<br />

75 Mieterlexikon 2005, S. 340<br />

76 VDW Niedersachsen, 2006<br />

83<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


“Wohnen im Alter“ veranstaltet und eigene Studien und Mieterevaluationen<br />

durchgeführt. Viele private Anbieter haben sich hingegen noch nicht auf<br />

die zukünftigen Nachfrageverschiebungen eingestellt.<br />

Dass SeniorInnen eine wichtige Zielgruppe für Wohnungsunternehmen<br />

sind, zeigt eine Reihe von Studien, beispielsweise eine Untersuchung im<br />

Auftrag des VDW zu Niedersachsen und Bremen und „Göttingen 2020<br />

– Wohnungsmarktanalyse und -prognose“. Der wirtschaftliche Erfolg der<br />

Wohnungsunternehmen hängt nicht zuletzt von ihrer Anpassungsfähigkeit<br />

an die sich verändernde Nachfrage ab. Angesichts des Bevölkerungsrückgangs<br />

stehen außerhalb der Zentren schon jetzt viele Wohnungen leer.<br />

Statt eines relativ einheitlichen Angebots liegen die Wachstumsmöglichkeiten<br />

in den Teilmärkten spezialisierter Wohnformen. Auch besteht eine<br />

hohe Nachfrage nach preiswertem Wohnraum für Geringverdiener.<br />

Die Frage, inwieweit ältere Bestände im Rahmen der anstehenden Erneuerungszyklen<br />

geeignet sind, mit barrierefreiem Standard im Sinne<br />

der DIN 18025 Teil 2 nachgerüstet zu werden, stellt sich vor allem für die<br />

Wohnungsbestände der Nachkriegszeit. Eine große Anzahl von Siedlungen<br />

aus den 50er- und 60er-Jahren hat einen hohen Anteil an MieterInnen, die<br />

hier bereits seit über 40 Jahren wohnen. Sie kommen in ein Alter, in dem<br />

sie nicht mehr ohne Hilfe, Betreuungsangebote oder bauliche Verbesserungen<br />

in ihren Wohnungen bleiben können. Für die Wohnungen besteht<br />

Erneuerungs- und Investitionsbedarf. Umfang und erforderliche bauliche<br />

Eingriffsintensität zur Umrüstung hängen vom Gebäudetyp und der Bausubstanz<br />

ab. Für die unmittelbaren Nachkriegsbestände mit kleinteiligen<br />

Grundrissen und minimalem Ausstattungsstandard sind die Grenzen der<br />

technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit häufig erreicht. Dies gilt<br />

auch für Bautypen, die z. B. über Hochparterrewohnungen verfügen oder<br />

die über Aufzüge auf halber Geschosshöhe erschlossen wurden. Abhängig<br />

von den baulichen Strukturtypen ist deshalb auch mit intensiven baulichen<br />

Eingriffen nicht immer Barrierefreiheit zu erreichen.<br />

Wenn Modernisierungen des Bestandes vorgenommen werden, versuchen<br />

die befragten Wohnungsunternehmen, Kriterien des seniorengerechten<br />

Wohnens so weit als möglich umzusetzen. Explizit barrierefreie<br />

Wohnungen entstehen vor allem im Zuge von Neubauten; bei Modernisierungen<br />

werden vorrangig Umbauten der Badezimmer und Verbesserungen<br />

des Zugangs zur Wohnung umgesetzt. Wie von den Anbietern<br />

“Seniorengerechtigkeit“ definiert wird, zeigt die Abbildung 19. Meist wird<br />

die Umsetzung dieser Ansprüche bei Modernisierungen jedoch von der<br />

bautechnischen Machbarkeit beschränkt.<br />

Als wichtigste Eigenschaften werden der Zugang zur Wohnung und die<br />

Ausstattung des Badezimmers betrachtet, da sich in diesen Bereichen<br />

die größten Erschwernisse und Unfallrisiken ergeben. Mehr als die Hälfte<br />

der Befragten hielt das Fehlen von Türschwellen und die Breite der<br />

Innentüren für wichtige Merkmale einer seniorengerechten Wohnung.<br />

Beratungsangebote oder andere Kriterien sind für die Anbieter von geringerer<br />

Bedeutung.<br />

77 Wohnungsmarktprognosen der Landestreuhandstelle; VDW (2004): “Wohnungsmarktentwicklung in<br />

Niedersachsen und Bremen 2020“; GEWOS 2004<br />

78 Vgl. Steffens et al. 2004, S. 39<br />

84


Zwischen fünf und zehn Prozent der Wohnungen der gemeinnützigen<br />

Wohnungsunternehmen der Städte Göttingen und Hann. Münden sind<br />

seniorengerecht bzw. barrierefrei ausgestattet. Der Begriff “seniorengerecht“<br />

bezeichnet unterschiedliche Standards, je nach Baualter und<br />

Struktur der Gebäude.<br />

Im Rahmen von Neubauprojekten der Städtischen Wohnungsbau Göttingen<br />

GmbH werden Erdgeschosswohnungen weitgehend barrierefrei<br />

gebaut (z. B. am Alfred-Delp-Weg auf den Terrassen in Göttingen).<br />

Insgesamt wird ein Wohnungs-Mix-Konzept verfolgt, das die soziale<br />

Durchmischung der Quartiere erhalten und das Entstehen von Ghettos<br />

bestimmter Bevölkerungsgruppen (z. B. auch alter Menschen) verhindern<br />

will. Wenn möglich, wird bei Sanierungen ein Fahrstuhl eingebaut; Türen<br />

werden verbreitert und Gegensprechanlagen eingebaut (z. B. am Tegeler<br />

Weg in Geismar). Die Städtische Wohnungsbau GmbH bietet älteren umzugswilligen<br />

Mietern Hilfestellungen. Zum einen besteht die Möglichkeit<br />

eines Umzuges innerhalb des Bestandes, zum anderen die des Umbaus<br />

auf Nachfrage, z. B. beim Badezimmer, wobei Maßnahmen bis zu 14.000<br />

Euro nicht zwangsläufig zu Mieterhöhungen führen. Die andere Variante<br />

ist ein Umzug in die Anlagen des Betreuten Wohnens (51 Wohnungen in<br />

der Reinhäuser Landstraße und 32 am Ingeborg-Nahnsen-Platz, wo eine<br />

Kooperation mit dem städtischen Altenzentrum ermöglicht wird).<br />

Die Wohnungsgenossenschaft Göttingen e. G vermietet etwa 4.400<br />

Wohnungen, vorwiegend im Stadtgebiet Göttingen. Die Wohnungen im<br />

Erdgeschoss werden im Zuge von Modernisierungen schrittweise zu<br />

Seniorenwohnungen umgerüstet. Eine Betreuung für ältere Menschen<br />

erfolgt über die Mieterberatung. Auch veranstaltet die Wohnungsgenossenschaft<br />

Informationsveranstaltungen für Mitglieder, u. a. zum Thema<br />

Seniorenwohnen. Neubauten werden nach der Niedersächsischen Bauordnung<br />

mit barrierefreien Wohnungen im Erdgeschoss und mit Fahrstühlen<br />

ausgestattet.<br />

85<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Abbildung 19: Kriterien senioren-<br />

gerechten Wohnens, Ergebnisse<br />

der Anbieterumfrage


Mit einem Bestand von insgesamt ca. 2.500 Wohnungen in Bovenden,<br />

Rosdorf, Niedernjesa, der Südstadt und am Holtenser Berg betreibt die<br />

Volksheimstätte in Geismar am Tannenweg eine generationengemischte<br />

Wohnanlage mit ca. 250 Wohnungen, von denen etwa ein Achtel seniorengerechte<br />

Kriterien erfüllt. Dies bezieht sich auf die Zugänge zu den<br />

Wohnungen, bodengleiche Duschen und Türverbreiterungen. Im Zuge<br />

von Sanierungen wird etwa die Hälfte der EG-Wohnungen nach und nach<br />

barrierefrei umgerüstet, wenn möglich werden Fahrstühle eingebaut und<br />

Türen verbreitert. Bausubstanz und Rentabilitätsabwägungen setzen hier<br />

jedoch Grenzen. Bei Problemen älterer Mieter wird mit den Betroffenen<br />

ein Betreuungskonzept erarbeitet; kostenlos werden Hilfestellungen, auch<br />

bezüglich von Wohnalternativen, vermittelt. Auf Mieterwunsch werden<br />

Anpassungen, beispielsweise Badezimmersanierungen durchgeführt, die<br />

je nach Umfang auf die Miete umgelegt werden.<br />

Die für Ältere oft mühsame Hausreinigung hat die Volksheimstätte Göttingen<br />

einem Dienstleister übertragen. Das Konzept zur Verbesserung der<br />

Wohnbedingungen für ältere Menschen wird kontinuierlich weiterentwickelt,<br />

so finden zweimal im Jahr Informationsveranstaltungen statt, darüber<br />

hinaus lädt die Mitgliederbetreuerin zu Nachmittagsveranstaltungen<br />

ein, bei denen bestimmte Themen diskutiert werden können.<br />

Die Wohnungsbaugenossenschaft Eichsfeld mit 395 Wohnungen unterhält<br />

vorwiegend Altbauten in Duderstadt, Gieboldehausen und Lindau, bei<br />

denen die Möglichkeiten zum seniorengerechten Umbau substanzbedingt<br />

eingeschränkt sind. Derzeit gibt es keine konkret seniorengerechten Angebote.<br />

Allerdings versucht die Gesellschaft, auf die Bedürfnisse älterer<br />

Mieter mit Umbaumaßnahmen zu reagieren. Derzeit ist die Errichtung von<br />

vier Stadtvillen im Zentrum Duderstadts mit barrierefreien Erdgeschosswohnungen<br />

geplant.<br />

Auch der gemeinnützige Bauverein Hann. Münden bietet in seinen<br />

Wohnungen im Stadtgebiet Hann. Münden in geringem Umfang altengerechtes<br />

Wohnen (bezogen auf den Zugang, die Breite der Innentüren,<br />

Schwellenfreiheit und Ausstattung des Badezimmers) und barrierefreies<br />

Wohnen an. Darüber hinaus wird eine Anlage des Betreuten Wohnens in<br />

Kooperation mit der AWO betrieben.<br />

Alle genannten Unternehmen beteiligen sich aktiv an Maßnahmen zur<br />

Wohnumfeld- und Quartiersgestaltung. Bei der Planung wird nach Bevölkerungsgruppen<br />

differenziert, vorwiegend nach alleinstehenden Personen<br />

und solchen mit Migrationshintergrund. Aufgrund geringer öffentlicher<br />

Förderung und allgemeiner Angebotsüberhänge wird derzeit von den<br />

Wohnungsgesellschaften wenig Neubau betrieben. Auf die Frage, mit<br />

welchen Mitteln das Angebot seniorengerechter Wohnungen gesteigert<br />

werden könnte, antworteten sowohl viele Wohnungsunternehmen als<br />

auch die „Klein-Vermieter“, dass zusätzliche öffentliche Förderungen und<br />

eine höhere Nachfrage nach altengerechten Wohnformen sowie eine<br />

finanzielle Eigenbeteiligung der Mieter dies bewirken könne.<br />

Im Gegensatz zu den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen hat sich<br />

der Trend zur Schaffung zielgruppenspezifischer Angebote bei vielen privaten<br />

Wohnungsunternehmen noch nicht durchgesetzt. Nur wenige der<br />

86


efragten Mitglieder des Haus und Grund-Ortsvereins Duderstadt (sie<br />

haben durchschnittlich zehn Wohnungen im Bestand) bieten seniorengerechten<br />

Wohnraum an. Neubau- und Modernisierungsaktivitäten werden<br />

in geringerem Umfang durchgeführt als bei großen Unternehmen. Höhere<br />

Betriebskosten und insgesamt geringere Investitionsvolumen bedingen<br />

eine langsamere Anpassung.<br />

Dies zeigt sich auch bei der Analyse der Wohnungsanzeigen in Tageszeitungen<br />

und auf Nachfrage bei Maklern und Verwaltungsfirmen. Explizit<br />

seniorengerechte Angebote sind selten und vor allem in den hochpreisigen<br />

Segmenten und bei neu gebauten Eigentumswohnungen oder<br />

Eigenheimen zu finden. Hier verwirklichen einige Bauträger barrierefreie<br />

Gebäude mit modernster technischer Ausstattung. Viele Firmen wiesen<br />

darauf hin, Göttingen sei eine junge Stadt, seniorengerecht ausgestatteten<br />

Wohnungen seien nicht nachfragegerecht.<br />

Mit ihrem im Entwurf 2006 diskutierten städtebaulichen Leitbild verfolgt<br />

die Stadt Göttingen das Ziel, die Attraktivität des Standortes für SeniorInnen<br />

zu erhöhen. So ist in der Kernstadt die Stärkung seniorengerechter<br />

Wohnformen geplant. Quartiere aus den 50er- und 60er-Jahren mit überalterter<br />

Bevölkerung sind für die Anpassung des Wohnungsbestandes<br />

vorgesehen (z. B. Klausberg, Geismar, Leineberg, Grone und Südstadt).<br />

Im Rahmen des Quartiersmanagements sollen integrationsfördernde,<br />

heterogene Bevölkerungsstrukturen unterstützt werden. Die Wohnungsbauförderung,<br />

die sich derzeit auf sozial Schwache konzentriert, soll auch<br />

auf barrierefreien Wohnraum für SeniorInnen ausgeweitet werden. Dies<br />

betrifft das gesamte Spektrum der Daseinsvorsorge, also auch Wohnmöglichkeiten<br />

für ältere Menschen, die über die bisher vorherrschenden<br />

Angebote hinausgehen.<br />

Das Baugebiet “Dawe“ in Grone wird als generationsübergreifendes Baugebiet<br />

(Familien und ältere Menschen) mit gezielten Angeboten im Einzelhausbereich<br />

und in der Gestaltung der öffentlichen Flächen entwickelt. Bei<br />

Stadtumbauprogrammen und bei der Sanierung von Wohngebäuden wird<br />

unter dem Motto “Vielfalt und Lebendigkeit, aber auch maßgeschneiderte<br />

Angebote“ mit dem Ziel, Teilhabe und Partizipationsangebote zu fördern,<br />

auf die Gruppe der Älteren eingegangen. Die Stadt Göttingen konstatiert<br />

Defizite vor allem bei den preiswerteren Angeboten. In manchen Seniorenwohnanlagen<br />

gibt es zwar relativ günstige Wohnungen mit qualitativ<br />

guter Ausstattung, es bestehen jedoch oft jahrelange Wartezeiten. Dies<br />

wird auch von Trägern privater Seniorenwohnanlagen wie in Groß Schneen<br />

und Duderstadt bestätigt.<br />

In unterschiedlichem Umfang haben sich die Gemeinden des Landkreises<br />

auf die zu erwartenden Veränderungen eingestellt. So wurde vielfach<br />

mit der Ausweisung von Senioren- oder Mehrgenerationenwohnanlagen<br />

in den Bebauungsplänen reagiert. Auf diese Weise entstand z. B. die<br />

Seniorenwohnanlage am Korbhofe in Bovenden mit Unterstützung der<br />

Gemeinde, für das Baugebiet am Junkernberg ist die Umsetzung eines<br />

79 Städtebauliches Leitbild der Stadt Göttingen bis 2020, S. 6–8<br />

87<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Mehrgenerationenprojektes geplant, am Kattenbühl in Hann. Münden plant<br />

ein irischer Investor eine auf 20.000 Quadratmeter angelegte Wohnanlage<br />

mit Seniorenwohnungen.<br />

Angesichts des demographischen Wandels und den starken Veränderungen<br />

auf dem Wohnungsmarkt sowie einer Vielzahl neuer Angebote<br />

kommt der Wohnberatung eine besondere Bedeutung zu. Ziel ist es,<br />

die Möglichkeiten von baulich-technischen Maßnahmen in bestehenden<br />

Wohnungen aufzuzeigen und konkrete Vorschläge für die praktische<br />

Durchführung zu machen. 0 Die zentrale Aufgabe der Wohnberatung beschränkt<br />

sich aber nicht auf reine Beratungsleistung, sondern umfasst auch<br />

praktische Hilfe, Begleitung und organisatorische Unterstützung bei der<br />

Planung und Durchführung von Anpassungsmaßnahmen. Falls sich eine<br />

Wohnsituation als ungeeignet erweist, werden Alternativen aufgezeigt.<br />

Das gilt insbesondere dann, wenn die Wohnung im vierten Stock ohne<br />

Aufzug liegt oder keine Kontakte zum Umfeld bestehen. In solchen Fällen<br />

gilt es, die Entscheidung zu treffen, welches Wohnangebot den eigenen<br />

Wünschen am besten entspricht und verfügbar sowie bezahlbar ist.<br />

Auch die Entwicklung altersgerechter Wohnangebote durch die Beratung<br />

von Wohnungsunternehmen zählt zu den Aufgaben der Wohnberatung.<br />

Wohnberatung richtet sich hauptsächlich an ältere und behinderte Menschen.<br />

Ein großer Teil von ihnen lebt alleine und kann deshalb nicht auf<br />

Hilfeleistungen durch einen Partner zurückgreifen. Nach Erfahrungen aus<br />

NRW werden 85 Prozent der Anpassungen in Wohnungen für hilfs- und<br />

pflegebedürftige Menschen durchgeführt. Die Arbeitsgruppe Wohnen der<br />

Enquetekommission „Situation und Zukunft der Pflege in NRW“ zeigte,<br />

dass Anpassungsmaßnahmen erheblichen Einfluss auf den Pflegebedarf<br />

nehmen. Durch sie kann ein Pflegebedarf vermieden oder zumindest<br />

reduziert werden. Wenn das SGB XI auch keine direkte Beteiligung der<br />

Pflegekassen an der Wohnberatung vorsieht, bietet es doch die Möglichkeit<br />

zur Kostenbeteiligung an Wohnungsanpassungsmaßnahmen.<br />

Eine kommunale Wohnberatung bzw. Wohnungsanpassungsberatung<br />

existiert in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden nicht. Die Stadt<br />

Göttingen unterhält eine Seniorenberatungsstelle, die vorwiegend im Bereich<br />

der Informationsvermittlung tätig ist und die Hilfesuchenden darüber<br />

hinaus psycho-sozial begleitet. Eine vergleichbare Stelle existierte bis vor<br />

wenigen Jahren auch im Landkreis; sie wurde gestrichen. Die ebenfalls<br />

von der Stadt unterhaltene Behindertenberatungsstelle verfügt über<br />

größere Kompetenzen hinsichtlich der Wohnungsanpassungsberatung.<br />

Die MitarbeiterInnen sind auch als GutachterInnen für Barrierefreiheit im<br />

öffentlichen Raum tätig. Sie können wichtige Erfahrungen für den Ausbau<br />

einer kooperativen Wohnberatung in Stadt und Landkreis Göttingen<br />

beitragen.<br />

Auch der Allgemeine Sozialdienst (ASD) von Stadt und Landkreis (Gesundheitsamt)<br />

führt – auch aufsuchende – Wohnungsberatungen durch.<br />

Zielgruppen sind vor allem Bedürftige im Sinne des SGB XI und Menschen<br />

80 BMFSFJ 1998<br />

81 BMG 2002<br />

82 Braubach 2003, S. 22<br />

83 Vgl. Steffens et al. 2004, S. 72<br />

88


mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen, denen z. B. bei der Antragstellung<br />

für die Pflegeversicherung oder bei der Suche nach ambulanten<br />

Pflegediensten geholfen wird. Auch Wohnungsumgestaltungsberatung<br />

mit dem Ziel des Verbleibens im angestammten Umfeld und dessen Finanzierung<br />

fällt in den Aufgabenbereich des ASD. Nach ASD-Angaben ist<br />

vor allem bei Klientel mit wenig Geld große Motivationsarbeit nötig, um<br />

sie von dem Nutzen der Anpassung bzw. Umsetzung von Maßnahmen zu<br />

überzeugen. Der Sozialdienst des Gesundheitsamtes ist mit sechs Stellen<br />

besetzt, jede/-r MitarbeiterIn ist für einen Stadtteil Göttingens und eine<br />

Gemeinde des Landkreises zuständig, darüber hinaus gibt es Nebenstellen<br />

in Hann. Münden und Duderstadt. Es wird eine Lücke zwischen der<br />

Beratungsnotwendigkeit bei steigendem Bedarf gegenüber dem Rückbau<br />

der Beratungsangebote aufgrund leerer Kassen gesehen.<br />

Die Krankenkassen bieten teilweise telefonische Beratungsdienste an.<br />

Im Rahmen der “Sturzprophylaxe“ führt die AOK als einzigem Krankenversicherer<br />

auch Hausbesuche durch. Allerdings wird die Beratung von<br />

derselben Person durchgeführt, der auch die Bedürftigkeitskontrolle unterliegt.<br />

Dass die Beratung an die Frage gekoppelt ist, ob ein Anspruch<br />

berechtigt ist, steigert jedoch die Hemmschwelle, die Leistung in Anspruch<br />

zu nehmen. Wohlfahrtsverbände und Nachbarschaftshilfen bieten in den<br />

Gemeinden ebenfalls in verschiedenem Umfang Hilfestellungen zur Verbesserung<br />

der Wohnsituation an.<br />

Handwerkliche Kooperationen unter dem Stichwort “Service aus einer<br />

Hand“ sind bezüglich der Wohnungsanpassung noch am Anfang. Derzeit<br />

gilt die Tischlerfirma Seeland aus Gleichen als Vorreiter, auch einige<br />

Sanitätshäuser und Sanitärfirmen bieten bereits Service aus einer Hand<br />

an. Das Kapitel Handwerksdienstleistungen geht im Anschluss näher auf<br />

diesen Sektor ein.<br />

Auch die Niedersächsische Architektenkammer bietet in Ko-Finanzierung<br />

mit dem Land kostenlose Beratungen hinsichtlich der baulichen Gestaltung<br />

altengerechten Wohnraums an. Der Mieterverein hat das Seniorenwohnen<br />

zwar nicht als separates Beratungssegment im Programm, überlegt<br />

jedoch, dies wegen hoher Nachfrage in den Service aufzunehmen. Eine<br />

private Gesundheitsberatung in Friedland bietet neben Ernährungs- und<br />

Bewegungsberatung auch Hilfestellungen zur Prävention von Verletzungen<br />

im heimischen Umfeld an. Die Sozialdienste der Krankenhäuser bieten<br />

Unterstützung für die Zeit nach einem stationären Aufenthalt an, u. a.<br />

auch zur Umgestaltung des Wohnumfeldes.<br />

Angesichts der Vielzahl von Institutionen und unterschiedlicher Spezialisierung<br />

der Beratungsangebote kann eine zentralisierte Beratungsinstanz<br />

dazu beitragen, Impulse für die <strong>Seniorenwirtschaft</strong> im Sektor Wohnen zu<br />

geben.<br />

Die meisten Verantwortlichen der Kommunalverwaltungen gehen nicht<br />

davon aus, dass eine Wohnberatungsstelle in alleiniger Trägerschaft einer<br />

Kommune eingerichtet werden könnte. Wenn überhaupt lasse sich dieses<br />

Angebot interkommunal oder durch den Landkreis Göttingen schaffen.<br />

84 Gespräch mit Diplom-Pflegewirtin Silvia Hermeier am 7. Juni 2006<br />

89<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


In der Samtgemeinde Dransfeld könne daran möglicherweise der Fachbereich<br />

Bauen, Umwelt und Ordnung beteiligt werden. Die Stadt Duderstadt<br />

vertritt die Auffassung, dass zur Lösung eines solchen Problems<br />

auch die Kreiswohnungsbaugesellschaft einen Beitrag leisten sollte. Der<br />

Bürgermeister der Gemeinde Friedland beabsichtigt, den Gedanken einer<br />

Wohnungsberatung aufzugreifen und im Rahmen eines Erzählcafés zu<br />

thematisieren. Auch der Bürgermeister der Gemeinde Gleichen hält die<br />

Idee grundsätzlich für gut und wird sie im Rahmen des Bündnisses für<br />

Familie in Altenclubs diskutieren. Auch die Stadt Hann. Münden hält die<br />

Idee für diskussionswürdig, geklärt werden müsse allerdings die Frage<br />

des Bedarfs.<br />

Auch Wohnungstauschbörsen existieren auf gemeindlicher Ebene nicht.<br />

Die Idee wird u. a. in Adelebsen, Bovenden und Gieboldehausen für sinnvoll<br />

gehalten. Im Ansatz wurde in Staufenberg bereits versucht, eine solche<br />

Initiative zu starten. Es zeigte sich jedoch dort, dass die meisten älteren<br />

Personen in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung bleiben wollen – selbst<br />

wenn Haus oder Wohnung nach Auszug oder Tod von Familienangehörigen<br />

viel zu groß geworden sind. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Adelebsen<br />

kann sich vorstellen, ein solches Angebot interkommunal zu gestalten. In<br />

Gleichen heißt es, da keine altengerechten Wohnungen vorhanden seien,<br />

fehle für das Funktionieren einer Wohnungstauschbörse die Basis. In<br />

Ebergötzen wird darauf verwiesen, dass die personelle Ausstattung der<br />

Samtgemeinde Radolfshausen ein solches Angebot nicht zulasse.<br />

Betreutes Wohnen<br />

“Wir werden zu alt, Altern ist eine Last. Ich bin zwar noch rüstig, brauche<br />

aber unbedingt Gesellschaft. In meinem Haus wohnen viele junge<br />

Leute, die grüßen zwar, aber mehr auch nicht. Sich um Gesellschaft zu<br />

kümmern ist aber mühsam.” (Göttingen)<br />

„Man muss den älteren Menschen eben helfen. Viele unterschreiben<br />

sehr schnell und lesen das Kleingedruckte nicht. Das gilt nicht nur für<br />

das Betreute Wohnen. Auch wer ins Altenheim kommt, braucht einen<br />

Kämpfer draußen, der sich für ihn einsetzt.“ (Hann. Münden)<br />

„Es ist in der Tat problematisch, dass das Betreute Wohnen nicht definiert<br />

ist. Wer Verträge abschließt, sollte aufpassen und überprüfen, welche<br />

Servicedienstleistungen in den Kosten enthalten sind. Geprüft werden<br />

muss auch, was man wirklich braucht.“ (Hann. Münden)<br />

„Ich halte nicht viel von Betreutem Wohnen. Nachts ist doch sowieso<br />

niemand da, und selbst tagsüber kommen die Betreuer nur eine Stunde.“<br />

(Hann. Münden)<br />

Für den Begriff „Betreutes Wohnen“ gibt es keine einheitliche Definition,<br />

der Begriff ist nicht geschützt. Allgemein ist damit gemeint, dass ältere<br />

Menschen weitgehend selbstständig in einer baulich altengerechten bzw.<br />

barrierefreien Wohnung leben und Grundleistungen sowie individuell<br />

abrufbarer Service- und Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen. Betreute<br />

Wohnungen sind Miet- oder Eigentumswohnungen, meist innerhalb<br />

90


einer Wohnanlage. Zum Miet- oder Kaufpreis kommt in der Regel eine<br />

Pauschale für die Grundleistungen wie Hausreinigung, Hausnotrufanlage<br />

und Beratung. Je nach Bedarf können die Bewohner beispielsweise Reinigungs-,<br />

Mahlzeiten- und Pflegedienste in Anspruch nehmen, die extra<br />

bezahlt werden müssen.<br />

Diese in den 90er-Jahren entstandene und inzwischen weit verbreitete<br />

Wohnform wird auch als “Service-Wohnen“, „Begleitetes Wohnen“ oder<br />

“Unterstütztes Wohnen“ bezeichnet. Das Betreute Wohnen richtet sich<br />

vor allem an Menschen, die durch Nutzung der bereitgestellten Dienstleistungen<br />

die Lebensqualität im Alter erhöhen und gleichzeitig Einsamkeit<br />

oder sonstigen Erschwernissen vorbeugen wollen. Das durchschnittliche<br />

Einzugsalter liegt bei 78 Jahren. 80 Prozent aller bundesweit im Betreuten<br />

Wohnen lebenden Menschen sind Frauen. Die Einrichtungen des Betreuten<br />

Wohnens bieten die Möglichkeit, weiterhin selbstbestimmt in den<br />

eigenen vier Wänden zu leben, beugen aber gleichzeitig, besonders bei<br />

Alleinstehenden, einer drohenden Isolierung und Vereinsamung vor.<br />

Die juristische Abgrenzung zwischen dem Betreuten bzw. Service-Wohnen<br />

zu einer Altenpflegeeinrichtung beschreibt das Mieterlexikon: „Bietet ein<br />

Vermieter lediglich einen allgemeinen Grundservice, einen Notruf und die<br />

Vermittlung weiterer Dienste an, und ist das Entgelt hiefür im Verhältnis<br />

zur Miete von untergeordneter Bedeutung, so ist das Heimrecht nicht<br />

anwendbar. Die Bagatellgrenze wird überschritten, wenn der Grundservice<br />

mehr als 20 Prozent der Wohnkosten beträgt.“ Voraussetzung ist, dass<br />

Miete und Grundservice in getrennten Verträgen geregelt sind. Wenn<br />

dies wie beispielsweise bei den Seniorenresidenzen aneinandergekoppelt<br />

ist, gilt das Heimrecht für den Betrieb der Anlage. Das Heimgesetz § 1<br />

beschreibt den Anwendungsbereich: „Die Tatsache, dass ein Vermieter<br />

von Wohnraum durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise<br />

sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten<br />

werden, begründet allein nicht die Anwendung dieses Gesetzes. Dies<br />

gilt auch dann, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, allgemeine<br />

Betreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- und<br />

Pflegeleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und das Entgelt<br />

hierfür im Verhältnis zur Miete untergeordneter Bedeutung ist. Dieses<br />

Gesetz ist anzuwenden, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind,<br />

Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen von bestimmten<br />

Anbietern anzunehmen.“<br />

Weil sie für Komfort bei Erhalt der Selbstständigkeit stehen und eine gewisse<br />

Sicherheit bieten, erfreuen sich die unterschiedlichen Angebote Betreuten<br />

Wohnens großer Beliebtheit. Dies bestätigen auch die Ergebnisse<br />

der Bürgerumfrage, in der das Betreute Wohnen durchschnittlich am häufigsten<br />

als bevorzugte Wohnform für das Alter genannt wurde. Ein Manko<br />

beim klassischen Betreuten Wohnen sind jedoch die relativ hohen Kosten,<br />

die vor allem durch den obligaten Grundservice anfallen, und die zwischen<br />

ca. 50 und 120 Euro monatlich zusätzlich zur Miete liegen. Teilweise wurde<br />

von den Trägern auf eine rückläufige Nachfrage hingewiesen, was mit der<br />

85 Stiftung Warentest/Kuratorium Deutsche Altershilfe/Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) 2006, S. 19<br />

86 KDA 2005<br />

87 Mieterlexikon 2005, S. 19f.<br />

88 http://www.geroweb.de/altenheim/heimgesetz-1.html<br />

91<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


zunehmenden Versorgung durch ambulante Pflegedienste und die inzwischen<br />

flächendeckende Versorgung mit Hausnotrufsystemen begründet<br />

wurde. Da die bereitgestellten Grundleistungen inzwischen auch dezentral<br />

angeboten werden, scheint die Nachfragespitze für das „traditionelle“<br />

Betreute Wohnen überschritten zu sein. Hausnotruf und Betreuung sind<br />

als Pull-Faktoren durch weiche Faktoren wie Freizeitangebote, Zentralität,<br />

infrastrukturelle Anbindung und Gemeinschaft abgelöst worden. Dem<br />

versuchen die Anbieter in unterschiedlichem Maße gerecht zu werden. Es<br />

entstehen vielfältige Angebote: Kultur und Wellness, Gemeinschaftsorte (z.<br />

B. Bibliothek), Sport- oder Informationsveranstaltungen, eine individuelle<br />

Mitgliederbetreuung und Kooperationen mit den Wohlfahrtsverbänden<br />

und ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfen, um das Dienstleistungs- und<br />

Seviceangebot auszubauen. Daher sind in jüngster Zeit vor allem Modelle<br />

mit einem geringen Grundservice und hoher Eigenverantwortung auch für<br />

Mieter mit geringem Vermögen auf dem Vormarsch.<br />

Die Bestandsaufnahme im Rahmen dieser Studie erfolgte einerseits auf<br />

Basis des von der Seniorenberatungsstelle der Stadt Göttingen erstellten<br />

Verzeichnisses betreuter Wohnanlagen im Stadtgebiet Göttingens,<br />

andererseits auf einer telefonischen Befragung der Gemeinden über die<br />

vorhandenen Einrichtungen. In einem weiteren Schritt wurden die Einrichtungen<br />

selbst telefonisch im Hinblick auf Größe, Belegung, Gebäudeausstattung,<br />

Serviceangebote und Nachfragetrends befragt. Die Ergebnisse<br />

der Bürgerumfrage ergänzen die Einschätzungen der Anbieter.<br />

Aus Sicht der Kreisverwaltung muss im Zusammenhang mit dem Thema<br />

“Wohnen im Alter“ die Frage problematisiert werden, was das Betreute<br />

Wohnen von individuellen Wohnformen unterscheidet. SeniorInnen können<br />

sich an ein Notrufsystem anschließen, Essen auf Rädern und häusliche<br />

Pflege bestellen. In diesem Sinne wäre Betreutes Wohnen nichts anderes<br />

als eine Monopolisierung von Anbietern. Nach dem Heimgesetz dürfen die<br />

Nebenkosten einer Wohnung für den Service 30 Prozent der Mietkosten<br />

nicht überschreiten. Damit soll verhindert werden, dass am Heimgesetz<br />

vorbei Pflegeheime errichtet werden. Diese Bestimmung geht davon aus,<br />

dass in Pflegeheimen qualifiziertes Personal tätig ist, während bei solchen<br />

“grauen Angeboten“ diese Qualifizierung nicht sichergestellt ist. Häufig<br />

sind Anlagen für Betreutes Wohnen verkappte Pflegeheime. Quartierslösungen<br />

gibt es nach Einschätzung der Kreisverwaltung nicht.<br />

In Stadt und Landkreis Göttingen existiert ein breites Spektrum verschiedener<br />

Modelle des Betreuten bzw. Service-Wohnens in 22 Einrichtungen<br />

mit insgesamt etwa 1350 Wohnungen. Grundsätzlich sind die Gebäude<br />

so gestaltet, dass Unterstützung und Kommunikation gefördert werden,<br />

beispielsweise durch Gemeinschaftsräume für Begegnungsmöglichkeiten,<br />

attraktive Außenanlagen und Einkaufsmöglichkeiten. Das Angebot reicht<br />

von pflegenahen Häusern mit integrierten Pflegediensten und Therapieangeboten<br />

hin zu Seniorenwohnanlagen, die lediglich einen minimalen<br />

Grundservice anbieten und in denen die Eigenpotenziale der Bewohner<br />

gefragt sind und Angebote und Aktivitäten selbst oder von externen Wohlfahrtseinrichtungen<br />

oder wie Nachbarschaftshilfen organisiert werden.<br />

Einige dieser Modelle sollen hier exemplarisch vorgestellt werden. Das<br />

Angebot für die Bewohner variiert je nach Träger und Organisationsstruktur.<br />

Die Anlagen werden sowohl von Privatanbietern, z. B. Wohnungsge-<br />

92


sellschaften, Immobilieninvestoren, Betreibern von Pflegeeinrichtungen<br />

oder Wohlfahrtsverbänden, als auch durch die Kommunen wie Bovenden<br />

und Adelebsen geführt. In Stadt und Landkreis Göttingen bieten mehrere<br />

Alten- und Pflegeheime Betreutes Wohnen in räumlich angegliederten<br />

Altenwohnungen oder einer “Altenwohnanlage“ in unmittelbarer Nähe an.<br />

Eine Auflistung der im Landkreis vorhandenen Pflege- und Betreuungseinrichtungen<br />

findet sich im Anhang.<br />

Kennzeichnend für das Haus der Heimat in Hedemünden ist die räumliche<br />

Nähe von Betreutem Wohnen und Pflegeeinrichtung. Ein Wechsel von<br />

einem in den anderen Bereich ist möglich, ohne dass die SeniorInnen die<br />

vertraute Umgebung verlassen müssen. Im Betreuten Wohnen wird der<br />

Service für die Bewohner weitgehend vom Personal der Pflegeeinrichtung<br />

mit übernommen. Durch ein umfassendes Qualitätsmanagement, das v.<br />

a. die Mitsprache der BewohnerInnen und deren Bezugspersonen in den<br />

Vordergrund stellt, soll eine bedarfsgerechte und professionelle Betreuung<br />

sichergestellt werden. Grundlage ist die kontinuierliche Weiterbildung<br />

der MitarbeiterInnen. Alle Maßnahmen und Therapien werden entsprechend<br />

den aktuellen Qualitätsstandards in der Pflege geplant, erbracht<br />

und dokumentiert. Der Pflegeprozess kann damit jederzeit kontinuierlich<br />

nachvollzogen werden.<br />

Der Flecken Bovenden unterhält die Seniorenwohnanlage “Am Korbhofe“.<br />

Es handelt sich um fünf Häuser mit insgesamt 67 Eigentums- und Mietwohnungen,<br />

die in einer öffentlich-privaten Partnerschaft (Public-Private<br />

Partnership) entstanden sind. Der Flecken selbst besitzt zehn Wohnungen<br />

für Bewohner mit Wohnberechtigungsschein, die im geförderten Wohnungsbau<br />

besonders für finanziell schlechter gestellte Menschen entstanden<br />

sind. Angrenzend sind vier von der WRG verwaltete Wohnhäuser.<br />

Die Dienstleistungsangebote werden von der AWO erbracht und durch<br />

ehrenamtliches Engagement der ENB (Erweiterte Nachbarschaftshilfe)<br />

ergänzt. Dadurch sind die Kosten für den Grundservice relativ gering.<br />

Insgesamt rund einhundert ehrenamtlich Engagierte leisten Hilfe bei Einkauf,<br />

Behördengängen, Reparaturen und durch Gespräche, organisieren<br />

Veranstaltungen und Aktivitäten. Allerdings erfordert die Erhaltung dieser<br />

freiwilligen Unterstützungsstrukturen kontinuierliche Motivations- und<br />

Koordinationsarbeit der AWO und der Nachbarschaftshilfe. Es gibt ein<br />

Kontaktzentrum zum Kennenlernen und zur Rekrutierung der Helfer.<br />

In Groß Schneen hat ein privater Investor eine Seniorenwohnanlage mit<br />

24 Wohneinheiten im geförderten Wohnungsbau für Personen mit Wohnungsberechtigungsschein<br />

errichtet. Das einzige Serviceangebot des<br />

Trägers ist ein Hausmeister als Ansprechpartner für die Mieter. Weitere<br />

Unterstützung wird ehrenamtlich von der Nachbarschaftsinitiative NENA<br />

organisiert.<br />

Eine “Service-Wohnanlage“ der Wohnungsgenossenschaft e. G. in der<br />

Ewaldstraße in Göttingen bietet 50 altengerechte Wohnungen, die teilweise<br />

auch rollstuhlgerecht sind. Dien Dienstleistungen des Vermieters<br />

beschränkt sich auf einen Hausmeisterservice, Gemeinschaftsräume und<br />

Gästewohnungen. Ein Büro der Nachbarschaftshilfe betreut die Bewohner,<br />

vermittelt Nachbarschaftsdienste und organisiert Kulturveranstaltungen. In<br />

der Danziger Straße in Göttingen wird derzeit eine neue Anlage gebaut, die<br />

93<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Ende 2006/Anfang 2007 eröffnet werden soll. Alle 85 Wohnungen werden<br />

mit einem Hausnotrufsystem ausgestattet, des Weiteren sind Gemeinschaftsräume,<br />

eine Bibliothek, Besucherwohnungen und ein Konzept der<br />

Zusammenarbeit mit der Seniorenabteilung des ASC vorgesehen. In der<br />

Reinhäuser Landstraße betreibt die Städtische Wohnungsbau GmbH eine<br />

Service-Wohnanlage mit 51 Wohneinheiten, die altengerecht ausgestattet<br />

sind und über ein Notruftelefon verfügen, das die Bewohner im Bedarfsfall<br />

mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband verbindet. Diese Ausstattung<br />

ist geeignet, um ein Mindestmaß an Sicherheit und Gemeinschaft bei<br />

gleichzeitig möglichst geringen Wohnkosten anbieten zu können.<br />

Der gemeinnützige Bauverein Hann. Münden unterhält eine betreute<br />

Wohnanlage (Seniorenwohnanlage am Kronenturm) mit integrierter Tagespflege<br />

und Servicestation der AWO.<br />

In Gieboldehausen wird in der Anlage St. Laurentius in 15 Appartements<br />

Betreutes Wohnen mit einem umfangreichen Grundservice angeboten.<br />

Dies entspricht einer klassischen Form des Betreuten Wohnens.<br />

Um die Übersichtlichkeit der Angebote zu erhöhen und einheitlichere<br />

Standards zu schaffen, wurden seit 1997 in verschiedenen Bundesländern<br />

Qualitätssiegel für Betreutes Wohnen eingeführt. Seit 2002 wird im Auftrag<br />

der Bundesregierung eine DIN-Norm für Betreutes Wohnen erarbeitet, die<br />

voraussichtlich Ende 2006 veröffentlicht wird.<br />

Es wurde eine als Zertifizierungsgrundlage geeignete DIN-Norm (Dienstleistungs-Norm)<br />

mit Anforderungen, Hinweisen und Empfehlungen in<br />

Bezug auf die Wohnform Betreutes Wohnen erarbeitet. „Dienstleistungs-<br />

Norm“ bedeutet, dass nicht bauliche oder technische Anforderungen den<br />

Schwerpunkt bilden, sondern die unter den Begriff „Betreutes Wohnen“ zu<br />

fassenden komplexen Dienstleistungen. Die Norm behandelt die Aspekte<br />

Transparenz des Leistungsangebotes, zu erbringende Dienstleistungen<br />

(unterschieden nach Grundleistungen/allgemeine Betreuungsleistungen<br />

und Wahlleistungen/weitergehende Betreuungsleistungen), Wohnangebot,<br />

Vertragsgestaltung sowie qualitätssichernde Maßnahmen. 0<br />

Stationäres Wohnen im Alten- oder Pflegeheim und Tagespflege<br />

„Wenn man als alter Mensch zum Pflegefall wird und ins Heim muss,<br />

reißen die Kontakte nach außen völlig ab. In den alten Kernen ist die<br />

Zusammengehörigkeit noch da, aber zu Neubürgern Kontakt zu finden<br />

ist ganz schwierig.“ (Hann. Münden)<br />

„Bei den Altenheimen muss ganz viel geändert werden. Die Älteren<br />

müssen viel mehr Gelegenheiten bekommen, selbst etwas zu tun.“<br />

(Duderstadt)<br />

„In den Altenheimen leben heute doch viel mehr Demenzkranke als früher.<br />

Mit denen kann man doch nicht mehr viel anfangen.“ (Duderstadt)<br />

89 Interview mit Betreiber Gerhard Blank am Freitag, 17. August 2006<br />

90 http://www.nullbarriere.de/din77800_betreutes_wohnen.htm<br />

94


Wenn die ambulante Versorgung zu Hause oder das Leben in einer gemeinschaftlichen<br />

bzw. betreuten Wohnform aus gesundheitlichen und/oder<br />

sozialen Gründen nicht (mehr) möglich ist oder der Wunsch nach mehr<br />

Betreuung und Sicherheit überwiegt, besteht die Möglichkeit des Umzugs<br />

in eine stationäre Altenhilfeeinrichtung. Zu beachten sind konzeptionelle<br />

Unterschiede. Altenwohnheime bieten eine abgeschlossene Wohnung mit<br />

der Möglichkeit, einen eigenen Haushalt zu führen, aber im Bedarfsfall<br />

Verpflegung und Betreuung zu erhalten. Sie weisen Gemeinsamkeiten<br />

mit dem Betreuten Wohnen auf, fallen aber, wie alle Heimformen, unter<br />

das Heimgesetz (z. B. Seniorenresidenzen). Die Kontrolle über den Schutz<br />

der Rechte der BewohnerInnen obliegt Stadt und Landkreis Göttingen als<br />

Heimaufsichtsbehörden.<br />

Altenheime sind für ältere Menschen gedacht, die keinen eigenen Haushalt<br />

mehr führen wollen oder können, aber nicht unbedingt pflegebedürftig<br />

bzw. bettlägerig sind. Haushaltsführung und Essensversorgung werden<br />

vom Heim übernommen. Auch die pflegerische Betreuung ist in der Regel<br />

gewährleistet (keine Intensivpflege). Diese Wohnform wurde in den vergangenen<br />

Jahren aus Kostengründen weitgehend vom Betreuten Wohnen<br />

abgelöst. Pflegeheime hingegen dienen der umfassenden Betreuung und<br />

Versorgung dauernd Pflegebedürftiger.<br />

Die Tagespflege ist zwischen professioneller Pflege und der Betreuung<br />

durch Angehörige angesiedelt. Pflegebedürftige wohnen im Kreis ihrer<br />

Angehörigen und werden tagsüber in der Tagespflege versorgt. So wird<br />

ein Verbleiben zu Hause trotz Erwerbstätigkeit oder anderer Verpflichtungen<br />

der Angehörigen ermöglicht. Ein ähnliches Konzept, welches auf<br />

die Entlastung pflegender Angehöriger abzielt, ist die Kurzzeitpflege, ein<br />

Heimaufenthalt von max. vier Wochen, wenn beispielsweise die Familie<br />

in Urlaub fährt oder die Pflegeperson erkrankt ist.<br />

Sozialstruktureller Wandel und zunehmende Hochaltrigkeit haben zu einem<br />

starken Wachstum der Pflegebranche in den letzten Jahrzehnten geführt.<br />

Laut NLS verzeichnete die Branche von 1999 bis 2003 einen Beschäftigungszuwachs<br />

von 14,7 Prozent. 87 Prozent der Beschäftigten in diesem<br />

Bereich sind weiblich. Aufgrund der hohen psychischen und physischen<br />

Belastung ist die Fluktuation des Personals hoch.<br />

Eine Modellrechnung des Kuratoriums deutscher Altershilfe (KDA) kommt<br />

zu dem Ergebnis, dass sich bei einer Fortschreibung bestehender Verhältnisse<br />

und Strukturen vor dem Hintergrund der Alterung der Bevölkerung<br />

der Bedarf an Pflegeplätzen (bundesweit 600.000 im Jahr 2000) bis 2050<br />

verdoppeln wird. Dieser Anstieg wird über die genannte Zeitspanne nicht<br />

kontinuierlich verlaufen; vielmehr ist ab dem Jahre 2030 mit einem steileren<br />

Anstieg des Pflegebedarfes zu rechnen. Bei Berücksichtigung des<br />

rückläufigen Potenzials helfender Angehöriger kämen – bei vorsichtiger<br />

Schätzung – mindestens 200.000 weitere Pflegeplätze hinzu. Es sei denn,<br />

im Rahmen der häuslichen Pflege, der Entwicklung von Wohnformen und<br />

der Anpassung des vorhandenen Wohnungsbestandes würden Maßnahmen<br />

ergriffen und alternative Angebote weiterentwickelt.<br />

91 NLS Pflegestatistik 2003<br />

92 KDA 2005, S. 19<br />

95<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Zwar kann einschränkend entgegnet werden, dass aufgrund medizinischer<br />

Fortschritte kein gleichbleibender Zusammenhang zwischen Lebensalter<br />

und Pflegebedürftigkeit im Zeitverlauf besteht, dennoch wird aufgrund<br />

der absoluten Zunahme hochaltriger Personen die Zahl der zukünftig zu<br />

versorgenden Pflegebedürftigen ansteigen.<br />

Nicht zuletzt wegen mancher „schwarzer Schafe“ gibt es in der Öffentlichkeit<br />

Diskussionen über die Qualität der Arbeit in Pflegeheimen. Der<br />

Niedersächsische Landespflegebericht 2005 indes kommt zu einem klaren<br />

Ergebnis. Er bestätigt den Heimen zu 90 Prozent eine gute Qualität.<br />

Die Lebensqualität der Bewohner kann zukünftig auch durch neue Formen<br />

der Sensortechnik, der Kommunikationsinfrastruktur und der baulichen<br />

Gestaltung verbessert werden. Hierzu soll die vom Bundesministerium<br />

für Familie, Senioren, Frauen und Jugend initiierte Baumodellreihe „Das<br />

intelligente Heim“ beitragen. Gefördert werden Projekte in den Bereichen<br />

„Pflegedokumentation und -planung“, „Technikunterstütztes normales<br />

Wohnen“, „Technologien für Demenzkranke“ und „Architektonische Gesamtlösungen“<br />

mit besonderem Innovationspotenzial. „Das intelligente<br />

Heim“ setzt die vor einigen Jahren durchgeführte Initiative des Ministeriums<br />

„Kostensparendes Bauen qualitätsvoller Altenhilfeeinrichtungen“<br />

fort, die bereits grundlegende Erkenntnisse zur ressourcenschonenden<br />

Gestaltung von Heimen zutage förderte.<br />

Der dem Heimgesetz unterliegende Bereich der stationären Altenpflege<br />

wurde für Stadt und Landkreis Göttingen in der Niedersächsischen Pflegestatistik<br />

dokumentiert, die allerdings nur alle zwei Jahre aus Umfragen<br />

unter den Heimbetreibern erhoben wird. Die Pflegestatistik von 2005 war<br />

im August 2006 noch nicht veröffentlicht, daher werden hier die Daten von<br />

2003 verwandt. Verteilung und Belegung der stationären Wohnformen im<br />

Landkreis geht aus einer Aufstellung der Heimaufsichtsbehörde der Stadt<br />

und des Landkreises Göttingen hervor (siehe Anhang).<br />

Im Jahr 2003 bewohnten in Stadt und Landkreis Göttingen 2.571 Menschen<br />

ein Pflegeheim (entspricht 58 von Tausend Einwohnern über 65<br />

Jahre). 4,2 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landkreises sind über<br />

80 Jahre alt. Davon benötigen 23 Prozent ambulante oder pflegerische<br />

Betreuung, knapp 16 Prozent der über 80-Jährigen werden in stationären<br />

Einrichtungen versorgt, bei den über 90-Jährigen sind es 35 Prozent<br />

(Bezugsjahr 2004). Das durchschnittliche Eintrittsalter in eine stationäre<br />

Pflegeeinrichtung liegt bei 85 Jahren. Das Angebot an Alten- und Pflegeheimplätzen<br />

im Landkreis Göttingen umfasste im Frühjahr 2006 insgesamt<br />

3.205 Plätze in 38 Einrichtungen.<br />

Im Bereich des Landkreises – ohne Stadt Göttingen – besteht ein Angebot<br />

von 1.635 vollstationären Pflegeheimplätzen in 25 Einrichtungen, wobei<br />

die Platzanzahl von 22 Pflegeheimplätzen im Senioren- und Pflegeheim<br />

Hemeln bis zu 149 Pflegeheimplätzen im Senioren-Wohnpark Königshof<br />

reicht (Mai 2006). Insgesamt 529 Plätze und damit fast ein Drittel des<br />

gesamten vollstationären Platzangebotes des Landkreises findet sich im<br />

93 Niedersächsischer Landespflegebericht 2005<br />

94 BMFSJ 2005<br />

96


Bereich der Stadt Hann. Münden. Duderstadt verfügt mit 325 Plätzen über<br />

das zweitgrößte Angebot im Landkreis. Seit Einführung der zweiten Stufe<br />

der Pflegeversicherung zum 1. Juli 1996 hat sich die Anzahl an vollstationären<br />

Plätzen im Landkreis Göttingen um rund 50 Prozent von 1.092 (1996)<br />

über 1.238 (2001) auf nunmehr 1.635 Plätze (2006) erhöht.<br />

Allein in den letzten Jahren sind sechs neue Einrichtungen entstanden,<br />

so dass nunmehr bis auf die Gemeinde Gleichen in allen Kommunen des<br />

Landkreises Göttingen mindestens ein Alten- und Pflegeheim angesiedelt<br />

ist. Tätig sind das Herzogin-Elisabeth-Stift mit 80 Plätzen und der Senioren-Wohnpark<br />

Königshof in Hann. Münden mit 149 Plätzen, das Haus St.<br />

Martinus in Bilshausen mit 67 Plätzen, das Altenhilfezentrum Johannishof<br />

in Rosdorf mit 60 Plätzen, die Seniorenwohnanlage in Dransfeld mit 72<br />

Plätzen und das Seniorenpflegezentrum Bovenden mit 79 Plätzen.<br />

Im Landkreis Göttingen besteht keine Einrichtung, die ausschließlich<br />

Kurzzeitpflegemaßnahmen anbietet. Im Rahmen freier Kapazitäten führen<br />

allerdings alle 25 Alten- und Pflegeheimeinrichtungen neben der vollstationären<br />

Pflege auch Kurzzeitpflegemaßnahmen durch, so dass auch hier<br />

eine gute Versorgung gegeben ist.<br />

Neben der vollstationären Dauerpflege und der Kurzzeitpflege besteht<br />

die Möglichkeit, Leistungen der Tagespflege in Anspruch zu nehmen.<br />

Dafür stehen im Landkreis insgesamt 47 Plätze in vier Einrichtungen zur<br />

Verfügung. Im Stadtgebiet gibt es derzeit nur eine Einrichtung, die zwölf<br />

Tagespflegeplätze anbietet. Konkret sind dies das Altenzentrum am Saathoffplatz,<br />

Göttingen, das Altenhilfezentrum Johannishof in Rosdorf, das<br />

Seniorenpflegezentrum Bovenden, die ASB-Tagespflege Bovenden sowie<br />

die AWO-Tagespflege Hann. Münden. Während das Altenhilfezentrum<br />

Johannishof in Rosdorf und das neu gebaute Seniorenpflegezentrum<br />

Bovenden ihre Tagespflegeeinrichtung direkt an den vollstationären Heimbetrieb<br />

angegliedert haben, bestehen die Einrichtungen der Tagespflege<br />

in Hann. Münden (AWO) und in Bovenden (ASB) eigenständig.<br />

Um die Qualitätsstandards zu verbessern, wurden in der jüngsten Vergangenheit<br />

in zahlreichen Einrichtungen umfangreiche Baumaßnahmen zur<br />

Erweiterung der Häuser und Modernisierungsarbeiten durchgeführt. Die<br />

Mehrzahl der Pflegebedürftigen kann nun in Einzelzimmern untergebracht<br />

werden, die vor allem in den neuen Häusern und in den erweiterten Bereichen<br />

auch über eigene Badezimmer verfügen.<br />

In der Stadt Göttingen gab es Mitte 2006 1.570 vollstationäre Pflegeplätze<br />

in 13 Einrichtungen, 65 neue Plätze werden im Laufe des Jahres 2006 in<br />

Weende fertiggestellt. Im Stadtgebiet liegt die Auslastung bei 83 Prozent,<br />

Mitte 2006 gab es ca. 270 freie Plätze.<br />

Diese gute Versorgung von Stadt und Landkreis Göttingen mit vollstationären<br />

Pflegeheimplätzen wird auch anhand der Platzzahl je 10.000<br />

Einwohner deutlich. Hier liegt der Landkreis mit 112 Plätzen deutlich über<br />

dem Durchschnitt des Landes. Die mit den Pflegekassen abgeschlossenen<br />

Versorgungsverträge der Heime legen deren Belegungsquoten fest. Nach<br />

Aussage der städtischen Heimaufsicht melden die Einrichtungen jedoch<br />

durchschnittlich 25 Prozent weniger belegte Plätze als eigentlich verfügbar,<br />

97<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


da viele Doppelzimmer als Einzelzimmer belegt werden. Die Heimaufsicht<br />

der Stadt Göttingen sieht hier die Notwendigkeit der Anpassung an den<br />

tatsächlichen Bestand.<br />

Planungen zum Bau weiterer Häuser sind derzeit nicht bekannt. Die meisten<br />

Pflegebedürftigen finden bei Bedarf wohnortnah einen geeigneten<br />

Pflegeheimplatz.<br />

Seit Einführung der Pflegeversicherung 1994 hat sich die Zahl der<br />

Leistungsempfänger bundesweit vervierfacht. Gleichzeitig ist die Zahl der<br />

Einzahler zurückgegangen. In ihrem Koalitionsvertrag hat die neue Bundesregierung<br />

eine Reform der Pflegeversicherung vereinbart. Entscheidungen<br />

zu diesem brisanten Thema wurden bislang nicht getroffen.<br />

Für Heime mit weniger als 50 Plätzen ist es bei Einhaltung der vielfältigen<br />

gesetzlichen Auflagen schwierig, rentabel zu wirtschaften. Zu erwarten<br />

ist, dass sich der Trend zu Diversifikation und Größe fortsetzen wird.<br />

Ehemals gemeinnützig geführte Einrichtungen werden möglicherweise<br />

wegen wegfallender öffentlicher Zuschüsse privatisiert, um ehemals<br />

tarifgebundene Arbeitsverträge an die neuen Bedingungen anpassen zu<br />

können. Die Beschäftigung älterer ArbeitnehmerInnen wird von vielen<br />

Anbietern unterstützt, da diese aufgrund ihrer großen Lebenserfahrung<br />

stark zu einer hohen Betreuungsqualität beitragen. Durch die Mischung<br />

jüngerer und älterer Mitarbeiter ist möglich, ältere MitarbeiterInnen von<br />

körperlich intensiven Arbeiten zu entlasten.<br />

Ein Betreiber verschiedener Pflegeeinrichtungen aus dem Landkreis<br />

Göttingen kritisiert, das Wegfallen der Pflegestufe eins und die Bemühung,<br />

Personen in Pflegestufe eins und zwei nicht mehr in stationären<br />

Einrichtungen zu versorgen, werde zu einer Verlagerung der Kosten auf<br />

die Sozialhilfeträger führen. Viele Menschen seien nicht in der Lage, die<br />

Pflegekosten allein zu tragen. Sein Vorschlag: Zur Stärkung der ambulanten<br />

Versorgung sollten die Sätze für die ambulante Pflege angehoben<br />

werden. Zu beachten sei, dass die Pflege zu Hause nicht immer den<br />

Bedürfnissen der Betroffenen entspreche. Für alleinstehende Menschen<br />

sei die Integration in einem stationären Bereich möglicherweise positiver<br />

zu bewerten als das Leben in den eigenen vier Wänden. Ab einem bestimmten<br />

Pflegeaufwand könne die ambulante Versorgung teurer sein als<br />

der Aufenthalt in einem Heim.<br />

Neue Wohnformen<br />

„Ich bin 56, man will es ja nicht wahrhaben, aber man wird eben älter.<br />

In ein Altenheim wollen wir alle nicht. Wir planen mit mehreren gleichaltrigen<br />

deshalb eine Alten-WG. Küche und Garten wollen wir gemeinsam<br />

nutzen, aber auch Rückzugsmöglichkeiten haben. Ob wir unsere Vorstellungen<br />

verwirklichen können, weiß ich nicht.“ (Hann. Münden)<br />

„Uns kriegt man nicht in die Altenheime. Wir wollen viel eher in offene<br />

Wohngruppen gehen. Die Beschäftigten in den Altenheimen sind ganz<br />

fleißig und kompetent. Aber wir wollen uns aktiv einbringen und nicht<br />

den ganzen Tag über bedienen lassen.“ (Duderstadt)<br />

98


Einhergehend mit den gesellschaftlichen Veränderungen haben sich<br />

zahlreiche neue Wohnformen entwickelt. Sie lassen sich nicht immer<br />

trennscharf definieren. Der Begriff Wohngemeinschaft wird im Allgemeinen<br />

mit jungen Leuten assoziiert, die nicht allein leben und gleichzeitig<br />

die Wohnkosten verringern wollen. Diese Wohnform findet inzwischen<br />

verstärkt Anhänger unter älteren Menschen. Die dafür gefundenen Organisationsformen<br />

sind vielfältig; der Begriff gemeinschaftliches Wohnen fasst<br />

ein weites Spektrum individueller Modelle. Ihnen ist gemeinsam, dass<br />

es sich um von Privatpersonen oder Vereinen initiierte Projekte handelt,<br />

in denen das Miteinander und das Sorgen füreinander im Vordergrund<br />

stehen. In einer Wohngemeinschaft hat jeder Bewohner sein eigenes<br />

Zimmer; Bad, Küche und Gemeinschaftsräume werden geteilt. Diese Form<br />

der Alten-WG ist bislang vor allem im Rahmen betreuter Wohngruppen<br />

bereits pflegebedürftiger bzw. dementer Menschen anzutreffen. Verbreiteter<br />

sind Hausgemeinschaften, in denen jeder Bewohner, ähnlich wie<br />

beim betreuten Wohnen, über eine abgeschlossene Wohnung verfügt und<br />

darüber hinaus Gemeinschaftsräume existieren. Das Ideal des gemeinschaftlichen<br />

Wohnens sind gegenseitige Anteilnahme und Unterstützung<br />

im Alltag und im Krankheitsfall – wenn nötig auch mit Unterstützung durch<br />

ambulante Pflegedienste.<br />

Zu den zentralen Merkmalen des gemeinschaftlichen Wohnens zählen:<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

Besondere Qualitäten des Zusammenlebens (gegenseitige Unterstützung),<br />

Mischung der Bewohner (Unterschiede nach Alter, Herkunft,<br />

Einkommen)<br />

Flexible Wohnraumgestaltung (Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde<br />

Wohnbedürfnisse)<br />

Angestrebte Integration in das umgebende Wohnquartier und Verwirklichung<br />

gemeinschaftsfördernder Baukonzepte<br />

Mitwirkung der Bewohner bei der Projektentwicklung (Planung,<br />

Realisierung des Projektes, Gemeinschaftsleben, Selbstverwaltung,<br />

Mitspracherecht bei der Belegung)<br />

Alternative Wohnformen für Ältere sind aufgrund ihrer Verschiedenheit und<br />

der bislang eher geringen Verbreitung nicht statistisch erfasst, es stehen<br />

lediglich Schätzungen des Forums für gemeinschaftliches Wohnen (FGW)<br />

zur Verfügung. Bisher existieren demnach bundesweit etwa 200–300 selbst<br />

organisierte Wohnprojekte.<br />

Zu verzeichnen sind wachsendes Interesse sowie eine zunehmende Zahl<br />

von Veröffentlichungen zum gemeinschaftlichen Wohnen. Auch das Fernsehen<br />

liefert mit Dokumentationssendungen aus Wohnprojekten immer<br />

wieder Informationen zum gemeinschaftlichen Wohnen. Im Februar 2005<br />

wurde sogar eine Doku-Soap unter dem Titel „Silver-Girls – Die Alten-WG“<br />

95 Kremer-Preiß, Stolarz 2003<br />

99<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


ausgestrahlt (ARTE). In der Mehrzahl der Veröffentlichung finden sich<br />

neben allgemeinen Angaben auch zahlreiche Beispiele von Projekten und<br />

Projektinitiativen.<br />

Die Hauptinteressentengruppe für selbstorganisierte Wohnformen sind<br />

die 50- bis Ende 60-Jährigen. Allerdings ist der Weg von der Idee zur<br />

Umsetzung ein langer und beschwerlicher: Die erste Hürde stellt die<br />

Phase der Gruppenfindung dar, in der es darum geht, sich kennenzulernen<br />

und Vertrauen zu entwickeln. Auch muss entschieden werden, welche<br />

Organisationsform gewünscht ist, sei es selbst organisiert oder betreut,<br />

mit Anbindung an eine Einrichtung oder ohne. Weitere Schwierigkeiten<br />

ergeben sich beim Finden einer geeigneten Immobilie. Fragen der Finanzierung<br />

und der Eigentumsform stehen hier im Vordergrund. In dieser<br />

Phase ist die Zusammenarbeit mit externen Beratern und den Bauherren<br />

von großer Bedeutung.<br />

Das selbst organisierte Wohnen in Gruppen ist derzeit ein eher städtisches<br />

Phänomen, da hier der Anteil Alleinstehender weitaus höher ist als auf dem<br />

Land. Die Ergebnisse der Bürgerumfrage des <strong>Regionalverband</strong>es Südniedersachsen<br />

erbrachten jedoch überraschenderweise ein verhältnismäßig<br />

großes Interesse an neuen Wohnformen auch auf dem Land.<br />

In dieser Befragung haben 35 Personen angegeben, sie präferierten<br />

eine selbstorganisierte Wohngemeinschaft. Davon stammten 16 aus der<br />

Stadt Göttingen, immerhin 14 aus dem ländlichen Raum des Landkreises,<br />

in Hann. Münden und Duderstadt wurde diese Antwort nur zwei- bzw.<br />

dreimal gegeben. Hinsichtlich der These, diese Wohnform würde v. a.<br />

von Alleinstehenden gewählt, zeigen die Ergebnisse, dass gegenüber 13<br />

Alleinstehenden auch 15 in einem Zweipersonenhaushalt Lebende gerne<br />

in einem gemeinschaftlich organisierten Wohnprojekt leben würden.<br />

Auch die Annahme, dass diese Modelle insbesondere von Akademikern<br />

bevorzugt würden, bestätigt die Bürgerumfrage nicht. Es waren vor allem<br />

jüngere Befragte, die ihre Vorliebe dafür äußerten.<br />

Seit über zehn Jahren findet das Projekt der Freien Altenarbeit in Göttingen<br />

große Beachtung. Die Alten-WG am Goldgraben in Göttingen besteht seit<br />

1994. Damals überließ die Stadt eine Villa im Göttinger Ostviertel, ehemals<br />

ein Altersheim mit damals starkem Sanierungsbedarf, dem Verein „Freie<br />

Altenarbeit“ von der Stadt für 25 Jahre zur mietfreien Nutzung. Die Kosten<br />

für die Instandhaltung des Gebäudes trägt seitdem der Verein. Das Haus<br />

verfügt über elf Wohnungen zwischen 30 und 47 Quadratmetern, die<br />

als abgeschlossene Wohnungen mit Bad und Küchenzeile eingerichtet<br />

sind. Darüber hinaus gibt es Gemeinschaftsräume. Voraussetzung für<br />

das Funktionieren des Zusammenlebens ist die Auflage, etwas für die<br />

Gemeinschaft zu tun. Diese Verpflichtung umfasst auch die Betreuung<br />

im Krankheitsfall.<br />

Die Bewohnerinnen sind zwischen 65 und 93 Jahre alt. In wöchentlichen<br />

Sitzungen wird das Gemeinschaftsleben geplant und Konflikte bearbeitet.<br />

Die Arbeit des im Haus angesiedelten Vereins mit seinem Zeitzeugenprojekt<br />

bietet einen weiteren Bindungsfaktor. Der Verein fördert die Bildung<br />

von Gruppen, in denen ältere und jüngere Menschen ein gemeinsames<br />

Wohnen vorbereiten wollen.<br />

100


Bei Mehrgenerationenprojekten werden in einem Stadtviertel oder einer<br />

größeren Siedlung Versorgungsstrukturen geschaffen und Unterstützungsleistungen<br />

angeboten, die es älteren Mitmenschen erlauben, auch mit<br />

Beeinträchtigungen weiterhin selbstständig in ihren eigenen Wohnungen<br />

zu leben, ohne Gefahr zu laufen, zu vereinsamen. Organisatoren und Träger<br />

von Gemeinschaftsaktivitäten und Hilfsangeboten können Wohnungsbaugesellschaften,<br />

Kommunen, soziale Einrichtungen und/oder Nachbarschaftsinitiativen<br />

sein. Wichtig ist, dass hiermit einer Isolation älterer<br />

Menschen vorgebeugt wird und der Zusammenhalt der Generationen und<br />

die Partizipation Älterer gestärkt werden soll. Der Grad der Eigenorganisation<br />

ist jedoch aufgrund der Maßstabsebene relativ gering.<br />

Derartige Ansätze gibt es auch im Landkreis Göttingen, so die vor kurzem<br />

fertiggestellte generationengemischte Wohnanlage “Am Hamberg“ der<br />

Wohnungsgenossenschaft in Rosdorf mit 31 barrierefreien Wohnungen. In<br />

Geismar gibt es am Tannenweg eine generationengemischte Wohnanlage<br />

der Volksheimstätte mit ca. 250 Wohnungen. Dort wurde im Zuge von<br />

Sanierungsmaßnahmen ein Anteil der EG-Wohnungen seniorengerecht<br />

umgerüstet. Betreutes Wohnen wird wegen der hohen Kosten gezielt<br />

nicht angeboten. Im Baugebiet am Junkernberg in Bovenden ist ebenfalls<br />

eine Fläche für generationengemischtes Wohnen ausgeschrieben. Derzeit<br />

wird ein Bauträger gesucht, der ein solches Projekt in Kooperation mit<br />

den zukünftigen Bewohnern umsetzt. Das lokale Bündnis für Familie will<br />

den Planungsprozess begleiten. Ähnliche Ansätze gibt es in Friedland,<br />

Dransfeld und Adelebsen.<br />

Trotz kooperationsbereiter Verwaltungen, Bau- und Wohnungsgesellschaften<br />

bleibt im Kern das Problem “Wer so leben will, muss es selbst<br />

organisieren“ bestehen. Das Angebot an geeigneten Immobilien ist bislang<br />

allerdings gering.<br />

Beispiele für das Wohnen im Alter<br />

Im Folgenden sollen kurz einige neue Modelle des Wohnens im Alter<br />

sowohl aus Deutschland als auch aus einigen Nachbarländern vorgestellt<br />

werden, um Entwicklungsperspektiven für eine zukünftige Ausweitung<br />

altengerechter Wohnformen aufzuzeigen.<br />

Eines der populärsten Beispiele für selbst organisiertes gemeinschaftliches<br />

Wohnen ist die Hausgemeinschaft des ehemaligen Bremer Oberbürgermeisters<br />

Henning Scherf. Bereits Mitte der 80er-Jahre hatte sich<br />

eine Gruppe von Freunden gefunden, die beschlossen, ihr Altwerden<br />

gemeinsam zu erleben. Nach intensiven Diskussionen über Vorstellungen<br />

und die gemeinsame Zielsetzung erwarben sie ein sanierungsbedürftiges<br />

Haus in der Bremer Innenstadt. Der Umbau zu mehreren Einzelwohnungen<br />

und den Gemeinschaftsräumen erfolgte im Hinblick auf das Altern der<br />

Bewohner, es wurde auch an einen Schacht für einen eventuell eines<br />

Tages benötigten Fahrstuhl gedacht. Die Aufteilung in Wohnungen erlaubt<br />

allen BewohnerInnen die gewohnte Privatsphäre, doch u. a. bei den<br />

regelmäßigen „Betonterminen“ findet man zusammen. Scherf bezeichnet<br />

96 Stiftung Warentest/Kuratorium Deutsche Altershilfe/Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) 2006, S. 19<br />

101<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


das Leben dort als „intellektuelles Reizklima“, aber auch in Fällen, in denen<br />

Bewohner Unterstützung brauchten, hat sich die Gemeinschaft bereits<br />

häufig bewährt.<br />

In Großburgwedel leben seit Herbst 1998 zwei junge Familien und vier<br />

ältere Ehepaare beieinander. Die aus insgesamt 15 Personen bestehende<br />

Gruppe „Beieinander wohnen – Jung und Alt“, die aus privaten Kontakten<br />

entstand, lebt in sechs Häusern und einem Gemeinschaftshaus. Jeweils<br />

zwei zusammenhängende Häuser mit einem Gemeinschaftshaus bilden<br />

den Bereich für die älteren Menschen, und zwei davon abgetrennte zusammenhängende<br />

Häuser werden von den beiden Familien bewohnt.<br />

Die beiden jungen Parteien wollten für sich unter einem Dach bauen, u.<br />

a. auch, um den Eigenleistungsanteil unabhängiger realisieren zu können.<br />

Das Gebäude wurde auf einem 2.000 Quadratmeter großen Grundstück<br />

neu gebaut und in Eigentum erworben. Einige BewohnerInnen waren<br />

miteinander befreundet, und aus dem Bekanntenkreis kamen später<br />

weitere dazu. Gemeinsam war ihnen, dass sie mit ähnlich Gesinnten alt<br />

werden und sich kleine Dinge im Alltag abnehmen wollten. Auch junge<br />

Familien sollten dabei sein.<br />

Nachdem die Gruppe ein Grundstück gefunden hatte, zog sie ein Architektenbüro<br />

hinzu. Für den Kauf des Grundstückes und um als Vertragspartner<br />

mit dem Architekturbüro Aufträge abwickeln zu können, schlossen sich<br />

die zukünftigen BewohnerInnen zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts<br />

zusammen. Nach Fertigstellung des gesamten Projektes wurde die GbR<br />

in eine Wohnungseigentümergemeinschaft umgewandelt. In Teilungsverträgen<br />

sind die jeweiligen Bereiche anteilsmäßig beschrieben.<br />

Der Prozess von der Entwicklung des Raumkonzeptes bis zur Fertigstellung<br />

dauerte drei Jahre. Sämtliche Häuser sind in sich abgeschlossene<br />

Wohnungen mit der Besonderheit, dass sich einige Häuser einen Hauswirtschaftsraum<br />

teilen. Es gibt gemeinschaftliche Außenbereiche, aber auch<br />

private Terrassen vor den Häusern. Die Erdgeschosse sind schwellenlos<br />

und für die mögliche Nutzung von Rollstühlen geplant. Da es keine Keller<br />

gibt, werden Nebengebäude als Werkstatt und Abstellräume genutzt.<br />

Die Gesamtkosten betrugen ca. 1,2 Millionen Euro, knapp 1.800 Euro pro<br />

Quadratmeter einschließlich der Kosten für das Gemeinschaftshaus.<br />

Aus einer Initiative der städtischen Wohnungsgesellschaft Bremerhaven<br />

mbH in Kooperation mit einer Gruppe Interessierter (die sich durch das<br />

Angebot der Wohnungsgesellschaft zusammenfanden) entstand ein<br />

Projekt, bei dem nachbarschaftliches Mehrgenerationenwohnen mit<br />

Quartiersentwicklung verbunden wurde. Die Sanierung eines Altbaus (Bj.<br />

1903) mit 900 Quadratmetern Wohnfläche in der Goethestraße, einem<br />

Bremerhavener Brennpunktquartier, wurde von der Wohnungsgesellschaft<br />

(Eigentümer) und den zukünftigen Mietern gemeinsam geplant und mit<br />

deren finanzieller Eigenbeteiligung umgesetzt, wobei die Wohnungsgesellschaft<br />

fehlendes Kapital mit zinslosen Darlehen vorschoss. Im<br />

Rahmen der Modernisierung wurden barrierefreie Zugänge hergestellt,<br />

ein Fahrstuhl und Balkone eingebaut, eine Zentralheizung installiert, die<br />

Außenanlagen umgestaltet, ein Gemeinschaftsraum eingerichtet und die<br />

97 VDW-Tagung 2006 „Bremen – eine generationengerechte Adresse“<br />

102


Fassade erneuert. Die Wohnungen wurden nach den Vorstellungen der<br />

Mieter gestaltet. 2005 bezogen die Bewohner, sowohl ältere Menschen<br />

als auch junge Familien, das Haus. Die Beteiligung an der Modernisierung<br />

führt zu einer hohen Wohnzufriedenheit und positiver Entwicklung des<br />

nachbarschaftlichen Zusammenhalts.<br />

Auf einem Bauernhof der besonderen Art bietet die Diakonische Altenhilfe<br />

Niederlausitz gGmbH Betreutes Wohnen mit ländlicher Orientierung für<br />

Menschen mit Demenz an. Es handelt sich um eine an der landwirtschaftlich<br />

geprägten Lebenswelt orientierte betreute gerontopsychiatrische<br />

Wohngruppe.<br />

Immer mehr ältere Menschen erkranken an Demenz. Allerdings fehlt es in<br />

ländlichen Gemeinden oft an geeigneten Wohn- und Betreuungsformen<br />

für die Betroffenen und die sie pflegenden Angehörigen. Briesen, ein<br />

Ort mit etwa 10.000 Einwohnern, liegt in der Niederlausitz, in der Nähe<br />

des Spreewaldes. Kern des Nutzungskonzeptes ist es, an Altersdemenz<br />

erkrankten Menschen in der ihnen vertrauten ländlichen Umgebung ein<br />

neues Zuhause zu geben. Dabei soll Alltagsgestaltung an die bisherigen<br />

vom bäuerlichen Leben geprägten Erfahrungen und Abläufe anknüpfen.<br />

Durch die Möglichkeit, gewohnte Tätigkeiten weiter ausüben zu können,<br />

sollen vorhandene Fähigkeiten erhalten und trainiert werden. Im Mittelpunkt<br />

steht dabei, dass die BewohnerInnen in Würde alt werden können<br />

und so weit wie möglich selbstständig ihren Alltag meistern. Das alltägliche<br />

Leben auf dem Bauernhof wird durch Haustiere, Gartenarbeit und<br />

gemeinschaftliche Aktivitäten geprägt. Das Projekt greift Erkenntnisse<br />

aus Wissenschaft und Praxis – etwa des Kuratoriums Deutsche Altershilfe<br />

– auf, wonach die natürliche Lebensumgebung in vielseitiger Weise<br />

zur Zufriedenheit und Lebensqualität gerade älterer Menschen beitragen<br />

kann. Für die Betreuung stehen eine gerontopsychiatrische Fachkraft, eine<br />

Pflegehilfskraft sowie eine hauswirtschaftliche Hilfskraft zur Verfügung.<br />

Eine Sozialstation übernimmt die Hilfe und Anleitung bei der Körperpflege.<br />

Für den laufenden Betrieb ist ehrenamtliche Unterstützung durch<br />

Angehörige und Menschen aus der Nachbarschaft unverzichtbar. Diese<br />

Hilfe trägt zudem dazu bei, die Integration in die Gemeinde zu fördern.<br />

Das Grundstück stellte die Evangelische Kirchengemeinde Briesen in<br />

Erbbaupacht zur Verfügung.<br />

Wohnungsanpassungsberatung<br />

Eine kommunale Wohnungsberatung bzw. Wohnungsanpassungsberatung<br />

existiert in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden des Landkreises<br />

Göttingen nicht. Die meisten Verantwortlichen der Kommunalverwaltungen<br />

gehen auch nicht davon aus, dass ein solcher Service in alleiniger Trägerschaft<br />

einer Kommune eingerichtet werden könnte. Wenn überhaupt lasse<br />

sich dieses Angebot interkommunal oder durch den Landkreis Göttingen<br />

klären. In der Samtgemeinde Dransfeld könne daran möglicherweise der<br />

Fachbereich Bauen, Umwelt und Ordnung beteiligt werden. Die Stadt Duderstadt<br />

vertritt die Auffassung, dass zur Lösung eines solchen Problems<br />

auch die Kreiswohnungsbaugesellschaft einen Beitrag leisten könnte.<br />

98 Fachstelle Wohnberatung 2002<br />

103<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Der Bürgermeister der Gemeinde Friedland beabsichtigt, den Gedanken<br />

einer Wohnungsberatung aufzugreifen und im Rahmen eines Erzählcafés<br />

zu thematisieren. Auch der Bürgermeister der Gemeinde Gleichen hält die<br />

Idee grundsätzlich für gut und beabsichtigt, sie im Rahmen des Bündnisses<br />

für Familie auch in Altenclubs zu diskutieren.<br />

Auch die Stadt Hann. Münden hält die Idee für diskussionswürdig, geklärt<br />

werden müsse allerdings die Frage des Bedarfs. Auch Wohnungstauschbörsen<br />

existieren auf gemeindlicher Ebene nicht. Die Idee wird u. a. in<br />

Adelebsen, Bovenden und Gieboldehausen für sinnvoll gehalten.<br />

Im Ansatz wurde in Staufenberg bereits versucht, eine solche Initiative<br />

zu starten. Es zeigte sich jedoch dort, dass die meisten älteren Personen<br />

in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung bleiben wollen – selbst wenn<br />

Haus oder Wohnung nach Auszug oder Tod von Familienangehörigen viel<br />

zu groß geworden sind. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Adelebsen<br />

kann sich vorstellen, ein solches Angebot interkommunal zu gestalten. In<br />

Gleichen heißt es, da keine altengerechten Wohnungen vorhanden seien,<br />

fehle für das Funktionieren einer Wohnungstauschbörse die Basis. In<br />

Ebergötzen wird darauf verwiesen, dass die personelle Ausstattung der<br />

Samtgemeinde Radolfshausen ein solches Angebot nicht zulasse.<br />

Internationale Beispiele<br />

Niederlande<br />

Die Förderung der eigenständigen Lebensführung im Alter gehört in den<br />

Niederlanden seit Anfang der 70er-Jahre zu den sozialpolitischen Zielen.<br />

Es wird versucht, die Aufnahme von Personen in Alten- und Pflegeheime zu<br />

begrenzen. Man differenziert zwischen Haushaltshilfe und häuslicher Krankenpflege.<br />

Die Sozialversicherung übernimmt die Kosten für Haushaltshilfe<br />

und häusliche Krankenpflege, die vorwiegend durch gemeinnützige<br />

Träger erbracht werden, zu ca. 85 Prozent. Der verbleibende Anteil muss<br />

selbst finanziert werden. Über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit<br />

einer Unterbringung in vollstationären Einrichtungen entscheiden seit<br />

1977 regionale Begutachtungsstellen. Ziel ist es, die Aufnahme in Alten-<br />

und Pflegeheime auf diejenigen Personen zu beschränken, die nicht mehr<br />

selbstständig wohnen können. Da die Bedeutung der stationären Einrichtungen<br />

in den Niederlanden abnimmt, sind Alten- und Pflegeheime schon<br />

vor einiger Zeit dazu übergegangen, ihre Dienste auch älteren Menschen,<br />

die noch in der eigenen Wohnung leben, anzubieten (z. B. Tagespflege,<br />

Essen auf Rädern).<br />

Neben den Alten- und Pflegeheimplätzen steht eine Vielzahl an selbstständigen<br />

Wohnformen zur Auswahl, und zwar Wohnformen ohne und mit integriertem<br />

Dienstleistungsangebot. Wohnformen ohne integriertes Angebot<br />

sind vor allem Wohnungen aus dem regulären Wohnungsbestand. Heute<br />

werden den gesetzlichen Bauverordnungen entsprechen 50 Prozent der<br />

neu errichteten Wohnungen „anpassbar“ gebaut. Das bedeutet, dass bei<br />

der Planung die Anforderungen an körperbehindertengerechtes Wohnen<br />

bzw. eine relativ einfache Umwandlung berücksichtigt wird. Da der kom-<br />

99 Die Beispiele sind Steffens et al. 2004 entnommen.<br />

104


plette Umbau bestehender Wohnungen aus Kostengründen aufwendig ist,<br />

wurde das Konzept „Opplussen“ bzw. „Aufplussens“ entwickelt, bei dem<br />

die Barrierefreie Umgestaltung durch staatliche Prämien gefördert wird.<br />

„Aufplussen“ stellt somit eine recht günstige Maßnahme zur Bereitstellung<br />

altersgerechten Wohnraums dar. Zu den Wohnformen mit integriertem<br />

Dienstleistungsangebot zählen die „An- und Inleunwoningen“ sowie die<br />

Wohn-Pflege-Komplexe und die Seniorenwohnheime. Während es sich bei<br />

den „Anleunwoningen“ um altengerechte Wohnungen handelt, die direkt<br />

neben Altenheimen gebaut sind, sind die „Inleunwoningen“ selbstständige<br />

Wohneinheiten innerhalb der Altenheime. Bei beiden Wohnformen kann<br />

der Wohnungsmieter bei Bedarf kostenpflichtige Pflege- und Dienstleistungsangebote<br />

vom Personal des Altenheims in Anspruch nehmen<br />

(ähnlich dem Betreuten Wohnen). Auch für die Inanspruchnahme solcher<br />

Wohnungen ist eine Anerkennung der Notwendigkeit durch den medizinischen<br />

Dienst erforderlich. Ein vergleichbares Angebot bieten auch<br />

die Wohn-Pflege-Komplexe, welche die Altenheimplätze in Zukunft ganz<br />

ersetzen sollen. Es gibt ein von Seniorenverbänden vergebenes „Seniorenlabel“<br />

als Gütezeichen für altersgerechtes Wohnen.<br />

Dänemark<br />

Mit der Verabschiedung des „Gesetz betreffend Wohnungen für Alte und<br />

Personen mit Behinderung“ vollzog die dänische Regierung bereits 1987<br />

ein Paradigmenwechsel weg vom klassischen Pflegeheim hin zur modernen<br />

Seniorenwohnung. Der Bau von Pflegeheimen wurde eingestellt. Die<br />

Wohnungen müssen von den Gemeinden bereitgestellt werden. Entsprechend<br />

der Philosophie der Selbstbestimmung sollen Ältere genau die Hilfe<br />

bekommen, die sie benötigen – und zwar unabhängig davon, wo und wie<br />

sie wohnen. Zielsetzung ist die Bereitstellung eines breiten Angebotes<br />

an Dienstleistungen, wie Hilfe zur persönlichen Pflege, Zubereitung von<br />

Mahlzeiten, Wohnungsreinigung sowie Unterstützung beim Einkaufen<br />

und – soweit gewünscht – regelmäßige „Sicherheitsbesuche“. Generell<br />

haben Rehabilitationsmaßnahmen Vorrang gegenüber einer Einweisung<br />

in Tages- oder Pflegeheimen. Die ambulante Hilfe ist für die Menschen<br />

kostenlos, sie wird von den Gemeinden finanziert. Dies ist darin begründet,<br />

dass in Dänemark die Gemeinden als ausführende Organe für den Sozial-<br />

und Gesundheitsbereich verantwortlich sind und sie daher im Vergleich<br />

zu den deutschen Kommunen über eine wesentlich bessere finanzielle<br />

Ausstattung verfügen.<br />

Neu errichtete Seniorenwohnungen müssen behindertengerecht gebaut<br />

und – entsprechend den gesetzlichen Vorgaben – über eigene Küche,<br />

Bad mit Toilette sowie ein Alarmsystem verfügen. Errichtet werden die<br />

Seniorenwohnungen von gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften<br />

und den Gemeinden, denen per Gesetz eine Vielfalt von Refinanzierungsmöglichkeiten<br />

zur Verfügung steht. Privates Kapital kann mit einbezogen<br />

werden. Bei selbst genutztem Eigentum gewährt die Gemeinde – für<br />

den Fall, dass die seniorengerechten Baurichtlinien eingehalten werden<br />

– Zuschüsse und günstige Kredite. Eine Belegungsänderung bedarf der<br />

Zustimmung der Gemeinde. Eine Eigentumsübertragung ist nur unter<br />

strengen Auflagen möglich. Die Verwaltung der Seniorenwohnungen<br />

obliegt ebenfalls den Kommunen, die auch die Belegung übernehmen.<br />

Ausschlaggebend für die Belegung ist der durch den Visitationsausschuss<br />

festgestellte Grad der Hilfe- bzw. Pflegebedürftigkeit der Betroffenen. Eine<br />

105<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Quote, welche die Anzahl der Seniorenwohnungen festlegt, existiert nicht.<br />

Vielmehr liegt es im Ermessen der jeweiligen Gemeindeverwaltung, die<br />

Zahl abhängig von der Bevölkerungszahl und -struktur festzulegen. Die<br />

Kontrolle darüber erfolgt von zwei Seiten: zum einen durch die gesetzlich<br />

vorgeschriebenen, kommunalen Seniorenbeiräte vor Ort, zum anderen<br />

durch das Sozialministerium, dem die Verwaltung jedes Jahr den Bestand<br />

an Seniorenwohnungen übermitteln muss und das dann gegebenenfalls<br />

regulierend eingreifen kann.<br />

Großbritannien<br />

Im ambulanten Bereich existieren unterschiedliche Betreuungs- und<br />

Servicedienste für ältere Menschen, beispielsweise sog. Community<br />

Warden Services für die ambulante Betreuung in Bestandswohnungen,<br />

die Bewohner einmal pro Woche telefonisch kontaktieren und einmal pro<br />

Monat zu Hause besuchen, um die Lebensverhältnisse zu überprüfen. Die<br />

Dienste sind zuweilen kostenlos und erfordern lediglich eine telefonische<br />

Anmeldung. Intensivere Kurzzeitbetreuung in besonderen Lebenslagen<br />

– beispielsweise nach Entlassung aus einer Klinik oder bei Ausfall eines<br />

pflegenden Familienangehörigen – bietet der Mobile Warden Service<br />

an.<br />

Supported Housing sind Wohnanlagen, die abgeschlossene, meist<br />

barrierefreie Wohnungen und in der Regel ein Notrufsystem sowie Türsprechanlagen<br />

anbieten. Bei praktisch allen Anlagen wird großer Wert<br />

darauf gelegt, dass quartiersbasierte Freizeit- und Betreuungsangebote<br />

erreichbar sind. Supported Housing wäre mit einer Minimalversion des<br />

Service-Wohnens vergleichbar. Sheltered Housing bietet abgeschlossene<br />

Wohnungen, die in der Regel barrierefrei sind. Hinzu kommen ein Notrufservice<br />

sowie umfassende Gemeinschaftseinrichtungen und Betreuungsangebote.<br />

Die Mieten kommunaler Sheltered-Housing-Wohnanlagen<br />

liegen beispielsweise in London je nach Größe zwischen 400 und 600 € im<br />

Monat (inkl. Betreuung) und sind vergleichsweise preisgünstig. Beim Very<br />

Sheltered Housing handelt es sich um Sheltered Housing mit integrierter<br />

Pflegestation. Die Bewohner wohnen in abgeschlossenen Wohnungen<br />

der Anlagen, in denen ein Pflegeteam 24 Stunden am Tag anwesend<br />

ist. Die Pflege erfolgt in den Wohnungen. Residential Care/Care Homes<br />

ähneln dem deutschen Pflegeheim. Group Homes/Shared Accomodation<br />

wiederum sind Gruppenwohnprojekte, die sich insbesondere an Demenzkranke<br />

wenden.<br />

Die britische Regierung unterstützt die Selbstständigkeit fördernde<br />

Wohnformen und sieht insbesondere im Very Sheltered Housing eine Alternative<br />

zur stationären Pflege. Schlüsselfigur für die Betreuung sowohl<br />

in Bestandswohnungen wie in allen Formen altersgerechten Wohnens<br />

ist in England die Person des Wardens. Während hier Leistungskataloge<br />

dominieren, wird das britische Modell von der Verfügbarkeit einer solchen<br />

Ansprechperson geprägt, deren Leistungen flexibel auf die Bedürfnisse der<br />

Bewohner abgestellt werden. Dies bietet den Vorteil, dass sich die Dienstleistungen<br />

im Zuge der Alterung der Bewohnerschaft verändern können.<br />

Außerdem beinhaltet der Warden-Service eine aufsuchende Betreuung<br />

mit regelmäßiger Kontaktierung, die sowohl in betreuten Wohnanlagen<br />

als auch ambulant angeboten wird.<br />

106


Individuelle Einschätzungen<br />

„Ich habe eine Eigentumswohnung und bin Verwalter für unser Haus.<br />

Neulich habe ich versucht, ein Angebot für das Streichen des Treppenhauses<br />

zu kriegen. Die Betriebe, die ich angeschrieben habe, haben gar<br />

nicht reagiert. Man muss doch die Kundschaft pflegen.“ (Duderstadt)<br />

„Ich bin sechzig Jahre und seit fünf Jahren Frührentner. Unser Haus liegt<br />

auf dem Berg. Es ist schwierig, zu Fuß dahin zu kommen. Ich glaube<br />

aber, dass wir unser Haus behindertengerecht umbauen können, wenn<br />

wir mal größere Gehprobleme kriegen.“ (Duderstadt)<br />

„Mein Mann hat schon vor zwanzig Jahren behindertengerecht gebaut.“<br />

(Hann. Münden)<br />

„Ich habe gerade einer neuen Mieterin geraten, darauf zu bestehen, dass<br />

der Umbau erfolgen soll, bevor sie einzieht.“(Hann. Münden)<br />

Situation im Landkreis Göttingen<br />

Der demographische Wandel, insbesondere die tief greifenden Veränderungen<br />

im Altersaufbau der Bevölkerung, hat erhebliche Auswirkungen<br />

auf das Handwerk. Diese betreffen zum einen die Handwerksbetriebe<br />

unmittelbar, zum anderen die Märkte des Handwerks.<br />

Auf der betrieblichen Ebene rückt aufgrund der zu erwartenden verschärften<br />

Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt um qualifizierte Arbeitskräfte immer<br />

stärker die Sicherung des Nachwuchs- und Fachkräftebedarfs in den<br />

Vordergrund. Daneben werden die Handwerksbetriebe in zunehmendem<br />

Maße mit alternden Belegschaften konfrontiert. Das erfordert eine altersadäquate<br />

Arbeits- und Personalpolitik, wobei insbesondere die ständige<br />

Qualifizierung der älteren Mitarbeiter von großer Bedeutung sein wird.<br />

Auf der anderen Seite eröffnen sich dem Handwerk mit zunehmender<br />

Alterung der Bevölkerung neue Marktfelder und damit gleichzeitig die<br />

Chance, mit einem innovativen, an den Bedürfnissen der Senioren orientierten<br />

Angebot neue Kunden zu gewinnen. Dabei steht vor allem<br />

der Bereich „Wohnen im Alter“ im Fokus. So macht der Wunsch vieler<br />

Menschen, solange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben,<br />

in vielen Fällen eine altersgerechte Wohnraumanpassung durch bauhandwerkliche<br />

Betriebe unumgänglich (Stichwort: altengerechtes und barrierefreies<br />

Wohnen). Daraus resultiert vor allem für Bauhandwerksbetriebe<br />

eine Fülle von Aufgaben, sofern die Marktchancen von den Betrieben<br />

rechtzeitig erkannt und die neuen Märkte systematisch für das Handwerk<br />

erschlossen werden. Zudem wirkt sich positiv aus, dass ein Großteil der<br />

Senioren über eine überdurchschnittliche Kaufkraft verfügt und durchaus<br />

konsumfreudig ist.<br />

Im Folgenden wird untersucht, welche Risiken und Chancen sich für das<br />

Handwerk im Landkreis Göttingen aus dem demographischen Wandel ergeben.<br />

Nach einer kurzen Darstellung, wie das Handwerk in der Region aufgestellt<br />

ist, wird zunächst der Frage nachgegangen, wie die Altersstruktur<br />

107<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

HanDwerk Im<br />

DemograpHIscHen<br />

wanDel<br />

(Volkswirtschaftliches Institut<br />

für Mittelstand und<br />

Handwerk an der Universität<br />

Göttingen)


der im Handwerk Beschäftigten aussieht und welche personalpolitischen<br />

Konsequenzen aus der Alterung der Belegschaften in den Betrieben resultieren.<br />

Anschließend wird aufgezeigt, wo die Konsumschwerpunkte<br />

der Senioren liegen und wie das Leistungsangebot des Handwerks für<br />

diese Zielgruppe aussieht. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem<br />

Marktfeld „Seniorengerechtes Wohnen“.<br />

Strukturdaten des Handwerks<br />

Zum Wirtschaftsbereich Handwerk gehören derzeit 94 Berufe, die in den<br />

sog. Anlagen A und B zur Handwerksordnung im Einzelnen aufgelistet<br />

sind.100 Handwerksbetriebe müssen in die Handwerksrolle eingetragen<br />

werden, die von der jeweils zuständigen regionalen Handwerkskammer<br />

geführt wird. Die Zuständigkeit für den Landkreis Göttingen obliegt der<br />

Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen.<br />

Die Vielzahl der Berufe deutet darauf hin, dass es sich im Handwerk<br />

um einen vielseitigen Wirtschaftsbereich handelt, der zahlreiche unterschiedliche<br />

Zweige und Branchen umfasst. So sind in nahezu allen<br />

Lebensbereichen Produkte und Dienstleistungen anzutreffen, die dem<br />

Handwerk zuzuordnen sind: Dazu gehören Brötchen aus der Bäckerei<br />

und das Fleisch aus der Metzgerei, die Gestaltung oder der Umbau der<br />

Wohnung, Reparatur- und Serviceleistungen am Auto oder der Gang<br />

in den Friseursalon. Dementsprechend gehören zum breiten Spektrum<br />

handwerklicher Leistungen sowohl die Herstellung eigener Erzeugnisse,<br />

die oftmals im eigenen Ladengeschäft vertrieben werden (z. B. Bäcker,<br />

Fleischer), als auch die Bereitstellung von sach- und/oder personenbezogenen<br />

Dienstleistungen (z. B. Kfz-Techniker, Friseure) sowie der Handel mit<br />

fremd erzeugten Waren (z. B. Radio- und Fernsehtechniker, Uhrmacher).<br />

Das Handwerk erfüllt wichtige volkswirtschaftliche Funktionen. Dazu<br />

gehört aufgrund der breiten regionalen Streuung der Handwerksbetriebe<br />

vor allem die Nahversorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen<br />

des täglichen Bedarfs bzw. Grundbedarfs. So wird z. B. im<br />

Handwerk – anders als etwa in der Industrie – ein Großteil der Umsätze<br />

unmittelbar mit privaten Endverbrauchern getätigt. Häufig stellen dabei<br />

Handwerksbetriebe Mittler zwischen industriellen Herstellern und den<br />

privaten Endverbrauchern dar, indem sie industriell gefertigte Produkte<br />

beim Kunden installieren bzw. montieren und dadurch die Produkte erst<br />

„konsumfähig“ machen.<br />

Ferner kommt dem Handwerk eine große arbeitsmarktpolitische Bedeutung<br />

zu. Rund elf Prozent der Beschäftigten und damit etwa jeder Neunte<br />

arbeiten in einem Handwerksbetrieb. Rund 30 Prozent aller Ausbildungsplätze<br />

in der Region entfallen auf das Handwerk. Damit bildet dieser Wirtschaftsbereich<br />

weit über den eigenen Bedarf hinaus aus. Gleichzeitig trägt<br />

es dadurch zur Humankapitalbildung bei, da etwa jeder Zweite nach seiner<br />

Ausbildung im Handwerk in anderen Wirtschaftbereichen, vornehmlich in<br />

der Industrie, Arbeit findet.<br />

100 Darüber hinaus werden in der Handwerksordnung weitere 59 „handwerksähnliche“ Berufe (Anlage<br />

B, Abschnitt 2) aufgeführt, die keine Vollhandwerke darstellen. Wenn im Folgenden vom Handwerk die<br />

Rede ist, ist immer das Vollhandwerk ohne das handwerksähnliche Gewerbe gemeint.<br />

108


Derzeit gibt es im Landkreis Göttingen insgesamt 2.054 Handwerksbetriebe,<br />

davon entfallen 801 auf das Oberzentrum Göttingen. Daraus ergibt<br />

sich eine Betriebsdichte von knapp acht Handwerksbetrieben je eintausend<br />

Einwohner für den gesamten Landkreis, wobei in der Stadt Göttingen<br />

selbst etwa sechseinhalb Betriebe auf 1.000 Einwohner kommen.<br />

Damit ist der Versorgungsgrad der Bevölkerung im Landkreis Göttingen<br />

mit handwerklichen Gütern und Dienstleistungen – gemessen an der<br />

Betriebsdichte – deutlich schlechter als im gesamten Handwerkskammerbezirk<br />

Hildesheim-Südniedersachsen (9,2 Betriebe/1.000 Einwohner)<br />

oder im Durchschnitt des Landes Niedersachsen (9,7 Betriebe/1.000<br />

Einwohner).<br />

Aus der Abbildung 20 geht hervor, dass fast die Hälfte der Handwerksbetriebe<br />

im Landkreis Göttingen auf das Bauhandwerk entfällt. Damit wird<br />

die überragende Stellung des Bauhandwerks innerhalb des Gesamthandwerks<br />

auch in der Region bestätigt. Das Bauhauptgewerbe stellt rund 13<br />

Prozent der Betriebe. Dazu zählen z. B. Maurer und Betonbauer, Zimmerer<br />

und Dachdecker. Die meisten Bauhandwerksbetriebe gehören jedoch<br />

zum Ausbauhandwerk (35,2 Prozent). Hierzu zählen Maler und Lackierer,<br />

Installateure und Heizungsbauer, Tischler sowie Elektrotechniker. Im Hinblick<br />

auf den demographischen Wandel kommt dem Bauhandwerk vor<br />

allem im Marktfeld „Seniorengerechtes Bauen und Wohnen“ eine große<br />

Bedeutung zu.<br />

Ebenfalls relativ stark vertreten im Landkreis Göttingen sind neben dem<br />

Bauhandwerk auch jene Handwerkszweige, die personenbezogene<br />

Dienstleistungen erbringen. Mehr als jeder fünfte Handwerksbetrieb (22,2<br />

Prozent) gehört zu dieser Gruppe. Diese Branche umfasst z. B. Friseure,<br />

Schuhmacher, Schneider und Textilreiniger. Auch für die Handwerke für persönliche<br />

Dienstleistungen gewinnen Senioren aufgrund ihrer spezifischen<br />

Bedarfsprofile als Kundengruppe zunehmend an Attraktivität. Aufgrund<br />

eines erhöhten Komfortanspruchs und zunehmender Bequemlichkeit<br />

dürften Ältere künftig verstärkt Serviceleistungen nachfragen, die sie nicht<br />

mehr selbst erbringen wollen oder können. Untersuchungen zeigen, dass<br />

Ältere für diese Art von Bequemlichkeit tendenziell eher bereit sind Geld<br />

auszugeben als Jüngere.<br />

Im Kontext der gesellschaftlichen Alterung ist das Gesundheitshandwerk<br />

von Bedeutung. Insgesamt erbringen 113 Handwerksbetriebe im Landkreis<br />

Leistungen im Gesundheitsbereich. Dazu gehören Augenoptiker, Zahntechniker,<br />

Hörgeräteakustiker, Orthopädieschuhmacher und Orthopädietechniker.<br />

Bemerkenswert ist, dass mit einem Anteil von 5,5 Prozent an<br />

allen Handwerksbetrieben der Landkreis Göttingen erheblich besser mit<br />

handwerklichen Gesundheitsleistungen versorgt ist als im Durchschnitt<br />

des Handwerkskammerbezirkes Hildesheim-Südniedersachsen.101 Trotz<br />

allen medizinischen Fortschritts ist der Alterungsprozess auch mit geriatrisch<br />

bedingten gesundheitlichen und körperlichen Einschränkungen<br />

verbunden. Von daher liegen die Berührungspunkte des Gesundheitshandwerks<br />

mit der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> auf der Hand.<br />

101 Im Handwerkskammerbezirk Hildesheim-Südniedersachsen beträgt die Betriebsdichte im Gesundheitshandwerk<br />

durchschnittlich 3,6 Betriebe pro 1.000 Einwohner.<br />

109<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Abbildung 20: Handwerksbe-<br />

triebe im Landkreis Göttingen<br />

(Stand: April 2006)<br />

Quelle: HwK Hildesheim-Südnie-<br />

dersachsen; NLS-Online; eigene<br />

Berechnungen ifh Göttingen<br />

Abbildung 21: Handwerksbe-<br />

triebe im Landkreis Göttingen<br />

nach Branchen<br />

(Stand: April 2006)<br />

(Quelle ifh Göttingen)<br />

Handwerksbranche<br />

Schließlich sei auf das Nahrungsmittelhandwerk hingewiesen, zu dem<br />

knapp sechs Prozent aller Handwerksbetriebe im Landkreis Göttingen<br />

gehören. Bäcker und Fleischer stellen durch ihr Angebot die Versorgung<br />

der Bevölkerung mit täglich frischen Brot- und Backwaren sowie Fleischprodukten<br />

vor allem auch im ländlichen Raum sicher. Dabei profitiert das<br />

Nahrungsmittelhandwerk ganz generell vom wachsenden Gesundheitsbewusstsein<br />

der Bevölkerung, wobei jedoch mit zunehmendem Alter der<br />

Stellenwert einer gesunden Ernährung ansteigt.<br />

Altersstruktur in ausgewählten Handwerksbranchen<br />

Das Arbeitskräfteangebot hängt entscheidend von der Bevölkerung im<br />

erwerbsfähigen Alter ab, denn rein rechnerisch ergibt sich das Arbeitskräfteangebot<br />

aus der mit der Bevölkerungszahl multiplizierten Erwerbsquote,<br />

d. h. dem Anteil der am Erwerbsleben teilnehmenden Bevölkerung.<br />

110<br />

Betriebe<br />

anzahl betriebsdichte * anteil<br />

Bauhauptgewerbe 261 1,0 12,7%<br />

Ausbaugewerke 724 2,8 35,2%<br />

Handwerke für den gewerblichen<br />

Bedarf<br />

203 0,8 9,9%<br />

Kraftfahrzeughandwerk 178 0,7 8,7%<br />

Nahrungsmittelhandwerk 120 0,5 5,8%<br />

Gesundheitshandwerk 113 0,4 5,5%<br />

Handwerk für Persönliche<br />

Dienstleistungen<br />

455 1,7 22,2%<br />

Handwerksbetriebe insgesamt 2.054 7,8 100,0%<br />

davon im stadtgebiet göttingen 801 6,6<br />

* Betriebe pro 1.000 Einwohner ifh Göttingen


Durch eine Sonderauswertung der Versichertendaten der Innungskrankenkasse<br />

Niedersachsen (IKK Niedersachsen) war es möglich, die Altersstruktur<br />

der Handwerksbeschäftigten im Landkreis Göttingen zu ermitteln.<br />

Der Abbildung 22 ist zu entnehmen, dass gegenwärtig gut vier Fünftel der<br />

Beschäftigten im Handwerk jünger als 50 Jahre sind und knapp ein Fünftel<br />

diese Altersgrenze bereits überschritten hat (vgl. auch Abbildung 24).<br />

Mit knapp 55 Prozent gehören mehr als die Hälfte der Mitarbeiter im<br />

Handwerk der mittleren Altersgruppe der 31- bis 50-Jährigen an. Gut ein<br />

Viertel der Beschäftigten sind bis 30 Jahre alt. Bei den Mitarbeitern in den<br />

Handwerksbetrieben, die jenseits der 50 sind und somit zur Generation<br />

50plus gehören, ist die Alterskohorte der 51- bis 55-Jährigen mit rund zehn<br />

Prozent am stärksten besetzt, 6,5 Prozent der Mitarbeiter sind zwischen<br />

56 und 60 Jahre alt und nur 2,6 Prozent der Handwerksbeschäftigten sind<br />

61 Jahre und älter. 0 Mit dieser Alterszusammensetzung der Beschäftigten<br />

entspricht das Handwerk in etwa der Altersstruktur des Erwerbspersonenpotenzials<br />

im Landkreis Göttingen.<br />

Als Folge der oben beschriebenen Verschiebungen der Altersstruktur<br />

der Bevölkerung bzw. des Erwerbspersonenpotenzials wird sich auch<br />

die Altersstruktur der Mitarbeiter in den Handwerksbetrieben bis zum<br />

Jahr 2020 deutlich verändern: Verglichen mit der Situation heute ist zu<br />

erwarten, dass sich der Anteil der älteren Mitarbeiter (50+) in den Handwerksbetrieben<br />

erheblich erhöhen wird. Das bedeutet, dass sich die<br />

Handwerksbetriebe mittelfristig auf im Durchschnitt wesentlich ältere<br />

Belegschaften einstellen müssen.<br />

Eine Differenzierung nach Handwerksbranchen zeigt, dass sich die Altersstruktur<br />

in den einzelnen Handwerkszweigen teilweise deutlich voneinander<br />

unterscheidet (vgl. Abbildung 23). Den geringsten Anteil älterer<br />

Mitarbeiter (50+) weisen die Dachdecker und Tischler auf (jeweils unter<br />

zehn Prozent). Der Grund hierfür dürfte in der körperlichen Beanspruchung<br />

102 Die Ergebnisse der Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten im Landkreis Göttingen auf Basis<br />

der IKK-Daten werden durch eine Sonderumfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks<br />

(ZDH) zur Personalpolitik im Handwerk im Frühjahr 2003 weitgehend bestätigt. Danach entfielen im<br />

Handwerkskammerbezirk Hildesheim-Südniedersachsen 24,8 Prozent der Handwerksbeschäftigten auf<br />

die Altersgruppe der 15- bis 30-Jährigen, 54,5 Prozent der Beschäftigten waren zwischen 31 und 50<br />

Jahren alt und 20,6 Prozent waren älter als 51 Jahre.<br />

111<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Abbildung 22: Altersstruktur<br />

der Handwerksbeschäftigten<br />

im Landkreis Göttingen<br />

(Anteile in Prozent)<br />

(Quelle: ifh Göttingen)


Abbildung 23: Altersstruktur der<br />

Handwerksbeschäftigten im<br />

Landkreis Göttingen<br />

(Stand: August 2006)<br />

Abbildung 24: Altersstruktur der<br />

Handwerksbeschäftigten1) nach<br />

Betriebsgrößenklassen Quelle:<br />

Sonderumfrage ZDH Frühjahr<br />

2003; eigene Berechnungen<br />

Handwerksbranche beschäftigte1) im alter von bis jahren (anteile in %)<br />

15 - 30 31 - 50 51 - 55 56 - 60 61 u. älter<br />

Dachdecker 21,1 69 5,6 4,2 -<br />

Installateur und<br />

Heizungsbauer<br />

24,4 54,1 8,1 6,7 6,7<br />

Maler und Lackierer 22,4 61,2 10,2 4,1 2<br />

Tischler 37,8 53,3 4,4 4,4 -<br />

Fliesenleger 14,5 58,2 18,2 5,5 3,6<br />

Elektrotechniker 26,8 47 9,8 14 2,4<br />

Metallbauer 25,6 59 5,1 2,6 7,7<br />

Bäcker 14,9 64,2 10,4 9 1,5<br />

Fleischer 23,3 52,1 19,2 4,1 1,4<br />

Friseure 36,5 51,6 8,7 2,4 0,8<br />

Handwerk gesamt 26,5 54,7 9,8 6,5 2,6<br />

1) Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ifh Göttingen<br />

liegen, der die Mitarbeiter in diesen beiden Gewerken ausgesetzt sind.<br />

Mit zunehmendem Alter zeigen sich viele Mitarbeiter den berufsbedingten<br />

Anforderungen nicht mehr gewachsen oder das Unfallrisiko wird zu groß.<br />

Entsprechend hoch ist der Anteil jüngerer Mitarbeiter, wobei insbesondere<br />

bei den Tischlern der überdurchschnittlich hohe Anteil von Beschäftigten<br />

bis 30 Jahre auffällt (37,8 Prozent). Daneben zeichnen sich auch die Friseure<br />

durch einen überdurchschnittlich hohen Anteil jüngerer Mitarbeiter<br />

aus. Lediglich rund 12 Prozent der Beschäftigten in Friseurläden sind älter<br />

als 50 Jahre.<br />

Demgegenüber lässt sich in etlichen Handwerkszweigen ein überdurchschnittlich<br />

hoher Anteil älterer Mitarbeiter (50plus) feststellen. Dazu<br />

gehören bspw. Fliesenleger, Elektrotechniker sowie Installateure und<br />

Heizungsbauer (vgl. Abbildung 23). Bei diesen Handwerken erscheint<br />

angesichts der physischen Belastung der Mitarbeiter und des schnellen<br />

technischen Fortschritts bzw. Wandels der Berufsinhalte der betriebliche<br />

Anpassungsbedarf aufgrund der zu erwartenden Alterung der Belegschaft<br />

besonders vordringlich zu sein.<br />

Betriebsgrößenklasse<br />

Handwerksbeschäftigte in den altersgruppen…(anteile in %)<br />

15 - 30 jahre 31 - 50 jahre 50 jahre und älter<br />

Index 2)<br />

Index 2)<br />

Index 2)<br />

1 5 20 46,7 85 48,3 246<br />

2-4 22 87 53,5 97 24,5 125<br />

5-9 27,3 108 53,7 98 18,9 97<br />

10-19 27,7 110 53,9 98 18,3 93<br />

20 - 49 26,7 106 56,1 102 17,2 88<br />

50 und mehr 23,1 91 56,4 102 20,5 105<br />

Handwerk insges. 25,3 100 55,1 100 19,6 100<br />

1) einschl. tätige Inhaber u. mithelfende Familienangehörige ifh Göttigen<br />

2) Index: Gesamthandwerk = 100<br />

112


Neben der Branchendifferenzierung könnte auch interessant sein, ob<br />

Unterschiede in der Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten in den<br />

verschiedenen Betriebsgrößenklassen bestehen. Leider ist eine solche<br />

Differenzierung bei den IKK-Daten nicht möglich. Jedoch liefert die zuvor<br />

erwähnte Sonderumfrage des ZDH zur Personalpolitik im Handwerk diesbezüglich<br />

einige aufschlussreiche Ergebnisse für das Bundesgebiet, die<br />

weitgehend auch für den Landkreis Göttingen zutreffen dürften. Danach<br />

lässt sich feststellen, dass die kleinen Handwerksbetriebe mit bis zu fünf<br />

Beschäftigten den mit Abstand höchsten Anteil von älteren Mitarbeitern<br />

(50+) und den geringsten Anteil an jüngeren Mitarbeitern (unter 30 Jahre)<br />

aufweisen (vgl. Abbildung 24). Grund hierfür ist zum einen, dass diese<br />

Betriebsgrößenklasse stark von den Ein-Mann-Betrieben (Inhaberbetriebe)<br />

und Kleinstbetrieben mit nur einem oder zwei Beschäftigten geprägt<br />

werden. Bei fast der Hälfte dieser Betriebe gehört der mitarbeitende Inhaber<br />

zur Generation 50plus, was bei der Vielzahl der handwerklichen Ein-<br />

Mann-Betriebe bzw. Kleinstbetriebe entsprechend auf die Altersstruktur<br />

durchschlägt. Zum anderen haben vermutlich kleinere Betriebe weniger<br />

Möglichkeiten und Chancen, jüngere Nachwuchskräfte zu rekrutieren und<br />

langfristig an den Betrieb zu binden.<br />

Demgegenüber liegt der Anteil älterer Beschäftigter (50+) bei den mittelgroßen<br />

und größeren Handwerksbetrieben durchweg unter 20 Prozent,<br />

wobei der Anteil der über 50-jährigen Mitarbeiter mit zunehmender Größe<br />

des Betriebes sinkt. Lediglich bei den großen Handwerksbetrieben ab<br />

50 Beschäftigten steigt der Anteil älterer Mitarbeiter wieder leicht über<br />

20 Prozent an. Die Ergebnisse lassen erkennen, dass die Handwerksbetriebe<br />

mit mittlerer Größe (5–50 Beschäftigte) die günstigste Alterszusammensetzung<br />

der Belegschaft aufweisen.<br />

Anpassungsbedarf<br />

Zahlreiche Handwerksbetriebe haben bereits heute große Probleme, qualifiziertes<br />

Personal zu finden und zu halten: Viele junge Menschen gehen<br />

von vornherein nicht ins Handwerk, weil es für sie nicht attraktiv genug<br />

ist. Qualifizierte Fachkräfte wechseln häufig in andere Berufe, weil sie für<br />

sich keine Perspektiven sehen oder weil sie fürchten, auf Dauer die physischen<br />

und psychischen Belastungen nicht mehr zu verkraften.<br />

Verschärft wird dies noch durch die demographische Entwicklung.<br />

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung warnt vor einer<br />

Konfrontation von Betrieben mit dem Altern ganzer Bereiche oder Berufsgruppen.<br />

0 Anpassungsnotwendigkeiten für die Handwerksbetriebe<br />

ergeben sich dabei weniger aus dem Rückgang als vielmehr aus der<br />

dauerhaften Verschiebung der daraus resultierenden Verringerung des<br />

Arbeitskräftepotenzials. Angesichts des sich verschärfenden Wettbewerbs<br />

um qualifizierte Arbeitskräfte und der Alterung der Belegschaften wird es<br />

für die Handwerksbetriebe immer wichtiger, durch eine alternsgerechte<br />

Arbeits- und Personalpolitik qualifiziertes Personal zu finden und langfristig<br />

im Betrieb zu halten.<br />

103 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2005.<br />

113<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Aufgrund der Alterung der Belegschaft wird die größte Alterskohorte der<br />

31- bis 50-Jährigen in den kommenden Jahren deutlich kleiner werden,<br />

während die Altersgruppe der über 50-Jährigen stetig ansteigen wird.<br />

Auch die Altersgruppe der jüngeren Mitarbeiter bis 30 Jahre wird sich<br />

wegen des Fehlens von jungen Nachwuchs- bzw. Fachkräften bis 2020<br />

merklich verringern. 0<br />

Aufgrund gesundheitlicher Probleme und hoher körperlicher Belastungen<br />

verbleiben Beschäftigte im Handwerk selten bis zur Rente im Beruf. Die<br />

Altersstrukturdaten des Handwerks sind Beleg für diese Aussage. Während<br />

der Anteil der Altersgruppe von 51 bis 55 Jahren noch bei rund zehn<br />

Prozent liegt, nimmt der Beschäftigtenanteil in der Altersstufe von 56 bis<br />

60 Jahren auf 6,5 Prozent ab, und ab einem Alter von 61 Jahren liegt die<br />

Quote bei nur noch 2,6 Prozent.<br />

Aufgrund betriebsgrößenbedingter Wettbewerbsnachteile hat das<br />

Handwerk erhebliche Probleme, qualifizierte Fachkräfte und geeignete<br />

Nachwuchskräfte zu rekrutieren und an den Betrieb zu binden. Das liegt<br />

einerseits an mangelnden Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten im Handwerk,<br />

aber auch in der teilweise hohen körperlichen Beanspruchung. Zu<br />

den als alterskritisch einzustufenden Tätigkeiten gehören der Transport<br />

schwerer Materialien, Zwangshaltungen wie z. B. Arbeiten in ungünstigen<br />

Körperhaltungen (liegend, kniend, gebückt, hockend, Über-Kopf-Arbeiten),<br />

Tätigkeiten draußen bei schlechtem Wetter sowie Tätigkeiten unter Zeitdruck<br />

(z. B. saisonbedingt). Daher verwundert es nicht, dass Alterseffekte<br />

in den Daten der Innungskrankenkassen bei der Aufschlüsselung der<br />

Arbeitsunfähigkeitstage zu verzeichnen sind. 0<br />

Der Anteil älterer Beschäftigter in den Handwerksbetrieben wird also in<br />

den nächsten Jahren aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation<br />

zunehmen. Ursächlich hierfür sind die Schwierigkeiten bei der Rekrutierung<br />

junger qualifizierter Nachwuchskräfte 0 und das demographisch bedingte<br />

Ansteigen des Durchschnittsalters der Belegschaft. Dadurch steigt der<br />

Druck auf die Betriebe, ältere Mitarbeiter länger als bisher zu beschäftigen.<br />

Um dem Rechnung zu tragen, müssen die Handwerksbetriebe verstärkt betriebliche<br />

Strategien einer alternsgerechten Beschäftigung entwickeln.<br />

Ein von Weber und Packebusch 0 entwickeltes integriertes Personalmanagementkonzept<br />

bietet Lösungsansätze einer alternsgerechten<br />

Arbeits- und Personalpolitik, die an die betrieblichen Belange angepasst<br />

werden können. Die in der Abbildung 25 dargestellten Module geben<br />

einen Überblick, wo Anpassungsbedarf besteht.<br />

104 Vgl. a. Weber u. Packebusch 2005.<br />

105 Ebd., S. 174<br />

106 Die Konkurrenz um qualifizierte Nachwuchskräfte wird sich in den nächsten Jahren allein schon<br />

wegen des demographisch bedingten Rückgangs der Schulabgängerzahlen erheblich verschärfen.<br />

107 Vgl. ebd., S. 175ff.<br />

114


Im Modellprojekt über die Auswirkungen des demographischen Wandels<br />

im Sanitär-, Heizungs-, Klimahandwerk 0 kristallisierten sich Umsetzungsschwerpunkte<br />

und -bereiche heraus, die weitgehend auch auf<br />

andere Handwerksbranchen übertragbar sind. Es handelt sich dabei um<br />

Qualifizierung bzw. Weiterbildung der Mitarbeiter (z. B. Ermittlung des<br />

Qualifikationsbedarfs, Weiterbildungspläne für Mitarbeiter), Arbeits-/Betriebsorganisation<br />

(z. B. alternsgerechte Arbeitsplatzgestaltung, Delegation,<br />

Altersteilzeit), Betriebsführung/Personalmanagement (z. B. stärkere<br />

Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse, betriebliche<br />

Aufstiegsmöglichkeiten) und Personalrekrutierung/Personalauswahl (z. B.<br />

Erstellen von Anforderungsprofilen, Angebot von Praktika).<br />

Mit sinkender Leistungsfähigkeit von älteren Mitarbeitern in den Betrieben<br />

steigt also auch die Bedeutung von Strategien zur Erhaltung der<br />

Arbeitsproduktivität bzw. zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit an sich, um<br />

ältere Mitarbeiter länger als bisher zu beschäftigen. In den Bereichen<br />

Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung wird verstärkt Wert auf alternsgerechten<br />

Gesundheits- und Arbeitsschutz gelegt. So lassen sich<br />

z. B. durch Anforderungsprofile die verschiedenen Tätigkeitsbereiche im<br />

Betrieb nach dem Grad der körperlichen Anstrengung unterteilen, so dass<br />

die einzelnen Tätigkeiten den physischen Anforderungen gemäß altengerecht<br />

in der Belegschaft aufgeteilt werden können. Hier besteht gerade<br />

im kleinbetrieblich strukturierten Handwerk vielfach noch ein erheblicher<br />

Anpassungsbedarf.<br />

Von zentraler Bedeutung für eine demographiefeste Arbeits- und Personalplanung<br />

ist eine permanente Weiterqualifizierung der älteren Mitarbeiter.<br />

Das verstärkte Einbinden älterer, erfahrener Mitarbeiter in die<br />

Betriebsabläufe und das Aktivieren ihres Know-hows sind erste Schritte<br />

bei der Bewältigung des demographischen Wandels. Darüber hinaus<br />

besteht ein großer Bedarf an grundlegenden Bildungsangeboten, die<br />

die alternsspezifischen Bedürfnisse und Anforderungen aufzeigen. Dazu<br />

gehört die Vermittlung von Verständnis für die Probleme, welche sich aus<br />

den verschiedenen geriatrischen Einschränkungen und Krankheitsbildern<br />

108 Vgl. Weber u. Packebusch 2005, S. 176f.<br />

115<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Abbildung 25: Modulares Managementkonzept,<br />

ifh Göttingen<br />

Quelle: nach Weber u.<br />

Packebusch


ergeben und auf die Lebensumstände älterer Menschen einwirken. Diese<br />

Einsichten gilt es nicht nur für eine Verbesserung der innerbetrieblichen<br />

Strukturen im Hinblick auf ältere Mitarbeiter zu nutzen, sondern auch<br />

für eine Anpassung an die speziellen Bedürfnisse des Seniorenmarktes<br />

hinsichtlich produktspezifischer sowie sozialer Qualitäten. Insbesondere<br />

den kleinen und auch mittleren Betrieben des Handwerks muss hier<br />

eine Hilfestellung gegeben werden, um deren größenbedingte Nachteile<br />

auszugleichen.<br />

Das Erfahrungswissen von Älteren in den Betrieben sollte besser ausgenutzt<br />

werden. Der Landesseniorenrat Niedersachsen schlägt deshalb vor,<br />

die bestehenden Patensysteme in den Betrieben stärker zu entwickeln. 0<br />

Das gelte nicht nur für den kaufmännischen Bereich, sondern auch für<br />

die Werkbank. Ältere sollten länger in den Betrieben bleiben, um den jüngeren<br />

Kollegen ihre Kenntnisse zu vermitteln. Vorbild kann hier das Modell<br />

„Lernpartnerschaften“ der Satorius AG in Göttingen sein. 0<br />

Ansatzpunkte für die Einbindung lokaler Akteure<br />

Insbesondere die kleinen und mittleren Handwerksunternehmen sind häufig<br />

überfordert, wenn sie sich neben der eigentlichen Leistungserbringung<br />

noch um andere, strategische Aspekte der Betriebsführung kümmern<br />

müssen. Daher kommt Akteuren im direkten Umfeld der Handwerksbetriebe<br />

wie z. B. Kammern, Innungen und Verbänden eine wichtige Aufgabe<br />

zu, die Betriebe adäquat über die Auswirkungen des demographischen<br />

Wandels zu informieren und im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei den erforderlichen<br />

Anpassungsmaßnahmen zu unterstützen. Dazu gehören auch<br />

die Entwicklung bzw. das Angebot geeigneter Qualifizierungsmaßnahmen<br />

für die Beschäftigten.<br />

Die Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen bietet verschiedene<br />

Dienstleistungen wie z. B. Seminare an, um die Betriebe für das Thema<br />

“<strong>Seniorenwirtschaft</strong>” zu sensibilisieren und die Kompetenzentwicklung<br />

voranzutreiben. Zu diesem Zweck wurde ein Branchenführer erstellt, in<br />

den sich alle Handwerksbetriebe aus dem Kammerbezirk mit ihrem spezifischen<br />

Leistungsprofil im Bereich der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> aufnehmen<br />

lassen können. Das Angebot eines solchen Leistungsverzeichnisses wurde<br />

übernommen von der Handwerkskammer Düsseldorf, die seit einigen<br />

Jahren mit dem dort etablierten und erfolgreichen Projekt „Wohnen im<br />

Alter (WiA)“ ein hervorragendes umfassendes Konzept entwickelt hat.<br />

Doch bieten sich auch Möglichkeiten zur Einbindung einer Vielzahl anderer<br />

Anbieter außerhalb des Handwerks, die im Bedarfsfall den Handwerksbetrieben<br />

bei der Bewältigung der demographiebedingten Probleme und<br />

Aufgaben unterstützend zur Seite stehen können. Hilfestellungen für interessierte<br />

Betriebe werden dabei von mehreren Einrichtungen im Landkreis<br />

Göttingen geleistet. Diese Anbieter gilt es miteinander zu verbinden und<br />

deren großes Angebot deutlich zu machen.<br />

109 Gespräch mit dem Vorsitzenden Dr. Christoph Steinbach am 4. April 2006<br />

110 Hiege, Hesse 2006<br />

116


So ist beispielsweise eine Vielzahl von Teilprojekten in dem Projekt<br />

“Beschäftigungspakt für Ältere im Landkreis Göttingen” vereint. Die<br />

folgende Abbildung gibt einen Überblick über Akteure im Bereich der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>. Diese stellen für interessierte Handwerksbetriebe<br />

erste Ansprechpartner dar.<br />

Anbieter bereich/ ziele angebot zielgruppe<br />

• Optimierung der<br />

Markterschließung<br />

„Barrierefreies<br />

Bauen - Wohnen im<br />

Alter“<br />

•<br />

•<br />

Seminarreihe<br />

Fernlehrgang<br />

•<br />

•<br />

Handwerksbetriebe<br />

des Bau- und<br />

Ausbaugewerbes<br />

sonstige Fachkräfte<br />

• Kompetenz-entwick- •<br />

lung in der Senioren-<br />

Kompetenzzentrum<br />

(in Planung)<br />

für barrierefreies<br />

Bauen<br />

•<br />

wirtschaft<br />

Problemverständnis<br />

•<br />

•<br />

Netzwerkbildung<br />

Branchenführer<br />

• ältere und körperlich<br />

eingeschränkte<br />

Menschen<br />

• spezielle Aspekte<br />

des Marktes<br />

• Wohneigentümer<br />

• Kompetenzzentren<br />

•<br />

•<br />

„Kompetenzen<br />

Älterer erkennen,<br />

nutzen und fördern“<br />

Verbesserung der<br />

Beschäftigungschancen<br />

Älterer<br />

(Göttingen, Hann.<br />

Münden,<br />

Duderstadt) als<br />

Knotenpunkte<br />

für Information,<br />

Beratung und<br />

Qualifizierung<br />

•<br />

•<br />

regionale<br />

Unternehmen<br />

ältere Arbeitnehmer<br />

• Informations-, • regionale Netzwerke der Region<br />

Integrations- und<br />

Präventionsaktivitäten<br />

• überregionaler<br />

Erfahrungsaustausch<br />

•<br />

•<br />

Politik<br />

andere Projektträger<br />

• Entwicklung/ • regionale Workshops (Vorbildfunktion)<br />

Umsetzung von<br />

Weiterbildungs- und<br />

Beratungskonzepten<br />

• wissenschaftliche<br />

Analysen und<br />

Handlungsempfehlungen<br />

Handwerkskammer<br />

Hildesheim-<br />

Südniedersachsen<br />

Beschäftigungspakt für Ältere<br />

im Landkreis Göttingen<br />

(www.50plus-goettingen.de)<br />

Bildungsgenossenschaft<br />

Südniedersachsen eG<br />

(BIGS)<br />

<strong>Regionalverband</strong><br />

Südniedersachsen<br />

e.V.<br />

Volkshochschule<br />

Göttingen<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

innovative Weiterqualifizierung<br />

älterer<br />

Arbeitnehmer<br />

demographische<br />

Entwicklung<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

intergenerationelle<br />

Infrastrukturentwicklung<br />

Wissenstransfer<br />

best-practice<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

Netzwerk Lernende<br />

Region<br />

(www.bildung21.de)<br />

Weiterbildungsdatenbank<br />

Bildungsplanung<br />

50+<br />

Konzeption & Aufbau<br />

einer Bildungsberatungsstelle<br />

Regionalanalyse<br />

<strong>Potenzialanalyse</strong><br />

Studie „Ältere im<br />

Betrieb“<br />

Studie<br />

„Generationen-<br />

Netzwerk<br />

Südniedersachsen<br />

• Qualifizierung für • Qualifizierungsmo-<br />

von Erwerbslosig- dule für Ältere<br />

keit bedrohte<br />

in Betrieben<br />

Beschäftigte<br />

(Kurzmodule)<br />

117<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

ältere Beschäftigte<br />

Betriebe im Landkreis<br />

Göttingen<br />

andere Anbieter<br />

entsprechender<br />

Weiterbildungs–<br />

maßnahmen<br />

Regionalpolitik<br />

öffentliche Hand<br />

regionale Betriebe<br />

ältere Beschäftigte<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Abbildung 26: Liste lokaler<br />

Akteure im Bereich der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Quelle: ifh Göttingen


Marktchancen des Handwerks<br />

Bei den SeniorInnen handelt es sich um eine Gruppe, die auch im Handwerk<br />

in Zukunft verstärkt Bedeutung erlangen wird. Senioren bauen nicht<br />

unbedingt neu, werden aber ziemlich sicher einen Großteil an Zeit und frei<br />

verfügbarem Einkommen in Verschönerung und Erhalt ihres Lebensumfeldes<br />

stecken. Erhalten und Pflegen treten an die Stelle des Neubaus.<br />

Die Generation der Erben erhält von der Aufbaugeneration nicht nur deren<br />

Bankguthaben, sie werden sich auch um den Erhalt des „Tafelsilbers“<br />

kümmern: historischen Baubestand, historische Fahrzeuge, alte Uhren,<br />

Möbel, Gemälde, Spielzeug, Bücher, Unterhaltungselektronik u. ä. Dafür<br />

wird Unterstützung durch Fachleute benötigt, die entsprechende Tätigkeiten<br />

und Techniken beherrschen.<br />

Handwerksrelevante Konsumschwerpunkte<br />

Dem Handwerk eröffnen sich hier zahlreiche Möglichkeiten, seine Stärken<br />

auszuspielen. Es bietet die Kompetenz und ist aufgrund seiner Nähe zum<br />

Endverbraucher prädestiniert, durch kundenorientierten Service und kompetente<br />

Beratung den Bedarf älterer Kunden zu befriedigen. Viele Senioren<br />

legen dabei Wert darauf, Leistungen aus einer Hand geboten zu bekommen.<br />

Hier kann der Handwerker in Kooperation mit anderen Betrieben als<br />

direkter Ansprechpartner zu einer einfacheren Abwicklung und damit zur<br />

Zufriedenheit des Kunden beitragen. Dabei legen Senioren in der Regel<br />

Wert auf soziale Kompetenz, wobei an erster Stelle das Vertrauen in das<br />

Unternehmen wichtig ist. Gerade die kleinen und mittleren Betriebe des<br />

Handwerks können hier die Chance nutzen, ihre Qualität und Integrität in<br />

marktfähige Produkte und Dienstleistungen umzusetzen.<br />

Aus dem Konsumverhalten der Senioren lässt sich eine Reihe von Konsumtrends<br />

identifizieren, die für das Handwerk von Bedeutung sind. Der<br />

wichtigste Konsumschwerpunkt für das Handwerk liegt in Verschönerungs-<br />

bzw. Verbesserungsmaßnahmen des Wohnumfeldes der Senioren.<br />

Hierzu gehört insbesondere die altersgerechte Anpassung von Wohnraum<br />

(z. B. barrierefreies Wohnen). Von dem mit dem Alter zunehmenden Sicherheits-<br />

und Schutzbedürfnis sowie der wachsenden Beliebtheit “warmer”<br />

Materialien in den eigenen vier Wänden profitiert ebenfalls in erster Linie<br />

das Bauhandwerk und baunahe Zweige.<br />

Ein anderer wichtiger Konsumschwerpunkt betrifft das Thema Gesundheit<br />

und Wellness aufgrund des mit dem Alter steigenden Gesundheitsbewusstseins.<br />

Dazu gehört sowohl die gesunde Ernährung als auch das<br />

zunehmende Bedürfnis, sich einen möglichst gesunden Wohnbereich<br />

zu schaffen. Hierzu können natürliche Baustoffe und schadstofffreie<br />

Materialien genau so gut beitragen wie etwa der Whirlpool im Bad oder<br />

die Sauna im Keller.<br />

Leistungsangebot des Handwerks für Senioren<br />

Der Seniorenmarkt ist für die Handwerksbetriebe jedoch keineswegs<br />

ein Selbstläufer. Vielmehr muss dieser durch ein leistungs- und seniorengerechtes<br />

Angebot in den einzelnen Marktfeldern erst systematisch<br />

erschlossen werden. Hierzu bedarf es vor allem einer zielgruppenadäquaten<br />

Ansprache und eines umfassenden Seniorenmarketings. Allerdings<br />

118


spricht aufgrund der wesenstypischen Merkmale des Handwerks und aufgrund<br />

des positiven Images, das das Handwerk gerade bei vielen älteren<br />

Menschen genießt, viel für eine starke Einbindung des Handwerks in den<br />

Seniorenmarkt. Somit erfüllt das Handwerk die besten Voraussetzungen,<br />

von den Konsumtrends der Generation 60plus zu profitieren und in handwerksrelevante<br />

Nachfrage umzusetzen. Dafür ist jedoch unabdingbar,<br />

sich auf dem Seniorenmarkt durch ein adäquates und leistungsgerechtes<br />

Angebot zu positionieren.<br />

� Individualisierung<br />

Das Wesen des Handwerks<br />

�<br />

�<br />

Glaubwürdigkeit<br />

Herkunft<br />

Direkter Kontakt ist die beste Basis des Vertrauens<br />

Handwerk ist greifbar, real und bietet Orientierung<br />

� Schnelligkeit<br />

Nähe zum Kunden = Nähe zum Trend<br />

� Humanwerte<br />

Ausbildung, Arbeitsplatzsicherheit, Regionalität<br />

�<br />

Nachhaltigkeit<br />

Erhalten statt wegwerfen bzw. neu bauen, ressourcenschonend<br />

� Positive Tradition<br />

Erhalt des kulturellen Erbes (faktisch und ideell)<br />

Marktfeld seniorengerechtes Wohnen<br />

Der Bereich des altengerechten Wohnens stellt in der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

für das Handwerk das wichtigste Marktfeld dar, in dem es durch sein<br />

spezielles Leistungsangebot, seine fachliche Kompetenz und Kundennähe<br />

bestens geeignet ist, die individuellen Wünsche und Bedürfnisse dieser<br />

äußerst heterogenen Kundengruppe zu erfüllen. Dabei beschränkt sich<br />

die Nachfrage nicht nur auf den akuten Anpassungsbedarf von Senioren,<br />

der in typischen physischen Einschränkungen des fortschreitenden Alters,<br />

aber auch in Unfällen und Krankheiten begründet liegt. Auch Menschen<br />

innerhalb der Altersgruppe zwischen 50 und 65 Jahren, die noch nicht von<br />

altersbedingten gesundheitlichen Einschränkungen betroffen sind, zeigen<br />

quasi vorsorglich zunehmend Interesse an Produkten und Dienstleistungen<br />

bzw. Konzeptlösungen im Bereich der seniorengerechten Wohnraumgestaltung.<br />

Dies betrifft gleichermaßen den Erhalt und die Verschönerung<br />

des Lebensumfeldes.<br />

Oftmals ist die Wohnumgebung unzureichend auf Bedürfnisse und<br />

Notwendigkeiten ausgerichtet, die aus alters- oder krankheitsbedingten<br />

Handicaps resultieren. Kleinere, mitunter auch umfassendere Um- und<br />

Ausbauten werden nötig, die sich oft in abgestuften Konzepten an die veränderte<br />

Bedarfslage der Wohnungsnutzer anpassen lassen. Beim Eintreten<br />

erster körperlicher Einschränkungen genügen zumeist zunächst kleinere<br />

Hilfen wie Haltegriffe und die Einrichtung größerer Bewegungsflächen,<br />

die im einfachsten Fall bereits durch eine Veränderung der Möblierung<br />

geschaffen werden können. Im weiteren Nutzungsverlauf können jedoch<br />

weitergehende Anpassungen notwendig werden bis hin zur völligen Bar-<br />

119<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Abbildung 27: Handwerks-<br />

Faktoren<br />

Quelle: ifh


ierefreiheit. Sinnvolle Anpassungskonzepte können zum Beispiel einem<br />

Baustufenschema folgen, das zur sukzessiven Anpassung einer Wohnung<br />

geeignet ist und eine kosteneffiziente Erweiterung erleichtert.<br />

Eine Vielzahl handwerklicher Leistungen ist geeignet, die spezifischen<br />

Bedürfnisse Älterer zu befriedigen und zur selbstbestimmten Lebensführung<br />

beizutragen oder einfach das Wohlbefinden der Nutzer zu erhöhen.<br />

Mit dem Handwerkszentrum “WiA – Wohnen im Alter” der Handwerkskammer<br />

Düsseldorf wurde im Rahmen eines Pilotprojektes im Frühjahr<br />

2003 eine Einrichtung geschaffen, die bundesweit für Aufsehen gesorgt<br />

hat und vielfach nachgeahmt wird. Im Rahmen dieser Initiative werden<br />

umfangreiche Informationen sowohl für Senioren als auch für Handwerker<br />

angeboten.<br />

Aus den Erfahrungen des Handwerkszentrums WiA können Schlüsse<br />

gezogen werden, die zur Erschließung des Seniorenmarktes durch das<br />

Handwerk und zur Lösung der Probleme älterer Menschen beitragen. So<br />

wurden im Rahmen dieses Projekts zahlreiche Informationsmaterialien<br />

für Handwerker entwickelt, Handwerkerverzeichnisse erstellt sowie Kundeninformationen<br />

und spezielle Schulungsangebote geschaffen. Das<br />

Handwerkerverzeichnis bietet neben der Auflistung der Betriebe (im Sinne<br />

der Gelben Seiten) weiterführende Informationen über das Leistungsprofil<br />

von Betrieben. Dadurch erhalten Interessenten einen Überblick über<br />

handwerkliche Kooperationsgemeinschaften sowie eine Aufschlüsselung<br />

von seniorengerechten Produkten und Dienstleistungen (u. a. auch ergänzender<br />

Art wie z. B. Urlaubsarbeiten oder Bring- und Holdienste). Daneben<br />

wird eine Qualitätssicherung in Form von Zertifikaten und Referenzen<br />

gewährleistet. Das Handwerkszentrum WiA baut derzeit ein “KundenInformationsSystem”<br />

auf, das das Angebot des Handwerkerverzeichnisses<br />

ergänzen soll, indem es einzelne Maßnahmen der Wohnraumanpassung<br />

beschreibt und eine grafische Orientierungshilfe bietet.<br />

Im Rahmen einer WiA-Befragung im Jahr 2003 wurden die Leistungen von<br />

Handwerksunternehmen im Bereich des barrierefreien und seniorengerechten<br />

Bauens und Renovierens erfasst und geordnet. Insgesamt wurden<br />

so 305 abgrenzbare Produkte und Dienstleistungen identifiziert, die sich<br />

in zwölf Kategorien zusammenfassen lassen: Bad, Heizung/Klima/Lüftung,<br />

Küchen, Fenster und Türen, Möbel, Brandschutz-/Sicherheitstechnik,<br />

Kommunikationsanlagen, Elektrotechnik, Farbe und Raumausstattung,<br />

Bodengestaltung, Service, Senioren- und behindertengerechtes Bauen<br />

allgemein (Auffangkategorie für anderweitig nicht genannte Lösungen).<br />

Beispiele solcher Produkte und Leistungen des Handwerks sind Türverbreiterungen,<br />

Rampenbau, schwellenlose Türen und Hauseingänge, Türen<br />

mit berührungslosen elektronischen Schließsystemen, höhenverstellbare<br />

Küchen, Paternosterschränke, höhenverstellbare Betten, Multifunktionsnachtschränke,<br />

elektrische Kleiderlifte, Raum sparende Schiebe- oder<br />

Falttüren, Sanitär-Installation für Behinderte, barrierefreie Duschen, Illusionsmalerei<br />

zur „offenen“ Gestaltung von Innenräumen, Farbgestaltung<br />

111 Siehe hierzu http://www.wia-handwerk.de � „KundenInfoSystem“. Im Moment ist dieses<br />

Informationssystem auf den Bereich Sanitär-Heizung-Klima (Heizung, Bad, Küche) beschränkt. (Zugriff:<br />

August 2006)<br />

112 Vgl. Becker (2005), S. 135ff.<br />

120


zur Orientierungsunterstützung bei Sehbehinderung, das Einrichten von<br />

TV- und Rundfunkgeräten, Kommunikationsanlagen sowie die Installation<br />

von Notrufanlagen.<br />

Viele dieser industriell gefertigten Produkte lassen sich nur dadurch am<br />

Markt absetzen, weil sie vom Handwerker bedarfsgerecht beim Kunden<br />

eingesetzt oder mit anderen Produkten und Einzelelementen kombiniert<br />

werden. Oftmals sind dabei industrielle Produkte insbesondere im Bereich<br />

der Steuerungstechnik und Gebäudeautomation so weit entwickelt, dass<br />

ihr praktischer Wert von Wohnberatern angezweifelt wird, da diese eine<br />

Überforderung des Nutzers befürchten. Gerade hier greift die Fähigkeit<br />

des Handwerkers, individuell angemessene Lösungen vorzuschlagen.<br />

Die Stärke des Handwerks liegt in der individuellen Anpassung an die<br />

Kundenwünsche. „Universal Design“ – die gestalterisch-konzeptionelle<br />

Ausrichtung auf eine generationenübergreifend breite Zielgruppe – bedeutet<br />

hier, auf ein breites Spektrum von Standardlösungen zurückgreifen<br />

und diese zum Kundennutzen leicht und individuell angepasst kombinieren<br />

zu können.<br />

Eine beispielhafte Handwerkskooperation im senioren- und behindertengerechten<br />

Bauen ist die Initiative BarriereFREI LEBEN, welche eine Vielzahl<br />

an Mitgliedsbetrieben aus acht Bundesländern und sogar Österreich<br />

umspannt. Mit der Tischlerei Seeland aus Reinhausen in der Gemeinde<br />

Gleichen ist dabei auch ein Handwerksbetrieb aus dem Landkreis Göttingen<br />

vertreten. Diese Kooperation bietet eine qualifizierte Wohnberatung<br />

und Planung, den kompletten Ein- und Umbau sowie das Einrichten von<br />

senioren- und behindertengerechten Wohnräumen aus einer Hand an. Die<br />

Kooperation bietet an, sich anhand zweier Musterwohnungen in Lünen<br />

und Hannover einen Überblick über Möglichkeiten und Leistungen des<br />

Handwerks zu verschaffen. Darüber hinaus arbeiten die Mitglieder der<br />

Kooperation im Rahmen der Wohnberatungsstellen mit verschiedenen<br />

externen Akteuren wie z. B. kommunalen Ämtern, Einrichtungen und<br />

Diensten der freien Wohlfahrtspflege, Sozialstationen und Pflegediensten,<br />

Wohnungsunternehmen und Hauseigentümern, Ärzten, Therapeuten und<br />

Sanitätshäusern, Kirchengemeinden, Initiativen und Selbsthilfegruppen<br />

zusammen.<br />

Marktfeld seniorengerechte Dienstleistungen<br />

Mit der steigenden Anzahl pflegebedürftiger Menschen wird es immer<br />

schwieriger, die Versorgung älterer Menschen in zentralen Einrichtungen<br />

zu finanzieren. Dezentral verfügbare haushaltsbezogene Dienstleistungen<br />

werden wichtiger. Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind,<br />

sind von diversen Unterstützungs- und Versorgungsleistungen abhängig,<br />

die derzeit aus unterschiedlichen Wirtschaftszweigen heraus erbracht<br />

werden. Darüber hinaus bieten sich vielfältige Tätigkeitsfelder für Handwerksbetriebe,<br />

die dem Bequemlichkeitsbedürfnis der Senioren Rechnung<br />

tragen.<br />

113 Auch virtuelle Besichtigungen der Musterhäuser sind möglich unter http://www.barrierefreileben.<br />

de (Zugriff: August 2006).<br />

121<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Die Kernbereiche des Seniorenmarktes umfassen dabei die Gebiete<br />

Wohnen, Sicherheit, Tourismus, Wellness, Freizeit, Ernährung und Sport.<br />

In diesen Bereichen lassen sich potenzielle Mitbewerber, aber auch potenzielle<br />

Multiplikatoren sowie operative und strategische Kooperationspartner<br />

identifizieren.<br />

Als mögliche Partner für Dienstleistungen kommen z. B. in Betracht:<br />

Kommunen, Pflegedienste, Wohnberatungseinrichtungen, Wohnungswirtschaft,<br />

Krankenhäuser, Organisierte Nachbarschaftshilfe, Ehrenamtliche<br />

Freiwilligeninitiativen “Senioren helfen Senioren”. Dienstleistungen für<br />

SeniorInnen bieten sich zudem in folgenden Bereichen an: Beratung zu<br />

Wohnungsanpassung, Schlüsseldienst, Reinigungsdienst, mobile Servicekraft<br />

mit Pkw, Handwerksdienstleistungen zum Umzug, Reparaturdienste<br />

für braune und weiße Ware, Angebot von zusätzlichen Sicherheitspaketen<br />

(Sicherheitsschlösser, Glasbruchmelder, Bewegungsmelder, Rauchmelder,<br />

Hand-Notrufmelder, ergänzendes Spektrum von Sicherheitszubehör wie<br />

z. B. einbruchshemmende Balkonverglasung und Wohnungstür).<br />

Das Handwerk kann sich mit haushaltsbezogenen Dienstleistungsstrukturen<br />

weitere Märkte erschließen. Profitieren kann z. B. das Nahrungsmittelhandwerk,<br />

das Gesundheitshandwerk, Friseure, Wäschereien und<br />

chemische Reinigungen. Aber auch die Bau- und Ausbaugewerke können<br />

durch eine stärkere Dienstleistungsorientierung eine Diversifizierung<br />

ihres Angebotsspektrums erreichen und zugleich neue und dauerhafte<br />

Kundenbeziehungen aufbauen.<br />

Einerseits können sich von Handwerkern erbrachte Dienstleistungen nahe<br />

am originären Tätigkeitsfeld orientieren und damit eher den Charakter von<br />

flankierenden Leistungen annehmen, so z. B. als Marketingmaßnahmen<br />

(Information, Beratung, Vorführung), die dem Kunden ggf. kostenfrei<br />

angeboten werden. Die genannte Kooperation „BarriereFREI LEBEN“<br />

bietet einen Beratungsservice (auch mit ambulantem Pflegedienst) in der<br />

seniorengerechten Musterwohnung, wobei sogar ein Probewohnen auf<br />

Zeit möglich ist. Ein Autohaus in Mülheim/R. bietet z. B. einen für Senioren<br />

kostenlosen Abmeldeservice für den zuletzt genutzten Pkw. Dies wird vom<br />

Anbieter als eine Marketingmaßnahme im Sinne einer Mund-zu-Mund-<br />

Empfehlung verstanden, da Senioren in der Regel als künftige Kunden<br />

für den Kfz-Betrieb ausscheiden. Ein Friseurmeister aus Bottrop bietet<br />

einen Frisurenworkshop mit Tipps „Rund ums Haar“ an, beispielsweise<br />

mit Typberatungen und Vorführungen.<br />

Neue Märkte lassen sich erschließen, wenn Handwerker innovativ Bedarfe<br />

erkennen und ggf. gemeinsam mit Kooperationspartnern Leistungen<br />

erbringen. So bietet z. B. der Malerbetrieb Stamm aus Leverkusen Malerarbeiten<br />

mit „Seniorenservice“ an: die Wohnungsrenovierung als Urlaubsservice,<br />

bei dem sogar auf Wunsch Fotos vom Stand der Arbeiten an den<br />

Urlaubsort versendet werden. Nachdem zuvor auf Fotos festgehalten<br />

wurde, wo welcher Einrichtungsgegenstand platziert war, wird die Woh-<br />

114 Vgl. GdW 2004.<br />

115 Als Beispiel kann hier der Service Organisation für Senioren (S.O.S.) in Braunschweig genannt<br />

werden. (http://www.service-org-senioren.de)<br />

116 Vgl. Becker 2005, S. 165ff.<br />

122


nung ausgeräumt. Nach der Sanierung findet der Kunde seine Wohnung<br />

komplett wieder eingeräumt vor – möglicherweise noch mit einem Strauß<br />

Blumen auf dem Wohnzimmertisch.<br />

Detlef Wonnemann aus Ahlen übernimmt bei seinem Hausmeisterservice<br />

kleinere Reparaturen, Instandsetzungen und Renovierungen, für die „kein<br />

Handwerker mehr rauskommt“ und nutzt eine Marktnische. Ähnlich sind<br />

Angebote des Sanitär-Heizung-Klima-Handwerks einzustufen, kranken<br />

oder älteren Kunden, die auch während der Umbauarbeiten im Bad an<br />

ihre Wohnung gebunden sind, für diese Zeit mobile Sanitäranlagen aufzustellen.<br />

Der Bedarf nach haushaltsnahen Dienstleistungen eröffnet solchen Betrieben<br />

Entwicklungschancen, die bereit sind, über ihre angestammten<br />

Kernbereiche hinaus tätig zu werden. Unter haushaltsnahen Dienstleistungen<br />

sind vor allem folgende Leistungen zu verstehen: Zubereitung von<br />

Mahlzeiten im Haushalt, Reinigung der Wohnung, Pflege und Versorgung<br />

alter oder pflegebedürftiger Personen, Schönheitsreparaturen, kleine<br />

Ausbesserungsarbeiten und Gartenpflege.<br />

Die Bedürfnisse älterer Menschen dürften jedoch über die oben genannten<br />

Bereiche hinausgehen. Wichtig ist insbesondere der Wunsch nach<br />

Kommunikation. Modellprojekte im In- und Ausland belegen, dass ältere<br />

Menschen mit Erfolg an die Nutzung neuer Medien herangeführt werden<br />

können – sei es an die Nutzung von Computer und Internet oder an Technologien,<br />

die über erweiterte Funktionen das Fernsehen als dialogfähiges<br />

Kommunikationsmedium verwenden.<br />

Auch der Einsatz verschiedenartiger Notrufsysteme hat sich in Modellprojekten<br />

bewährt. Diese setzen eine Zusammenarbeit von technischen<br />

und sozialen Dienstleistern voraus. Die Vermarktungschancen für die<br />

zugehörige Technik sind immer an die Qualität der korrespondierenden<br />

Betreuungsleistungen gekoppelt.<br />

Als Voraussetzung für eine erfolgreiche Platzierung handwerklicher Dienstleistungen<br />

in die bestehenden lokalen Dienstleistungsstrukturen ist also<br />

die genaue Kenntnis der seniorenmarktrelevanten Anbieter innerhalb und<br />

außerhalb des Handwerks vonnöten.<br />

Die möglichen Schnittstellen zum Handwerk – auch außerhalb der Bau-<br />

und Ausbauhandwerke – sind dabei offenkundig. In welchem Umfang sich<br />

solche oder weitere Dienstleistungsideen am Markt etablieren können,<br />

dürfte in hohem Maße davon abhängen, ob es gelingt, kleinräumige<br />

Netzwerke zwischen Unternehmen, Kommunen und gemeinnützigen<br />

Einrichtungen zu schaffen.<br />

Bei der Konzeption und Vermarktung seniorengerechter Dienstleistungen<br />

und Bauleistungen scheint es sinnvoll, sich nicht am Alter der Zielgruppe<br />

zu orientieren, sondern auf bestimmte, typisierbare Lebenssituationen<br />

abzustellen. Solche Lebenslagen sind z. B.: Auszug der Kinder aus dem<br />

gemeinsamen Haushalt, Unfall mit bleibenden körperlichen Beeinträchtigungen,<br />

Trennung der Partner, Tod eines Lebenspartners, spezifische<br />

Krankheitsbilder (Demenzerkrankung, Schlaganfall), Pflegeübernahme<br />

123<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


durch Angehörige. Verschiedene Unternehmenskooperationen arbeiten<br />

bereits nach diesem Ansatz. Inwieweit sich „passgenaue“ Angebote<br />

auf solche Lebenslagen standardisieren lassen, wird sich in der Praxis<br />

erweisen müssen.<br />

Die besondere Qualität des Handwerks wird immer in der Individualisierung<br />

der erbrachten Leistungen bestehen. Die Fähigkeit zur Anpassung<br />

auf die ganz individuellen Bedürfnisse des Kunden ist dabei nicht nur im<br />

Sinne der Kundenzufriedenheit bedeutsam, sondern muss auch zentrales<br />

Alleinstellungsmerkmal jedes handwerklichen Anbieters bleiben. Umgekehrt<br />

könnten aber standardisierte Konzepte die Leistungserbringung<br />

des Handwerkers und die Kooperation mit handwerksfremden Anbietern<br />

erleichtern.<br />

Erschließung des Seniorenmarktes<br />

„Wir können unglaublich viel, aber wir wissen nicht, wie wir es loswerden!“<br />

beschrieb die Inhaberin eines Elektrobetriebes in einem Workshop<br />

des Handwerkszentrums „Wohnen im Alter“ ihr zentrales Anliegen. „Die<br />

über 50-Jährigen hören nicht schlecht, das Problem ist, dass die Unternehmen<br />

nicht die richtige Sprache sprechen!“ stellt Jean Marc Segati von<br />

der senior agency international (Paris) die Wahrnehmung der Verbraucher<br />

dagegen. Beide Zitate charakterisieren klar das Vermarktungsproblem<br />

der Handwerker.<br />

Ältere Menschen sollten als Kundengruppe nicht über ihr Alter, sondern<br />

möglichst als „Komfort-Kunden“ angesprochen werden. Viele Publikationen<br />

definieren eine Zielgruppe 50plus, wobei die betrachtete Altersgrenze je<br />

nach Branche und Produkten häufig zwischen 45 und 55 Jahren variiert.<br />

Bezieht man Hochaltrige oberhalb des achtzigsten Lebensjahres mit ein, ergibt<br />

sich eine Altersspanne von 30 Jahren. Schon allein die altersbedingte<br />

Inhomogenität der Zielgruppe steht einheitlichen Ansprachekonzepten<br />

entgegen. Die zukünftige Entwicklung sollte deshalb verstärkt darauf<br />

abstellen, typische Lebenssituationen zu erfassen und anzusprechen, wie<br />

sie bei Menschen oberhalb des 50. Lebensjahres angetroffen werden.<br />

Ereignisse und Lebensphasen wie zum Beispiel der Auszug der Kinder,<br />

die alters- oder krankheitsbedingte Einstellung eigener Erwerbstätigkeit<br />

oder typische geriatrische Krankheitsbilder (Bewegungseinschränkungen,<br />

Schlaganfall, Altersdemenz) sollten sich gezielt mit Angeboten unterlegen<br />

lassen, die aus dem Handwerk oder mit Handwerksbeteiligung formuliert<br />

werden. Nach den Erfahrungen des Handwerkszentrums WiA reduzieren<br />

viele Unternehmer die Diskussionen um ein Seniorenmarketing auf den<br />

Bereich der Werbung. Erforderlich wäre jedoch ein designorientierter<br />

Ansatz, der über die Identifizierung einzelner Zielgruppen zu zielgruppenspezifischen<br />

Angebotsprofilen führt und damit auch die Kundenansprache<br />

erleichtert.<br />

Diese Aspekte werden von der Unterscheidung nach kommerziellen<br />

Immobilienbesitzern und privaten Selbstnutzern überlagert. Zu unterscheiden<br />

ist nach:<br />

117 Vgl. Becker 2005, S. 139ff.<br />

124


�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

privaten Eigentümern selbst genutzter Wohnimmobilien<br />

Mietern<br />

privaten Eigentümern vermieteter Wohnimmobilien (Streubesitz)<br />

Wohnungswirtschaft (Genossenschaften und Kapitalgesellschaften)<br />

Wohnungsbaugesellschaften<br />

öffentlichen und privaten Trägern von Funktionsbauten<br />

Hier ergibt sich die Notwendigkeit einer völlig unterschiedlichen Nutzenargumentation.<br />

Entsprechend müssen verschiedenartige Zugänge zu<br />

den potenziellen Kundengruppen aufgebaut werden.<br />

Während sich Aspekte der Werbung einfach in Unterstützungs- und<br />

Qualifizierungsangebote für Handwerker umsetzen lassen, sind Fortschritte<br />

im Design von Produkten und Leistungen schwerer zu initiieren,<br />

da sie unmittelbar in die strategische Ausrichtung der Unternehmen<br />

eingreifen. Positive Erfahrungen bestehen hier mit Workshops, in denen<br />

die Betriebsinhaber miteinander arbeiten, um für sie geeignete Marktsegmente<br />

zu identifizieren und gemeinsam passgenaue Angebote zu definieren.<br />

Unbeschadet konkreter Vermarktungsprobleme wird das Handwerk den<br />

Markt für seniorengerechte bzw. barrierefreie Bau- und Wohnraumanpassung<br />

nur dann nachhaltig erschließen können, wenn es ihm gelingt, seine<br />

Kompetenzen über die bestehenden Gewerkegrenzen hinweg möglichst<br />

geschlossen zu vermitteln. Dabei muss sich das Handwerk in der Wahrnehmung<br />

der Verbraucher als leistungsfähiger und beratungskompetenter<br />

Anbieter profilieren. Einzelne Handwerksbetriebe können diesem übergreifenden<br />

Ansatz nur schwer gerecht werden. Abhilfe können horizontale<br />

oder vertikale Kooperationen innerhalb und außerhalb des Handwerks<br />

sowie flankierende Aktivitäten der Handwerksorganisation schaffen.<br />

Wegen ihrer Quantität, ihrer Kaufkraft und ihres Konsumverhaltens verändern<br />

die älteren Kundengruppen die (Konsum-)Gesellschaft derzeit<br />

nachhaltig. Der Niedersächsischen Ministerin für Soziales, Frauen, Familie<br />

und Gesundheit ist deshalb zuzustimmen, wenn sie erklärt: „Viele Senioren<br />

sind äußerst aktiv und anspruchsvoll. Sie haben – noch – viel Geld,<br />

und sie werden immer mehr. Leider fehlen oft die richtigen Angebote für<br />

ältere Menschen.“ Auch der Handel in Stadt und Landkreis Göttingen<br />

befindet sich in einer Umbruchphase. Von Ignoranz der Seniorenbedürfnisse<br />

kann längst nicht mehr gesprochen werden. Auf der anderen Seite<br />

ist noch nicht erkennbar, dass sich schon alle Unternehmen konsequent<br />

auf die Bedürfnisse der immer größer werdenden Gruppe der Älteren<br />

eingestellt hätten. Insbesondere mangelt es nach wie vor an Transparenz<br />

bezüglich seniorengerechte Produkte und Dienstleistungen und deren<br />

Verfügbarkeit.<br />

118 Mechthild Ross-Luttmann am 31. Mai 2006 in Wolfsburg<br />

125<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

HanDel


Ältere Menschen sind anspruchsvoll und kritisch. Sie stellen meist höhere<br />

und häufig auch andere Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen<br />

als jüngere VerbraucherInnen. Das gilt insbesondere für die nutzergerechte<br />

Bedienbarkeit von Geräten und deren Mehrnutzen. Bei einem<br />

Handy genügt es jüngeren KonsumentInnen, dass das Gerät über eine<br />

Kamera verfügt, tauglich für den Bild- und SMS-Versand ist und einen<br />

Internetzugang bietet. Ältere Verbraucher empfinden diese Funktionen<br />

eher als nette Spielereien, die gerne mit dabei sein dürfen. Entscheidend<br />

ist für sie aber, dass sie die Tasten leicht bedienen und die Menüführung<br />

verstehen können. Obendrein sollte der Klingelton laut genug und ein<br />

Vibrationsalarm vorhanden sein.<br />

SeniorInnen legen offenbar besonderen Wert auf gute individuelle Beratung,<br />

die ihre persönlichen Bedürfnisse und ihre Lebenslage in den Mittelpunkt<br />

stellt. Das gilt im Einzelhandel direkt, aber auch bei der Informationseinholung<br />

in Verbraucherzentralen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

der Seniorenorganisationen (BAGSO, Bonn) regt deshalb Kooperationen<br />

zwischen Verbraucherzentralen und Seniorenverbänden an. Die Gesellschaft<br />

für Konsumforschung AG (GfK) in Nürnberg sieht enge Grenzen<br />

bei der Discounterisierung des Handels. 0 Die Zuwächse bei den großen<br />

Discountern nehmen schon jetzt ab. Diese Entwicklung sieht die GfK im<br />

engen Kontext mit dem demographischen Wandel und der steigenden<br />

Zahl älteren Kundinnen und Kunden. Danach geht die Fixierung auf den<br />

Preis zurück, in den Vordergrund treten der Mehrwert eines Produktes<br />

und die Beratungsdienstleistung.<br />

Befragungen haben ergeben, dass nur 28 Prozent der Unternehmen sich<br />

stärker auf die Zielgruppe Älterer einrichten. Dies hängt mit dem sich<br />

nur zögerlich verändertem Altenbild zusammen. Hubertus Werner, Geschäftsführer<br />

des Stadtmarketings Duderstadt, bestätigt, dass sich viele<br />

Einzelhandelsbetriebe tatsächlich scheuen, in ihren Werbeaussagen Ältere<br />

direkt anzusprechen. Sie fürchten Imageverluste bei den Angehörigen<br />

anderer Altersgruppen. Von dieser These hält Dr. Beate Wieland wenig.<br />

Sie räumt allerdings ein, dass in den Köpfen mancher Marktteilnehmer<br />

noch immer so etwas wie Jugendwahn besteht. Es dauere lange, bis sich<br />

daran etwas ändert. Dass Werbung für Senioren heute noch stigmatisierend<br />

ist, kann sie sich nicht vorstellen. Wichtig ist, in der Werbung endlich<br />

authentische Models zu zeigen, mit denen sich ältere VerbraucherInnen<br />

identifizieren können. Bezeichnend ist, dass zu den ersten Erfolgen der<br />

Existenzgründungsinitiative der Wolfsburg AG die Gründung einer Agentur<br />

gehört, die geeignete Fotos Älterer sowie Senioren-Models vermittelt.<br />

Die Kaufentscheidung der „reifen Generation“ wird zukünftig oftmals<br />

auf den Erfolg und den Fortbestand von Unternehmen Einfluss haben.<br />

Wer in Zukunft wachsen will, muss seine Produktentwicklung und sein<br />

Marketing verstärkt auf die reifen Kunden ausrichten – kurz gesagt: Er<br />

muss sein Unternehmen „demographiefest“ machen. Aber nicht jedes<br />

119 Haimann, Richard (2005): “Alt! – Wie wichtigste Konsumentengruppe der Zukunft die Wirtschaft<br />

verändert“, Frankfurt.<br />

120 Seniorentag Nordrhein-Westfalen „Altern als Chance“ am 29. Mai 2006 in Bonn, Herbert Lechner<br />

121 Ebd. Dr. Beate Wieland, Ministerium der Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes<br />

NRW<br />

122 Ebd.<br />

126


Unternehmen wird auf diesem Markt ohne weiteres bestehen und das<br />

Potenzial einfach abschöpfen können, denn die „Generation 55plus“ stellt<br />

höhere und differenziertere Anforderungen an Hersteller, Handel und<br />

Dienstleistungsunternehmen als die junge Kundschaft, die ihr Geld häufig<br />

weniger kritisch ausgibt.<br />

Viele SeniorInnen legen auf den Realitätsbezug der Werbung großen Wert.<br />

Die Informationen sollen klar verpackt und einfach zu dekodieren sein.<br />

Humor und Witz kommt bei ihnen ebenso gut an wie bei den übrigen<br />

Marketingzielgruppen. Geht der Humor allerdings zu Lasten älterer Menschen,<br />

scheiden sich die Geister und führen bei allen drei Konsumentengruppen<br />

zu Ablehnung. Viele Ältere präsentieren sich als selbstbewusste<br />

Persönlichkeiten, die souverän und mit einer gewissen Gelassenheit ihr<br />

Leben meistern. Sie wissen ihre erworbene Lebenserfahrung und Reife<br />

zu schätzen und sind sich dabei ihres eigenen Wertes bewusst, ohne auf<br />

eine kontinuierliche Bestätigung von außen angewiesen zu sein.<br />

Individuelle Einschätzungen<br />

„Ich kaufe immer in einem Tante-Emma-Laden in der Ewaldstraße ein.<br />

Der Besitzer hat häufig gewechselt, aber ich bleibe dem Laden treu. Ich<br />

versuche, die Kleinen zu unterstützen.“ (Göttingen)<br />

„Statt Schubladendenken geht es um ein Umdenken in vielen Bereichen:<br />

Man muss die Produkte einfacher machen und vor allem sich<br />

auf die unterschiedlichen Senioren einstellen, es fehlen viele Sachen!“<br />

(Göttingen)<br />

„Ich bin 85, ob ich Seniorin bin, darüber habe ich mir noch keine Gedanken<br />

gemacht. Ich bin dankbar, dass es mir noch so gut geht. Ich<br />

kaufe noch alleine ein – nach und nach, damit ich nicht so viel zu tragen<br />

habe.“ (Göttingen)<br />

„Ich habe Probleme beim Fensterputzen, mit Mitte 70 kann man doch<br />

so etwas nicht mehr. Da brauche ich Hilfe, doch wo kriege ich die?“<br />

(Hann. Münden)<br />

„Bei vielen Waren ist Duderstadt einfach zu teuer. Da dürfen sich die<br />

Geschäftsleute nicht wundern, wenn wir woanders einkaufen. Ältere<br />

werden doch häufig als zu tüddelig angesehen. Mancher versucht,<br />

das auszunutzen, deshalb müssen wir besonders vorsichtig sein.“<br />

(Duderstadt)<br />

„Als Älterer muss man immer aufpassen, nicht übers Ohr gehauen zu<br />

werden.“ (Duderstadt)<br />

„Ich bin irritiert, dass in den Geschäften ständig umstrukturiert wird. Ich<br />

will wissen, wo ich was finde.“ (Göttingen)<br />

„Preiswerte Ware ist immer nur zum Bücken.“ (Rosdorf)<br />

123 In: Meyer-Hentschel u. Meyer-Hentschel S. 105ff.<br />

127<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


„Es wäre schön, wenn es auch bei Karstadt eine Ruheecke gäbe. Wir<br />

Alten wollen nicht immer nur stehen.“ (Rosdorf)<br />

„Ich finde, wir sollten mal über die Probleme im Alltag reden. Als Älterer<br />

kriegt man viele Flaschen nicht auf. Vom Margarinebecher kann<br />

ich die Folie nicht abziehen und Fischdosen kriegt man sowieso nicht<br />

auf.“ (Duderstadt)<br />

„Viele technische Geräte sind viel zu kompliziert. Ich kaufe nur<br />

noch Produkte, die höchstens zwei Schalter haben, das reicht mir.“<br />

(Duderstadt)<br />

„Bestimmte Dienstleister haben uns als Zielgruppe erkannt, aber vielfach<br />

werden wir unseriös angesprochen. Ich habe in letzter Zeit als Älterer<br />

Angebote gekriegt, z. B. zu Zeitungen und Versicherungen, die ich früher<br />

als Jüngerer nie gekriegt hätte.“ (Duderstadt)<br />

„Senioren als Konsumenten sind erfahrener als jüngere Leute.“<br />

(Rosdorf)<br />

„Es gibt durchaus Handys, an die man ein Hörgerät anschließen kann.<br />

Und auch solche, die nicht so kompliziert sind, doch die werden ja kaum<br />

angeboten.“ (Rosdorf)<br />

„Ich mache beim Einkauf eigentlich nur gute Erfahrungen.“ (Rosdorf)<br />

„Viele Preisschilder sind immer so klein, beim Einkaufen braucht man<br />

schon eine Lupe.“ (Rosdorf)<br />

„Wir Älteren, die keinen Führerschein haben, werden doch beim Einkauf<br />

ständig benachteiligt. Ohne Auto kann man nicht preiswert einkaufen.“<br />

(Rosdorf)<br />

„Das Einkaufen mache ich ganz alleine. Man muss aber darum bitten,<br />

wenn man etwas haben will, was oben im Regal liegt. Man muss Danke<br />

und Bitte sagen können, aber das muss auch gelernt sein. Als ich noch<br />

in meiner alten Wohnung wohnte, habe ich immer in der Johannisstraße<br />

eingekauft. Beim Türken kaufe ich gerne und bin da auch bekannt. Sonst<br />

gehe ich zu REWE und Karstadt. Ich lasse mich auch gerne von jungen<br />

Leuten beraten, viele von ihnen sind kompetent. Erstaunlich viele Junge<br />

sind höflich.“ (Göttingen)<br />

„Hersteller benötigen Strategien, mit denen sie auf dem ‘reifen Markt’<br />

erfolgreich auftreten können! Da will ich mithelfen!“ (Göttingen)<br />

„In Dransfeld ist die Infrastruktur perfekt. Wenn mir irgendwas nicht<br />

passt, beschwere ich mich. Man muss sich aber beschweren, sonst<br />

wird nichts besser.“ (Rosdorf)<br />

„Die kleine Schrift wird doch ganz bewusst zur Vertuschung eingesetzt.<br />

Auf Verpackungen müsste der Inhalt genau beschrieben werden. Gesunde<br />

Ernährung ist für ältere Leute wichtig.“ (Rosdorf)<br />

128


„Die Produkte müssen doch EU-weit verkauft werden. Da die Kennzeichnungen<br />

in mehreren Sprachen erfolgen müssen, wird der Schriftgrad<br />

automatisch kleiner.“ (Rosdorf)<br />

„Für Leute aus Groß-Schneen ist die Mobilität ganz wichtig. Mit zwei<br />

Ausnahmen gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten mehr. Auch Banken und<br />

die Post sind längst verschwunden. Immerhin haben wir ein Linientaxi,<br />

das ist aber nicht ausgelastet.“ (Rosdorf)<br />

„Ich komme aus Berlin. Da dort keine Verwandten und Freunde mehr<br />

wohnen, bin ich vor drei Jahren nach Rosdorf in die Nähe meiner Kinder<br />

gezogen. Hier habe ich ganz neu angefangen, mir einen Bekanntenkreis<br />

aufzubauen. In unserer Nachbarschaft wohnen ganz viele junge Leute<br />

mit Kindern, aber einen Zusammenhalt wie in Berlin finde ich hier nicht.<br />

Die Kinder grüßen auch gar nicht mehr. Ich finde es gut, dass wir hier die<br />

Gelegenheit haben, über seniorengerechtes Einkaufen zu sprechen. Mit<br />

dem Einkauf bin ich hier eigentlich ganz zufrieden. Natürlich gibt es in<br />

Berlin viel mehr Einkaufsmöglichkeiten. Und die Preise sind in Rosdorf<br />

höher als in Berlin. Auch das System der öffentlichen Verkehrsmittel ist<br />

in Berlin natürlich ganz anders als hier. Gerade im Winter ist das lange<br />

Warten auf den Bus ganz schön unangenehm. Sehr gut gefällt mir aber,<br />

was hier für Freizeit und Gesundheit geboten wird. So ist das Spaßbad<br />

Eiswiese ganz in unserer Nähe. Ich bin interessiert, mit anderen älteren<br />

Menschen in Kontakt zu kommen.“ (Rosdorf)<br />

„Ich habe eine Putzhilfe, die ist sehr angenehm. Die näht mir auch Knöpfe<br />

an, das kann ich nicht mehr alleine. Die hat auch alle Informationen, falls<br />

mal was passiert.“ (Göttingen)<br />

„Als Rentner bin ich in einem erstrebenswerten Zustand. Ich verstehe<br />

nicht, dass hier nur Negatives zur Sprache kommt. Zu fragen ist jedoch,<br />

warum der Handel nicht mehr macht, um an das finanzielle Potenzial<br />

der alten Leute heranzukommen. Der Tourismus hat die Chancen, die<br />

Senioren bieten, längst erkannt.“ (Rosdorf)<br />

Ergebnisse der Befragungen in Stadt und Landkreis<br />

Wie unter „Methodisches Vorgehen“ erläutert, haben die Befragungen von<br />

PassantInnen an fünf verschiedenen Tagen an fünf Orten stattgefunden.<br />

Angesprochen wurden Personen, von denen die Interviewer subjektiv<br />

den Eindruck hatten, dass sie das 50. Lebensjahr überschritten hatten.<br />

Passanten, die diese Altersgrenze nicht überschritten hatten, nahmen nicht<br />

an der Befragung teil. Die Altersgruppen 50 bis 60 und 60 bis 70 wurden<br />

in die Befragung einbezogen, um eine Vergleichbarkeit zur Gruppe der<br />

über 70-Jährigen (<strong>Seniorenwirtschaft</strong>) zu ermöglichen.<br />

129<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Abbildung 28: “Was<br />

ist Ihnen beim Einkauf<br />

wichtig?“<br />

Abbildung 29: “Wo liegen<br />

für Sie die<br />

Hauptprobleme beim<br />

Einkaufen?“<br />

Abbildung 30: Hauptpro-<br />

bleme des Einkaufens<br />

nach Altersgruppen<br />

Bei der Befragung von 243 PassantInnen zeigte sich, dass die Hypothese,<br />

Ältere ließen sich lieber von Gleichaltrigen bedienen, nicht haltbar ist. 85<br />

Prozent der Befragten erklärten, sie hätten bezüglich des Alters derjenigen,<br />

die sie bedienen, keine Präferenzen. Allerdings wurde bei dieser Frage vor<br />

allem hinsichtlich der täglichen Versorgung geantwortet. Es ist zu vermuten,<br />

dass sich die Antworten relativieren, wenn es um beratungsintensive<br />

oder spezielle Einkäufe geht.<br />

130


Es zeigt sich, dass die Erreichbarkeit der Einkaufsmöglichkeiten am problematischsten<br />

gesehen wird, gefolgt vom Problem des Transports der<br />

Waren. Dies ist ein Hinweis auf eine Nachfrage nach Bringservices. Nähere<br />

Aufschlüsse geben die Antworten auf die folgende Frage, ob Bringservices<br />

in Anspruch genommen werden.<br />

Die 100 Prozent auf der Ordinate entsprechen der Gesamtheit der Antworten<br />

bezogen auf eine Lieferdienstleistung, die Werte innerhalb der Balken<br />

stehen für den Anteil der Antworten pro Altersgruppe. Dementsprechend<br />

nehmen 18 Prozent den rollenden Supermarkt in Anspruch, 10 Prozent die<br />

Lieferung warmer Speisen, immerhin 53 Prozent den Getränkelieferservice,<br />

16 Prozent mobile Bäcker-, Molkerei- oder Metzgerläden, 29 Prozent den<br />

Tiefkühlservice und 17 Prozent den Lieferservice von Lebensmittelgeschäften.<br />

131<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Abbildung 31: “Nehmen<br />

Sie Lieferdienste in<br />

Anspruch?“<br />

Abbildung 32: Informati-<br />

onsstand bezüglich seni-<br />

orengerechter Produkte<br />

nach Alter


Abbildung 33: Präferenz für<br />

das Seniorenkaufhaus<br />

Abbildung 34: Internet-<br />

nutzung<br />

Hieraus wird ersichtlich, dass die Existenz seniorengerechter Produkte erst<br />

wenig bekannt ist. Auch die Verfügbarkeit innerhalb des Landkreises ist<br />

nur einer Minderheit bekannt. Es zeigt sich, dass unabhängig vom Alter<br />

die Verfügbarkeit seniorengerechter Produkte in der Region nur einer<br />

Minderheit bekannt ist.<br />

Auffällig ist, dass insbesondere die über 70-Jährigen in ihrer großen Mehrheit<br />

kein Interesse an einem Seniorenkaufhaus haben. Allerdings ist zu<br />

beachten, dass eine Mehrheit der Befragten selbst einräumt, nur wenige<br />

Informationen über seniorengerechte Produkte zu besitzen. Es ist also<br />

denkbar, dass das Interesse an einem Seniorenkaufhaus zunimmt, wenn<br />

sich der Kenntnisstand über seniorengerechte Produkte verbessert.<br />

Die Deliga Seniorenausstatter GmbH ist ein Handels- und Dienstleistungsunternehmen,<br />

das seit dem 1. März 2005 in Großräschen einen<br />

Seniorenfachmarkt betreibt. Daneben führt das Unternehmen einen<br />

Internetshop. Deliga betreibt einen Versandhandel und verkauft in den<br />

Pflegeheimen, Altenheimen und Senioreneinrichtungen. Zusätzlich beliefern<br />

sie die Einrichtungen mit Geschenken. Das Produktsortiment umfasst<br />

u. a. Diabetikerschuhe, Inkontinenz-Artikel, Antidekubitus-Produkte,<br />

Diabetiker-Produkte, Neurodermitis-Artikel, Pflegebekleidung: Pflegeoveralls/Schlafoveralls,<br />

Pflegenachthemden, Senioren-PC, Seniorentelefon,<br />

Seniorenhandy, sowie Hilfsmittel für Senioren wie Rollatoren.<br />

124 http://www.pflegeversand.de<br />

132


Erwartungsgemäß nimmt die Nutzung des Internets mit zunehmendem<br />

Alter ab. Auch ist ein Zusammenhang zwischen Bildungsabschluss und<br />

Internetnutzung ersichtlich.<br />

Die Frage nach haushaltsnahen Dienstleistungen ergab drei Antworten,<br />

die sich auf Hilfe bei der Gartenarbeit und den Wunsch nach Beratung<br />

bezogen.<br />

133<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Abbildung 35: Internetnutzung<br />

nach Bildungsabschluss<br />

Abbildung 36: Wünsche nach<br />

haushaltsbezogenen Dienstlei-<br />

stungen<br />

Abbildung 37: Inanspruch-<br />

nahme haushaltsnaher<br />

Dienstleistungen


Überraschend ist, dass nach Angaben der Befragten die o. g. Hilfsdienstleistungen<br />

tatsächlich nur in geringem Umfang in Anspruch genommen<br />

werden. 22,1 Prozent (n=253) erhalten Hilfe von Familie oder Bekannten,<br />

die Hilfe durch entweder ehrenamtliche bzw. professionelle Helfer wird<br />

nur in sehr geringem Umfang in Anspruch genommen (1,2 Prozent bzw.<br />

3,2 Prozent).<br />

68 Prozent der Befragten gaben an, eine Haushaltshilfe selbst (auch<br />

mithilfe Dritter) finanzieren zu wollen, 16,2 Prozent waren bereit, einen<br />

Beitrag zur Unterstützung bei Finanz- und Behördenangelegenheiten und<br />

Freizeitangeboten zu leisten, 25,7 Prozent würden sich an den Kosten für<br />

Transporte beteiligen und 13,4 Prozent wären bereit, Geld für Bildungsangebote<br />

auszugeben.<br />

Einschätzung des Innenstadtmarktings und Center-Managements<br />

Ein im Rahmen der narrativen Gesprächsrunden häufig angesprochenes<br />

Problem in Stadt und Landkreis Göttingen ist die Größe von Verpackungen.<br />

Senioren sind oft Singles und brauchen meistens nur eine kleine Portion.<br />

Entweder gibt es diese nur in geringer Auswahl oder sie sind teurer als<br />

größere Packungen. Fertigkost ist für viele Senioren attraktiv. SeniorInnen<br />

haben häufig auch Schwierigkeiten beim Entnehmen von Ware aus den<br />

Regalen. Zudem kommen sie beim Transport mit großen Mengen und/oder<br />

sperrig verpackten Produkten schlecht zurecht.<br />

In Göttingen, Duderstadt und Hann. Münden befassen sich mehrere Institutionen<br />

mit verschiedenen Aspekten des Stadtmarketings. Bei vielen<br />

älteren Senioren bildet der Einkauf in der Innenstadt einen Fixpunkt im<br />

Tagesablauf und oft die einzige Verbindung zur Außenwelt. Da vor allem<br />

ältere Kunden oft nicht mehr mit dem Pkw fahren, steigen auch die Ansprüche<br />

an den innerstädtischen ÖPNV. Städtebauliche Anforderungen<br />

sind z. B. wenig Steigungen, breite Gehwege, rutschfeste Straßenbeläge,<br />

Beleuchtung, längere Grünphasen an Ampeln, Kommunikations- und<br />

Ruhepunkte und mehr Sitzmöglichkeiten. Eine Reurbanisierung, d. h. die<br />

Tendenz, Ältere zurück in die Stadt zu holen, kann auch als eine Chance<br />

für den Einzelhandel gesehen werden.<br />

Eine gezielte Ansprache der SeniorInnen findet nach Einschätzung der<br />

Geschäftsführung von Pro City Göttingen nicht oder nicht ausreichend<br />

statt. Der Handel weiß um die Bedeutung der Kaufkraft von SeniorInnen,<br />

stellt sich aber nicht ausreichend darauf ein. Pro City sieht die Notwendigkeit<br />

baulicher Investitionen in den Eingangsbereichen der Geschäfte,<br />

aber auch in der Warenpräsentation. Viele Einzelhandelsgeschäfte seien<br />

sich der Bedeutung der Seniorengerechtigkeit für den wirtschaftlichen<br />

Erfolg noch nicht hinlänglich bewusst.<br />

Nach Einschätzung von Pro City lassen sich ältere Kunden gern von älteren<br />

VerkäuferInnen beraten. Sie gingen davon aus, dass Gleichaltrige ihre Bedürfnisse<br />

besser einschätzen können und sich besser in ihre persönliche<br />

Situation hineinversetzen können. Deutlich werde dieser Zusammenhang<br />

beispielsweise bei der Beschäftigtenstruktur in Schmuckgeschäften,<br />

aber auch im Möbel- und Antiquitätenhandel. Auch Fachgeschäfte, die<br />

134


eispielsweise Oberbekleidung für Vollschlanke anbieten, arbeiteten<br />

nicht mit Mitarbeitern, die extrem schlank sind. Pro City ist aber der<br />

Auffassung, dass sich viele Personalverantwortliche beim Thema “zielgruppengerechtes<br />

Personal” eher vom Gefühl als von der klaren Analyse<br />

leiten lassen.<br />

Bei der Gestaltung ihrer eigenen Angebote setzt Pro City selbst in vielen<br />

Ausprägungen bereits auf die Seniorengerechtigkeit. So wird z. B. bei<br />

Weinfesten darauf geachtet, dass es ausreichend Sitzmöglichkeiten gibt.<br />

Bei der Werbung wendet sich Pro City noch nicht explizit an Senioren.<br />

Das Center-Management des Kauf-Parks in Göttingen/Grone unternimmt<br />

regelmäßig Kundenbefragungen. Analysiert wird auch die Altersstruktur.<br />

Daraus ergibt sich, dass der demographische Wandel für das Management<br />

ein wichtiges Thema geworden ist. Werbemaßnahmen und Verkaufsförderungsmaßnahmen<br />

werden auf die Zielgruppe der Älteren abgestellt.<br />

So richtet sich eine BINGO-Aktion speziell an ältere Kunden. Wenn das<br />

Center-Management des Kauf-Parks Befragungen auswertet, wird der<br />

„Feel-Age-Faktor“ bewusst berücksichtigt, d. h., es werden jeweils zehn<br />

Jahre von dem durch die Kunden angegebenen wirklichen Alter abgezogen,<br />

um zum „gefühlten Alter“ der Kundengruppen zu kommen. Dieses<br />

„relative“ Alter ist ausschlaggebend für die Gestaltung der jeweiligen<br />

Marketingaktionen.<br />

Das Management informiert die Geschäfte über die Ergebnisse der<br />

Befragungen. Es zeigt sich, dass die Anzahl der Single-Haushalte in Göttingen<br />

weiter steigt. Für den Lebensmitteleinzelhandel bedeutet dies,<br />

mit kleineren Verpackungsgrößen zu arbeiten. Bei der Entwicklung der<br />

Mieterstruktur wird der demographische Wandel ebenfalls berücksichtigt.<br />

So wurden gezielt Optiker auf eine Ladenanmietung angesprochen. Vor<br />

sieben Jahren wurde der Versuch unternommen, einen Einpackservice<br />

zu etablieren. Dieser Versuch wurde aber eingestellt, nachdem deutlich<br />

wurde, dass nur wenige KundInnen diesen Dienst genutzt haben, sich die<br />

Waren einpacken und zum Auto bringen zu lassen. Deutlich erkennt das<br />

Center-Management, dass gerade ältere Kunden Wert auf gute Beratung<br />

legen. Der Facheinzelhandel sei deshalb besonders zukunftsträchtig.<br />

Deutlich sei auch, dass sich ältere Kundinnen und Kunden lieber von älteren<br />

Verkäufern und Verkäuferinnen beraten lassen. Viele Fachgeschäfte<br />

im Kaufpark achteten auf die Größe der Preisschilder. Der Kaufpark mit<br />

ebenerdigen Parkplätzen vor dem Gebäude ist nach der Bewertung des<br />

Center-Managements baulich barrierefrei.<br />

Im Stadtmarketing Duderstadt sind 90 Mitgliedsunternehmen organisiert<br />

– überwiegend aus dem Einzelhandel, einige aber auch aus dem Handwerk.<br />

Wichtigste Aufgaben sind Imagewerbung und die Ausrichtung von<br />

Veranstaltungen. Das Stadtmarketing organisiert den Gartenmarkt, den<br />

historischen Markt, den Äpfel- und Birnenmarkt sowie den Weihnachtsmarkt.<br />

Die Maßnahmen werden durch den Geschäftsführer der Fa. Wippermann<br />

geplant und durchgeführt. Nach seiner Beobachtung legen Ältere<br />

besonderen Wert auf eine kompetente Beratung. Ältere KundInnen lassen<br />

125 Gespräch mit Geschäftsführer Christian Glantz am 31. März 2006 in Göttingen<br />

126 Gespräch mit Center-Manager Andreas Gruber am 1. Juni 2006 in Göttingen<br />

135<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


sich nach seiner Beobachtung aber lieber von jüngeren VerkäuferInnen<br />

beraten als von Älteren. Eine Ausnahme gebe es z. B. bei Fachgeschäften<br />

wie dem Optiker. Deshalb sei es auch in Geschäften, die sich vorwiegend<br />

an die Zielgruppe der Älteren wenden, mindestens ungeschickt, nur mit<br />

älteren Verkäufern zu arbeiten. Viele Konsumenten wagten es nicht, ältere<br />

Verkäuferinnen zum wiederholten Male ins Lager zu schicken, um die<br />

geeignete Ware zu finden. Weil dies ihnen unangenehm sei, verließen sie<br />

lieber den Laden, ohne etwas gekauft zu haben. Bei manchen sehr alten<br />

Kunden müsse das Verkaufspersonal auch beim Umkleiden helfen. Auch<br />

dazu seien Jüngere besser geeignet als Ältere.<br />

Probleme sieht das Stadtmarketing Duderstadt beim Bezug von geeigneten<br />

Markenartikeln. Die Markenartikler hätten genaue Vorstellungen<br />

vom Umsatz pro Quadratmeter. Wenn der nicht erfüllt sei, verliere man<br />

die Exklusivität am Ort oder werde gar nicht mehr beliefert. Die Massenproduktion<br />

aus Fernost berücksichtige die deutschen Konfektionsgrößen<br />

nicht ausreichend. Der Handel in Duderstadt bemühe sich, auf die Bedürfnisse<br />

der Zielgruppe Älterer einzugehen. Das zeige sich am stufenfreien<br />

Eingang zu vielen Geschäften, an ausreichend großen Umkleidekabinen<br />

und großen Schildern.<br />

Nach Beobachtung des Stadtmarketings verfügen viele Ältere noch immer<br />

über ein gutes Einkommen. In vielen Fällen zeigen sie aber beim Einkauf<br />

eine besondere Sparsamkeit und feilschen vielfach auch um den Preis.<br />

Insgesamt seien die Älteren „jünger“ geworden, das aber berücksichtige<br />

der Handel in Duderstadt noch nicht ausreichend. Klar sei aber, dass der<br />

Umsatz nur gehalten und gesteigert werden könne, wenn der Handel noch<br />

mehr auf Ältere zugehe. Bei der Themenstellung für die Stadtfeste orientiere<br />

sich das Duderstädter Stadtmarketing an mittleren bis höhere Altersgruppen.<br />

Man bemühe sich um die Bereitstellung von Sitzmöglichkeiten<br />

– dies passt aber häufig nicht in die Jahreszeit. Der Städtetourismus hat<br />

sich nach Darstellung des Stadtmarketings bereits auf die Zielgruppe der<br />

Älteren eingestellt, dieser Prozess müsse aber fortgesetzt werden.<br />

Hann. Münden hat eine hohe Bedeutung für ältere Menschen aus der<br />

Umgebung. Dass Hann. Münden für ältere Kreisbewohner als Wohnort<br />

interessant ist, liegt in erster Linie an den zahlreichen Altenheimen sowie<br />

an den Projekten zum Betreuten Wohnen. Außerdem besteht offenbar<br />

auch bei der Generation 50plus die Tendenz, seniorengerechte Apartmentwohnungen<br />

für das Wohnen im Alter zu erwerben. In Hann. Münden<br />

lebt mit pensionierten Lehrern, Polizisten, Soldaten und Forstbeamten ein<br />

durchaus zahlungskräftiges Klientel.<br />

In Hann. Münden läuft seit dem Jahreswechsel 2005/2006 ein Stadtmarketingprozess.<br />

Die Federführung hat ein Initiativkreis inne, in dem Werbegemeinschaft,<br />

Wirtschaftssenioren, Heimatpfleger, Stadtführergilde, Touristik<br />

Hann. Münden und die Politik vertreten sind. Beratend für den Initiativkreis<br />

ist die Verwaltungsleitung. Sprecher der in diesem Zusammenhang eingerichteten<br />

Lenkungsgruppe ist der stellvertretende Geschäftsführer der<br />

Wirtschaftsförderungs- und Stadtmarketing GmbH (WWS). Im Kern geht<br />

es in dem Entwicklungsprozess darum, aus Betroffenen Beteiligte zu<br />

127 Gespräch mit Geschäftsführer Hubertus Werner am 12. Juni 2006 in Duderstadt<br />

136


machen. Verhindert werden soll, dass neue Ansprüche an die Öffentliche<br />

Hand gestellt werden. Im Fachkreis Bürger sollen Unterkreise gebildet<br />

werden. Es ist erwünscht, dass sich auch ältere Bürger engagieren.<br />

Das Stadtmarketing der Stadt Hann. Münden hat sich mehrfach mit Aspekten<br />

der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> befasst. Gezielte Angebote an Senioren<br />

werden dennoch bislang nicht geplant. Die Frage war zu einem früheren<br />

Zeitpunkt geprüft worden. Man fürchtete jedoch, dass sich der Handel<br />

monostrukturell ausrichtet und dass ein Verlust an Vielfalt entsteht. Das<br />

Stadtmarketing hält eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der<br />

Senioren aber für sinnvoll.<br />

In dem Initiativkreis arbeiten auch Ältere mit, z. B. ein Senior, der im erheblichen<br />

Maß über kaufmännisches Verständnis und über viel Wissen<br />

und Kontakte verfügt. Dessen Kompetenz wurde auch genutzt, als es um<br />

die Privatisierung des Bahnhofs ging. Das Stadtmarketing Hann. Münden<br />

legt großen Wert darauf, dass keine „Wünsch-Dir-was-Aktionen“ entstehen.<br />

Durch den Bottom-up-Ansatz werden Bedürfnisse der BürgerInnen<br />

sichtbar gemacht – nicht jedoch die Interessen der Stadtverwaltung.<br />

Zielsetzung: Es soll gelingen, auch ältere Leute dazu zu bewegen, die<br />

Ideen auch umzusetzen. Vorschlag: Es sollte das Konzept eines „Generationenladens“<br />

entwickelt werden. Dort sollten seniorengerechte Produkte<br />

angeboten werden, wobei das Verkaufspersonal der Zielgruppe entsprechen<br />

sollte. Die Initiatoren des „Generationenladens“ sollten zielgerichtet<br />

aus- bzw. weitergebildet werden und über die Gründungsphase hinaus<br />

fachlich begleitet werden. Handlungsbedarf wird auch beispielsweise bei<br />

Serviceleistungen in der Unterhaltungselektronik erkannt.<br />

Eindrücke der Seniorenscouts<br />

Auf Bundesebene förderten Tests, die u. a. die Unternehmensberatung<br />

feierabend.de vornimmt, zum Teil erstaunliche Missstände zutage. Die<br />

Unternehmensberatung hat ihren Hauptsitz in Frankfurt am Main verfügt<br />

über 68 Regionalgruppen mit 91.266 Mitgliedern. Eine Regionalgruppe ist<br />

auch in Göttingen ansässig. Bei feierabend.de können sich die Mitglieder<br />

ehrenamtlich als Seniorenscout betätigen.<br />

Zur Erfassung der Einkaufssituation älterer Menschen im Landkreis Göttingen<br />

erkundete im Rahmen der <strong>Potenzialanalyse</strong> eine Dame als “Seniorenscout“<br />

die Innenstädte von Göttingen und Duderstadt. 0 Grundlage war<br />

ein vom <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen entwickeltes Qualitätsraster,<br />

in dem Parkmöglichkeiten, Treppen, Orientierungsmöglichkeiten im Geschäft,<br />

Raumausstattung und Helligkeit, Laufwege, insbesondere Gänge,<br />

Produktauszeichnungen, Platzierung der Produkte, Packungsgrößen und<br />

dem Service-Personal genannt wurden.<br />

128 Gespräch mit dem stellvertretenden Geschäftsführer Jörg Hartung am 8. Juni 2006 in Göttingen<br />

129 http://www.feierabend.de<br />

130 Siehe auch Berichterstattungen über Swaantje Krasky „Als Kundschafterin auf Einkaufstour“ im<br />

Göttingen Tageblatt und in der Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) „Pfadfinderin in der<br />

Warenwelt“ am 19. September 2006<br />

137<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Manche insbesondere von Älteren genutzten Produkte lassen sich schlecht<br />

öffnen, dazu gehören unter anderem Plastikbecher für Kaffeesahne. An<br />

den Kassen herrscht zuweilen eine Hektik, die für Ältere mit besonderem<br />

Stress verbunden ist. Die meisten Beschäftigten bemühen sich allerdings,<br />

Älteren zu helfen. Dazu gehört auch das Angebot an den Kassen der<br />

Lebensmittelläden, den Rechnungsbetrag direkt aus dem Portemonnaie<br />

der Kunden zu nehmen. Viele Geschäfte haben mittlerweile auch einen<br />

kostenlosen Einpackservice eingerichtet. Sitzmöglichkeiten bestehen es<br />

in den Geschäften der Göttinger Innenstadt nur vereinzelt.<br />

Dagegen bietet Duderstadt nach Beobachtungen der „Pfadfinderin<br />

durch die Warenwelt“ in den Geschäften vermehrt Sitzgelegenheiten für<br />

SeniorInnen an. In vielen Supermärkten ist es oft schwierig, die verkeilten<br />

Einkaufswagen aus den dafür vorgesehenen Boxen zu entnehmen.<br />

Zudem empfinden viele ältere Menschen Unsicherheit, wenn sie sich in<br />

der überfüllten Innenstadt bewegen. Probleme werden demnach insbesondere<br />

in den Bereichen gesehen: Verpackungsgrößen, Sitzgelegenheiten,<br />

klemmende Einkaufswagen sowie Unsicherheit an Kassen und<br />

in Fußgängerzonen.<br />

Für Göttingen gilt: Es gibt zwar Parkmöglichkeiten, jedoch nur relativ wenige<br />

in unmittelbarer Nähe der Einzelhandelsgeschäfte. Demgegenüber<br />

ist die Anbindung an den ÖPNV gut. Die Orientierungsmöglichkeiten innerhalb<br />

der Geschäfte sind überwiegend gut. Kunden, die Fragen haben,<br />

werden meist rasch und höflich unterstützt. Überwiegend gut sind auch<br />

die Lichtverhältnisse, die Laufwege sind mit wenigen Ausnahmen frei.<br />

Unterschiedlich wird die Produktauszeichnung bewertet. Kritikwürdig<br />

erscheint nach Beobachtungen des Seniorenscouts die Produktauszeichnung<br />

in Apotheken. In vielen Fällen wurde beobachtet, dass sich<br />

die Preisschilder an Regalen verschieben, es lässt sich also häufig nicht<br />

zuordnen, welcher Preis für welches Produkt gilt. Produkte, die auch von<br />

Senioren gekauft werden, liegen in den Regalen häufig ganz unten und<br />

ganz oben. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob über Einzelfälle hinaus<br />

hier Verbesserungen möglich sind. Manche größeren Einzelhandelsgeschäfte<br />

verfügen über zu wenige Kassen, sehr unübersichtlich ist häufig<br />

die Warenpräsentation in den Geschäften, die vorwiegend sehr preiswerte<br />

Waren verkaufen.<br />

Gute Beispiele im Seniorenmarketing<br />

Verschiedene Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels versuchen<br />

inzwischen gezielt, die Bedürfnisse ihrer älteren Kunden in der Ladengestaltung<br />

zu berücksichtigen. Zum Gestaltungskonzept der Metro-Tochtergesellschaft<br />

Real gehören beispielsweise:<br />

verbesserte Orientierung durch breitere Gänge, Übersichtlichkeit und<br />

geändertes Produktplacement<br />

Optimierung der Regalanordnung, indem Produkte, die vor allem von<br />

Senioren nachgefragt werden, in greifbarer Höhe platziert wurden.<br />

138


Edeka hat ein neues Service- und Ladenkonzept unter dem Titel „Supermarkt<br />

der Generationen“ entwickelt. Analog zu Real gibt es im „Supermarkt<br />

der Generationen“ rutschfeste Böden, breite Gänge und blendfreies Licht;<br />

die seniorenrelevanten Sortimente sind in Augenhöhe platziert. Darüber<br />

hinaus sollen Senioren mit großen Preisschildern, an den Regalen befestigten<br />

Leselupen, Sitzecken für Ruhepausen und Kassenbildschirmen<br />

mit großer Anzeige angesprochen werden. Ein spezielles Dienstleistungsangebot<br />

verbirgt sich hinter einem roten Serviceknopf: Wenn ein Kunde<br />

diesen Knopf drückt, erhält er sofort Hilfe und wird von entsprechend<br />

geschultem Service-Personal beraten. Ein erster Pilotmarkt wurde in<br />

Chemnitz eröffnet. Mittlerweile wurden schon zwei weitere “Supermärkte<br />

der Generationen“ in Deutschland eröffnet, aber noch befindet sich das<br />

Konzept in der Testphase. Pläne zu einer deutschlandweiten Umsetzung<br />

sind nicht bekannt.<br />

Die Senio GmbH Heidelberg war Deutschlands erster Fachhandel für Senioren.<br />

Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen seit 1993 von seinem<br />

Konzept für Fachgeschäfte, das ein Kooperations- oder Franchisesystem<br />

aufbaut, Marktführer. Seniorenfachgeschäfte bestehen z. B. in Mannheim,<br />

Berlin, Heidelberg, Frankfurt und Oldenburg. Senio propagiert ein Rundumkonzept.<br />

Hier werden Produkte, Dienstleistungen (Betreuung, Pflege,<br />

Hilfe im Haushalt) und Informationen (zu seniorengerechtem Wohnen,<br />

Hilfsmitteln) angeboten und vermittelt. Auch die Geschäfte sind speziell<br />

auf die Bedürfnisse der älteren Kunden ausgerichtet und beispielsweise<br />

mit Sitzgelegenheiten ausgestattet<br />

In Deutschland wurden seit 1992 mehr als 50 Fachgeschäfte für SeniorInnen<br />

gegründet. Die Hälfte sind noch heute tätig – viele davon Senio-<br />

Fachgeschäfte mit mehr oder minder enger Bindung an Senio. Andere<br />

sind mit ihrer klaren Ausrichtung auf die Zielgruppen der SeniorInnen<br />

gescheitert. Darunter waren auch hoch engagierte Existenzgründer an<br />

guten Standorten, aber auch Selbstständige, die ihre Fähigkeiten und<br />

Möglichkeiten überschätzt haben. Gründe für das Scheitern war die zu<br />

niedrige Qualifikations- und Standortanforderung an den Partner.<br />

Aus dieser Erfahrung ist ein Anforderungsprofil an künftige Senio-Franchise-Partner<br />

entwickelt worden, das eine langfristig erfolgreiche Basis<br />

für eine Zusammenarbeit als eigenständiges Geschäft, Shop-in-Shop und<br />

Franchise light sichern soll. Dazu zählen Standortwahl, finanzielle Ausstattung<br />

und die Fähigkeit des Partners, das Senio-Konzept selbstständig<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Nach der amtlichen Statistik Österreichs ist schon heute jeder dritte Bürger<br />

des Landes älter als 50, Tendenz steigend. Österreichs Handelskette Adeg<br />

buhlt mit speziellen Supermärkten konsequent um diese Zielgruppen.<br />

Manfred Schwall, Geschäftsführer der Wiener Werbeagentur Haslinger &<br />

Keck, hat sich vor zwei Jahren mit dem Konzept bei Adeg, einer Tochter<br />

der Edeka-Gruppe, vorgestellt. Zusammen mit dem Unternehmen befragte<br />

Schwalls Agentur 450 Adeg-Kunden jenseits der 50 in ganz Österreich<br />

nach Einkaufsgewohnheiten und Erwartungen an Lebensmittelläden.<br />

Die Ergebnisse sind seit 2005 im ersten 50plus Laden zu sehen – nach<br />

131 http://www.senio.de/<br />

139<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Aussagen des Unternehmens mit einer beeindruckenden Umsatzerhöhung:<br />

Es gibt die Holzbank zum Rasten und breite Gänge. Da ist zum<br />

Beispiel der Spezialboden, mit dem Rutschpartien vor allem an nassen<br />

Tagen vermieden werden sollen. Am Eingang des Geschäfts ist das Licht<br />

gedämpft, damit sich die Augen schneller an das Neonlicht gewöhnen.<br />

Einige Einkaufswagen sind mit Bremsen ausgestattet. Wer sich eine Pause<br />

gönnen will, kann auf der Sitzfläche des Wagens Platz nehmen, die Räder<br />

blockieren dann sofort.<br />

Einer der 50plus-Läden von Adeg ist in Bergheim im Salzburger Land, der<br />

andere im Zentrum Wiens. Kein Kunde soll in den Läden das Gefühl bekommen,<br />

in einem Fachhandel für Senioren einzukaufen. Deshalb stehen<br />

hier Energie-Getränke und Alcopop-Mischgetränke griffbereit, und aus<br />

den Lautsprechern tönt leise ein Hit der britischen Popband Coldplay. Bei<br />

Adeg in Bergheim können sich Kunden direkt am Eingang den Blutdruck<br />

messen lassen. An den Ladenregalen baumeln an Ketten Lupen, durch die<br />

Etiketten und Preisschilder größer wirken. Und beim Obst und Gemüse<br />

steht eine Holzbank für müde Einkäufer. Die älteren Kunden sollen sich<br />

wohl fühlen. Für Rollstuhlfahrer steht ein spezieller Einkaufswagen bereit,<br />

der sich am Rollstuhl befestigen lässt. Die Produkte sind mit großen Preisschildern<br />

ausgezeichnet, die Regale im Laden nach Mahlzeiten geordnet:<br />

Frühstück, Mittag- und Abendessen.<br />

Arbeitsplätze für Ältere: Auch sie stehen für die Philosophie 50plus. „Sind<br />

Sie über 50, dann sind Sie für uns ideal“, warb Adeg in einer Stellenanzeige.<br />

„Wir glauben, dass ältere Mitarbeiter besser kommunizieren können, vor<br />

allem mit älteren Kunden.“ Mittlerweile arbeiten 14 ältere Frauen in dem<br />

Salzburger Supermarkt. Fast alle waren vorher arbeitslos, nicht zuletzt<br />

wegen ihres Alters.<br />

Das Geschäft mit der älteren Generation lohnt sich, nicht nur in Österreich:<br />

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wird 2010 bereits jeder<br />

zweite Konsument in Deutschland über 50 sein.<br />

Deliga ist ein kleines Warenhaus im brandenburgischen 11.000-Einwohner-Städtchen<br />

Großräschen. Es gilt als Deutschlands erstes Seniorenkaufhaus.<br />

Dort sind die Gänge so breit, dass man auch mit einem Rollstuhl<br />

gut durchkommt. In den Umkleidekabinen können sich zwei Personen<br />

bewegen. Das Personal ist so aufmerksam, dass sich der Kunde nicht<br />

als Störenfried fühlt, wenn er Beratung braucht. Auf der gut 800 Quadratmeter<br />

großen Verkaufsfläche können alte Leute Hilfen erwerben, um<br />

die Einschränkungen des Seniorendaseins zu überwinden. So gibt es<br />

sprechende Wecker, Waagen und Thermometer, eine TV-Lupe, die über<br />

den Bildschirm gespannt das Fernsehbild auf das Doppelte vergrößert,<br />

Telefone mit riesigen Tasten, pflegeleichte, weit geschnittene Kleidung,<br />

Strumpfhosen mit breiterem Bund und kürzeren Beinen.<br />

Diese guten Beispiele dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass<br />

es nicht nur in Stadt und Landkreis Göttingen Defizite gibt. Ein Großteil<br />

der auf die Zielgruppe ausgerichteten Produkte, Dienstleistungen und<br />

Kampagnen ist weiterhin auf dem längst überholten Klischee vom ge-<br />

140


echlichen, ewig sparsamen Rentner ausgerichtet. Senioren-Marketing<br />

darf sich deshalb nicht auf eine größere Schrift auf den Preisschildern<br />

beschränken.<br />

Qualifizierungsprogramme für den Einzelhandel<br />

“ProSenior“ ist ein aus Bausteinen bestehendes Qualifizierungs- und<br />

Beratungsprogramm für Einzelhändler und Dienstleister, das am Beispiel<br />

von Buchhandlungen und Medical-Wellness-Hotels entwickelt wurde. Es<br />

soll die Unternehmer/-innen befähigen, ein für ältere Kunden attraktives<br />

Angebot bereitstellen und attraktiv präsentieren zu können. Die Gewinnung<br />

dieser noch weiter wachsenden Käufergruppe trägt zur wirtschaftlichen<br />

Stärkung des eigenen Betriebes bei und hilft damit, Arbeitsplätze<br />

zu sichern oder neue zu schaffen. Davon werden insbesondere Frauen<br />

profitieren, die einen Großteil der Eigentümerinnen und Mitarbeiterinnen<br />

in diesem Sektoren stellen. Das Programm besteht aus Pflicht- und fakultativen<br />

Modulen und verbindet theoretische Unterweisung mit praktischen<br />

Übungen (meist am Beispiel des eigenen Betriebes) und begleitender<br />

Beratung (individuelles und Gruppencoaching). Es zielt darauf ab, Verständnis<br />

für die Bedürfnisse und Erwartungen der Senioren unter den Kunden<br />

zu wecken, eine Vorstellung von den Möglichkeiten zu vermitteln, die<br />

die Erschließung dieser Käufergruppe bietet, das Potenzial des eigenen<br />

Unternehmens zu analysieren, neue Angebote und Leistungen für Senioren<br />

zu entwickeln und eine auf speziell deren Wünsche ausgerichtete<br />

Kommunikationspolitik betreiben zu können sowie durch ein effizientes<br />

Qualitätsmanagement den hohen Ansprüchen dieses Kundenkreises auf<br />

Dauer gerecht zu werden.<br />

Dieses Qualifizierungs- und Beratungsprogramm wurde zwar am Beispiel<br />

spezieller Zweige des Einzelhandels und des Dienstleistungsbereichs erarbeitet,<br />

ist jedoch auf alle Branchen übertragbar. Es ist so flexibel, dass<br />

genügend Raum bleibt, deren spezifische Belange zu berücksichtigen.<br />

Auch wenn das Altern keineswegs mit gesundheitlichen Einschränkungen<br />

gleichgesetzt werden darf, so gibt es doch keinen Zweifel daran, dass in<br />

einer alternden Gesellschaft immer mehr Menschen auf gesundheitsbezogene<br />

Dienstleistungen und Produkte angewiesen sein werden.<br />

Individuelle Einschätzungen<br />

„Mir ist es egal, wie alt derjenige ist, der mich bedient. Für mich ist die<br />

Kompetenz ausschlaggebend, und die hängt nicht vom Alter ab. Die<br />

Grundversorgung in Duderstadt ist hervorragend. Aber zum Besuch<br />

meines Facharztes brauche ich das Auto. Ich frage mich schon, was ich<br />

mache, wenn ich nicht mehr Auto fahren kann.“ (Duderstadt)<br />

141<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

gesunDHeItswIrtscHaft,<br />

ambulante<br />

pflege unD sport


„Als älterer Mann bin ich ein bisschen eigen. Beim Friseur lasse ich mich<br />

nur von älteren Männern bedienen, junge Mädchen lasse ich an meinen<br />

Kopf nicht ran. Ich würde mich auch nie von einer Ärztin behandeln lassen.<br />

Viele Ältere würden sich auch nie von ihren Kindern pflegen lassen,<br />

von Fremden lassen sie sich aber helfen. “ (Duderstadt)<br />

„Ideal ist eine funktionierende Familie, die hat aber nicht jeder. Na klar:<br />

Ich nehme auch ehrenamtliche Hilfe in Anspruch.“ (Göttingen)<br />

„Man ist so zufrieden, wenn man etwas selbst macht. Selbstständigkeit<br />

heißt doch, frei zu sein und das Beste aus seinem Leben zu machen.“<br />

(Göttingen)<br />

„Wir werden zu alt, Altern ist eine Last. Ich bin zwar noch rüstig, brauche<br />

aber unbedingt Gesellschaft. In meinem Haus wohnen viele junge<br />

Leute, die grüßen zwar aber mehr auch nicht. Sich um Gesellschaft zu<br />

kümmern ist aber mühsam.“ (Göttingen)<br />

„Das Treffen mit anderen ist wichtig, um das Alleinsein zu unterbrechen.<br />

Frage mich, wie kann man das Alleinsein älterer Menschen unterbinden?<br />

Ich hatte einen Plan ‘Kette per Telefon’, aber viele scheuen sich,<br />

auf andere zuzugehen.“ (Göttingen)<br />

Gesundheitswirtschaft<br />

Die wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Potenziale des<br />

Wachstumsmarktes Gesundheitswirtschaft gründen im Wesentlichen<br />

auf drei Triebkräften: dem demographischen Wandel, dem medizinischtechnischen<br />

Fortschritt und einem steigendem Gesundheitsbewusstsein.<br />

Letzteres bedeutet, dass der soziale und kulturelle Wandel in großen Teilen<br />

der Bevölkerung zu einem steigenden Gesundheitsbewusstsein führt und<br />

auch zu einer wachsenden Bereitschaft, für Gesundheit und Wohlbefinden<br />

auch private Mittel auszugeben.<br />

Die Gesundheitswirtschaft zählt auch unter beschäftigungspolitischen<br />

Aspekten zu den wichtigsten Wachstumsbranchen der letzten zwei<br />

Dekaden. Demographischer Wandel, technischer Fortschritt und die<br />

Innovationen sowie neue Ansätze für Produkte und Dienstleistungen im<br />

Bereich der Lifestyle-, Alternativ- und ganzheitlichen Medizin lassen darauf<br />

schließen, dass dieser Trend auch in den nächsten Jahren anhalten<br />

wird.<br />

Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung – vor allem hinsichtlich der kleiner<br />

werdenden Familien – ist davon auszugehen, dass mit dem demographischen<br />

Wandel zukünftig ein Mehrbedarf an professionellen Hilfs- und<br />

Pflegeangeboten einhergehen wird. Im Hinblick auf die Pflegebedürftigkeit<br />

müssen neue Formen der Betreuung und Versorgung die familiäre Unterstützung<br />

ergänzen oder auch ersetzen können. Dienstleistungsangebote<br />

sollten dabei das Spektrum von Beratungsangeboten bis hin zu flexiblen<br />

132 5. Altenbericht der Bundesregierung, S. 247<br />

142


Hilfeformen abdecken, die von allen Beteiligten – sprich den älteren Menschen,<br />

deren Familien und auch Professionellen – in Anspruch genommen<br />

werden können.<br />

Die Gesundheitswirtschaft umfasst ein weites Feld an Aufgaben und<br />

Angeboten durch unterschiedliche Anbieter. Exemplarisch soll hier auf<br />

den Bereich der ambulanten Pflege eingegangen werden, da hier am<br />

ehesten Beschäftigungspotenzial für Menschen ab 50 Jahren besteht.<br />

Außerdem wird der Aspekt der Bedeutung des Freizeitsports näher beleuchtet.<br />

Wellness und Tourismus werden in einem gesonderten Kapitel<br />

vertieft behandelt.<br />

Das Cluster-Modell, welches vom Institut für Arbeit und Technik (IAT) entworfen<br />

wurde, unterscheidet drei Bereiche der Gesundheitswirtschaft:<br />

1.<br />

2.<br />

Wohnen<br />

Biotechnologie<br />

Selbsthilfe<br />

Handel mit<br />

Gesundh.produkten<br />

Ernährung<br />

Sport + Freizeit<br />

Medizin- und<br />

Gerontotechnik<br />

Verwaltung<br />

Stationäre<br />

und ambulante<br />

Versorgung (Gesundheitsversorgung<br />

+<br />

Pflege)<br />

Kur- und<br />

Bäderwesen<br />

Pharmazeutische<br />

Industrie<br />

Der Kernbereich der ambulanten und stationären Versorgung umfasst<br />

neben den Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen,<br />

die ambulanten Arzt- und Zahnarztpraxen, die Praxen der<br />

nichtärztlichen medizinischen Berufe und Apotheken sowie die stationären,<br />

teilstationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen.<br />

Die Vorleistungs- und Zulieferindustrien, in denen sich die Pharmazeutische<br />

Industrie, Medizin- und Gerontotechnik sowie die Bio- und<br />

Gentechnologie (Health Care Industries), das Gesundheitshandwerk<br />

und der Groß- und Facheinzelhandel mit medizinischen und orthopädischen<br />

Produkten wiederfinden.<br />

143<br />

Apo-<br />

theken<br />

Beratung<br />

Tourismus<br />

Wellness<br />

Gesundh.-<br />

handwerk<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Abbildung 38: Cluster-Modell<br />

Institut für Arbeit und Technik<br />

Hilbert, Fretschner, Dülberg<br />

2002: “Rahmenbedingungen<br />

und Herausforderungen der<br />

Gesundheitswirtschaft“.<br />

Manuskript. Gelsenkirchen: Inst.<br />

Arbeit und Technik (http://iat-<br />

info.iatge.de/aktuell/veroeff/ds/<br />

hilbert02b.pdf)


3.<br />

Die Nachbarbranchen und Randbereiche des Gesundheitswesens,<br />

welche insbesondere durch die Verknüpfung gesundheitsbezogener<br />

Dienstleistungen mit den Angeboten aus den Bereichen Gesundheitstourismus,<br />

Wellness, Sport- und Freizeitangeboten sowie Wohnen<br />

und Ernährung große Potenziale für die Gesundheitswirtschaft<br />

beinhalten.<br />

Dem Kernbereich der Gesundheitswirtschaft sind durch politische Regulierung<br />

und Finanzierung durch die Krankenkassen enge Grenzen hinsichtlich<br />

Expansion und Preisgestaltung gesetzt. Bereits heute zahlen die<br />

gesetzlich Krankenversicherten ca. sieben Prozent ihrer Aufwendungen<br />

für Gesundheit aus eigener Tasche, bis 2015 wird ein deutlicher Anstieg<br />

dieser Eigenleistung prognostiziert. Damit einher geht auch ein Wandel<br />

der Ansprüche. Die Patienten werden sich weitere Kompetenzen zur Steigerung<br />

ihrer Lebensqualität aneignen und sich vom Hilfeempfänger zum<br />

Kunden entwickeln. Große wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten<br />

sind laut Altenbericht vor allem in den Rand- und Nachbarbranchen der<br />

Gesundheitswirtschaft zu sehen, also den Bereichen, die von den Kunden<br />

und Kundinnen privat finanziert werden. Fraglich ist, ob diese Prognose<br />

sich auch auf den Arbeitsmarkt in Stadt und Landkreis Göttingen niederschlägt.<br />

Neben Hilfs- und Pflegeangeboten können vor allem durch technische<br />

Hilfsmittel die gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Alter kompensiert<br />

oder zumindest gelindert werden. Südniedersachsen ist ein ausgezeichneter<br />

Standort für Gesundheits-, Geronto- und Rehatechnikunternehmen.<br />

Hier ist mit einem weiteren Wachstum der Märkte zu rechnen. Sein<br />

Umfang wird jedoch nicht zuletzt davon abhängig sein, ob es auf dem<br />

Arbeitsmarkt dafür geeignete Fachkräfte gibt.<br />

Damit die regionalen Einrichtungen und Unternehmen in der Gesundheitswirtschaft<br />

an einem Wachstum der Märkte für Gesundheits-, Geronto- und<br />

Rehabilitationstechnik partizipieren können, kommt es vor allem auf die<br />

Entwicklung von neuen Produkten und Dienstleistungen an. Hierdurch<br />

kann die Gesundheitswirtschaft auf die veränderte Bedarfslage durch<br />

den demographischen Wandel reagieren und verstärkt privat finanzierte<br />

Nachfrage mobilisieren. Der 5. Altenbericht der Bundesregierung empfiehlt<br />

diesbezüglich, dass die bestehenden Angebote kritisch auf ihre Zukunftsfähigkeit<br />

geprüft werden. Notwendig seien demnach Ergänzungen und Veränderungen<br />

sowie die Entwicklung von Kooperationen mit Unternehmen<br />

aus anderen Branchen (z. B. der Wohnungswirtschaft). Zentrales Ziel ist es,<br />

die Angebote für die Unterstützung im häuslichen Umfeld zu optimieren.<br />

Dazu sind die Akteure in den Bereichen Handwerk, Wohnungswirtschaft<br />

und ambulanter Pflege anzusprechen. Wichtig erscheint aber auch, dass<br />

die Teilbereiche miteinander vernetzt werden.<br />

Insgesamt produzierten die Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft im<br />

Land Niedersachsen im Jahr 2000 Leistungen und Güter im Wert von 24,8<br />

Mrd. Euro, davon entfallen 21,0 Mrd. Euro auf den Bereich Gesundheits-<br />

133 Altenbericht, S. 248<br />

134 Altenbericht, S. 249<br />

135 Denkbar ist, dass bei einem Pflegeforum zum Thema ambulante Pflege auch Experten aus den<br />

Bereichen der Wohnungswirtschaft oder dem Handwerk als Gäste und Zuhörer hinzugeladen werden.<br />

144


schutz und -versorgung, 3,3 Mrd. Euro auf die Gesundheitsindustrie und<br />

0,5 Mrd. Euro auf die gesundheitsrelevante Freizeitwirtschaft. Mit 5,8 Mrd.<br />

Euro sind die Krankenhäuser die umsatzmäßig größten Leistungserbringer<br />

der Gesundheitswirtschaft im Land Niedersachsen.<br />

Nach Abzug der Vorleistungen von 10,7 Mrd. Euro erzielten die Einrichtungen<br />

der Gesundheitswirtschaft in Niedersachsen im Jahr 2000<br />

eine Bruttowertschöpfung von 14,1 Mrd. Euro. Dies bedeutet, dass die<br />

Wertschöpfungsquote des Gesundheitssektors anteilig am Bruttoinlandsprodukt<br />

in Niedersachsen in dem genannten Jahr 7,9 Prozent betrug.<br />

Im Jahr 1996 lag die Wertschöpfungsquote in Niedersachsen bei 8,1<br />

Prozent. Der leichte Rückgang ist sowohl eine Folge der Budgetierung<br />

der öffentlichen Leistungsbereiche als auch des stärkeren Wachstums<br />

der übrigen Wirtschaft.<br />

Jeder neunte Erwerbstätige in Niedersachsen ist in der Gesundheitswirtschaft<br />

beschäftigt. Im Jahr 2000 arbeiteten rund 385.000 Personen in der<br />

Gesundheitswirtschaft. Dies entspricht rund 286.000 Vollzeitbeschäftigten.<br />

Damit sind in Niedersachsen im Vergleich zum Bundesschnitt insgesamt,<br />

bezogen auf die Wohnbevölkerung, weniger Personen im Gesundheitswesen<br />

beschäftigt. Je 1.000 Einwohner arbeiteten im Jahr 2000 48,6<br />

Erwerbstätige in der niedersächsischen Gesundheitswirtschaft. Im Vergleich<br />

zum Bund (50,9) liegt dieser Quotient damit in Niedersachsen um<br />

2,3 Prozent niedriger. In Stadt und Landkreis Göttingen arbeiten 13.120<br />

sozialversicherungspflichtige Beschäftigte im Gesundheitswesen. Das ist<br />

ein Anteil von 15,2 Prozent an der Gesamtzahl.<br />

Senioren haben das höchste Risiko für Krankheiten und gesundheitliche<br />

Beeinträchtigungen. Die Gesundheitsprobleme hängen häufig direkt oder<br />

indirekt mit der Ernährung zusammen. Zu beobachten sind ein veränderter<br />

Nährstoffbedarf und veränderte Essgewohnheiten. Durch gesenkten Energiebedarf<br />

bei gleichbleibendem Bedarf an Nährstoffen wie Vitaminen<br />

und Spurenelementen kommt es oft zur Mangelversorgung. Deshalb<br />

müssen seniorengerechte Portionen kleiner und kalorienärmer sein, aber<br />

mehr Nährstoffe aufweisen. Bei der Produktpalette ist zu beachten, dass<br />

Senioren aufgrund der biologischen und körperlichen Veränderungen mit<br />

zunehmendem Alter andere Bedürfnisse haben. Die Produkte sollten darauf<br />

abgestimmt sein und weniger Salz, Fett, Zucker etc. enthalten, ohne<br />

dabei an Qualität oder Geschmack zu verlieren. Produkte sollten dennoch<br />

nicht als seniorengerechnet bezeichnet werden. Das stellt die Einschränkungen<br />

der Nutzer in den Vordergrund. Aufschriften wie leichtes Öffnen<br />

und Verschließen betonen dagegen die Vorzüge des Produktes.<br />

Der gesundheitsbezogene Freizeitsektor ist sowohl gesundheitspolitisch<br />

als auch ökonomisch zunehmend relevant aufgrund gesellschaftlicher<br />

Veränderungsprozesse. Freizeitforscher begründen diese Entwicklung<br />

mit dem steigenden Leistungsdruck in der Gesellschaft und der Zunahme<br />

von Zivilisationskrankheiten, aber auch mit der zunehmenden<br />

Leistungseinschränkung der Krankenkassen, welche das Bewusstsein in<br />

136 Beratungsgesellschaft für angewandte Systemforschung mbH (BASYS), Augsburg, Niedersächsischen<br />

Institut für Wirtschaftsforschung e.V., Hannover, Untersuchung zu den Entwicklungspotenzialen<br />

der Gesundheitswirtschaft in Niedersachsen<br />

145<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


der Bevölkerung stärkt, mehr für die eigene Gesundheit tun zu müssen.<br />

Dienstleistungen mit dem Attribut „Wellness“ erleben derzeit einen Boom.<br />

In Niedersachsen sind in diesem Bereich über 2.300 Unternehmen mit über<br />

7.000 Beschäftigten tätig. Auch das Potenzial Niedersachsens im Kur- und<br />

Gesundheitstourismus ist bedeutend. Niedersachsens Tourismusregionen<br />

generieren rund zwölf Prozent der deutschen Urlaubsreisen und liegen<br />

nach Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein auf Platz<br />

4 im Bundesländervergleich.<br />

Ambulante Pflege<br />

Von der Gemeindeschwester, die noch mit dem Fahrrad von Ort zu Ort<br />

fuhr, bis zu den ambulanten Pflegediensten heutiger Zeit hat sich Grundlegendes<br />

gewandelt. Während die Gemeindeschwester eine Idealistin<br />

sein musste, die häufig noch mit Naturalien bezahlt wurde, gibt es heute<br />

exakte Leistungskataloge, nach denen ambulante Pflege abgerechnet<br />

wird. Häusliche Pflegedienste können nur dann überleben, wenn jeder<br />

Mitarbeiter täglich ein hohes Pensum abrechenbarer Leistungen erbringt.<br />

Das heutige System fördert ein Denken in Euro und Minuten pro erbrachter<br />

Leistung. Um dieses erbringen zu können, ist der Zeitdruck sehr hoch; oft<br />

bleibt für spontane Hilfen keine Zeit.<br />

Durch die Dienstleistungsfreiheit drängt eine zunehmende Zahl von ambulanten<br />

Pflegediensten aus Osteuropa auf den hiesigen Arbeitsmarkt.<br />

Die Dienstleistungsfreiheit stellt eine Möglichkeit dar, ausländische<br />

Arbeitskräfte aus den neuen EU-Beitrittsländern in der Bundesrepublik<br />

zu beschäftigen, allerdings ist sie innerhalb eng gefasster gesetzlicher<br />

Bestimmungen gültig: So ist beispielsweise das Anwerben und/oder Einstellen<br />

ausländischer Arbeitskräfte nicht erlaubt, auch nicht deren direkte<br />

Vermittlung oder Überlassung. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, über<br />

die ZAV legal BetreuerInnen selbst einzustellen, jedoch auch hier lediglich<br />

innerhalb klar definierter Grenzen, dafür ist eine Vermittlung hier kostenlos.<br />

Dieser Aspekt soll hier nicht vertiefend behandelt werden, darf aber bei<br />

der Frage nach Beschäftigungspotenzialen im Bereich der ambulanten<br />

Pflege nicht unerwähnt bleiben.<br />

Die hiesigen Pflegedienstleister können auf diese verstärkte Konkurrenz<br />

z. B. mit verschiedenen Hilfs- und Bedarfsangeboten für Ältere und<br />

Pflegebedürftige reagieren sowie mit der Konzeption und Bereitstellung<br />

neuer Dienstleistungen. Dies sind wesentliche Elemente für eine bedarfsgerechte<br />

und selbstbestimmte Versorgung und Pflege im Alter, vor allem<br />

aber sind sie ein Aspekt der Beschäftigungssicherung. Sie fördern nicht<br />

nur die Lebensqualität, Selbstständigkeit und persönliche Zufriedenheit der<br />

Betroffenen, sondern fördern auch einen ökonomisch sinnvollen Einsatz<br />

von Ressourcen. Sie tragen somit durch Optimierung der Versorgung zu<br />

mehr Wirtschaftlichkeit bei.<br />

Nach dem im November 2005 veröffentlichten Niedersächsischen Pflegebericht<br />

gibt es im Bereich der Altenpflege keine oder nur minimale<br />

Arbeitslosigkeit. Das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) rechnet da-<br />

137 Siehe z.B. http://www.seniocare24.de/index.html<br />

146


mit, dass aufgrund der Zunahme der Zahl der Hochaltrigen und trotz des<br />

Trends zu Alternativen zum Pflegeheim die Zahl der Pflegebedürftigen stark<br />

ansteigen wird. Im Bereich der Pflegeheime wird nach KDA-Einschätzung<br />

in den nächsten Jahrzehnten mit einem Fachkräftemangel gerechnet.<br />

Hinsichtlich der Beschäftigung bestehen in der stationären Pflege Probleme<br />

durch eine hohe Arbeitskräftefluktuation. Die anstehende Reform<br />

der Pflegeversicherung werde vermutlich zu weitreichenden organisatorischen<br />

Neustrukturierungen führen. Bereits jetzt besteht ein Trend zur<br />

Nutzung von Skalenerträgen durch die Zusammenlegung verschiedener<br />

Angebote, wie z. B. der Anschluss von ambulanten Pflegediensten, Essen<br />

auf Rädern usw.<br />

Die Versuche kleinerer Betriebe durch Externalisierung hauswirtschaftlicher<br />

Leistungen sind in vielen Fällen gescheitert, da die Kosten höher<br />

als erwartet ausfielen. Durch die Rückführung derartiger Aufgaben und<br />

dem zu erwartenden Wachstum dieses Sektors mit fortschreitender Alterung<br />

der Bevölkerung bestehen hier Beschäftigungspotenziale speziell<br />

für Gering-Qualifizierte.<br />

Kennzeichnend für die aktuelle Diskussion um das Thema Pflege sind<br />

folgende Thesen:<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

4.<br />

5.<br />

6.<br />

7.<br />

Wüssten mehr ältere Menschen, was ambulante Dienste leisten,<br />

könnte die Zahl der Heimaufenthalte um mindestens 65 Prozent gesenkt<br />

werden.<br />

Ambulante Dienste benötigen ein größeres politisches Standing, damit<br />

der Grundsatz der Pflegeversicherung „ambulant vor stationär“ mit<br />

Inhalten gefüllt wird.<br />

Wenn nur fünf Prozent der älteren Menschen ab 70 Jahre pflegebedürftig<br />

werden: Warum schaffen es offensichtlich 95 Prozent der<br />

Gesellschaft nicht, das Altern als etwas Attraktives zu sehen?<br />

Wenn sich aus den ambulanten Strukturen altersgerechte Wohnkonzepte<br />

entwickeln sollen, muss Bürokratie abgebaut werden.<br />

Menschen wollen auch im Alter in ihrem Zuhause bleiben: Wenn die<br />

Hilfesysteme zusammenarbeiten, ist dies mit wenigen Ausnahmen für<br />

alle Menschen möglich.<br />

Die ambulanten Dienste müssen sich weiter vernetzen und auch über<br />

eine Bündelung von Dienstleistungen nachdenken.<br />

Niederschwellige Angebote müssen zu erschwinglichen Preisen angeboten<br />

werden, dabei muss der Schwarzarbeit zu Dumpingpreisen<br />

Einhalt geboten werden.<br />

138 Vortrag von Beate Oberschür, Vorstandsmitglied des Netzwerks NADel e. V. auf der Tagung „Altersgerechte<br />

Wohnkonzepte“ vom 17. Mai 2006 in Minden http://www.minden-luebbecke.de/media/custom/322_1502_1.PDF?La=1&object=med|322.1502.1<br />

147<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


8.<br />

9.<br />

Angehörige müssen darin gestärkt werden, die Pflege zu Hause mit<br />

ambulanter Hilfe leisten zu können.<br />

Für den Kunden muss eine größere Transparenz über den Markt von<br />

ambulanten Diensten geschaffen werden.<br />

10. Das Dienstleistungsangebot muss nach den Bedürfnissen der Kunden<br />

ausgebaut werden.<br />

11. Die ambulanten Pflegedienste können viel mehr, als man von ihnen<br />

weiß.<br />

12.<br />

Ambulante Pflegedienste können sich gut in Wohn- und Familienkonzepte<br />

einpassen und sind eine geradezu perfekte Kombination, wenn<br />

der Wunsch der Menschen, in ihrer eigenen Wohnung oder zumindest<br />

in gewohnter Umgebung versorgt zu werden, ernst genommen<br />

wird.<br />

Situation im Landkreis Göttingen<br />

Anfang der 90er-Jahre wurden im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung<br />

fünf Sozialstationen gegründet und das Stadtgebiet in Bezirke<br />

unterteilt. Seitdem nahm die Zahl der Pflegedienste stark zu, in Göttingen<br />

gibt es heute über 40 Pflegedienste. Die Stadt lenkt heute nicht mehr wie<br />

in früheren Jahren die Pflegedienste, vielmehr regelt sich der Markt selbst.<br />

Neue Anbieter hätten es auf dem heutigen Markt schwer, vielmehr gehe<br />

der Trend in Richtung Konzentration und Verdichtung der Anbieter. Viel<br />

Potenzial für Pflegedienste sieht die Stadtverwaltung im Bereich Wohnen<br />

im Quartier.<br />

Die Kreisverwaltung Göttingen bewertet das Angebot der Pflegedienste als<br />

gut. In allen Orten sind mindestens zwei Anbieter tätig, in den meisten<br />

sogar deutlich mehr; weiße Flecken gibt es nicht. Die Kreisverwaltung sieht<br />

im Pflegebereich durchaus Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere. Dies<br />

gelte allerdings insbesondere für Beschäftigungen auf 400-Euro-Basis, dort<br />

gäbe es einen großen brachliegenden Markt. Auch die Gemeinden sehen<br />

keine Defizite im Angebot der Ambulanten Pflege. Einheitlicher Eindruck<br />

ist, dass der Markt als Lenkungsinstrument seine Aufgabe gut erfüllt.<br />

Neue Konzepte ambulanter Pflegewohngruppen setzen auf dezentrale<br />

Versorgung in kleineren Wohngruppen. Derzeit gibt es nach Angaben der<br />

Fachstelle Wohnberatung in Hannover 23 ambulant betreute Wohngruppen<br />

in Niedersachsen, fünf weitere befinden sich in der Planungsphase.<br />

Ambulant betreute Wohngruppen, meist bestehend aus sechs bis zwölf<br />

Bewohnern, ermöglichen das weitgehend selbstbestimmte Leben im<br />

„normalen“ Wohnungsbestand auch bei schwerer Pflegebedürftigkeit als<br />

Alternative zum Pflegeheim. Die Zielgruppe sind Demenzkranke, körperlich<br />

bzw. psychisch beeinträchtigte Menschen oder solche, die nicht mehr<br />

allein zu Hause leben möchten. Sie bieten die Möglichkeit, weitgehend<br />

selbstständig einen eigenen Haushalt zu führen und bei Bedarf Unterstützung<br />

zu erhalten. Aktivierung und gegenseitige Unterstützung stehen dabei<br />

139 Gespräch mit dem Sozialdezernat am 17. Juli 2006<br />

148


im Vordergrund. Es kann Betreuung mit einem hohen Personalschlüssel<br />

gewährleistet werden und Angehörige bzw. ehrenamtliche Helfer können<br />

aktiv in den Alltag einbezogen werden, was zu einer hohen Zufriedenheit<br />

aller Beteiligten führt. Akteure der Organisation sind die Bewohner und<br />

deren Angehörige, Betreuer, Wohnungs- und Dienstleistungsanbieter und/<br />

oder Institutionen (Kommunen, Wohlfahrtsverbände etc.) und Vereine. Im<br />

Falle der Trennung von Vermieter und Dienstleistungsanbieter, dem Führen<br />

eines eigenen Haushalts und der freien Wahl des Pflegedienstes kommt<br />

das Heimgesetz nicht zur Anwendung. Dennoch besteht hinsichtlich der<br />

Einzelheiten großer Klärungsbedarf. Dies verdeutlicht eine Stellungsnahme<br />

des Bundesrates zum Heimgesetz. 0 „Die Nichtanwendung des Heimgesetzes<br />

auf die sog. Wohngemeinschaft oder Wohngruppe setzt also<br />

voraus, dass die durch die Aufnahme in eine Wohnung gebildete natürliche<br />

Gemeinschaft eine selbstständige und unabhängige Gruppe ist, die in allen<br />

das Zusammenleben betreffenden Fragen eigenverantwortlich entscheidet<br />

und autonom über ihre Betreuung und die damit zusammenhängenden<br />

Fragen bestimmt. Eine Einflussmöglichkeit von außen stehenden Dritten,<br />

insbesondere von Vermietern, darf nicht bestehen.“<br />

In Stadt und Landkreis Göttingen existieren derzeit zwei ambulant betreute<br />

Wohngruppen, die sich in Dransfeld und der Stadt Göttingen befinden.<br />

Aktuell verwirklicht die Alzheimergesellschaft Göttingen die Einrichtung<br />

einer Demenzwohngruppe. Anfang September 2006 wurde der Vertrag für<br />

den Neubau einer 400 Quadratmeter großen Wohneinheit in der Göttinger<br />

Innenstadt abgeschlossen. Nach Fertigstellung des Baus stehen acht bzw.<br />

neun Wohnplätze für Demenzerkrankte zur Verfügung. Die Betreuung<br />

der Bewohner wird durch einen privaten ambulanten Pflegedienst übernommen,<br />

zusätzlich ist zur Begleitung des Entwicklungsprozesses eine<br />

vorläufig auf ein Jahr befristete Koordinationsstelle eingeplant. Darüber<br />

hinaus werden monatliche verpflichtende Treffen mit den Angehörigen<br />

stattfinden, um gemeinsame Supervision zu betreiben und Konzeption und<br />

Abläufe weiterzuentwickeln. Die Einrichtung wird nicht dem Heimgesetz<br />

unterliegen, was sich positiv auf die Bau- und Unterhaltskosten sowie die<br />

Flexibilität der Beteiligten auswirkt. Dies hat jedoch den Nachteil, dass<br />

höhere Zuzahlungen als im Pflegeheim anfallen, da die Pflegesätze für<br />

ambulante Betreuung sehr viel geringer sind. Der Vorteil für die Bewohner<br />

liegt jedoch in der deutlich höheren Betreuungsdichte, die tagsüber bei<br />

mindestens zwei Pflegekräften liegt, nachts ist eine Betreuungsperson<br />

durchgängig anwesend. Zum Vergleich: Der Personalschlüssel in Pflegeheimen<br />

liegt tagsüber bei zwei zu zwanzig und nachts bei eins zu sechzig<br />

Personen.<br />

Nach einem Antrag der CDU-Kreistagsfraktion vom April 2006 wird in den<br />

kommenden Monaten ein runder Tisch zum Thema „Wohnen im Alter<br />

– ambulant betreute Wohngruppen“ eingerichtet werden. Es geht darum,<br />

Träger ambulanter Dienste und Organisationen der Altenhilfe, Vertreter<br />

der Wohnungswirtschaft, Investoren und Initiatoren ambulant betreuter<br />

140 Fachstelle Wohnberatung 2006<br />

141 Bundesdrucksache: 730/00; Stellungnahme der Bundesregierung zum Heimgesetz<br />

149<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Wohngruppen an einen Tisch zu bringen, um zukunftsweisende Konzepte<br />

für Stadt und Landkreis weiterzuentwickeln. Auch der <strong>Regionalverband</strong><br />

Südniedersachsen e.V. soll daran teilnehmen.<br />

Ergebnisse der Befragung ambulanter Pflegedienste<br />

Im Juli 2006 hat der <strong>Regionalverband</strong> im Zuge dieser Studie eine Befragung<br />

der 36 ambulanten Pflegedienste in Stadt und Landkreis Göttingen<br />

vorgenommen. Ziel der Umfrage war eine Bestandsaufnahme zu den<br />

aktuellen Beschäftigtenzahlen, der (prognostizierten) Entwicklung der<br />

Beschäftigtenzahlen und des Leistungsspektrums. Von Interesse war vor<br />

allem die Frage, ob die ambulanten Pflegedienste Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

im Pflegebereich oder im erweiterten Dienstleistungsbereich<br />

für über 50-Jährige sehen.<br />

An der Befragung haben sich 17 von 35 angeschriebenen ambulanten<br />

Pflegediensten beteiligt. Acht davon sind privatwirtschaftlich organisiert,<br />

je einer ist kirchlich bzw. kommunal organisiert, drei gehören zu Wohlfahrtsverbänden<br />

und vier arbeiten als Verein. Begründet wurden sie mit<br />

wenigen Ausnahmen Mitte der neunziger Jahre im Zuge der Gründung<br />

der Pflegeversicherung. Insgesamt sind 328 Beschäftigte in der ambulanten<br />

Pflege tätig, davon 291 direkt im Bereich der Pflegedienste. Der<br />

überwiegende Teil der Beschäftigten ist in Teilzeit tätig, nämlich 246.<br />

Davon sind 228 Frauen.<br />

Insgesamt verlief die Beschäftigungsentwicklung in den vergangenen Jahren<br />

positiv. Während im Jahr 1998 noch 162 Beschäftigte tätig waren, sind<br />

es jetzt rund 290. Bei der Befragung gaben 13 ambulante Pflegedienste<br />

an, mit weiter steigenden Beschäftigungszahlen zu rechnen. Offen bleibt<br />

allerdings, ob diese im Bereich der Teilzeitbeschäftigten oder Vollzeitbeschäftigten<br />

liegen.<br />

Die weit überwiegende Anzahl der Pflegedienste geht auch davon aus,<br />

dass sich in diesem Bereich im Zuge der Erweiterung der Angebote neue<br />

Beschäftigungsverhältnisse für Ältere ergeben. Die ambulanten Pflegedienste<br />

gaben folgende Entwicklungsperspektiven an: Essen auf Rädern,<br />

Ergotherapie, Haus- und Familienpflege, niederschwellige Betreuung (z.<br />

B. Spazierengehen), 24-Stunden-Pflege für Kinder, Urlaubsbegleitung,<br />

Hausnotruf, Laienhilfsdienste für Demenzkranke, Verhinderungspflege,<br />

Fahrdienst, Alzheimer-/Demenzkranken-Betreuung, pflegebegleitende<br />

Dienstleitungen, Alltagsbegleitung bei Demenzerkrankten, sozialmedizinische<br />

Nachsorge, betreutes Wohnen, Gartenarbeit, Fußpflege, Gesprächskreise,<br />

Unterhaltung und Tagespflege.<br />

Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen die Aussagen, die durch das<br />

Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung gemacht wurden. Hier wird mit<br />

einem Anstieg des Pflegebedarfs von mehr als 50 Prozent bis zum Jahr<br />

142 Antrag der CDU-Kreistagsfraktion vom 26. April 2006, eingebracht von dem Abgeordneten Gerhard<br />

Winter<br />

143 Die kompletten Ergebnisse der Befragung können beim <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen eingesehen<br />

werden.<br />

150


2020 gerechnet. Eine Schlüsselfrage ist hier – gerade im Zusammenhang<br />

mit der zunehmenden Altersdemenz – ein verändertes Zusammenspiel<br />

von ambulanten und stationären Angeboten.<br />

Stationäre Pflege<br />

In der Stadt Göttingen ist seit vielen Jahren die Arbeitsgemeinschaft “Qualitätsentwicklung<br />

in stationären Einrichtungen in der Stadt Göttingen“ tätig.<br />

Ursprüngliches Ziel des von der Stadtverwaltung Göttingen moderierten<br />

und koordinierten Gremiums war es, ein Qualitätssiegel für stationäre<br />

Einrichtungen zu entwickeln. Aus verschiedenen Gründen wurde dieser<br />

Vorschlag von den Mitgliedern (Stadt, Heimaufsicht, Medizinischer Dienst<br />

der Krankenkassen, Seniorenbeirat, Vertreter der Altenpflegeschulen und<br />

verschiedene Experten) abgelehnt.<br />

Die Arbeitsgemeinschaft beschäftigt sich stattdessen themen- und ergebnisorientiert.<br />

So wurde z. B. die Einrichtung eines Internetportals über freie<br />

Pflegeplätze beschlossen oder über Standards zu Fixierungsmaßnahmen<br />

diskutiert. Vertreter der Stadt Göttingen betonen, dass trotz knapper personeller<br />

Ausstattung im Rahmen des Möglichen im Bereich der Koordination<br />

schon viel geschafft wurde. Auch im Bereich der ambulanten Pflege finde<br />

ein Dialog statt, wenngleich es kein eigenes Gremium wie die Pflegekonferenz<br />

gibt. Stattdessen werde die ambulante Pflege punktuell in anderen<br />

Gremien mitbehandelt. Da viele Anbieter der ambulanten Pflege nicht nur<br />

in der Stadt Göttingen, sondern vor allem auch im Landkreis Göttingen<br />

tätig sind, sei die ambulante Pflege kein Thema, welches alleine von der<br />

Stadt Göttingen behandelt werden könne.<br />

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat am 5. Juli 2006 in den Rat<br />

der Stadt einen Antrag für ein Göttinger Zertifikat für Pflege- und Heimqualität<br />

eingebracht. Darin wird gefordert, die Verwaltung zu beauftragen,<br />

dem städtischen Altenheim aufzuerlegen, Qualitätsstandards zu<br />

entwickeln, die als Grundlage eines Qualitätssiegels transparent machen,<br />

welche Ansprüche die Stadt Göttingen an die Pflege- und Heimqualität<br />

erhebt. Außerdem solle sie in Zusammenarbeit mit den zuständigen<br />

Aufsichtsbehörden bzw. dem Medizinischen Dienst und den Betroffenen<br />

(Einrichtungen, Heimräten, Seniorenbeirat, Gewerkschaften, DRK-Fachhochschule)<br />

auf der Basis dieser Vorarbeiten eine Art „Göttinger Zertifikat<br />

für Pflege- und Heimqualität“ entwickeln. Soweit wie möglich soll – auch<br />

aus ökonomischen Gründen – auf bestehende Zertifizierungen wie z. B.<br />

die der Diakonie – Diakonie-Siegel – zurückgegriffen werden. Zur Trägerschaft<br />

dieses Siegels sollen Vorschläge erarbeitet werden. Die dann an<br />

der Zertifizierung teilnehmenden Göttinger Einrichtungen unterwerfen<br />

sich durch Selbstverpflichtung den transparent gemachten Qualitätskriterien<br />

und akzeptieren nötigenfalls auch jährlich mehrmals unangemeldet<br />

evaluiert zu werden. Die Ergebnisse der Qualitätsermittlungen dürfen zu<br />

Werbezwecken genutzt werden.<br />

151<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Das Pflegenetz Göttingen ist eine Kooperation verschiedener im Gesundheitsbereich<br />

tätiger Dienstleister. Gegründet wurde die Initiative nach einer<br />

mehrjährigen Planungs- und Informationsphase am 12. Juli 2006. Bislang<br />

wird das Pflegenetz von vier Akteuren getragen, dem Hainbergkrankenhaus,<br />

dem ambulanten Pflegedienst Pro Sanitas, dem Sanitätshaus ORT<br />

und der Seniorenresidenz Pro Seniore am Posthof und Friedländerweg. Es<br />

gibt bereits elf Anfragen weiterer Anbieter, dem Pflegenetz beizutreten,<br />

vorrangig jedoch von Firmen aus dem Stadtgebiet Göttingen. Eine Erweiterung<br />

auf das Gebiet des Landkreises wird als möglich angesehen, hängt<br />

jedoch von dem Interesse bzw. Engagement der dortigen Anbieter ab.<br />

Die Leistungen umfassen die zeitnahe Vermittlung spezialisierter Pflegeleistungen,<br />

wie z. B. einen Pflegedienst zu finden, der fähig ist, Menschen<br />

mit künstlicher Beatmung zu versorgen, direkte Anschlussversorgung nach<br />

Entlassung aus dem Krankenhaus u. ä. Vorrangig werden die Nachfragen<br />

innerhalb des Mitgliederpools vermittelt, falls dort keine der nachgefragten<br />

Angebote bestehen, wird eine Recherche eingeleitet – dies alles ohne<br />

Kosten für den Patienten.<br />

Gleichzeitig ist das Pflegenetz ein Instrument der Qualitätskontrolle, indem<br />

die Vermittler sich bei den Nutzern der jeweiligen Leistungen nach der<br />

Qualität und Zufriedenheit mit dem Angebot vergewissern. Das Pflegenetz<br />

kann als Schritt hin zu mehr Markttransparenz auf dem sonst sehr unübersichtlichen<br />

Feld der Gesundheitswirtschaft gewertet werden. Das Prinzip<br />

ermöglicht eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. In der kurzen Zeit<br />

des Bestehens wurde bereits eine reihe von Fällen erfolgreich vermittelt<br />

und es besteht eine große Nachfrage.<br />

Exkurs: SeniorInnen aus dem Migrantenkontext<br />

Die Generationen der ehemaligen Gastarbeiter, die in den 60er- und 70er-<br />

Jahren vorwiegend aus der Türkei, Griechenland und vom Balkan als<br />

Arbeitskräfte angeworben wurden, gehören mittlerweile auch zur Klientel<br />

der Altenhilfe. Die traditionelle Großfamilie, die in der ehemaligen Heimat<br />

selbstverständlich auch für die alternden und kranken Mitglieder da waren,<br />

funktioniert in Deutschland meist nicht mehr. Die Kinder gehen entweder<br />

zurück in das Ursprungsland oder leben in Kleinfamilienstrukturen, deren<br />

“Pflegekapazitäten“ begrenzt sind. Der 5. Altenbericht der Bundesregierung<br />

benennt die zunehmende Betroffenheit von Migrantinnen und Migranten<br />

durch Pflegebedürftigkeit deutlich. In Deutschland leben derzeit<br />

rund eine halbe Million Menschen nicht-deutscher Herkunft, die älter als<br />

80 Jahre sind.145<br />

Das Land Niedersachsen rechnet damit, dass die Zahl der pflegebedürftigen<br />

ausländischen Einwohner bis zum Jahr 2010 auf 12.500 ansteigen<br />

wird. Im Landkreis Göttingen einschließlich der Stadt lebten Ende Dezember<br />

2005 8.801 männliche und 9.454 weibliche Ausländer. 1.450<br />

ausländische Frauen und 1.300 Männer waren über 55, 1.950 Frauen und<br />

1.700 Männer waren über 50 Jahre alt.<br />

144 Tel. 0551/4979100 (24-h-Hotline)<br />

145 5. Altenbericht der Bundesregierung, S. 141<br />

152


Klassische deutsche Alten- und Pflegeheime tun sich mit der Betreuung<br />

ausländischer Senioren in der Regel schwer und werden den heterogenen<br />

Bedürfnissen der Angehörigen unterschiedlicher Kulturkreise selten<br />

gerecht. Es ist zu erwarten, dass insbesondere Frauen Probleme damit<br />

haben werden, im Alter von Fremden medizinisch betreut und gepflegt<br />

zu werden. Vor diesem Hintergrund wurde im Jahre 2004 eine Kampagne<br />

von rund 200 deutschen, österreichischen und schweizerischen Organisationen<br />

für eine „kultursensible Altenhilfe“ ins Leben gerufen, die zu<br />

Beginn des Jahres 2006 auslief. Unter dem Motto „aufeinander zugehen<br />

– voneinander lernen“ haben die Träger der Freien Wohlfahrtspflege<br />

und diverse Altenhilfeverbände einen Forderungs- bzw. Selbstverpflichtungskatalog<br />

aufgestellt.146 Ziel ist der Abbau von Sprachbarrieren und<br />

Informationsdefiziten, aber auch die Koordination von Beratungs- und<br />

Vermittlungsaufgaben sowie die Qualifikation des Pflegepersonals für den<br />

Umgang mit Migranten. Seither hat sich einiges getan – vorzugsweise in<br />

den Großstädten, in denen die Mehrheit der älteren Migranten heimisch<br />

geworden ist. Die Evangelische Fachhochschule Hannover entwickelte<br />

entsprechende Ausbildungsmodule, die in fünf hessischen Altenpflegeschulen<br />

erprobt wurden und mittlerweile ihren Niederschlag in einem<br />

Fachhandbuch des Bundssozialministeriums gefunden haben.<br />

In ihrem Leitbild zur Weiterentwicklung der Altenhilfe hat die Stadt Braunschweig<br />

dem Thema MigrantInnen ein besonderes Kapitel gewidmet. Zu<br />

dem Thema wurde eine eigene Arbeitsgruppe gebildet. Die Stadt Braunschweig<br />

will damit deutlich machen, dass sie die interkulturelle Öffnung<br />

von Diensten und Einrichtungen der Altenhilfe und die Entwicklung von<br />

interkulturellen Kompetenzen von Beschäftigten der Altenhilfe fördert.<br />

Neben der Bildung und Unterstützung von Netzwerken aus den Bereichen<br />

Migration und Altenhilfe will die Stadt durch Beratung, Bildung und Hilfe<br />

zur Selbsthilfe dazu beitragen, dass Barrieren zwischen älteren Migrantinnen<br />

und Institutionen der Altenhilfe überwunden werden. Außerdem<br />

soll neben dem Angebot an bedarfsgerechten Wohnformen eine interkulturelle<br />

Öffnung von ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen<br />

gefördert werden.<br />

Auch in Stadt und Landkreis Göttingen betrachten immer mehr Migranten,<br />

die bei Ihrer Ankunft Arbeit oder Schutz suchten, Deutschland mittlerweile<br />

als ihre zweite Heimat und möchten auch im Alter hier bleiben. Lückenhafte<br />

Deutschkenntnisse, andere Ess- und Lebensgewohnheiten und fremde<br />

religiöse Bräuche stellen die Einrichtungen der Altenpflege vor neue Herausforderungen.<br />

Ambulante Pflegedienste in Stadt und Landkreis haben<br />

bestätigt, dass in der Behandlungspflege migrantenspezifische Probleme<br />

auftreten. Neben der Scham sei auch der unterschiedliche Glauben ein<br />

Hindernis in der Kommunikation und im Umgang zwischen Pflegekräften<br />

und Klienten. Außerdem sei ein häufiges Problem, dass Klienten aus dem<br />

Migrationskontext sich nicht immer an verabredete Termine halten.<br />

In einem Gespräch mit der Göttinger Migrantenberatungsstelle wurde<br />

deutlich, dass bei der Beurteilung der Pflege älterer MigrantInnen zwischen<br />

unterschiedlichen Herkunftsländern, Kulturen, Bildungs- und Familienstand<br />

differenziert werden muss. Daraus erwachsen unterschiedliche<br />

146 http://www.kultursensible-altenhilfe.net<br />

153<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Bedürfnisse und Probleme. Die Sozialstruktur muslimischer Familien ist<br />

nach Einschätzung der Migrantenberatungsstelle noch tragfähig, Kinder<br />

nehmen ihre Verantwortung für die Versorgung alter Familienmitglieder<br />

ernst und sehen dies als nicht externalisierbare Pflicht. Dies ist bei Alten<br />

osteuropäischer Herkunft insofern anders, weil dort kleinfamiliäre<br />

Strukturen vorherrschen. Allerdings ist damit zu rechnen, dass ähnliche<br />

Entwicklungen auch bei muslimischen Familien eintreten werden.<br />

Bereits jetzt ist in vielen Altenpflegeeinrichtungen ein hoher Anteil des<br />

Pflegepersonals selbst osteuropäischer Herkunft. Dadurch wird vielfach<br />

eine kulturspezifische Betreuung für diese Gruppe möglich. Die kulturspezifische<br />

Ausrichtung von Pflegeangeboten für Muslime in Stadt und<br />

Landkreis Göttingen scheitert bislang an der zu geringen Nachfrage und<br />

damit mangelnder Rentabilität. Spezifische Angebote sind vor allem in<br />

Großstädten mit hohem Ausländeranteil zu finden, etwa in München,<br />

Frankfurt und Berlin.<br />

In Göttingen bietet das Institut für angewandte Kulturforschung e. V. Trainings<br />

zur kultursensiblen Altenpflege im ambulanten Dienst an, die auf<br />

den konkreten Bedarf zugeschnitten werden.147 Die Akademie des DRK<br />

e. V. Göttingen hat das Programm in sein Konzept “Kultursensible Pflege<br />

im ambulanten Dienst“ aufgenommen.148<br />

Gute Beispiele<br />

In Stadt- und Landkreis Göttingen gibt es in der Gesundheitswirtschaft<br />

eine Vielzahl guter Beispiele, die Ausdruck der Bemühungen von Anbietern<br />

von Produkten und Dienstleistungen sind, ihre Geschäftspolitik an<br />

den Bedürfnissen von SeniorInnen auszurichten. Das gilt für die Produktion<br />

im Bereich der Orthopädietechnik, das zeigt sich aber auch bei den<br />

vielfältigen Angeboten von Optikern, Hörgeräteakustikern, Drogerien und<br />

Sanitätshäusern.<br />

Apotheken und Sanitätshäuser<br />

Apotheken und Sanitätshäuser scheinen gut auf die Zielgruppe der Senioren<br />

eingestellt zu sein. Es würde den Rahmen der Studie sprengen,<br />

diesbezüglich eine Bestandsaufnahme zu machen. Dennoch soll auf<br />

einzelne Aspekte eingegangen werden.<br />

Eine Umfrage bei den der Apothekengruppe Linda angehörigen Apotheken<br />

Göttingens hat ergeben, dass alle Apotheken mindestens eine Beratungsecke<br />

haben, in der sensible Themen, wie etwa Inkontinenz, besprochen<br />

werden können. Die meisten Apotheken verfügen sogar über ein eigens<br />

dafür eingerichtetes Beratungszimmer. Oft liegen Produktmuster und<br />

Anschauungsmaterial bereit.<br />

147 http://www.ifak-goettingen.de<br />

148 http://www.drk-akademie.drk.de<br />

154


Eine Apothekerin machte die Beobachtung, dass einige Senioren mittlerweile<br />

selbstsicherer und offener mit früheren Tabuthemen wie Altersinkontinenz<br />

umgehen, da diese mittlerweile schön öfter in den Medien<br />

thematisiert werden. Ein Apotheker bemerkte, dass Seniorinnen bei<br />

persönlichen Themen eher die Beratung von weiblichem Apothekenpersonal<br />

nachfragen.<br />

Es gibt im Landkreis Göttingen eine Reihe von Sanitätshäusern. Das<br />

Sortiment des von den Autoren besuchten Sanitätshauses umfasst eher<br />

typische Artikel wie Rollstühle, Angora-Unterwäsche und Verbandsmaterial.<br />

Universal Design spielt eher eine untergeordnete Rolle, obwohl<br />

neben Senioren durchaus auch jüngere Kunden das Geschäft aufsuchen<br />

wie z. B. Schwangere. Marketing wird z. B. über Ärzte, Hausbesuche<br />

sowie Alten- und Pflegeheime betrieben. Das Sanitätshaus wird über<br />

neue Produkte durch Außendienstmitarbeiter der Zulieferfirmen und über<br />

Messebesuche informiert.<br />

Viele Menschen sind darauf angewiesen, dass die Krankenkassen die<br />

Leistungen bezahlen. Dass sich viele Senioren nicht richtig informiert<br />

fühlten, überrascht den Inhaber nicht. Die Beschäftigten im Sanitätshaus<br />

sind zum größten Teil älter als 50 Jahre. Höhere Glaubwürdigkeit, ausgeprägtes<br />

Einfühlungsvermögen und angemessener Umgangston gegenüber<br />

älteren KundInnen spreche für den Einsatz älterer Mitarbeiter. Bei<br />

Themen wie Diabetes und Inkontinenz lassen sich Männer meist lieber<br />

von Gleichaltrigen beraten<br />

Gesundheitsberatung Friedland<br />

Die Gesundheitsberatung Hermeier in Friedland treibt Prävention in dem<br />

Bemühen, ältere Kunden (die meisten ab 70) vor Pflegebedürftigkeit und<br />

Krankheit zu schützen. Meist sind es ältere Menschen, die bereits ein<br />

gesundheitliches Handicap haben und die fürchten, wenn ein weiteres<br />

dazukommt, der Weg ins Pflegeheim unvermeidlich werde. Das Konzept<br />

der Diplom-Pflegewirtin Heike Hermeier hat drei Säulen: Ernährung, Bewegung<br />

und Entspannung. Das Thema “Sturzprophylaxe“ bezeichnet sie<br />

als wichtig.149 Es müsse SeniorInnen bewusst gemacht werden, dass mit<br />

steigendem Alter die Sturzgefahr steige. Wichtig sei es zu identifizieren,<br />

wo im Haushalt Stolperfallen liegen.<br />

Für die Präventionsberatung ist keine spezielle Zulassung erforderlich. Die<br />

Leistungen werden überwiegend privat finanziert, nur in wenigen Fällen<br />

übernehmen die Krankenkassen die anfallenden Kosten einer Präventionsberatung.<br />

Autogenes Training wird nach einer Sondervereinbarung<br />

mit den Krankenkassen (BKK und AOK) übernommen. Die Hermeier<br />

Gesundheitsberatung geht davon aus, dass sich an der überwiegend<br />

privaten Finanzierung kaum etwas ändern wird. Ein von der rot-grünen<br />

Bundesregierung diskutiertes Präventionsgesetz wurde inzwischen auf<br />

Eis gelegt.<br />

149 Gespräch vom 7. Juni 2006<br />

155<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


An den Problemen bei der Finanzierung der Gesundheitsberatung zeigt<br />

sich, dass viele der SeniorInnen sich daran gewöhnen müssen, dass<br />

Gesundheitsdienstleistungen privat bezahlt werden müssen. Es ist auch<br />

langfristig nicht damit zu rechnen, dass das Vorlesen von Zeitungen oder<br />

die Tätigkeit von Gesellschaftsdamen über Beiträge oder Steuern finanziert<br />

werden können. Derzeit definieren sich die Angebote stark darüber, was<br />

von der Krankenkasse bezahlt wird und was nicht.<br />

Nach Abschluss ihrer Altenpflegeausbildung absolvierte Heike Hermeier<br />

ein Fernstudium “Pflegewissenschaft“ und arbeitete danach in der ambulanten<br />

Pflege und im teilstationären Bereich. Seit dem 1. Januar 2005 hat<br />

sie sich als Gesundheitsberaterin selbstständig gemacht und ist parallel zu<br />

ihrer Arbeit als Präventionsberaterin auch als Dozentin für die VHS tätig.<br />

Pflegekonferenz Braunschweig<br />

Das Seniorenbüro der Stadt organisiert die Pflegekonferenz in Braunschweig.<br />

Beteiligt ist eine sehr große Anzahl von Institutionen. 0 Die<br />

Organisation der Pflegekonferenz ist im Gesundheits- und Sozialdezernat<br />

der Stadt Braunschweig konzentriert. Die Stadtverwaltung hält die Konferenz<br />

für ein sinnvolles Instrument, das auf große Akzeptanz stoße. Es<br />

wurden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, die selbstständig arbeiten<br />

und konkrete Ergebnisse vorgelegt haben (z. B. Überleitungsbogen).<br />

Zwar wurden nach Darstellung des Seniorenbüros bestimmte Themen<br />

vorgegeben. Auf der Pflegekonferenz seien aber auch Fragen aufgetaucht,<br />

mit denen niemand vorher gerechnet habe, so seien die Einbindung des<br />

Ehrenamtes, neue Wohnformen oder eine Petition zur Entbürokratisierung<br />

erst im Verlauf der Konferenz zur Sprache gekommen.<br />

Auch in Braunschweig ist die Konkurrenz unter den Anbietern groß.<br />

Kaum jemand lässt sich gerne in die Karten schauen. Dennoch ist die<br />

Pflegekonferenz eine gute Kommunikationsplattform. Vor allem entsteht<br />

Transparenz über die Schnittstellen der Zusammenarbeit. Ein besonderer<br />

Schwerpunkt liegt in Braunschweig im Thema Migration; hier gibt es im<br />

Bereich ambulante Pflege zunehmend Probleme.<br />

Impulse für die Diskussion der ambulanten Pflege verstärkte die Stadt<br />

Braunschweig in den letzten Jahren durch eine Wiederaufnahme der<br />

Altenhilfeplanung. Versucht wurde unter anderem, die im Memorandum<br />

zur Altenhilfe und Altenarbeit in Deutschland 1995 formulierte Forderung<br />

nach einer demokratischen Kultur des Helfens auszudifferenzieren. Um<br />

diese entstehen zu lassen, sei nicht nur ein moralischer Appell nötig,<br />

sondern möglichst gemeinsame Verständigung aller Beteiligten über die<br />

Fragen: Wo stehen wir heute? Wo wollen wir hin? Welches ist der richtige<br />

150 Dazu gehören Leistungserbringer (freie Wohlfahrt, private Träger), stationäre/teilstationäre Träger,<br />

Lebenshilfe Braunschweig, Krankenhäuser, Kassenärztliche Vereinigung, Hospizarbeit Braunschweig,<br />

Selbsthilfegruppen (KIBIS), Angehörigengruppen (ambet e.V., Der Weg), Heimbeirat, Heimfürsprecher,<br />

Seniorenrat, Behindertenbeirat, Pflege- und Krankenkassen, örtlicher Sozialhilfeträger, Medizinischer<br />

Dienst der Krankenversicherung, Wohlfahrtsverbände (AGW), AG Sozialstationen, Verbände der privaten<br />

ambulanten/stationären Träger, Altenpflegeschulen, Gesundheitsamt, ÖTV/DAG, Ausländerkoordinierungsstelle,<br />

Gleichstellungsbeauftragte, Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, Alzheimer Gesellschaft<br />

sowie die Heimaufsicht.<br />

151 Beteiligt sind Leiter des Fachbereichs Gesundheit und Soziales, Leiter der Abteilung Behindertenhilfe<br />

und Senioren, Leiterin des Seniorenbüros, Koordinator Altenhilfeplanung, Sprecher der Arbeitsgruppen<br />

sowie die Sozialplaner.<br />

156


Weg? Diese Fragen würden nicht “der Markt“, “die Wohlfahrtspflege“,<br />

“die Verwaltung“ oder “die Kostenträger“ jeweils für sich beantworten,<br />

sondern müssten in einer Phase der gemeinsamen Arbeit geklärt werden.<br />

In Arbeitsgruppen wurde ein Leitbild zur Weiterentwicklung der Altenhilfeplanung<br />

zu folgenden Themen bearbeitet: Offene Altenpflege, Prävention<br />

und Hilfen im Vorfeld der Pflegebedürftigkeit, Wohnen im Alter und<br />

altengerechte Stadtteile, Pflege in der Häuslichkeit und in Einrichtungen<br />

und die Situation älter werdender Migrantinnen und Migranten.<br />

Sport und Fitness<br />

Der Bereich Freizeitsport wies jahrzehntelang eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung<br />

auf, die sich in steigenden Umsätzen und einer wachsenden<br />

volkswirtschaftlichen Bedeutung niederschlug. Neben dem kommerziellen<br />

Aspekt ist aber vor allem auch der gesundheitspolitische Aspekt (Präventionsfunktion)<br />

für die Volkswirtschaft zu beachten. Dies gilt gerade auch<br />

für Angebote im Bereich Seniorensport. Viele Senioren wollen mehr für<br />

ihren Körper tun und treiben regelmäßig Sport. Sportangebote für Senioren<br />

gibt es vor allem in Sportvereinen, jedoch stellen sich auch immer mehr<br />

Fitnessstudios auf diese Zielgruppe ein.<br />

Individuelle Einschätzungen<br />

„Die Senioren, die Sport machen, haben einfach eine andere Vitalität.<br />

Das sieht man auch beim Einkaufen.“ (Dransfeld)<br />

„Wenn man auch im Alter mehr macht, wird man weniger krank. Mindestens<br />

50 Prozent aller Krankheiten sind doch psychosomatisch. Das<br />

Beste, was man machen kann, ist Sport. Bis vor wenigen Jahren habe<br />

ich auch noch Abfahrtsski gemacht. Aber in der Schule wird auch heute<br />

viel zu wenig Sportunterricht erteilt. “ (Göttingen)<br />

„Man muss fit bleiben. Ich gehe jeden Morgen um 7.00 Uhr zum<br />

Schwimmen. “ (Hann. Münden)<br />

„Ich gehe ins Fitnesscenter, vormittags sind da fast nur alte Leute.“<br />

(Hann. Münden)<br />

Bestandsaufnahme im Landkreis Göttingen<br />

Die Städte und Gemeinden im Landkreis Göttingen bewerten die Angebote<br />

für Sport und Freizeit für Senioren überwiegend als gut. Den Sportvereinen<br />

attestieren sie durchweg ein gutes Management und geeignetes Angebot,<br />

auch für Ältere. Der Gesundheitssport gewinnt nach ihrer Einschätzung<br />

an Bedeutung.<br />

Alle Befragten verwiesen auf die vielschichtigen Freizeitangebote im landschaftlich<br />

attraktiven Landkreis Göttingen. Einer der Schwerpunkte liegt<br />

bei den zahllosen Wandermöglichkeiten. Die Kommunen engagieren sich<br />

in vielfältiger Weise mit der Zielsetzung, die Angebote noch zu verbessern<br />

152 Hartmut Dybowski, Referat 0500 Sozialplanung der Stadt Braunschweig<br />

157<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


und damit den Standort Landkreis Göttingen weiter aufzuwerten. So hat<br />

sich neben dem Landkreis Göttingen auch die Samtgemeinde Dransfeld<br />

an der behinderten- und seniorengerechten Gestaltung des Eingangs zum<br />

Gaußturm beteiligt. Zudem wurde ein Fahrstuhl bis zur halben Höhe eingebaut.<br />

Die zahlreichen Wander- und Radwege des Samtgemeindegebietes<br />

in Dransfeld sprechen insbesondere auch Senioren an. Sie gehören auch<br />

zu den Zielgruppen der eingerichteten Themenpfade.<br />

Nach Beobachtungen des Bürgermeisters der Gemeinde Friedland stellen<br />

sich auch die Sportvereine auf die veränderte Nachfrage ein. So wird z. B.<br />

mehr und mehr Rückenschulung und Walking angeboten. Die Freizeitangebote,<br />

nicht zuletzt durch die Heimatvereine auf den Dörfern, bewertet er<br />

als vielfältig. Probleme sieht er bei der Ausrichtung von Altennachmittagen:<br />

Dort ist die Beteiligung zurückgegangen. Die Gemeinde überlegt jetzt, ob<br />

die Angebote eher generationenübergreifend gestaltet werden können.<br />

In der Gemeinde Rosdorf bieten die Sportvereine in fast jeder Ortschaft<br />

seniorengerechten Sport an, vom Sitztanzen bis Gymnastik für Frauen oder<br />

Männer 50plus. Diese Angebote werden recht gut angenommen.<br />

Dass gerade in den Dörfern eher generationenübergreifende Angebote<br />

angenommen werden, beobachtet auch die Samtgemeinde Gieboldehausen.<br />

Die Gemeinde Gleichen führt derzeit intensive Gespräche mit den Sportvereinen.<br />

Ziel ist es, durch Kooperationen zwischen den Vereinen in den<br />

verschiedenen Dörfern ein qualitativ hochwertiges Angebot aufrechtzuerhalten.<br />

Schon jetzt hat der Bürgermeister die geburtenstarke Gruppe<br />

der derzeit 35- bis 40-Jährigen im Auge. Wenn sie ihre berufliche Tätigkeit<br />

beenden, sollen sie für ehrenamtliche Arbeit gewonnen werden. Sport<br />

und Freizeit sind nach Einschätzung des Bürgermeisters wichtig, um der<br />

Vereinsamung der Älteren entgegenzutreten. Dieses Problem tritt immer<br />

dann in besonderer Weise auf, wo die Mobilität der Älteren eingeschränkt<br />

ist.<br />

Nach Einschätzung des Verwaltungsvorstands in Hann. Münden ist das<br />

Fehlen eines Hallenbades im Stadtgebiet gerade für Senioren ein echtes<br />

Problem. Von dieser Ausnahme abgesehen, gibt es in Hann. Münden<br />

aber ein attraktives Sport-, Freizeit- und Kulturangebot. Gerade Senioren<br />

haben vielfältige Möglichkeiten, mit dem Rad zu fahren, zu wandern und<br />

Wassersport zu treiben.<br />

Auch die Gemeinden der Samtgemeinde Radolfshausen bieten nach Einschätzung<br />

des Bürgermeisters gute Freizeitmöglichkeiten für Senioren.<br />

So gibt es in jeder Gemeinde Seniorentanzgruppen. Auch in Rosdorf wird<br />

das Freizeitangebot für Senioren als gut eingestuft. Eine Besonderheit in<br />

Staufenberg sind die geführten Wanderungen im Naturpark. Die Gemeinde<br />

beteiligt sich am Projekt „Zertifizierter Rundwanderweg“ einschließlich<br />

eines Hol- und Bringservice.<br />

158


Sportvereine in Stadt und Landkreis Göttingen<br />

Im Rahmen der <strong>Potenzialanalyse</strong> “<strong>Seniorenwirtschaft</strong>“ sind die Autoren<br />

der Frage nachgegangen, ob in den Sportvereinen durch den demographischen<br />

Wandel neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen können.<br />

Um diese Frage zu beantworten, musste zunächst geklärt werden, wie<br />

sich die Mitgliederzahlen und Altersstrukturen in den Sportvereinen im<br />

Landkreis Göttingen in den letzten Jahren entwickelt haben. Ausgehend<br />

von der These, dass es im Seniorensportbereich ein Beschäftigungs-<br />

und Wachstumspotenzial auch für Sportvereine gibt, musste außerdem<br />

untersucht werden, ob und wie die Sportvereine die Angebote gezielt für<br />

Ältere entwickeln.<br />

Der Kreissportbund Göttingen umfasst 283 Sportvereine mit 63.000 Vereinsmitgliedern,<br />

davon 43 Prozent weibliche Mitglieder. Statistisch sind<br />

44 Prozent aller Einwohner des Landkreises Göttingen Mitglied eines<br />

Sportvereins. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass es sich bei den Zahlen<br />

auch um Doppelmitgliedschaften handelt. 19.800 Kinder und Jugendliche<br />

bis 18 Jahre sind Mitglieder in einem Sportverein. 9.800 Vereinsmitglieder<br />

haben das 60. Lebensjahr bereits überschritten.<br />

Der Kreissportbund Göttingen wies in den letzten Jahren folgende Mitgliederstruktur<br />

auf:<br />

ausgewählte<br />

altersgruppen<br />

Im größten Sportverein des Landkreises Göttingen, dem ASC Göttingen,<br />

sieht es wie folgt aus:<br />

Die Tendenz bzgl. der ausgewählten Altersgruppen 41–60 Jahre und über<br />

60 Jahre ist sowohl auf Landkreis-Ebene als auch im größten Verein leicht<br />

steigend.<br />

153 Zahlen des Kreissportbundes Göttingen (2006)<br />

154 Ebd.<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />

41–60 jahre 15982 16821 16926 16804 16724 16995 16847<br />

> 60 jahre 6977 7980 8609 9075 9533 9534 9711<br />

ausgewählte<br />

altersgruppen<br />

Gesamt 62179 64371 64285 65045 64799 63721 62918 Abbildung 39: Mitgliederstruktur<br />

des Kreissport-<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />

41–60 jahre 1231 1281 1224 1219 1203 1239 1262<br />

> 60 jahre 1650 1737 1748 1759 1666 1672 1720<br />

159<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

bundes Göttingen<br />

Gesamt 2881 3018 2972 2978 2869 2911 2982 Abbildung 40: Mitgliederstruktur<br />

des ASC Göttingen


Es gibt ca. 2.750 ehrenamtliche Vorstandsmitglieder, Abteilungsleiter<br />

oder Spartenleiter in den Sportvereinen. Tätig sind 620 Übungsleiter und<br />

Trainer mit Lizenzausbildung. Dazu kommen noch einmal ebenso viele<br />

Übungsleiter, Betreuer und Helfer ohne Lizenz.<br />

Der Kreissportbund Göttingen gestaltet jährlich 25 bis 30 Lehrgangsangebote<br />

zur Aus- und Fortbildung von 500 bis 600 Übungsleitern im Breitensport,<br />

Gesundheitssport, Kindersport und Seniorensport. Hinzu kommen<br />

Lehrgänge der Fachverbände. Jährlich werden bis zu 1.800 Sportabzeichen<br />

von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen abgelegt.<br />

Es kann prognostiziert werden, dass immer mehr Menschen ihr Leben lang<br />

Sport treiben. Während früher viele Sportler ihre Aktivitäten einstellten,<br />

wenn die Wettkampfsportphase endete, die Berufstätigkeit begann und/<br />

oder die Familie gegründet war, sind viele Menschen heute kontinuierlich<br />

bis ins hohe Seniorenalter sportlich aktiv.<br />

Der Senioren- oder Gesundheitssport lässt sich nicht klar abgrenzen.<br />

Während im Leistungssport der Wettkampf im Vordergrund steht, tritt im<br />

Senioren- bzw. Gesundheitssport das Fithalten bzw. die Verlangsamung<br />

des körperlichen Verfalls in den Vordergrund. Außerdem spielt der soziale<br />

Aspekt der Geselligkeit gerade im Seniorensport eine große Rolle: ein<br />

Bedürfnis, das mehr von den Vereinen als von den Fitnesscentern erfüllt<br />

wird.<br />

Für Senioren gibt es eine ganze Fülle von Angeboten. Als Beispiel sei hier<br />

der Montagstreff für Ältere am Kiessee genannt. Von Mai bis Oktober treffen<br />

sich regelmäßig kanubegeisterte SeniorInnen zum Paddeln. Außerdem<br />

organisiert z. B. der Stadtsportbund Göttingen Seniorenfreizeiten und -aktivitäten<br />

für Ältere ab 50. Weitere Beispiele aus dem Landkreis Göttingen<br />

zeigen, dass SeniorInnen noch bis ins hohe Alter etwas für ihren Körper<br />

tun und sich fit halten: Im Freibad am Brauweg zieht ein 72-jähriger Senior<br />

regelmäßig seine Bahnen: „Ich schwimme meine 1.000 Meter und danach<br />

fühle ich mich fit wie ein Turnschuh.“ Eine 71-jährige Seniorin schildert:<br />

„Ich brauche die sanfte Art, den Körper zu trainieren.“ Ihr umfangreiches<br />

Trainingsprogramm absolviert sie in drei Gymnastikgruppen des ASC<br />

Göttingen, seit 30 Jahren in einem Kegelclub und auch in der Schießsportgemeinschaft<br />

ihres ehemaligen Arbeitgebers. Die geistig-seelische<br />

Komponente ihrer Körperertüchtigung bildet seit 35 Jahren die Eurythmie,<br />

eine expressive Bühnentanzkunst. Während des Winterhalbjahres widmet<br />

sie sich darüber hinaus dem Qigong sowie dem Tai-Chi. Aus Erfahrung<br />

weiß die aktive Seniorin: „Wer seinen Körper ganzheitlich trainiert, dem<br />

hilft das in jeder Lebenssituation.“ Seit 30 Jahren trifft sich eine Gruppe<br />

von SeniorInnen zweimal wöchentlich auf dem Jahnplatz in Göttingen.<br />

Die Gruppe besteht aus fünf SeniorInnen. Im Anschluss an das Nordic<br />

Walking am Kiessee spielt die Gruppe noch Boule.<br />

Seit 20 Jahren besteht die “Senioren-Gemeinschaft im ASC 1864“. Sie hat<br />

es sich zur Aufgabe gemacht, den sportlichen Geist insbesondere bei SeniorInnen<br />

aktiv wachzuhalten und gleichermaßen mit ihren kulturellen und<br />

Freizeit-Angeboten Freude und Abwechslung für die älteren Mitglieder des<br />

Vereins zu fördern. Als eigener Fachbereich hat die Senioren-Gemeinschaft<br />

heute 917 Mitglieder. Der Rundbrief der Senioren-Gemeinschaft zeigt<br />

160


auf beeindruckende Weise die Vielfalt des Angebotes für SeniorInnen:<br />

Es werden neben einer Vielzahl von Gymnastikangeboten verschiedene<br />

Sportangebote speziell für SeniorInnen angeboten. Es gibt eine Reihe von<br />

(Halb-)Tagesfahrten, Vorträge und Feiern. Außerdem werden in zweiwöchentlichem<br />

Abstand kleine Seniorenwanderungen (bis 8 km) angeboten.<br />

Im ASC-Clubhaus ist ein Seniorenbüro eingerichtet, welches zweimal in der<br />

Woche geöffnet ist. Im Pro-Aktiv Gesundheitszentrum im Altenzentrum<br />

wird einmal pro Woche eine Sprechstunde für Gesundheitssport (z. B. Herz,<br />

Krebs, Lunge, Osteoporose, Parkinson, Wirbelsäule usw.) angeboten.<br />

Der Verein beschreibt die Motive der SeniorInnen so: „Am Anfang steht<br />

das Interesse und die Sympathie, mitzumachen. Man geht aufeinander<br />

zu, was am Anfang jeder Freundschaft steht. Durch die gemeinsamen<br />

Übungen und Erlebnisse werden Kontakte gestaltet und gepflegt. Man<br />

öffnet sich dem anderen, wodurch Nähe und Vertrauen entstehen. Für<br />

viele Senioren ist der Sport bedeutsam, um die eigene Leistungsfähigkeit<br />

besser einschätzen zu können. Gleichgewichtsübungen sind zudem<br />

wichtig, um die Sturzgefahr im Alltag zu mindern.“<br />

Übungsleiter im Wettkampfsport entstammen oft genau diesen Sportarten<br />

und definieren sich über diesen Wettkampfgedanken. Der jedoch fehlt im<br />

Seniorensport. Den Vereinen fällt es deshalb nicht leicht, Übungsleiter<br />

für diese Bereiche zu gewinnen. Aus Sicht der Senioren sollten Übungsleiter<br />

die körperlichen Einschränkungen des Alters gut nachvollziehen<br />

können.<br />

Die Entwicklung in den Sportvereinen erfolgt häufig durch Initiative und<br />

Engagement einzelner Akteure und wird selten strategisch geplant: Neue<br />

Angebote entstehen, wenn z. B. Übungsleiter eigene Vorstellungen verwirklichen<br />

wollen und dabei auf positive Resonanz sowohl bei den Vorständen<br />

treffen als auch seitens der Sporttreibenden. Die zurückliegenden Versuche<br />

des Kreissportbundes Göttingen, gezielt und von außen Angebote<br />

in den Vereinen zu etablieren, sind nicht immer erfolgreich gewesen. Eine<br />

Vereinsumfrage 2003 im Kreissportbund hat ergeben, dass nur wenige<br />

Vereine neue Angebote im Seniorensport für notwendig halten.<br />

Vermehrte Angebote für SeniorInnen werden sowohl durch die mangelnde<br />

Flexibilität von Vereinsvorständen und durch das Fehlen ausreichend<br />

qualifizierter Übungsleiter begrenzt. Einschränkend kommt hinzu, dass<br />

viele Senioren gerne vormittags Sport treiben – zu Zeiten also, zu denen<br />

die Sporthallen durch Schulklassen belegt sind.<br />

Auf neue Entwicklungen und Bedürfnisse im Sportbereich reagieren vor<br />

allem die größeren Sportvereine. Nordic Walking, Aqua Jogging oder<br />

Wandern sind dafür Beispiele. Durch neue Trends entsteht zwar Fortbildungsbedarf<br />

für Übungsleiter, allerdings keine neue Beschäftigung im<br />

Sinne einer Festanstellung.<br />

155 Göttinger Senioren-Gemeinschaft für Sport und Freizeitgestaltung im ASC Göttingen 1846, Rundbrief<br />

„50plus und Senioren 2/2006“, Kontakt: Seniorenbüro im ASC-Clubhaus, Danziger Str. 21 37083<br />

Göttingen, 0551/5174642<br />

161<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Wenn auch in vielen Vereinen Angebote für SeniorInnen bestehen, werben<br />

die Mitglieder des Kreissportbundes Göttingen doch SeniorInnen nicht<br />

gezielt an. Noch immer genießt der Jugendsport Vorrang. Die Vereine<br />

wollen nicht in den Ruf kommen, reine Seniorenclubs zu sein. Bislang ist<br />

es nicht gelungen, Kooperationen mit Krankengymnasten zu entwickeln.<br />

Meist empfehlen Krankengymnasten ihren Patienten nicht explizit, sich<br />

Sportvereinen anzuschließen.<br />

Die Zukunft der Sportvereine hängt nach Einschätzung des Stadtsportbundes<br />

Göttingen vor allem von ihrer Flexibilität ab, auf neue Nachfragepotenziale<br />

zu reagieren. Gerade die Großvereine wie der ASC Göttingen<br />

oder WASPO 08 reagierten rasch auf neue Trends. Fraglich bleibe, ob die<br />

betriebswirtschaftlich organisierten Fitnesscenter sich gezielter auf die<br />

wachsende Zielgruppe der Senioren einrichten und dadurch Beschäftigungspotenzial<br />

schaffen. Zwar gebe es in den Vereinen auch viele Angebote<br />

für Senioren, doch nach wie vor seien viele Übungsleiter ehrenamtlich<br />

aktiv. Seniorensport sei also alles andere als eine “Job-Maschine“.<br />

Nach Einschätzung des Kreissportbundes Göttingen ist die Möglichkeit,<br />

vormittags Sport treiben zu können, ein wesentlicher Grund für den Erfolg<br />

vieler Fitnesscenter. Deren Angebote können Nutzer zeitlich sehr flexibel<br />

wahrnehmen, außerdem bevorzugen einige Menschen lieber individuell<br />

und ohne den Kontext eines Sportvereins Sport. Für Fitnesscenter spreche<br />

zudem der Aspekt des Prestiges, der mit dem Besuch dieser Einrichtungen<br />

verbunden sei.<br />

Der Kreissportbund Göttingen sieht jedoch nicht zwangsläufig ein Konkurrenzverhältnis<br />

zwischen Fitnesscenter und Sportvereinen. Wer ins<br />

Fitnesscenter gehe, kündige nicht unbedingt die Mitgliedschaft in seinem<br />

Sportverein.<br />

Fitness-Studios<br />

In den Fitness-Studios in Stadt und Landkreis Göttingen gehören aktiv<br />

trainierende Senioren bis zum Alter von achtzig Jahren und mehr zum<br />

normalen Bild. In der Betreuung wird individuell auf die Bedürfnisse von<br />

SeniorInnen eingegangen. Einige Fitnesscenter erwägen, Ermäßigungen<br />

für Senioren oder einen “Club 60plus“ einzuführen.<br />

Nach Angaben von Kieser-Training in Göttingen liegt der Altersdurchschnitt<br />

46 Jahren deutlich über dem anderer Fitnessstudios.156 60 Prozent der<br />

Kunden sind über 50 Jahre, 18 Prozent über 66. Zwar verfügt Kieser-<br />

Training über keine speziellen Angebote für SeniorInnen, doch zielt das<br />

Gesamtkonzept darauf ab, dass Leute zum Training kommen, die jenseits<br />

von 40 Jahren sind. Das Kieser-Konzept sieht sich als Ergänzung zu Sportvereinen,<br />

da man sich auf das Krafttraining spezialisiert habe: „Ausdauer<br />

kann nicht ersetzt werden“.<br />

Der Deutsche Sportstudioverband e. V. hat ein lizenziertes Fitness- und<br />

Wohlfühlprogramm mit dem Namen BEST AGE® 50plus entwickelt,<br />

das besonders auf die Bedürfnisse dieser Altersgruppen eingeht. Wich-<br />

156 Gespräch mit Geschäftsführer Roman Idzik am 30. Juni 2006<br />

162


tigstes Kalkül: ein gesundheitsorientiertes Training für eine verbesserte<br />

Lebensqualität – auch im Alter. Mit der Lizenznahme verpflichten sich<br />

die Fitness-Studios, Qualitätsstandards zu garantieren, die besonders für<br />

Menschen über 50 Jahren wichtig sind. Hierzu zählen: eine kompetente<br />

Betreuung durch professionell ausgebildetes Fachpersonal, spezielle<br />

Trainingsangebote für die Gruppe 50plus und Trainingsmöglichkeiten in<br />

allen Studiobereichen (Cardio/Kraft/spezielle Kurse).<br />

Die Angebote ermöglichen es somit auch Menschen mit gesundheitlichen<br />

Beschwerden wie Diabetes, erhöhtem Cholesterin, Bluthochdruck, Übergewicht<br />

oder Rückenbeschwerden, etwas für sich und ihren Körper zu<br />

tun – langfristig den Weg zurück in ein gesundes Leben. Gerade auch vor<br />

dem Hintergrund, dass soziale Kontakte in den „Besten Jahren“ immer<br />

wichtiger werden, so argumentiert der DSSV, ermögliche ein durch BEST<br />

AGE® 50plus zertifiziertes Sportstudio zusätzlich Erfahrungs- und Interessenaustausch,<br />

gegenseitige Motivation beim Training oder einfach nur ein<br />

geselliges Beisammensein im Gastrobereich. Nach dem 50. Lebensjahr<br />

reduziert sich der zu zahlende Mitgliedsbeitrag mit jedem weiteren Lebens-<br />

und Mitgliedsjahr um einen Euro. Somit werden Gesundheit und<br />

Wohlfühlen auch finanziell attraktiv.<br />

Der demografische Wandel wird auch Einfluss auf die Finanzdienstleistungen<br />

haben: Heutzutage besitzen die Menschen ab 50 schon etwa<br />

die Hälfte des Geldvermögens, und dieser Anteil wird bis zur Mitte des<br />

Jahrhunderts voraussichtlich sogar auf zwei Drittel ansteigen.<br />

Individuelle Einschätzungen<br />

„Ich fühle mich auch in finanziellen Dingen gut beraten. Wenn ich mehr<br />

Hilfe nötig hätte, wüsste ich, wo ich die kriegen kann. Nein, noch nie hat<br />

eine Versicherung es abgelehnt, mich aufzunehmen.“ (Göttingen)<br />

„Häufig kriegen Senioren keine Kredite mehr. Selbst wenn man sein<br />

Geld in die Sanierung seines eigenen Hauses stecken will, sagt die<br />

Bank häufig Nein. Meist wird die Bonität gar nicht mehr überprüft – es<br />

geht nur nach dem Alter. Selbst einen PC können ältere Leute nicht auf<br />

Kredit kaufen. Und die Reisekrankenversicherung ist für ältere Leute<br />

völlig unerschwinglich.“ (Rosdorf)<br />

„Meine 69-jährige Schwägerin wollte neulich bei einem Kreditinstitut<br />

einen Kredit über 7.000 Euro haben. Ihr wurde gesagt: Den kriegen sie<br />

nicht, sie sind schon zu alt. Sie ist dann nach Hause gegangen und hat<br />

erstmal eine Stunde lang geheult. Sie fühlte sich richtig diskriminiert.“<br />

(Duderstadt)<br />

„Manche Banken empfehlen 70-Jährigen noch, ihr Geld auf 15 Jahre<br />

anzulegen, das macht man doch nicht.“ (Duderstadt)<br />

157 Prof. Dr. G. Naegele 2006: “Finanzdienstleistungen und <strong>Seniorenwirtschaft</strong> – Dokumentation“.<br />

http://www.ffg.uni-dortmund.de/Tagungsdokumentationen/fus.php (11. September 2006)<br />

163<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

fInanzDIenstleIstungen


„Die Banken und Sparkassen denken doch nur an sich. Die wissen ganz<br />

genau, wie viel Geld die Älteren auf den Girokonten haben. Billiger<br />

kommen sie doch gar nicht an das Geld ran.“ (Duderstadt)<br />

„Es ist doch schön, wenn die Sparkasse Sportvereine oder Kultureinrichtungen<br />

unterstützt. Aber das ist doch letztlich unser Geld.“ (Duderstadt)<br />

„Bei uns war neulich ein Vertreter einer Bausparkasse, der hat uns richtig<br />

unter Druck gesetzt. Wir haben den Bausparvertrag unterschrieben, ihn<br />

aber am nächsten Morgen wieder storniert.“ (Duderstadt)<br />

„Als ich vor ein paar Jahren für einen Autokauf einen Kredit über 5.000<br />

Euro von der Bank haben wollte, wurde ich nach meinem Alter gefragt.<br />

Ich musste dann eine extra Versicherung abschließen.“ (Rosdorf)<br />

Trends im Finanzsektor<br />

Banken und Versicherungsunternehmen nähern sich mit zielgerichteten<br />

Angeboten den Kundengruppen der Senioren an. Grundsätzlich haben<br />

Finanzdienstleistungen für ältere Menschen die gleiche Funktion wie<br />

auch für andere Altersgruppen. Sie dienen dazu, das Einkommen für die<br />

Ausgaben verfügbar zu machen und dabei die Anlage- und Kreditbeziehungen<br />

adäquat zu pflegen.<br />

Da Finanzdienstleistungen ihre Strukturen und Wirkungen im Lebenszyklus<br />

der Menschen verändern und somit altersabhängig sind, gilt es, einige<br />

Besonderheiten zu beachten. So sinkt die Sparquote bei den 55- bis 74-<br />

Jährigen ab, steigt aber bei den 75- bis 85-Jährigen wieder an. Bezüglich<br />

ihrer Anlagestruktur greifen sie eher auf traditionelle Formen des Sparens<br />

zurück (Sparbuch, Sparkonto), wobei das Interesse an risikoreichen Anlageformen<br />

mit zunehmendem Alter rückläufig ist. Dies zeigt sich auch an den<br />

Anlagemotiven der älteren Menschen: Während die Aspekte Sicherheit<br />

und schnelle Verfügbarkeit von den Senioren und Seniorinnen als zentrale<br />

Kriterien genannt werden, treten spekulative Motive in den Hintergrund.<br />

Des Weiteren nimmt der Bedarf nach Informations- und Beratungsangebot<br />

zu. Hierzu ergab eine bundesweite Umfrage unter Senioren und<br />

Seniorinnen, dass gerade im Bankenbereich eine persönliche Betreuung<br />

gewünscht ist. Bankautomaten und Computerterminals stellen ältere<br />

Menschen oftmals vor Probleme, weil der Umgang als zu kompliziert<br />

empfunden wird. In diesem Bereich würden sich ältere Kunden und<br />

Kundinnen ein erhöhtes Beratungsangebot durch eine persönliche Bezugsperson<br />

wünschen.<br />

Auch im Bereich des Versicherungsbedarfs ergeben sich altersspezifische<br />

Veränderungen. Arbeitsbezogene Risiken entfallen weitestgehend, dafür<br />

entstehen im Alter neue Unfallrisiken oder das Risiko Pflegebedürftigkeit,<br />

die zunehmend in den Interessenvordergrund der älteren Menschen rücken.<br />

Außerdem wird auch die hohe Heterogenität der Altersgruppe Aus-<br />

158 Vgl. 5. Altenbericht der Bundesregierung<br />

164


wirkungen auf die Angebote der Finanzbranche haben. Ein Teil der älteren<br />

Kunden wird immer höhere Ansprüche an Produkt und Beratung stellen<br />

und ein Anlagekonzept erwarten, das persönliche Anlageziele und Rendite-<br />

und Risikoprofile einbezieht, während andere sich auf möglichst einfache<br />

und nachvollziehbare Versicherungs- und Sparformen beschränken.<br />

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Versicherungsprodukte<br />

entwickelt, die sich speziell an die Zielgruppe der Senioren wenden. Die<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) hat<br />

gegen verschiedene Produkte Bedenken. Der Ansatz sei richtig, die Ausführung<br />

aber oft schlecht. So biete die BAGSO seit knapp vier Jahren die<br />

Zertifizierung von Seniorenpolicen an. Das Ergebnis ist wenig erfreulich:<br />

Der größte Teil der von der BAGSO in erster Linie hinsichtlich Innovation,<br />

Relevanz für Senioren und Transparenz der mitgelieferten Informationen<br />

überprüften Produkte falle durch.<br />

Grundsätzlich rät daher die BAGSO, die Versicherungsfrage im Alter mit<br />

einem kritischen Blick zu betrachten. Das gelte für neu abzuschließende<br />

Versicherungen, das gelte aber auch für bereits vorhandene. Mitunter<br />

laufen sogar noch Berufsunfähigkeitsversicherungen. Und auch Rechtsschutz-<br />

und sogar Haftpflichtversicherungen gehören auf den Prüfstand.<br />

Rechtschutzpolicen, so ihre Erfahrung, enthalten oft Komponenten wie<br />

Arbeitsrecht oder Verkehrsrecht, die im Alter gar nicht mehr oder nicht<br />

mehr im gleichen Ausmaß relevant sind. Haftpflichtversicherungen sind<br />

oft vor Jahrzehnten für eine mehrköpfige Familie abgeschlossen worden,<br />

es gibt jedoch auch Haftpflichtversicherungen für Einzelpersonen. Noch<br />

sei es nicht immer ganz leicht, hier Produkte zu finden, die wirklich auf<br />

die Lebensbedürfnisse der Älteren zugeschnitten sind. Immer mehr Versicherer<br />

bringen hier jedoch passende Policen auf den Markt.<br />

Im Jahr 2005 haben allein die privaten Krankenversicherer 850.000 Zusatzversicherungen<br />

im Pflegefall verkauft. Die Pflegeversicherung übernimmt<br />

die nachgewiesenen (Mehr-)Kosten, zahlt aber bei häuslicher Pflege nicht<br />

immer. Außerdem muss der Versicherte meist selbst aufkommen. Bei der<br />

stationären Pflege ist die DKV eine der wenigen Anbieter, die 100 Prozent<br />

des vereinbarten Tagegelds in allen drei Pflegestufen zahlen. Policen<br />

kosten je nach Einstiegsalter und Geschlecht ab 5 Euro im Monat. Bei<br />

einer Pflegetagegeldversicherung bekommt der Versicherte ein vorher<br />

vereinbartes Tagegeld ausgezahlt, ganz gleich, ob er im Heim oder zu<br />

Hause gepflegt wird.<br />

Zu den Aufgaben im Rahmen dieser Studie gehörte es nicht, die Produkte<br />

von hiesigen Versicherungsgesellschaften sowie Banken und Sparkassen,<br />

die sich an die Zielgruppe der Älteren richten, zu untersuchen. Die narrativen<br />

Gesprächsrunden ergaben, dass SeniorInnen in ihrer Wahrnehmung<br />

keine hohe Priorität bei den Anbietern von Finanzdienstleistungen genießen.<br />

Mehr noch: Nach Aussagen von Befragten haben Ältere Probleme,<br />

von Banken und Sparkassen im Landkreis Göttingen und in der Stadt<br />

Göttingen Kredite zu erhalten. Das gilt insbesondere für Konsumentenkre-<br />

165<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


neue meDIen unD<br />

telekommunI-<br />

katIon<br />

dite. Die Diskussion um die Finanzierung von Maßnahmen zur Sanierung<br />

von Kanälen in Göttingen zeigte sogar, dass auch die Finanzierung von<br />

Investitionsmaßnahmen privater Hausbesitzer schwierig ist.<br />

Die Sparkasse Hann. Münden bestätigte auf Anfrage, dass Älteren nur<br />

ungern Kredit gewährt wird. Zwar werde jeder Einzelfall auch unter dem<br />

Aspekt der Bonität sorgfältig geprüft, doch zunächst sei es ein Handicap,<br />

wenn potenzielle Kunden das siebzigste Lebensjahr überschritten haben.<br />

Zu beachten ist dabei, dass Banken und Sparkassen selbst bewertet (Rating)<br />

werden und ihrerseits nach den Vorgaben von “Basel II“ KundInnen<br />

nach ihrer Bonität einstufen. Die Kreditinstitute unterliegen den Bestimmungen<br />

der Bundesgesetze und der Bundesaufsichtsämter.<br />

Die Heterogenität der Altersgruppe der SeniorInnen spiegelt sich auch in<br />

den speziellen Wünschen, Bedürfnissen und Barrieren bzgl. der Finanzdienstleistungen<br />

wider. Dadurch ergibt sich ein vermehrter Beratungs- und<br />

Betreuungsbedarf mit erhöhten Anforderungen an das Personal.<br />

Wirtschaftliche Impulse zur Förderung von Gesundheit, Sicherheit und<br />

Lebensqualität im Alter werden insbesondere von den neuen Informations-<br />

und Kommunikationstechnologien erwartet. Die Technologien bieten<br />

eine Fülle von Möglichkeiten, vorhandene Angebote z. B. bei Handel und<br />

Handwerk neu zu organisieren und neue Angebote zu entwickeln. Dazu<br />

gehören auch Angebote im Bereich Mobiltelefonie.<br />

Individuelle Einschätzungen<br />

„Das ganze Thema Medien ist ein sträflich vernachlässigter Bereich, was<br />

wir brauchen, sind einfache und brauchbare Geräte, auch für Senioren!“<br />

(Göttingen)<br />

„Ich bin beim Thema Internetbanking skeptisch, genauso wie gegenüber<br />

Geldautomaten. Ich frage mich, ob nicht Banken Internetkurse organisieren<br />

können.“ (Dransfeld)<br />

„Ich war zwanzig Jahre lang EDV-Beauftragter eines Krankenhauses. Die<br />

KVHS bietet EDV-Schnupperkurse für Senioren an, doch die Resonanz<br />

ist unterschiedlich. Man muss die Älteren sensibel an die EDV heranführen.<br />

Wenn ich es recht überlege, könnte ich dabei helfen.“ (Hann.<br />

Münden)<br />

„Ich habe beruflich viele Jahre mit Computern gearbeitet, ich weiß,<br />

was die können. Deshalb scheue ich mich auch, Einkäufe im Internet<br />

zu tätigen. Ich kaufe lieber im Handel in Duderstadt und nicht so anonym.<br />

Wenn die Läden in der Innenstadt sterben, sind wir selbst schuld.“<br />

(Duderstadt)<br />

„Mein Enkel hat seine neue Stelle über das Internet gekriegt, das war<br />

eine tolle Erfahrung für uns.“ (Duderstadt)<br />

166


„Ich habe einen alten PC und verschicke E-Mails, ich finde das sehr<br />

interessant. Das Internet nutze ich aber nie zum Einkauf oder Online-<br />

Banking. Ich will ja schließlich Leute treffen, was soll ich da mit dem<br />

Internet.“ (Göttingen)<br />

Bestandsaufnahme<br />

Neben der Volkshochschule Göttingen und der Kreisvolkshochschule des<br />

Landkreise Göttingen, die spezielle Internetkurse für Senioren anbieten,<br />

wurde im Mai 2005 in Göttingen ein Unternehmen gegründet, das SeniorInnen<br />

im Umgang mit dem Computer oder in der Nutzung des Internets<br />

schult. Das besondere an dem Angebot des Allgemeinen Beratungsservices<br />

(ABS) ist, dass die SeniorInnen bei sich zu Hause fortgebildet werden.<br />

Gerade der Unterricht in den eigenen vier Wänden ist nach Einschätzung<br />

des ABS von großer Bedeutung für die SeniorInnen. Viele SeniorInnen<br />

hätten in Gruppenschulungssituationen Angst und trauten sich nicht,<br />

Fehler zuzugeben. Dagegen beinhalte das Konzept des ABS Flexibilität in<br />

der Zeiteinteilung der Unterrichtseinheiten.<br />

Die Dransfelder Internetgruppe “Die Jungsenioren“ zeigt seit fünf Jahren<br />

erfolgreich, dass Internet und SeniorInnen gut zueinander passen. Die Kurse<br />

haben erste Berührungsängste abbauen können, doch vertraut war der<br />

Computer noch lange nicht. An das Internet mit all seinen Möglichkeiten<br />

war auch nach dem zweiten Kurs nicht zu denken. Allein zu Hause vor<br />

dem eigenen Computer: Wie sollte man da Probleme, die beim Gebrauch<br />

auftraten, lösen? Wie sich zurechtfinden?<br />

„Ein Internetcafé für Senioren, das wäre doch sinnvoll“, mit dieser Idee im<br />

Seniorenbeirat begann alles, erinnert sich Edeltraut Freiboth. Sie und ihr<br />

Mann Hermann nahmen sich der Idee an, „und dann lief eigentlich alles<br />

von selbst.“ Rochus Winkler, zuständig für das Jugendzentrum in Dransfeld,<br />

bot die Computerarbeitsplätze im Jugendzentrum zur Mitnutzung an.<br />

Ein echter Glücksfall, wie sich im Laufe der Zeit zeigen sollte: Während<br />

die Jugendlichen sich in den unteren Räumen trafen, wurde oben am<br />

Computer geübt und gearbeitet. Wann immer Probleme auftraten, halfen<br />

Jugendliche und gaben so die Möglichkeit, sich mit dem neuen Medium<br />

vertraut zu machen.<br />

Edeltraut Freiboth berichtet über Dario, einer der Jugendlichen: „Er war<br />

extrem hilfsbereit, wir hatten sogar seine Handynummer und konnten ihn<br />

jederzeit um Hilfe bitten, ihn fragen, wenn wir mit einem Problem nicht<br />

zurechtkamen.“ Dario hat inzwischen Dransfeld verlassen, das Modell<br />

existiert nach wie vor. Diese Art des Lernens, so ist man sich bei den Jungsenioren<br />

einig, macht Spaß, hält geistig fit und verringert eine mögliche<br />

Kluft zwischen Alt und Jung. Als weitere Besonderheit empfinden einige<br />

Gruppenmitglieder die Tatsache, dass die Jugendlichen ausnahmslos<br />

ausländischer Herkunft sind.<br />

Für den harten Kern der Dransfelder Internetgruppe ist das Internet heute<br />

längst kein Buch mit sieben Siegeln mehr. Internetbanking, Reisebuchungen,<br />

Einkauf oder Informationsrecherche – das Internet ist für die<br />

Jungsenioren ein alltägliches Medium geworden. Mittlerweile stehen<br />

167<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


sie neuen Mitgliedern selbst beratend zur Seite. Sie helfen, wenn etwas<br />

unklar ist und motivieren auch, wenn es mal nicht schnell genug geht:<br />

„Ihr habt alle Zeit der Welt, wer sich das klar macht, lernt mühelos, mit<br />

dem Computer umzugehen und sich im Internet zurechtzufinden!“ Nur<br />

noch in besonders kniffeligen Fragen müssen sie die Jugendlichen um<br />

Rat und Hilfe bitten.<br />

Die Internetgruppe nennt sich ganz bewusst „Die Jungsenioren“, um<br />

deutlich zu machen, dass sie auch 50- und 60-Jährige ansprechen.<br />

Senioren erlernen in Göttingen den Umgang mit dem Internet im „Treffpunkt<br />

Doppelklick“. Fünf ehrenamtliche Mitarbeiter stehen dafür jeden<br />

Montag zwischen 10 und 12 Uhr im ersten Geschoss der Göttinger<br />

Stadtbibliothek zur Verfügung.<br />

Internetnutzung<br />

Die Nutzung des Internets ist in Städten höher als auf dem Land. Das<br />

zumindest hat der (N)Onliner Atlas 2006 der Initiative D21 und TNS Infratest<br />

ergeben. 0 Nach empirischen Studien stehen ältere Menschen der<br />

Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien durchaus<br />

offen gegenüber. Mittlerweile ist davon auszugehen, dass jede vierte<br />

Person zwischen 50 und 79 Jahre zumindest gelegentlich online ist. Etwa<br />

15 Prozent der momentanen Nichtnutzer und Nichtnutzerinnen bekunden<br />

generelles Interesse an der Nutzung des Mediums Internet, umgerechnet<br />

sind das fast drei Mio. Menschen.<br />

Eine Studie der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung e.V. (AGOV) legte<br />

im Februar 2006 einen Sonderbericht “Silver Surfer“ vor. Als “Silver Surfer“<br />

werden dabei diejenigen Personen bezeichnet, die in den letzten drei<br />

Monaten das Internet genutzt haben und die gleichzeitig über 50 Jahre<br />

alt sind – also die SeniorInnen von morgen. Vor dem Hintergrund der<br />

Tatsache, dass im Internet schon lange nicht mehr nur junge Menschen<br />

anzutreffen sind, sondern das Online-Medium auch bei den Menschen<br />

über 50 Jahre zunehmend beliebter geworden ist, kommt die Sonderstudie<br />

zu der Erkenntnis, dass die Silver Surfer ein hohes Potenzial gerade für<br />

die werbetreibende Wirtschaft habe.<br />

Die neue Technik wird gezielt genutzt zur Informationsbeschaffung, für<br />

Kontaktpflege und nicht zuletzt für E-Mails an die Kinder oder Enkel.<br />

Bevorzugte Angebotsseiten, die von älteren Menschen besucht werden,<br />

sind die Bereiche Nachrichten, Wohnen, Reise (inkl. Buchung) und der<br />

Themenkomplex Gesundheit/Wohlbefinden/Wellness. Das Internet kann<br />

auch für SeniorInnen ein zentrales Medium sein, das Eigenständigkeit<br />

ermöglicht; es wird neben dem Telefon immer wichtiger zur Pflege der<br />

sozialen Kontakte und zur Vermeidung von Einsamkeit.<br />

159 Kontakt: Edeltraut und Hermann Freiboth, Tel. 05502/1237<br />

160 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. August 2006, S. 17<br />

161 5. Altenbericht der Bundesregierung, S. 245<br />

162 5. Altenbericht der Bundesregierung, S. 246<br />

163 http://www.agof.de/index.395.html<br />

168


Barrierefreies Internet<br />

Seit Juli 2006 gilt in Deutschland die Verordnung zur Schaffung barrierefreier<br />

Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz.<br />

Behörden der Bundesverwaltung müssen beim Einrichten neuer Webauftritte<br />

oder deren Überarbeitung Vorkehrungen treffen, damit auch<br />

Behinderte das Informationsangebot nutzen können. Ein Webauftritt ist<br />

dann barrierefrei, wenn er von jedem Nutzer in der für ihn üblichen Weise,<br />

also zum Beispiel auch mit Hilfsmitteln, gelesen und benutzt werden<br />

kann. Barrierefreiheit geht weit über die reine Zugänglichkeit hinaus, sie<br />

umfasst auch die Gebrauchstauglichkeit.<br />

Die Barrierefreiheit soll auch SeniorInnen den Internetzugang erleichtern.<br />

Bislang verfügt keine Gemeinde im Landkreis Göttingen über eine solche<br />

Internetgestaltung. Die meisten Verantwortlichen der Kommunalverwaltungen<br />

erfuhren von diesem Konzept durch die Befragung im Rahmen<br />

des Projektes „50plus – Erfahrung zählt!“. Das lokale Bündnis für Familie<br />

in Rosdorf erstellt zurzeit einen barrierefreien Internetauftritt unter http://<br />

www.lebendigesrosdorf.de. Vergleichbare Planungen gibt es nicht nur in<br />

der Stadt Göttingen, sondern auch in den Samtgemeinden Radolfshausen<br />

und in Dransfeld.<br />

Die Gebrauchstauglichkeit beschreibt, wie Informationen gelesen werden<br />

können. Das bedeutet, dass der Benutzer die Information wahrnehmen und<br />

den Webauftritt bedienen können muss. So lassen sich blinde Menschen<br />

z. B. Texte elektronisch vorlesen oder in Brailleschrift übersetzen. Wenn<br />

dann Bilder ohne alternative Beschreibung vorliegen, kommen diese durch<br />

die Fülle von Informationen nicht hindurch. Schon durch Farbenblindheit<br />

kann das Lesen durch unglücklich gewählte Farbkontraste fast unmöglich<br />

werden. Ebenfalls schwierig bis unmöglich kann die Navigation auf Websites<br />

sein, wenn der Benutzer keine Maus benutzen kann oder will.<br />

Das World Wide Web Consortium (W3C) ist die höchste Instanz für Entwicklungen<br />

im Web. Als Teil ihrer Bemühungen, Zugänglichkeit im WWW<br />

zu fördern, hat das Konsortium bestimmte Regeln aufgestellt. Anhand von<br />

neun Punkten werden die wichtigsten Aspekte der Barrierefreiheit in der<br />

Informationstechnik deutlich gemacht:<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

Da sich Grafiken und Bilder nur visuell wahrnehmen lassen, sind alternative<br />

Texte bzw. Sprachausgabe für Menschen mit Sehproblemen<br />

unverzichtbar.<br />

Dem Informationsanbieter ist in der Regel nicht bekannt, mit welchen<br />

Bildschirmfarben und -auflösungen der Nutzer arbeitet. Eine Entscheidung<br />

über die Darstellung der Inhalte soll dem Nutzer überlassen<br />

werden, um eine größtmögliche Zugänglichkeit zu gewährleisten.<br />

Das Verständnis der Funktion und Navigation ist Voraussetzung für<br />

die Nutzung eines Informationsangebots. Objektinformationen oder<br />

eingesetzte Begriffe für Navigationselemente (im Web: Links) sollen<br />

selbsterklärend sein.<br />

169<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


4.<br />

5.<br />

6.<br />

7.<br />

8.<br />

Die Orientierung innerhalb eines Informationsangebots wird durch<br />

Titel und Bezeichnungen unterstützt. Jeder Inhalt und jedes Fenster<br />

soll geeignete Orientierungshilfen aufweisen.<br />

Nicht jeder verwendet eine Maus zur Bedienung des Computers. Die<br />

Informationstechnik muss geräteunabhängig realisiert werden, also<br />

auch zum Beispiel mit der Tastatur bedienbar sein.<br />

Manche Ausgabemedien bereiten Inhalte linearisiert auf. Standardelemente<br />

(im Web: Strukturelemente) helfen bei der Navigation, weil<br />

Computerhilfsmittel diese erkennen, zusammenfassen und bedienbar<br />

machen.<br />

Multimedia kann aus vielen Gründen eine Barriere bedeuten. Deshalb<br />

sollten die Möglichkeiten der Untertitelung und Audiodeskription genutzt<br />

werden, oder – falls die multimediale Anwendung selbst nicht<br />

zugänglich gestaltet werden kann – Textzusammenfassungen bereitgestellt<br />

werden.<br />

Da jedes Informationsangebot anders ist, unterscheiden sich auch<br />

Funktionen und Bedienung. Eine zugängliche Dokumentation und<br />

ausreichende Hilfe sollte zur Beschreibung der Nutzung bereitgestellt<br />

werden.<br />

Internetportale für Senioren<br />

Das im Sommer 1998 gestartete Internetportal http://www.feierabend.<br />

de ist das führende Seniorenportal im deutschsprachigen Internet. Feierabend.de<br />

vermittelt Alten- und Kinderbetreuung, betreutes Wohnen,<br />

Wohngemeinschaften etc. Davon profitieren nicht nur die Mitglieder in<br />

der Region, sondern alle Nutzer des Portals für Senioren. Der Service von<br />

Feierabend ist kostenlos und wird durch Werbeeinnahmen finanziert. Für<br />

Unternehmen bietet sie eine attraktive Werbeplattform.<br />

DerZweiteFruehling.de ist eine Initiative, die in Kooperation im Sommer<br />

2006 unter anderem mit der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen<br />

(HNA) und dem Harz-Kurier gestartet wurde und die sich zum Ziel gesetzt<br />

hat, Menschen über 40 bei der Suche nach einem Partner bzw. einer<br />

Partnerin zu unterstützen.<br />

Gute Beispiele<br />

Unter dem Titel “Online-Jahr 50plus – Internet verbindet” startet die<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) und<br />

das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit mit Internetkursen,<br />

Wettbewerben und einem Informationsportal für Ältere am 8.<br />

Deutschen Seniorentag eine Initiative zur Steigerung der Medienkompetenz<br />

und Internetbeteiligung der Generation 50plus.<br />

164 http://www.barrierefreies-webdesign.de/barrierefrei/ueberblick.html<br />

165 http://www.feierabend.de<br />

166 http://www.derzweitefruehling.de<br />

167 http://www.50plus-ans-netz.de<br />

170


Von Mai 2006 bis April 2007 können Interessierte lernen, wie sie das<br />

Internet kompetent bedienen, recherchieren und an Aktionen und Wettbewerben<br />

teilnehmen können. Das “Online-Jahr 50plus – Internet verbindet“<br />

steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend. Um das Internet kompetent nutzen zu<br />

können, startet ein Schulungsprogramm, in dem Grundkenntnisse zur Internetnutzung<br />

vermittelt werden. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.<br />

Um denen, die bereits online sind, eine Orientierung im Netz zu geben, wird<br />

die Website der BAGSO e.V. zu einem Informationsportal ausgebaut. Dazu<br />

gibt es regelmäßig Tipps, Empfehlungen und Leitfäden für den sicheren<br />

Einstieg ins Internet. Das Programm wird von Aktionen, Informationstagen<br />

und Wettbewerben begleitet.<br />

Rund 60 Prozent der über 60-Jährigen verfügen über einen eigenen PC.<br />

Die Landesinitiative <strong>Seniorenwirtschaft</strong> NRW hat deshalb landesweit<br />

120 Internetcafés speziell für Senioren eingerichtet. Um SeniorInnen den<br />

Zugang zu den neuen Medien zu ermöglichen und ihnen zu helfen, damit<br />

auch umzugehen, wurden weitere Projekte ins Leben gerufen, etwa das<br />

Bürgermedienzentrum für Senioren in Münster oder das Internetportal<br />

„Senioren Online“.<br />

Informations- und Kommunikationstechnologie wird auch eingesetzt,<br />

um Lebensqualität für SeniorInnen und Selbstständigkeit im Alter zu<br />

verbessern. Das Angebot „Inkontakt – Teleservice für Senioren“ des<br />

Evangelischen Johanneswerks in Bielefeld verbindet zu Hause lebende<br />

ältere Menschen mittels moderner Bildtelefone untereinander. Eine Servicezentrale<br />

bietet vom Notruf über Wäschedienst und Essen auf Rädern<br />

bis zur Fußpflege alle Dienstleistungen aus einer Hand. Im Ruhrgebiet soll<br />

dieses Konzept jetzt auf breiterer Basis mit vier Zentralen für zunächst je<br />

einhundert Senioren erweitert und ausgebaut werden. Ähnliche Technik<br />

benutzt auch das Dortmunder Pilotprojekt „Bildbasierte Unterstützung für<br />

zu Hause pflegende Angehörige“.<br />

Mobiltelefone<br />

Ähnlich wie in der gesamten Bevölkerung nutzen auch SeniorInnen immer<br />

häufiger Mobiltelefone. Sie wollen auch unterwegs erreichbar sein<br />

und das Mobiltelefon für Notfallsituationen nutzen. 43 Prozent der 60<br />

bis 69-jährigen besitzen ein Handy, bei den 70- bis 79-Jährigen sind es<br />

immerhin noch 24 Prozent. Der im Vergleich zu anderen Altersgruppen<br />

geringere Nutzungsgrad ist dadurch zu erklären, dass Händler und Hersteller<br />

bisher kaum Zugang zu dieser Zielgruppe haben: So sprechen<br />

Werbung und Informationsmaterial oftmals nur jüngere Zielgruppen an.<br />

Die Geräte werden von den Älteren oft als zu kompliziert empfunden; die<br />

zusätzlichen Funktionen lassen den ursprünglichen Benutzungszweck<br />

kaum noch erkennen.<br />

168 http://www.bagso.de<br />

169 Ebd.<br />

171<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


Viele SeniorInnen suchen ein Handy mit großen Tasten. Weltweit war lange<br />

Zeit kein Mobiltelefon verfügbar, das mit großem Display und einigen<br />

Direktwahltasten eine einfache Bedienung ermöglichte. Einzig die Nutzung<br />

der Geräte der ersten Generation schienen eine Alternative zu sein, waren<br />

aber kaum noch erhältlich. Inzwischen gibt es seniorengerechte Telefone<br />

mit integrierter Blitzklingel und weiteren von der Zielgruppe gewünschten<br />

Spezifikationen. 0 Ergonomische Eigenschaften von Großtastentelefonen<br />

sind einfache Bedienung, sichere Handhabung, Zielwahltasten mit Namensschildern,<br />

kontraststarke Anzeige und eine gute Hörqualität.<br />

Neben dem Wunsch nach schnurgebundenen Telefonen für SeniorInnen<br />

besteht eine starke Nachfrage nach einem einfach bedienbaren Mobiltelefon,<br />

deren Funktionen auf das Telefonieren beschränkt sind. Dafür jedoch<br />

sollte eine Bedienbarkeit auch bei visueller und taktiler Einschränkung<br />

noch möglich sein. Die fitage GmbH entwickelte daher in Kooperation<br />

mit dem Senio-Fachhandel das weltweit erste Mobiltelefon, das durch<br />

drei Direktwahltasten und große Bedienelemente auch bei visuellen und<br />

taktilen Einschränkungen eine Nutzung dieser Kommunikationsmöglichkeit<br />

gewährleistet.<br />

Durch den technischen Fortschritt lässt sich das Handy mit für SeniorInnen<br />

sinnvollen Funktionen erweitern, die über das Telefonieren hinausgehen.<br />

Ein “Herz-Handy“ kann z. B. helfen, erste Anzeichen einer Kreislaufkrise zu<br />

erkennen, indem es über Kontakte auf der Rückseite des Handys ein EKG<br />

aufnimmt und es an ein medizinisches Service-Center übermittelt. Eine<br />

Leitstelle hält die Krankenakte, Medikation und Adressen von Hausärzten<br />

sowie Kardiologen vor. Im Ernstfall findet dann der Notarzt per GPS und<br />

künftig durch „Galileo“ den Weg zum Patienten. Im Notfall ist somit ein<br />

Ansprechpartner erreichbar, der eine erste, rudimentäre Diagnose stellen<br />

kann. Das Handy ersetzt dabei keine qualifizierte Untersuchung durch<br />

einen Arzt. Auch sind nicht alle Indikatoren, die beispielsweise auf einen<br />

Infarkt hinweisen, per EKG messbar. Zwei Vorteile bietet das System jedoch:<br />

Kündigt sich eine Krise auf dem EKG an, gewinnt der Patient Zeit.<br />

Zusätzliche Minuten und Stunden können entscheidend sein, wenn es<br />

darum geht, erfolgreich zu therapieren und Spätfolgen zu vermeiden.<br />

Die technischen Perspektiven gehen jedoch noch weiter: Mittels einer<br />

kabellosen Datenübertragungsschnittstelle werden sich in Zukunft weitere<br />

Systeme anbinden lassen. Darunter fallen beispielsweise Geräte zur<br />

Blutdruckmessung, Schnelltests für Enzyme, die beim Infarkt durch Abbauprodukte<br />

entstehen, oder auch eine Waage. Letztere ist dann wichtig,<br />

wenn durch eine zu schwache Herztätigkeit langsam Wasser ins Gewebe<br />

eingelagert wird, was die Lungentätigkeit beeinträchtigt.<br />

Senio als erster Fachhandel für Senioren forciert die Entwicklung neuer<br />

Produkte. Im Internet wird eine Vielzahl von Handykursen für SeniorInnen<br />

angeboten. In Schweden wurde ein spezielles Konzept und Material<br />

170 http://www.dfg-quicktel.de/html/grosstastentelefone.html<br />

171 http://www.fitage.com<br />

172 Georg Grohs: c‘t 12/2004, S. 54: “Telemedizin“ bzw. http://www.heise.de/ct/04/12/054/<br />

173 http://www.senio.de<br />

174 http://www.handykurse.de/item2/i2s0.html<br />

172


für Handystudienkreise entwickelt. Interessenten können in Absprache<br />

mit den Organisatoren einen solchen Studienkreis selbst gründen. Sie<br />

bekommen dann eine Ausbildung und Kursmaterial. Gemeinsam lernen<br />

SeniorInnen dann die Funktionen eines Handys, z. B. alles über SMS, die<br />

Menüfunktionen des Handys, wie man im Telefonbuch Einträge speichert<br />

und Mailbox-Funktionen. Aber auch technische Grundlagen und Sicherheit<br />

werden behandelt. Außerdem werden Tipps für den Handykauf gegeben.<br />

Das Konzept wurde mit dem IT-Innovations-Preis prämiert.<br />

„Niemand verkauft eine Reise an Senioren, wenn er sie ‚Seniorenreise’<br />

nennt.” (Volker Nickel, Geschäftsführer des Zentralverbandes der deutschen<br />

Werbeindustrie).<br />

„Ich verreise nicht, um mich zu erholen, sondern um etwas zu sehen.<br />

Die Reiseindustrie ist die einzige, die sich richtig auf die alten Leute<br />

eingestellt hat. Der Service, auch bei Busreisen, ist wirklich erstaunlich.<br />

Die Reiseveranstalter denken auch an Rollstuhlfahrer.“ (Duderstadt)<br />

Die beiden Zitate markieren die Spannbreite der Einschätzungen zum<br />

Marketing im Seniorentourismus. Es wird deutlich, dass in diesem Markt<br />

besonders sorgfältig differenziert werden muss. Wenn auch 80-Jährige<br />

Seniorenreisen unternehmen, so fühlen sich doch die meisten 60-Jährigen<br />

eher abgeschreckt und stigmatisiert, wenn man sie für Seniorenreisen<br />

gewinnen will. Über alle Altersgruppen hinweg spielen die Ausgaben von<br />

Touristen in Stadt und Landkreis Göttingen eine erhebliche Rolle in der<br />

Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung.<br />

Nach Daten des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik gab es im<br />

Jahr 2005 im Landkreis Göttingen 1,2 Millionen Übernachtungen, davon<br />

knapp 370.000 in Göttingen, gute 90.000 in Duderstadt und fast 120.000<br />

in Hann. Münden. Berücksichtigt werden Übernachtungen in Hotels und<br />

Pensionen mit mindestens neun Betten.<br />

Im Jahr 2002 haben die BTE-Tourismusmanagement, Regionalentwicklung<br />

mit Sitz in Hannover und die kmb-Beratung mit Sitz in Nierstein am Rhein<br />

für den Landkreis und die Stadt Göttingen eine Tourismuskonzeption<br />

erstellt. Nach ihren Berechnungen belaufen sich die jährlichen Steuereinnahmen<br />

im Landkreis Göttingen auf 7,9 Millionen Euro.<br />

Zum Abschluss des Prozesses „Offenes Forum Tourismus“ (OFT) sahen die<br />

Gutachter beim Herausarbeiten touristischer Themenschwerpunkte, der<br />

Qualifizierung des touristischen Angebots, der Schaffung von Angebotsverknüpfungen,<br />

der Verbesserung von Information und Kommunikation<br />

sowie der Festlegung von Kooperationen besondere Handlungsnotwendigkeiten.<br />

Insbesondere Bus- und Gruppenreisende boten nach ihrer<br />

Einschätzung weiteres Entwicklungspotenzial. Die Zielgruppen der Tourismusentwicklung<br />

im Landkreis Göttingen differenzierten die Gutachter<br />

auch demographisch und nannten Senioren ausdrücklich als relevante<br />

175 http://www3.telia.se/privat/mobilar/<br />

173<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

tourIsmus


Zielgruppe. Sie forderten unter anderem die Erschließung und Vermarktung<br />

des Wissens- und Bildungstourismus sowie Entwicklung und Förderung<br />

des wissenschaftlichen Naturtourismus.<br />

Für eine genaue Bestimmung der vorhandenen Nachfragegruppen und<br />

ihrer Bedürfnisse im Landkreis Göttingen empfehlen die Gutachter die<br />

Durchführung einer Gästebefragung. Hotels und Gaststätten könnten so<br />

die Möglichkeiten erhalten, sich gezielter auf die Ansprüche von SeniorInnen<br />

einzustellen.<br />

Auch der Altenbericht der Bundesregierung bezeichnet Seniorenreisen<br />

bereits als Wachstumsmotor der Zukunft. Ältere Menschen – und hier<br />

vor allem jüngere Alte – verreisen in vielen Fällen öfter und länger als<br />

jüngere. So hat sich der Anteil der älteren BürgerInnen am Urlaubsreisemarkt<br />

innerhalb von zehn Jahren von 22 auf 29 Prozent erhöht. Die knapp<br />

14 Millionen Senioren bundesweit unternahmen 2004 durchschnittlich<br />

1,5 Urlaubsreisen, die länger als fünf Tage dauerten, und gaben dabei<br />

insgesamt 18 Milliarden Euro aus. Der deutsche Tourismusverband geht<br />

davon aus, dass die Generation der heute Vierzig- bis Fünfzigjährigen ihre<br />

Reisegewohnheiten später kaum ändern wird, wenn sie in den Ruhestand<br />

geht.<br />

Die gewachsene Reiselust zeigt sich an der Verteilung der Konsumausgaben:<br />

So wendet die ältere Generation einen großen Teil der Konsumausgaben<br />

für Reisen, insbesondere Pauschalreisen und Beherbergungsdienste<br />

auf. Nach einer PWC-Studie beträgt der Anteil rund 17 Prozent<br />

der gesamten Konsumausgaben. Es folgen die Ausgaben für Gesundheit<br />

und Körperpflege mit 11 Prozent und die Dienstleistungen für die Haushaltsführung<br />

ebenfalls mit etwa 11 Prozent. Für Nahrungsmittel, Getränke<br />

und Tabak werden nur 7 Prozent ausgegeben.<br />

Situation im Untersuchungsraum<br />

Die Stadt Göttingen gilt im Bereich der Städtereisen als besonders<br />

attraktives Reiseziel für Senioren. Senioren buchen vor allem gerne<br />

Pauschalangebote und bevorzugen Gruppenreisen. Seniorenspezifische<br />

Übernachtungszahlen werden zwar nicht erhoben. Insgesamt verzeichnet<br />

der Göttinger Tourismus e.V. steigende Übernachtungszahlen. Angesichts<br />

der demographischen Entwicklung in Deutschland liegt die Vermutung<br />

nahe, dass auch die Zahl der Übernachtungen von SeniorInnen zugenommen<br />

hat.<br />

Gegenüber 2004 hat der Göttinger Tourismus e.V. im Jahr 2005, dem Jahr<br />

des 150. Todestages des Mathematikers Carl-Friedrich Gauss, mit der<br />

Registrierung von 1.590 Gruppenreisen ein Plus von 328 Gruppenreisen<br />

registriert.<br />

176 Vgl. PriceWaterhouseCoopers und Institut für Marketing und Handel Universität St.Gallen Januar<br />

2006, S. 8.<br />

174


Der Göttinger Tourismus e.V. geht davon aus, dass die von Touristen<br />

bewirkten Umsätze in der Stadt weiter steigen. Das gilt insbesondere für<br />

SeniorInnen im Bereich der hochpreisigen Reisen. Durch geschickt platzierte<br />

Werbung sei eine steigende Nachfrage nach Pauschalangeboten<br />

ausgelöst worden. Über neue Marketingstrategien werde nachgedacht.<br />

Bislang aber war aber nicht vorgesehen, SeniorInnen gezielt anzusprechen.<br />

Der Göttinger Tourismus e.V. vermutet, dass viele Angebote schon<br />

jetzt für Senioren interessant sind. Viele Hotels berücksichtigen bereits<br />

die Wünsche von SeniorInnen. Das Hotel am Papenberg ist komplett<br />

behindertengerecht.<br />

Im Rahmen des Projektes LEADER+ hat der Landkreis Göttingen eine<br />

Internetplattform erstellt, die der besseren Vernetzung der Infrastruktur<br />

und der Angebote in Naherholung und Tourismus dient. Die Plattform<br />

bietet einen Überblick rund um Tourismus und Freizeit. So lassen sich<br />

mithilfe der Online-Informationen Ausflüge, Rad- und Wandertouren planen,<br />

Unterkünfte, Gastronomie und Einkehrmöglichkeiten und touristische<br />

Angebote und Attraktionen finden. Ende 2005 waren bereits rund 1.200<br />

Informationen zu interessanten Punkten eingetragen. Die Sammlung wird<br />

von den Anbietern aktualisiert und durch einen Veranstaltungskalender<br />

ergänzt.<br />

Das Projekt geht zurück auf das Regionale Entwicklungskonzept (REK)<br />

für die Arbeitsmarktregion Göttingen-Northeim und das Offene Forum<br />

Tourismus (OFT) für Stadt und Landkreis Göttingen. Unter Federführung<br />

des Landkreises Göttingen und in Kooperation mit Tourismusverbänden<br />

in Göttingen, Hann. Münden und Duderstadt wurde das vorliegende<br />

Konzept entwickelt.<br />

Die Vielfalt der Angebote und Sehenswürdigkeiten scheint gerade für<br />

Senioren attraktiv zu sein. Als Freizeit- und Ausflugsziele bieten sich u. a.<br />

der Naturpark Münden, das Eichsfeld, der Seeburger See, der Göttinger<br />

und Reinhäuser Wald mit zum Teil begleiteten Angeboten an, auch das<br />

Heinz-Sielmann-Naturerlebniszentrum Duderstadt und das Regionale<br />

Umweltbildungszentrum Reinhausen (RUZ).<br />

Motivbezogen stellt die Gruppe der Wanderer und Radfahrer nach Einschätzung<br />

der Tourismusvereine gegenwärtig die wichtigste Gästegruppe<br />

für landschaftsbezogene Aktivitäten im Landkreis Göttingen dar, oft handelt<br />

es sich hier um Stammgäste. Das Potenzial wird als gut ausbaubar<br />

eingeschätzt.<br />

Trends im Seniorentourismus<br />

Seniorenreisen nehmen in der Tourismusbranche einen immer höheren<br />

Stellenwert ein, da die Bevölkerungsgruppe der Senioren diejenige mit<br />

dem höchsten verfügbaren Einkommen ist. SeniorInnen gelten in der<br />

Reisebranche zuweilen sogar als Musterkunden. Sie verreisen öfter<br />

177 Dieses Vorhaben zur Förderung der Regionalentwicklung wird im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative<br />

LEADER+ zu je 50 Prozent vom Landkreis und von der EU finanziert.<br />

178 Die Galerie ist unter http://www.goettingerland.de zu finden und ist unterteilt in die Kapitel Essen &<br />

Schlafen, Freizeit & Sport, Natur erleben, Kultur erleben, Dörfer erleben, Sehenswertes, Infos & Service.<br />

175<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


und länger, legen mehr Wert auf Qualität und geben im Vergleich zur<br />

Gesamtbevölkerung mehr Geld aus. Sie ließen sich ihre Urlaubsreise im<br />

Jahr 2005 durchschnittlich 888 Euro kosten und damit 55 Euro mehr als<br />

im Durchschnitt der Bevölkerung. Von den 55 Milliarden Euro, die die<br />

Bundesbürger im vergangenen Jahr für Reisen ausgaben, stammen 18<br />

Milliarden von den SeniorInnen. Die SeniorInnen gelten im Urlaub auch als<br />

besonders aktiv: Sie machen mehr Ausflüge und zeigen mehr Interesse<br />

an Kultur und Geschichte des jeweiligen Urlaubslandes als Angehörige<br />

anderer Altersgruppen. Die über 70-Jährigen wünschen sich während des<br />

Urlaubs insbesondere eine medizinische Betreuung – auf sie können die<br />

JungseniorInnen noch verzichten. Ältere Paare verreisen gern zu zweit,<br />

Alleinstehende hingegen suchen öfter Gesellschaft.<br />

Einige Anbieter haben sich auf diese stets wachsende Zielgruppe eingestellt<br />

und auf Seniorenreisen spezialisiert. Es wird hier vor allem auf behindertengerechte<br />

Unterkünfte und Transportmittel, eine deutschsprachige<br />

Reiseleitung und ein seniorengerechtes Programm geachtet. Die Reise<br />

erfolgt in der Regel in der Gruppe, so dass auch alleinstehende Senioren<br />

diese genießen können. Am beliebtesten sind Busreisen und Kreuzfahrten.<br />

Beide Reiseformen erfordern keine große körperliche Leistungsfähigkeit<br />

und können auch von gehbehinderten Reisenden problemlos angetreten<br />

werden. Diese Tatsache wandelt sich angesichts des immer besser<br />

werdenden Allgemeinbefindens der Senioren immer hin zu Sport- und<br />

Erlebnisreisen.<br />

Seniorenreisen werden auch von Wohlfahrtsverbänden, Vereinen und<br />

anderen Organisationen mit ehrenamtlichen Reiseleitungen durchgeführt.<br />

Häufig sind die Reiseleiter selbst junge Seniorinnen und Senioren. Sie<br />

haben Spaß daran, mit anderen älteren Menschen etwas zu unternehmen,<br />

zu organisieren und zu planen. Auch verschiedene Städte, z. B. Speyer<br />

und Herford, bieten über Seniorenbüros Tages- und Mehrtagesausflüge<br />

mit einem Besichtigungs- und Kulturprogramm an, die von Senioren für<br />

Senioren geplant, gestaltet und ausgeführt werden.<br />

Die heutigen Senioren interessieren sich für individuelle Angebote. Insbesondere<br />

die jüngeren SeniorInnen wollen aber dabei nicht explizit auf<br />

Seniorenreisen angesprochen werden. Viele Marketingexperten sprechen<br />

deshalb nicht mehr von Reisen für “Senioren“, sondern von vielmehr von<br />

der “Generation 50plus“. Die Zielgruppe wird also nicht in ihrem tatsächlichen<br />

Alter, sondern im gefühlten Alter angesprochen. Reiseanbieter<br />

entwickeln immer neue Strategien, um ältere Reisende über spezielle<br />

Zielgruppenangebote ohne direkten Altersbezug anzusprechen. Dabei<br />

orientieren sie sich an bestimmten Reisemerkmalen und Urlaubsmotiven,<br />

die besonders den älteren Touristen wichtig sind. Die Aussicht auf hohe<br />

Umsätze in diesem lukrativen Kundensegment hat Bewegung in die<br />

Tourismusbranche, bei Reiseveranstaltern und die Hotellerie gebracht.<br />

Mit zunehmendem Alter wird eine perfekt durchorganisierte Reise immer<br />

wichtiger. Die ältere Generation ist überwiegend reiseerfahren, legt<br />

Wert auf Komfort und ist häufig Stammkunde der Veranstalter. Wichtige<br />

Urlaubsmotive sind: die Gesundheit stärken, Natur erleben und Städte<br />

bzw. Sehenswürdigkeiten besichtigen.<br />

179 Sonntag u. Sierck, Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR), Kiel, August 2006<br />

176


Ein weiterer Trend liegt darin, dass viele Großeltern mit ihren Enkeln verreisen.<br />

Die gemeinsamen Reisen bieten nicht nur die Möglichkeit des gemeinsamen<br />

Erlebens in den Urlaubsgebieten. Vielmehr nutzen viele Großeltern<br />

die gemeinsamen Reisen zum Erzählen und Diskutieren – Situationen wie<br />

sie im Alltag oder an Wochenenden so nicht anzutreffen sind.<br />

Bei den Tourismuskonzernen hat sich in den vergangenen Jahren keine<br />

Kundengruppe so stark entwickelt wie die der SeniorInnen. Während die<br />

über 60-Jährigen im Jahr 1994 noch 21,6 Prozent ausmachten, so stellen<br />

sie heute mit einem Drittel den größten Anteil. 0 Nach Einschätzung der<br />

Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen wird dieser Anteil weiter<br />

steigen.<br />

Nach wie vor sehr beliebt sind „Kaffeefahrten“, allerdings weniger solche<br />

mit den berüchtigten Verkaufsveranstaltungen, vielmehr ist ein Trend zu<br />

alternativen und anspruchsvolleren Busreisen zu sehen.<br />

Gute Beispiele<br />

Die Initiative TeutoWellness 50plus umfasst 40 Partner – Hotels, Pensionen,<br />

Wellness- und Freizeiteinrichtungen, Kultureinrichtungen, Kliniken<br />

und Kurbäder –, die spezielle Angebote für Senioren haben. Es gibt einen<br />

gemeinsamen Katalog, in dem Komplettangebote für Reisen mit Massagen,<br />

Restaurant-, Theaterbesuchen etc. angeboten werden. So soll der<br />

Wellness- und Gesundheitstourismus in der Region gefördert werden. Es<br />

handelt sich um ein Kooperationsprojekt des Teutoburger Wald Tourismus<br />

e.V., der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Bielefeld und des Zentrums<br />

für Innovation in der Gesundheitswirtschaft Ostwestfalen-Lippe.<br />

Das Projekt TeutoWellness50plus zielte also darauf ab, die Region Teutoburger<br />

Wald als Referenzregion für den 50plus-Tourismus zu profilieren<br />

und die vorhandenen Potenziale im Wellness- und Gesundheitsbereich für<br />

ältere Gäste touristisch zu erschließen und zu vermarkten.<br />

Es gelang, die Bedeutung der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> zu kommunizieren und<br />

ein Unternehmensnetzwerk aufzubauen. Innovationsstrategien werden<br />

seitdem schneller in neue marktfähige Produkte umgesetzt, neue Märkte<br />

werden erschlossen, Kosten gesenkt und Erträge gesteigert. Das auf gegenseitigem<br />

Gewinn zielende Vertrauen und neuen Partnerschaften war<br />

insofern eine Herausforderung, als es galt, alte Konkurrenzmuster zu überwinden.<br />

Gemeinsam wurden touristische Produkte und Dienstleistungen<br />

für Senioren im Teutoburger Wald entwickelt und vermarktet.<br />

Das Gütesiegel “50plus Hotels Deutschland“ wird bereits seit fünf Jahren<br />

an ausgewählte Hotels vergeben. Die Hotels bieten Zusatzleistungen für<br />

„erfahrene Reisende“ an. Je nach Lage der Hotels werden geführte Wanderungen,<br />

Nordic-Walking-Touren, Stadtrundfahrten, Ausflüge und viele<br />

180 Sonntag u. Sierck, ebd.<br />

181 http://www.teutowellness50plus.de<br />

182 Ziehe, Vera: „Teutowellness50plus – Tourismusförderung in der Region Teutoburger Wald“, Bonn,<br />

2005, Europäische Konferenz <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Europa 2005.<br />

183 http://www.50plushotels.de.<br />

177<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


weitere Sport-, Aktiv- und Kulturprogramme angeboten. Für Gesundheit<br />

und Vitalität der Gäste stehen zahlreiche Wellness-, Beauty- und Entspannungsangebote<br />

zur Verfügung. Auf der Internetseite der 50 plus Hotels<br />

werden alle Hotels und das Pauschal-Arrangement vorgestellt. Dabei bieten<br />

einige Hotels einen besonderen Zusatznutzen für Alleinreisende und<br />

erheben in ihren Arrangements keinen Einzelzimmerzuschlag. Außerdem<br />

halten die Hotels zahlreiche Last-Minute-Angebote bereit.<br />

Bisher haben 75 Drei- bis Fünfsternehotels die von 50plus Hotels Deutschland<br />

geforderten Qualitätskriterien erfüllt. Alleine im ersten Halbjahr 2005<br />

wurden 27 neue Hotels ausgezeichnet. Zertifiziert wurde auch das InterCityHotel<br />

Göttingen. Darüber hinaus stellen sich weitere Hotels sukzessive<br />

auf die Bedürfnisse Älterer ein.<br />

Die InterCityHotel GmbH, mit 16 auserwählten InterCityHotels, und<br />

50plus Hotels Deutschland sind offizieller Partner und bauen ihr Engagement<br />

für die Zielgruppe der Reisenden über 50 gemeinsam weiter aus. Die<br />

InterCityHotels ergänzen das Portfolio der 50plus Hotels in Deutschland<br />

um attraktive Stadtdestinationen und interessante Kulturstandorte.<br />

Ein Beispiel für ein zielgruppengerechtes Programm für die ältere Generation<br />

liefert die TUI AG. Mit ihrem Konzept “Club Elan“ bietet deren deutscher<br />

Veranstalter TUI Deutschland einen qualitativ hochwertigen Urlaub und<br />

zielgruppengerechte Programme insbesondere für aktive Ältere an. Nach<br />

Einschätzung von TUI wird die Nachfrage der Kunden in den nächsten<br />

Jahren weiter kräftig steigen.<br />

Ein Mindestalter für interessierte Senior-Kunden, wie in ähnlichen Konzepten<br />

britischer Reiseveranstalter üblich ist, gibt es nicht. Das Clubprogramm<br />

orientiert sich an den Wünschen der älteren deutschen Kunden, die durch<br />

Analyse aktueller Verbrauchertrends festgestellt worden sind. Neben<br />

gesundheitsorientierten Fitness- und Wellness-Angeboten umfasst das<br />

Programm Herz-Kreislauf-Training, Internetschnupperkurse sowie Sprach-<br />

und Tanzkurse. Die TUI-Club-Hotels gehören zur gehobenen Kategorie,<br />

die u. a. über trittfeste Spazierwege in unmittelbarer Nähe verfügen, eine<br />

gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel besitzen sowie eine gute<br />

ärztliche Versorgung anbieten. Die älteren Kunden werden nicht nur über<br />

Reiseprospekte angesprochen, sondern auch über die eigens entwickelte<br />

Internetseite, die auch zum interaktiven Erfahrungsaustausch anregt. Das<br />

Konzept Club Elan gilt als erfolgreich.<br />

Zu den weiteren Anbietern seniorenorientierter Produkte zählt auch das<br />

Hapag-Lloyd Reisebüro, mit dem Konzept “50plus-Reisen nach Maß“. Hier<br />

wird unter anderem mit klassischer Musik und schöner Landschaft und<br />

auf Usedom geworben. Gezielt geht auch der Skan-Club auf SeniorInnen<br />

mit überdurchschnittlichem Einkommen ein.<br />

184 http://www.intercityhotel.de. Weitere Informationen Steigenberger Touristik Service.<br />

178


„Mobilität im Alltag ist ein ganz wichtiges Thema, das Busfahren wird<br />

immer teurer, die Taktfolge geht aber zurück.“ (Hann. Münden)<br />

„Viele ältere Leute fahren im Alltag gerne mit dem Bus. Da können sie<br />

unterwegs miteinander sprechen und sich verabreden. Viele vereinbaren<br />

dabei auch, sich gegenseitig zu helfen.“ (Hann. Münden)<br />

„Ich komme aus Obernjesa, einen Bahnanschluss haben wir nicht. Die<br />

Busse nach Göttingen fahren erst nach Niedernjesa. Wir bieten jeden<br />

Dienstag um 10.00 Uhr eine Mitfahrgelegenheit nach Rosdorf, sie wird<br />

noch immer zu wenig angenommen. Die Autos, die in diesem Zusammenhang<br />

eingesetzt werden, haben Aufkleber. Fahrer und Tramper haben<br />

Ausweise, dadurch entsteht ein Vertrauensverhältnis. Da keine Kostenbeteiligung<br />

erfolgt, tritt die Insassenunfallversicherung ein.“ (Rosdorf)<br />

Angebote zur Mobilitätsförderung beeinflussen die Lebensqualität der<br />

SeniorInnen. Mobilität gilt als eine Grundvoraussetzung für die Selbstständigkeit<br />

und die gesellschaftliche Partizipation älterer Menschen und<br />

gewährleistet somit ein eigenständiges und flexibles Leben. Mobilitätseinbußen<br />

gehen immer mit einem Verlust an Lebensqualität einher.<br />

Mit dem Wandel der Bedürfnisse der älteren Menschen hin zu mehr<br />

Selbstständigkeit gehen auch Veränderungen der Mobilitätsgewohnheiten<br />

der Älteren einher. So ist einerseits davon auszugehen, dass die<br />

Anzahl der motorisierten Älteren zunehmen wird. Voraussichtlich wird<br />

die Motorisierung der männlichen Personen ab dem 65. Lebensjahr bis<br />

zum Jahr 2030 von 767 auf 850 Pkw pro tausend Einwohner ansteigen.<br />

Noch deutlicher wird der Anstieg Verkehrsteilnehmerinnen ausfallen: Mit<br />

146 Pkw pro tausend EinwohnerInnen sind die älteren Frauen in dieser<br />

Altersgruppe heute gering motorisiert. In den kommenden Jahren wird<br />

sich diese Zahl deutlich erhöhen.<br />

Als Konsequenz daraus wird in Zukunft bei der benutzerfreundlichen<br />

Gestaltung von Fahrzeugen vermehrt auf die Bedürfnisse der älteren<br />

Fahrerinnen zu achten sein. Es ist davon auszugehen, dass durch die<br />

Zunahme der Zahl der Hochbetagten auch die Anzahl der Personen ansteigen<br />

wird, die aufgrund von körperlichen Einschränkungen nicht mehr<br />

in der Lage sind, einen Pkw zu steuern. Sie sind in besonderem Maße auf<br />

die ÖPNV-Angebote oder Alternativangebote angewiesen. Im ländlichen<br />

Raum werden in Zukunft Fahrangebote wie Rufbusse oder Sammeltaxis<br />

an Bedeutung gewinnen.<br />

Noch immer ist jedoch das Auto in der Fläche für viele SeniorInnen unverzichtbar.<br />

Viele Ältere wollen nicht auf das Autofahren verzichten, weil diese<br />

Art des Reisens für sie ein Zeichen von Unabhängigkeit und Ungebundenheit<br />

bedeutet. So ist es nicht verwunderlich, dass mehr als 25 Prozent der<br />

Neuwagen von Menschen über 60 Jahren zugelassen werden. Vor zehn<br />

Jahren lag der Anteil dieser Altersgruppe noch bei 14 Prozent.<br />

185 Altenbericht, S. 241<br />

179<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

mobIlItät Im alltag


Auch die Autohersteller stellen sich auf diesen Trend ein. So sind z. B. die<br />

Automobilkonzerne in Japan diesbezüglich aktiv: Toyota verkauft Autos mit<br />

extrabreiten Schiebetüren und einem Sitz, der nach der Fahrt als Rollstuhl<br />

verwendet werden kann. Bei dem kastenförmigen Fahrzeug ist das Ein-<br />

und Aussteigen für Menschen mit Rückenproblemen einfacher. Kleinere<br />

Leute können problemlos über das ovale Lenkrad schauen.<br />

Die im Mai 2006 gegründete Landesinitiative für generationengerechte<br />

Produkte basiert unter anderem auf Forschungsarbeiten in Wolfsburg zur<br />

Frage, wie Automobile seniorengerechter gestaltet werden können. Autohersteller<br />

haben die Erfahrung gemacht, dass so genannte Familienautos<br />

auch für Senioren geeignet sind: Niedrige Ladekanten helfen sowohl<br />

Müttern mit sperrigen Kinderwagen und dem Großeinkauf wie auch Älteren,<br />

die nicht mehr gut heben können – und auch Rollstuhlfahrern. Auf<br />

erhöhten Sitzen, die Müttern und Kindern einen guten Überblick geben,<br />

fühlen sich auch Senioren wohl – zumal die hüfthohen Sitzflächen auch<br />

beim Einsteigen Vorteile bieten. Mit Rundumverglasung und Einparkhilfen<br />

muss der Kopf weniger gedreht werden, und leicht ablesbare Tiefendisplays<br />

vermeiden, dass das Auge sich bei jedem Blick auf die Instrumente<br />

von „fern“ auf „nah“ und wieder zurück umstellen muss. Fazit: In allen<br />

Branchen ist ein heißer Wettkampf um die Zielgruppe der Senioren zu<br />

erwarten – entscheidend werden hier optimierte Produkte und ein lebensnahes<br />

Marketing sein, das den Lifestyle der „besten Jahre“ aufnimmt.<br />

Der ADAC bietet Pkw-Training für Frauen an, die schon länger nicht mehr<br />

selbst mit dem Auto gefahren sind. Das Training richtet sich an Frauen,<br />

die beim Kurs lieber unter sich bleiben möchten, um Fahrprobleme und<br />

Fragen offen anzusprechen. Ohne Druck und Angst vor „Blamage“ vor<br />

männlichen Mitfahrern werden die Kursinhalte so aufbereitet, wie „Frau“<br />

es sich wünscht: alltagstauglich und praxisnah.<br />

Die zunehmende Bedeutung des eigenen Autos bleibt nicht ohne Folgen<br />

für den ÖPNV. Weil bekannt ist, dass die künftige Altengeneration stark<br />

ans Auto gewöhnt ist und bis ins hohe Alter mit dem eigenen Pkw mobil<br />

bleiben möchte, geht der Zweckverband Verkehrsverbund Süd-Niedersachsen<br />

(ZVSN) davon aus, dass die Zahl der „gebundenen“ ÖPNV-NutzerInnen<br />

(also derjenigen, die über keine Alternative zum Bus- oder Bahnverkehr<br />

verfügen) zurückgehen wird, obwohl die Zahl der SeniorInnen im Zuge<br />

des demographischen Wandels steigt. Der ZVSN sieht es als sinnvoll<br />

und notwendig an, sich gemeinsam mit den übrigen Verbundpartnern<br />

mit spezifischen Marketing-Aktionen um die Zielgruppe der SeniorInnen<br />

zu bemühen und bei ihnen für den Kauf von Monatskarten und Jahresabonnements<br />

zu werben.<br />

Eine flächendeckende Versorgung aller Orte im ländlichen Raum mit<br />

gleichen Bedienungsstandards hält der ZVSN für unrealistisch. Zwar<br />

werden gerade die Linien ausgebaut, bei denen eine hohe Nachfrage zu<br />

verzeichnen ist. Hier sollen die Busse möglichst im Stundentakt verkehren.<br />

Außerhalb der Hauptachsen sind so kurze Taktzeiten aber nicht möglich.<br />

Die hier entstehenden Lücken werden im Landkreis Göttingen zumindest<br />

teilweise durch bedarfsorientierte Verkehre wie Anruf-Sammeltaxi (AST)<br />

186 http://www.adac.de/sicherheitstraining/PKW/frauen_training/<br />

180


geschlossen. Neben dem ÖPNV stehen Angebote wie das “Mobiltreff“<br />

in Obernjesa als Mitfahrangebot. Von Obernjesa fährt nur ein Bus am Tag<br />

direkt nach Rosdorf – morgens um fünf. Alle anderen Verbindungen führen<br />

über Göttingen und dauern zwischen 56 und 90 Minuten. AST-Fahrten ergänzen<br />

die Busverbindungen, werden aber kaum in Anspruch genommen.<br />

Personen, die nach Rosdorf müssen (Verwaltung, Arzt, Einkauf) haben lange<br />

Fahrt- und Aufenthaltszeiten oder nur wenig Zeit für ihre Erledigungen,<br />

wenn sie den nächsten Bus nicht verpassen wollen.<br />

Diese Defizite waren Anlass zur Gründung des Modells “Obernjesa Mobil“,<br />

das seit dem 15. November 2005 auf Initiative der Kirchengemeinde<br />

und des Bündnisses für Familie läuft. Im Rahmen dieses “organisierten<br />

Trampens“ erklären sich Fahrer dazu bereit, zu festen Zeiten MitbürgerInnen<br />

mitzunehmen. Die Fahrten werden ehrenamtlich angeboten,<br />

FahrerInnen verbinden diese Touren mit eigenen Erledigungen im Gemeindegebiet.<br />

Auch in Bovenden gibt es seit 1997 die “Erweiterte Nachbarschaftshilfe“<br />

(ENB) als Vermittlungs- und Kontaktstelle. Die Gemeinschaft Bovender<br />

BürgerInnen will das nachbarschaftliche Zusammenleben fördern. Die ENB<br />

vermittelt Nachbarschaftshilfe aller Art. Dazu gehört auch die Vermittlung<br />

von Mitfahrmöglichkeiten.<br />

In der Gemeinde Friedland gibt es ein Linientaxi, dessen Betrieb auf die Initiative<br />

des Seniorenbeirates zurückgeht. Dabei handelt es sich um ein seit<br />

August 2005 laufendes Modellprojekt, das für regelmäßige Verbindungen<br />

von Ort zu Ort und besonders zu den Zentren Groß Schneen und Friedland<br />

sorgt. Das Linientaxi ermöglicht kostengünstige Fahrten zum Einkaufen,<br />

zum Arzt, zu Banken und Sparkassen, zur Apotheke und zu Besuchen von<br />

Verwandten und Bekannten. Das Linientaxi ist Bestandteil des ÖPNV, es<br />

verkehrt regelmäßig zu festgelegten Zeiten von den Bushaltestellen der<br />

Ortschaften. Es gelten die normalen Busfahrkarten, die auch im Taxi gekauft<br />

werden können. Die finanzielle Unterstützung dieses Projektes ist<br />

befristet und wird bei mangelhafter Auslastung eingestellt.<br />

Die Verbesserung der Mobilität Älterer insbesondere durch Sicherung und<br />

Ausbau des ÖPNV stärkt die Standortqualität des Landkreises Göttingen<br />

und hat damit regionalwirtschaftliche Bedeutung. Im Bereich des ÖPNV<br />

sieht der ZVSN vor allem in der Lesbarkeit der Fahrpläne Handlungsbedarf.<br />

Auch hier spielt wie bei der Lesbarkeit von Internetseiten die Barrierefreiheit<br />

für Menschen mit Sehschwächen eine große Rolle. Zwar wurde auf<br />

diesem Gebiet schon einiges verändert (Fahrpläne im Internet, Fahrplan-<br />

und Fahrpreisauskunft per Telefon). Weiterer Handlungsbedarf besteht.<br />

187 Die Mitfahrer sind im Falle eines Unfalls über die Kfz-Haftpflichtversicherung versichert.<br />

188 Nähere Informationen in der AWO-Begegnungsstätte unter 0551/8208987.<br />

189 Nähere Informationen gibt der Seniorenbeirat Friedland unter 05504/802-45.<br />

181<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


senIorenbIlDung<br />

Viele Senioren nutzen die Zeit nach Beendigung ihrer Berufstätigkeit, sich<br />

aufgeschobene Wünsche zu erfüllen und Zugang zu finden zu Themen,<br />

mit denen sie während früherer Lebensabschnitte keinen Kontakt hatten.<br />

Bildung spielt dabei eine besondere Rolle. Endlich kann man Museen<br />

besuchen, die man noch nie von innen gesehen hat, Literatur lesen,<br />

Sprachen lernen oder Internetkurse besuchen, kurz: seinen Horizont<br />

erweitern. Viele SeniorInnen sind bereit und in der Lage, dafür finanzielle<br />

Mittel aufzuwenden.<br />

Seniorenbildung ist in Stadt und Landkreis Göttingen geprägt durch vielfältige<br />

Angebote. Sie reichen von Gehirnjogging und mentalem Training<br />

über Rhetorik-Angeboten für Ehrenamtliche bis hin zu Hardangerkursen.<br />

Angeboten werden sie von Weiterbildungsträgern, Kirchen, Umweltverbänden,<br />

Parteien, Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften.<br />

Die Universität des Dritten Lebensalters Göttingen (UDL) organisiert seit<br />

1995 die wissenschaftliche Weiterbildung Älterer in Göttingen, zuerst<br />

als Teil der “Altenakademie” und seit Wintersemester 2001/2002 als gemeinnütziger<br />

Verein. Die UDL ist vertraglicher Kooperationspartner der<br />

Georg-August-Universität. Sie wendet sich an Menschen über 50 Jahre<br />

mit und ohne Abitur, die an Lehre und Forschung der Universität Göttingen<br />

interessiert sind und ein offenes Studium aufnehmen wollen. Schon im<br />

Wintersemester 2002/2003 nahmen 430 Menschen zwischen 50 und 90<br />

Jahren die Angebote der Universität des Dritten Lebensalters wahr. 0<br />

Aus dem Veranstaltungsangebot der Georg-August-Universität wählt der<br />

Hörerrat rund 60 Vorlesungen aus. Diese Veranstaltungen besuchen die<br />

Teilnehmer der UDL zusammen mit den regulären Studierenden der Universität<br />

Göttingen. Die Fächerauswahl erstreckt sich von der Archäologie<br />

über die Philologien, Kunst, Geschichte, Philosophie und Theologie bis zu<br />

Geographie, Jura und Politik. Hinzu kommen die Medizin und die naturwissenschaftlichen<br />

Fächer wie Physik, Biologie und Psychologie.<br />

Zusätzlich zu den Universitätsveranstaltungen hat die UDL ein eigenes<br />

wissenschaftliches Programm entwickelt. Es besteht in jedem Semester<br />

aus 10–15 Seminaren, die zum Teil von Nachwuchswissenschaftlern geleitet<br />

werden. Unter der Anleitung der Dozenten erarbeiten die UDL-TeilnehmerInnen<br />

Fragestellungen aus Theologie und Literaturwissenschaft,<br />

aus Geschichte, Kunstgeschichte, Musik und Philosophie. Hinzu kommen<br />

Veranstaltungen in den Bereichen Sport und Sportberatung. Im Rahmen<br />

der UDL finden auch Einführungen für neue Mitglieder sowie Semesterauftakt-<br />

und -abschlussveranstaltungen statt, in deren Mittelpunkt<br />

wissenschaftliche Vorträge stehen.<br />

Seit Jahren steigt die Zahl der Senioren-Studenten an deutschen Hochschulen.<br />

Mehr als 20.000 Hochschüler hierzulande sind schon zwischen<br />

60 und 70 Jahre alt, fast 10.000 sogar noch älter. Vielerorts drängen inzwischen<br />

so viele ältere Semester in die Hörsäle, dass es sogar zu Reibereien<br />

190 http://www.uni-goettingen.de/de/kat/12493.html<br />

191 http://www.uni-goettingen.de/de/kat/12495.html<br />

182


mit den eigentlichen, den jungen Studenten kommt: „Sie nehmen jungen<br />

Studenten die vorderen Plätze weg und führen gerne Privatunterhaltungen<br />

mit dem Professor.“<br />

Der Bildungshunger der älteren Generation ist also groß. „Die damit verbundenen<br />

Chancen aber werden noch nicht genug erkannt“, sagt Paul<br />

Wolters, Gesundheitswissenschaftler von der Universität Bielefeld und<br />

Geschäftsführer des Europäischen Zentrums für universitäre Studien der<br />

Senioren (EZUS). In deren bundesweit ersten Senioren-Uni im lippischen<br />

Horn-Bad Meinberg haben sich seit dem 17. August 2006 25 Studenten im<br />

Alter von über 50 Jahren für das zweijährige Studium eingeschrieben. Das<br />

Angebot umfasst ein in sechs Trimester gegliedertes Studium generale<br />

mit Themen etwa aus Politikwissenschaften, Theologie, Medizin, Kunst,<br />

Musik, Literatur und Geschichte. In Bielefeld angesiedelt ist von 2007<br />

an ein Studium zum „Senior Consultant“, das Mitarbeiter von Betrieben<br />

und Einrichtungen in der spätberuflichen Phase für die Übernahme neuer<br />

Aufgaben qualifizieren soll. Der Studiengang „Bürgerschaftliches Engagement“<br />

ist noch in der Aufbauphase.<br />

Neben dem Kreis Ostwestfalen-Lippe und der Stadt Bad Meinberg ist auch<br />

die regionale Wirtschaft an der Bildungseinrichtung beteiligt; vom Land<br />

Nordrhein-Westfalen kam eine Anschubfinanzierung. Professoren und<br />

Dozenten der Universität Bielefeld garantieren für den wissenschaftlichen<br />

Anspruch der Senioren-Studien, inklusive Abschlussprüfung und Zertifikat.<br />

Die Studiengebühren betragen 400 Euro pro Trimester, also 1.200 Euro<br />

pro Studienjahr.<br />

Die Vermittlung von Bildung ist Wertschöpfung und damit ein relevanter<br />

Aspekt in der Regionalwirtschaft. Die Qualifikation von SeniorInnen steht<br />

im Zusammenhang mit der Profilierung der Region Göttingen unter der<br />

Dachmarke “geniusgöttingen“ und ist damit Ausdruck der Wissensorientierung<br />

des Standorts. Denkbar ist es, eine Verbindung herzustellen, der<br />

Nutzung von Bildungsangeboten und der Gestaltung von touristischen<br />

Pauschalangeboten zu entwickeln. Insofern kann der Bildungsaspekt für<br />

Ältere auch beschäftigungsrelevant und zu einem wichtigen Gestaltungsfeld<br />

der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Stadt und Landkreis Göttingen werden.<br />

192 SZ vom 9. August 2006: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/berufstudium/artikel/373/82291/<br />

193 http://focus.msn.de/wissen/campus/studium_nid_33356.html<br />

194 SZ vom 9. August 2006: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/berufstudium/artikel/373/82291/<br />

183<br />

Gestaltungsfelder der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


8 perspektIven der<br />

senIorenWIrtschaft<br />

Die Senioren-Generation kann für die Wirtschaft ebenso attraktiv wie<br />

rentabel sein, vorausgesetzt, das bislang von Werbeteams gepflegte<br />

traditionelle Image der Zielgruppe (“alt“, “beige“, “zerbrechlich“) wird<br />

aufgegeben. Der Zukunftsmarkt der neuen Senioren ist nicht nur eine<br />

Sparversion des Jugendmarktes, sondern etwas völlig Neues: Er bedeutet<br />

eine eigene Anspruchs- und Erlebniswelt. Die neuen Senioren wollen keine<br />

Inlineskates mit Stützrädern, sondern bezahlbare Sinn- und Serviceangebote<br />

rund um die Uhr.<br />

Die Wachstumsmärkte sterben also auch in Zukunft in der älter werdenden<br />

Gesellschaft nicht aus. Ganz im Gegenteil: Ohne die ältere Generation<br />

müssten Gartencenter und Heimwerkermärkte schließen, die Ärzte,<br />

Apotheker und Gesundheitsdienste um ihre Existenz bangen, verlören<br />

Zeitungsverlage, Konzerthäuser und Theater ihre wichtigsten Abonnenten,<br />

stünden leer stehende Kirchengebäude zur Disposition und hätten Sportvereine<br />

keine Zukunft mehr, weil Ehrenämter unbesetzt blieben.<br />

Horst Opaschowski spricht zu Recht davon, dass höheres Alter zu steigenden<br />

Qualitätsansprüchen an das Leben führt. Er bezieht das insbesondere<br />

auf Umfang und Qualität von Dienstleistungen. „Wer in Zukunft<br />

von dem prognostizierten 175-Milliarden-Euro-Markt partizipieren will,<br />

muss sich ihren Bedürfnissen anpassen und eine doppelte Dienstleistung<br />

erbringen: Den erworbenen Lebensstandard (z. B. durch Spareinlagen,<br />

Versicherungen, Aktien oder Immobilien) sichern und zugleich die ganz<br />

persönliche Lebensqualität durch Kulturangebote, durch Gesundheitsdienste<br />

und Reiseservice verbessern helfen. Statt Glanz und Glamour sind<br />

Atmosphäre und Ambiente erwünscht; statt Fitness, Sun und Fun eher<br />

Sinn, Vitalität und Lebensfreude.“ Die Perspektiven der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

sollen hier verkürzt in Form von Thesen fokussiert werden:<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

Innerhalb der Zielgruppe löst der Begriff „Senioren“ vielfach Widerstand<br />

aus. Das liegt an der vielschichtigen Altersspannbreite, die in<br />

Jungsenioren, Senioren und Hochbetagte bzw. Alte unterteilt werden<br />

können. Wer sich diese Zielgruppen erschließen will, muss sie individuell<br />

ansprechen.<br />

Das einheitliche Bild vom „gebrechlichen, kranken Alten“ entspricht<br />

nicht mehr der Realität. Viele der allein oder mit Partner/-in lebenden<br />

„Senioren“ sind fit und relativ mobil.<br />

Die derzeitige „Senioren“-Generation ist in Teilen finanziell gut ausgestattet<br />

und geprägt durch das Selbstverständnis: Wir stehen (immer<br />

noch) mit beiden Beinen in der Gesellschaft. Eine Reduktion z. B. von<br />

195 die im Durchschnitt jünger als 30 Jahre sind<br />

196 Horst Opaschowski (2005): “Wir werden es erleben. Zehn Zukunftstrends für unser Leben von<br />

morgen“, Darmstadt.<br />

184


4.<br />

5.<br />

6.<br />

7.<br />

Eintrittsgeldern wird von manchen SeniorInnen als ungerecht, nicht<br />

passend empfunden. Es besteht bei ihnen die Bereitschaft, für Dienstleistungen<br />

auch zu bezahlen.<br />

Dienstleister im Landkreis Göttingen sind nicht ausreichend auf die<br />

Bedürfnisse von SeniorInnen eingestellt. Beispiele wie die des erfolgreichen<br />

Malermeisters aus NRW („Sie fahren in den Urlaub, wir renovieren<br />

in der Zeit Ihre Wohnung, Sie vermeiden Unannehmlichkeiten“),<br />

also Dienstleistungen aus einer Hand, die den Alltag erleichtern,<br />

könnten auch im Landkreis Göttingen und insbesondere in Orten mit<br />

entsprechender Altersstruktur Schule machen.<br />

Ältere Menschen haben andere Zeitrhythmen, sie sind langsamer, benötigen<br />

mehr Zeit. Das führt mit steigendem Anteil älterer Menschen<br />

zu immer ausgeprägteren parallelen Zeit-Welten. Unternehmen sind<br />

weder im Umgang mit ihren eigenen, älter werdenden Mitarbeitern<br />

noch im Umgang mit älteren Kunden ausreichend darauf eingestellt.<br />

Das bisherige Credo der Wirtschaft „Zeit ist Geld“ muss für diese Zielgruppe<br />

umgewandelt werden in „Zeit geben ist Geld“. Unternehmen<br />

sind hier doppelt (nach innen und nach außen) gefordert.<br />

Je jünger und (geistig, körperlich) fitter die SeniorInnen sind, umso<br />

weniger fühlen sie sich als solche und sind entsprechend auch wenig<br />

für sog. seniorengerechte Angebote zu erreichen. Ältere hingegen,<br />

die bereits körperliche Einschränkungen erfahren haben, setzen sich<br />

stärker mit Themen wie „altersgerechtes Wohnen“ auseinander.<br />

Bedürfnisse Älterer können für Unternehmen eine wichtige „Scout-<br />

Funktion“ haben (Anwenderfreundlichkeit von Geräten, Verständlichkeit<br />

von Gebrauchsanweisungen). Konkret bedeutet das, weniger spezielle<br />

Angebote für Ältere zu konzipieren (Seniorenkaufhaus, „Seniorenvideorekorder),<br />

sondern sie vielmehr so zu gestalten, dass Ältere sie<br />

mühelos nutzen können. Davon profitieren auch Jüngere.<br />

Diese Thesen wurden während der narrativen Gesprächsrunde mit dem<br />

Kreisverband Göttingen der Senioren-Union vom 31. August in Rosdorf<br />

diskutiert. Die meisten Thesen trafen auf Zustimmung. Unterschiedliche<br />

Einschätzungen gab es zum Altersbegriff und zur Einschätzung der Kaufkraft<br />

von SeniorInnen. Mehrere DiskussionsteilnehmerInnen forderten,<br />

statt von Senioren von „älteren Menschen“ oder „50plus“ zu sprechen,<br />

mit dem Begriff „alt“ nur Menschen zu bezeichnen, die mindestens das<br />

70. Lebensjahr überschritten haben und zwischen den verschiedenen<br />

Altersgruppen stärker zu differenzieren. Es wurde auch deutlich gemacht,<br />

dass man finanziell nicht unbedingt gut ausgestattet sein muss, um mit<br />

beiden Beinen im Leben zu stehen. Andererseits gebe es heute auch<br />

schon viele Ältere mit erheblichen finanziellen Problemen. Damit wurde<br />

die Einschätzung der Autoren der Studie bestätigt, dass sich der Altersbegriff<br />

und die Altersbilder in der Gesellschaft tief greifend verändern.<br />

Klar wurde auch, dass sich die SeniorInnen nicht in erster Linie als Konsumentengruppe<br />

verstehen, sondern den (berechtigten) Anspruch haben,<br />

in ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Leistungen gesellschaftlich<br />

Anerkennung zu finden.<br />

185<br />

Perspektiven der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong>


QualIfIzIerung<br />

fÜr Den ersten<br />

arbeItsmarkt<br />

9 QualIfIzIerung und<br />

beratung<br />

Im Rahmen dieser Studie wurde der Frage nachgegangen, ob es im<br />

Bereich der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> Potenziale für Existenzgründungen von<br />

Menschen 50plus gibt – so z. B. für den Bereich der ambulanten Pflege<br />

oder das Handwerk. Analysiert wurden Anregungen und gute Beispiele,<br />

die sich im Landkreis Göttingen umsetzen ließen. Voraussetzung hierfür<br />

sind jedoch Beratung und geeignete Qualifikationen.<br />

Weiterbildung für das Handwerk<br />

Die Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen hat sich als fester<br />

Kooperationspartner der Düsseldorfer Initiative WiA angeschlossen. Dadurch<br />

wird es sowohl Senioren als auch dem Handwerk im Landkreis Göttingen<br />

erleichtert, ein qualifiziertes Angebot im Bereich des altengerechten<br />

Wohnens zu identifizieren bzw. umzusetzen. Verschiedene Kurse und<br />

Fernlehrgänge, ein Branchenführer sowie eine Seminarreihe zur gezielten<br />

Weiterbildung werden entweder in Kooperation mit der Kammer Düsseldorf<br />

(bzw. dem Handwerkszentrum WiA in Oberhausen direkt) angeboten<br />

oder als Kopie für den Kammerbezirk Hildesheim übernommen. Sie sind<br />

somit auch für Handwerker des Landkreises Göttingen leicht zugänglich.<br />

Älteren Menschen und anderen Interessierten wird auf diese Weise ein<br />

Überblick über die Handwerksbetriebe gegeben, die “vor Ort” speziell<br />

auf die Bedürfnisse von Senioren abgestimmte Produkte und Dienstleistungen<br />

anbieten. Insofern ist ein Branchenführer auch als wertvolles<br />

Marketinginstrument für die gelisteten – und damit auch erwiesenermaßen<br />

qualifizierten – Betriebe zur Gewinnung privater und gewerblicher Kunden<br />

zu verstehen. Durch eine umfassende Qualifizierung auf technischem,<br />

medizinischem, gestalterischem und betriebswirtschaftlichem Gebiet<br />

können den Kunden komfortable und kostengünstige Modernisierungsmaßnahmen<br />

empfohlen werden, die auf die besonderen Bedürfnisse Älterer<br />

abgestimmt sind. Darüber hinaus ist geplant, ein Kompetenzzentrum<br />

einzurichten und die Vernetzung mit anderen qualifizierten Anbietern und<br />

Nachfragern seniorengerechter Angebote voranzutreiben.<br />

Qualifizierung in der Altenpflege<br />

Aus der Perspektive der Altenpflege hat sich das Bild vom Alter in den<br />

letzten Jahren verändert. Viele ältere Menschen kümmerten sich aktiv um<br />

das Thema “Alter“, lassen das Altern nicht mehr bloß “mit sich geschehen“.<br />

Am meisten Handlungsbedarf bzgl. Lebens- und Versorgungssituation<br />

älterer Menschen im Landkreis Göttingen sehen AusbilderInnen darin,<br />

wohnortnahe Projekte zu schaffen. Dies sei gerade im ländlichen Bereich<br />

von großer Bedeutung. Mehrgenerationenhäuser seien wichtig, auch in<br />

den kleinen Dörfern. Die Einsamkeit spiele in den Städten eine größere<br />

197 Gespräch mit Silke Saathoff am 7. Juni 2006<br />

186


Rolle als auf dem Land, da weniger Verwandtschaft und Nachbarschaft<br />

vorhanden sei. Deshalb sei auch im städtischen Bereich das Engagement<br />

wichtig, um der Einsamkeit entgegenzuwirken.<br />

Während der Altenpflegeberuf in seinen Anfängen bis in die 1960er- und<br />

1970er-Jahre noch stark von sozial-pflegerischen Aufgaben geprägt war,<br />

gewannen aufgrund der demographischen Entwicklung und der damit<br />

einhergehenden Veränderung des Pflegebedarfs zunehmend medizinischpflegerische<br />

Aufgaben an Bedeutung. So beobachtet der Deutsche Berufsverband<br />

für Altenpflege (DBVA) e. V. eine zunehmende dementielle Veränderung<br />

bei Pflegebedürftigen – bis zu 70 Prozent der Bewohner in Heimen<br />

seien betroffen –, was einen deutlichen Schwerpunkt der Pflegenden in<br />

der geriatrischen und gerontopsychiatrischen Pflege erfordert.<br />

Mit den Gesetzen über die Berufe in der Altenpflege sowie zur Änderung<br />

des Krankenpflegegesetzes ist eine bundeseinheitliche Ausbildung in<br />

der Altenpflege vorgesehen. Damit soll die gesellschaftliche Anerkennung<br />

dieses Berufsstandes verbessert werden. Die Berufsbezeichnung<br />

„Altenpflegerin“ bzw. „Altenpfleger“ ist geschützt. Begründet wurde die<br />

Verlagerung der Zuständigkeit ebenfalls mit den Veränderungen des Berufsprofils<br />

der Altenpflege. So konnten auch Entwicklungen in zentralen<br />

Bezugswissenschaften, insbesondere in der Pflegewissenschaft und<br />

der Gerontologie, Eingang in die Neuregelung des Altenpflegeberufes<br />

finden.<br />

Die Pflege soll<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

die Kompetenzen alter Menschen (körperliche Funktionsfähigkeit,<br />

kognitive Leistungsfähigkeit, psychosoziale Kompetenz) erhalten<br />

helfen,<br />

Persönlichkeit, Würde, und Eigenarten alter Menschen respektieren<br />

und Verletzung von Privatheit und Intimsphäre vermeiden,<br />

sich den Zielen einer kontinuierlichen und umfassenden Versorgung<br />

verpflichtet fühlen und deshalb mit anderen Berufsgruppen und mit<br />

verschiedenen Einrichtungen intensiv kooperieren,<br />

sich fortlaufend qualifizieren, um die neuesten Erkenntnisse über<br />

erfolgreiche Betreuung und fördernde Unterstützung anwenden zu<br />

können,<br />

Mittel und Formen der Arbeitsorganisation wählen, die für die Pflege<br />

und Behandlung alter Menschen erforderlich sind,<br />

Klienten und deren Angehörige als Kooperationspartner sehen, die<br />

ein Recht auf Selbstbestimmung und unabhängige Entscheidung<br />

haben.<br />

198 http://www.dbva.de/179.0.html<br />

199 http://www.dbva.de/179.0.html<br />

187<br />

Qualifizierung und Beratung


Wer Altenpflege erlernen möchte, muss gesundheitlich geeignet sein<br />

und über einen Realschulabschluss oder über einen als gleichwertig<br />

anerkannten Bildungsabschluss verfügen. Ein Mindestalter gibt es nicht.<br />

Die Altenpflegeausbildung besteht aus schulischen und praktischen Elementen<br />

und dauert drei Jahre. Ziel der Ausbildung ist die Fähigkeit zur<br />

selbstständigen, eigenverantwortlichen und ganzheitlichen Pflege einschließlich<br />

der Beratung, Begleitung und Betreuung alter Menschen. 00<br />

Während AltenpflegehelferInnen Grundtätigkeiten ausüben, übernehmen<br />

AltenpflegerInnen auch Tätigkeiten im medizinischen Bereich. Arbeitsplatzbedarf<br />

und Arbeitsplatzsicherheit mindestens im stationären Bereich sind<br />

hoch; hoch ist allerdings auch die psychische und physische Belastung<br />

am Arbeitsplatz – während die Bezahlung eher steigerungsbedürftig<br />

erscheint. Während früher die Ausbildung zur Altenpflegerin eine reine<br />

Umschulung war, gibt es jetzt viele junge Menschen, die direkt nach der<br />

Schule eine Ausbildung zur Altenpflegerin beginnen. Die Altersspanne der<br />

Auszubildenden liegt zwischen 17 und 50 Jahren. Im ambulanten Bereich<br />

einen Ausbildungsplatz zu finden ist angesichts der Kostenbelastung für<br />

den Ausbildungsbetrieb eher schwierig. Deshalb sind meist Alten- und<br />

Pflegeheime Anstellungsträger.<br />

Kritisch steht der Deutsche Berufsverband für Altenpflege e. V. der Beschäftigungsförderung<br />

in der Altenpflege gegenüber: „Ob Green-Card,<br />

schwer erziehbare Jugendliche oder Langzeitarbeitslose, die Pflege im<br />

Allgemeinen und die Altenpflege im Besonderen scheint in den Augen<br />

von Politikern das Entsorgungsfeld für vermeintliche Problemfälle!“ 0 Der<br />

DBVA sieht durchaus Beschäftigungs- und Ausbildungsbedarf. 0 Potenzial<br />

wird in der Umschulung von persönlich motivierten und geeigneten<br />

arbeitslosen Menschen gesehen. Langzeitarbeitslose als 1-Euro-Arbeitskraft<br />

hätten dagegen nur unter bestimmten Bedingungen auf dem ersten<br />

Arbeitsmarkt eine Perspektive. 0<br />

Durch die Kürzung der SGB-III-Förderung zum 1. Januar 2005 werden<br />

Berufe wie die Altenpflege nur noch zwei Jahre gefördert. Das dritte Ausbildungsjahr<br />

muss von den Auszubildenden selbst finanziert werden. Für<br />

die Auszubildenden wie auch für die Schulen bedeutet das große Unsicherheit<br />

in der Planung. Der DBVA macht sich daher für eine weitergehende<br />

dreijährige Förderung durch die Agenturen für Arbeit stark. 0 „Es entsteht<br />

eine paradoxe Situation. Obwohl die Pflegebedürftigkeit quantitativ wie<br />

auch bedingt durch Multimorbidität (also qualitativ) zunehmen wird, setzt<br />

der Staat ein gegenteiliges Zeichen und sorgt dafür, dass ein erneuter<br />

Pflegenotstand vorprogrammiert ist!“<br />

Ausgebildet wird z. B. durch Arbeit und Leben Süd in Göttingen. Die Ausbildung<br />

erfolgt in den Berufsfachschulen Altenpflege und Altenpflegehilfe<br />

sowie in der Weiterbildungsstätte für Pflegekräfte. Neben einer Ausbildung<br />

zum/zur Altenpfleger/-in oder Altenpflegehelfer/-in können auch verschiedene<br />

Abschlüsse orientierte Weiterbildungen besucht werden, wie z. B.<br />

200 http://www.altenpflegeschueler.de/ausbildung/index.php<br />

201 http://www.dbva.de/182.0.html<br />

202 http://www.dbva.de/289.0.html<br />

203 http://www.dbva.de/182.0.html<br />

204 http://www.dbva.de/289.0.html<br />

188


„Praxisanleiter/-in in der Pflege“ oder „Fachkraft für Leitungsaufgaben in<br />

der Pflege“. Außerdem bearbeitete Arbeit und Leben im Sommer 2006<br />

zwei EU-geförderte Qualifizierungsprojekte. 0 Eines dieser Projekte ist<br />

GerontoCare. Angeboten werden hier unter anderem eine Fortbildung<br />

zum/zur Alltagsbegleiter/-in in der Betreuung von Menschen mit Demenz<br />

sowie eine Weiterbildung in Gerontopsychiatrie. 0<br />

Weiterbildung für das Management<br />

Einer der Vorreiter in der Weiterqualifizierung für die Zielgruppe 50plus<br />

ist der schriftliche Management-Lehrgang in neun Lektionen „Zielgruppe<br />

50plus“. Der Kurs wird vom EUROFORUM-Verlag durchgeführt, der<br />

über große Erfahrungen mit vergleichbaren Kursen verfügt. 0 Er ist von<br />

kompetenten Partnern entwickelt worden und wird von ausgewählten,<br />

praxiserfahrenen Referenten und Autoren durchgeführt. Dieser Lehrgang<br />

könnte auch für die Ausbildung von arbeitslos gewordenen Führungskräften<br />

hilfreiche Anregungen bieten.<br />

Der schriftliche Lehrgang Zielgruppe 50plus wurde von der Redaktion<br />

von Seniorenmarkt.de entwickelt. 0 Elf Autoren zeigen anhand zahlreicher<br />

Praxisbeispiele das Potenzial des Zukunftsmarktes ältere Generation auf.<br />

Referenten und Autoren informieren über Themen aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Verwaltung. Der schriftliche Management-Lehrgang ist ein<br />

Weiterbildungsprodukt der Euroforum Verlag GmbH, das zeit- und ortsunabhängiges<br />

Lernen in komprimierter Form ermöglicht. Praxisbeispiele<br />

aus Handel, Banken, Versicherungen und dem Heilmittel-Sektor geben<br />

einen Einblick in erfolgreiche Strategien zur Gewinnung der Zielgruppe<br />

50plus.<br />

Der Lehrgang ist konzipiert für Leiter und leitende Mitarbeiter aus Marketing<br />

und Vertrieb, Produktmanagement und Entwicklung, Werbung, Innovationsmanagement,<br />

Zielgruppen- und Marktforschung, Brandmanagement,<br />

Kommunikation, Strategieentwicklung/Unternehmensplanung aus Unternehmen<br />

aller Branchen sowie Geschäftsführer und Führungskräfte aus<br />

Agenturen und Unternehmensberatungen, die in diesem Geschäftsfeld<br />

aktiv sind.<br />

Jede Woche erhalten die Teilnehmer eine Lektion, die im persönlichen<br />

Lerntempo bearbeitet werden können. Die Lektionen sind didaktisch so<br />

gestaltet, dass die Inhalte selbstständig erlernbar sind. Am Ende jeder<br />

Lektion kann das erworbene Wissen anhand von Übungsaufgaben überprüft<br />

werden, wobei die Lösungen jeweils mitgeliefert werden. So kann<br />

der Lernerfolg selbst kontrolliert werden. Zum Abschluss des Lehrgangs<br />

wird ein Teilnahmezertifikat ausgestellt.<br />

205 http://www.arbeitundleben-nds.de/typ/html/<br />

206 http://www.geronto-care.de/gc.htm<br />

207 http://www.euroforumverlag.de/senioren<br />

208 Die fachliche Leitung haben Dr. Gundolf Meyer-Hentschel vom Meyer-Hentschel Institut Saarbrücken<br />

und Dipl.-Kfm. Alexander Wild, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Feierabend Online Dienste für<br />

Senioren AG in Frankfurt am Main inne.<br />

189<br />

Qualifizierung und Beratung


exIstenz-<br />

grÜnDungsberatung<br />

Aus einer Studie “Existenzgründungen und Gründungshemmnisse in Südniedersachsen<br />

sowie daraus abzuleitende Handlungsbedarfe“ geht hervor,<br />

dass immer mehr ältere Arbeitslose versuchen, sich selbstständig zu<br />

machen. Dies lässt sich vermutlich auf darauf zurückführen, dass ältere Arbeitslose<br />

bei der Situation auf dem Arbeitsmarkt größere Schwierigkeiten<br />

haben, eine abhängige Beschäftigung zu finden und aus diesem Grunde<br />

verstärkt eine Zukunftsperspektive in der Selbstständigkeit suchen. 0<br />

Für den Erfolg einer Existenzgründung ist die berufliche Erfahrung<br />

einschließlich einer genauen Marktkenntnis ausschlaggebend. Untersuchungen<br />

haben ergeben, dass die Existenzgründung aus der Arbeitslosigkeit<br />

heraus schwierig ist. 0 Von den erfolgreichen Gründern war<br />

demgegenüber nur die Hälfte vor der Gründung arbeitslos. Offenbar, so<br />

vermuten die Autoren der Studie, stellen die mit der Arbeitslosigkeit verbundenen<br />

Einschränkungen bei der Bildung von Kapital, der Sammlung<br />

von Berufserfahrung sowie der Herstellung von Kundenkontakten ein<br />

gravierendes Manko dar.<br />

Oftmals mangelt es an Wissen über Fördermaßnahmen. Im Rahmen der<br />

gemeinsamen Initiative „Start points“ der Wirtschaftsförderung Region<br />

Göttingen (WRG GmbH) des Landkreises Göttingen und der Stabsstelle<br />

Wirtschaftsförderung und Regionalplanung des Landkreises Northeim<br />

erfolgt eine individuelle Existenzgründungsberatung. Besondere Beratungsdienstleistungen<br />

für Jung-Senioren gibt es nicht. Der Verein zur<br />

Erschließung neuer Beschäftigungsformen (VEBF e.V.) bietet seit über<br />

zwanzig Jahren Existenzgründungsberatung in Göttingen an. Das Angebot<br />

richtet sich an arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Frauen<br />

und Männer sowie Menschen in beruflichen Umbruchphasen.<br />

Nach Einschätzung des VEBF bietet eine Existenzgründung Quereinsteigern<br />

und älteren Menschen eine Chance, ihre Erfahrungen und Qualifikationen<br />

beruflich zu nutzen bzw. einzubringen. Der VEBF widerspricht<br />

der These, dass durch den demographischen Wandel in der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

in größerem Umfang Stellen für Menschen ab 50 geschaffen<br />

werden können. Auch der regionale Markt sei hier schwierig. Es gebe<br />

zwar immer wieder Anfragen, die sich auf Dienstleistungen für Menschen<br />

ab 50 beziehen, diese Vorhaben seien aber oft von Fehleinschätzungen<br />

hinsichtlich der Marktchancen geprägt. Im Produktbereich sowie im Handel<br />

seien kaum Potenziale vorhanden. Im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen<br />

sei die Nachfrage zu gering. Im Produktbereich sowie im Handel<br />

sind zwar grundsätzlich vielfältige Potenziale vorhanden, diese besitzen<br />

jedoch keine regionale Relevanz, da kaum eine Bereitschaft besteht, für<br />

die Leistungen auch etwas zu bezahlen.<br />

Besondere Schwierigkeiten bereiten Existenzgründungen im Bereich höherwertiger<br />

Dienstleistungen. Auf den Märkten sind kaum noch Nischen<br />

vorhanden, der Verdrängungswettbewerb hat längst begonnen.<br />

209 Beyeler, Jörg et al. (2000): “Existenzgründungen und Gründungshemmnisse in Südniedersachsen<br />

sowie daraus abzuleitende Handlungsbedarfe. Eine arbeitsmarktpolitische Studie der Beratungsstelle<br />

MOBIL im Amt für Beschäftigungsförderung“, Stadt Göttingen. Göttingen, S. 141.<br />

210 Ebd.<br />

211 http://www.vebf.de/<br />

212 Gespräche mit dem Geschäftsführer Dr. York Winkler im Juli und August 2006<br />

190


Nach Erfahrung der Existenzgründungsberatung MOBIL der Beschäftigungsförderung<br />

Göttingen haben viele Menschen aus der Zielgruppe<br />

50plus hohes Interesse an Existenzgründungen, nur wenige wagen den<br />

Schritt in die Selbstständigkeit. Insbesondere vielen ALG-II-Empfängern<br />

fehlten Basisqualifikationen wie EDV-Kenntnisse, Sprachkenntnisse<br />

oder das für die Existenzgründung unbedingt nötige unternehmerisches<br />

Denken, darüber hinaus haben sie per se weniger Förderungsmöglichkeiten.<br />

Neben den genannten Institutionen, Banken und Sparkassen, der Industrie<br />

und Handelskammer, sowie weiteren Initiativen (u. a. Gründungen<br />

aus Hochschulen) arbeiten frühere Führungskräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Verwaltungen nach Abschluss ihrer Berufsphase in der<br />

Existenzgründungsberatung.<br />

So haben der bisherige Beauftragte des Vorstands für Qualitätsmanagement<br />

bei der TÜV-Gruppe Nord, der 66-jährige Rolf Schüler, sowie das 64jährige<br />

Ex-Vorstandsmitglied der Einbecker KWS Saat AG, Jochen Beyes,<br />

mit vier weiteren Managern im Jahr 2006 den “Manager Senior Service“<br />

gegründet. Das Team berät Mittelständler im Kammerbezirk der IHK Hannover.<br />

Zielgruppe sind kleinere und mittlere Unternehmen, die wachsen<br />

können, und mittelständische Unternehmen, die ins Trudeln geraten sind.<br />

In Phasen starken Wachstums kämen Geschäftsführer von KMU häufig<br />

nicht dazu, konzeptionell zu planen. Auch das Abgeben von Kompetenzen<br />

werde Unternehmern häufig zum Verhängnis, ebenso zu geringe Kenntnisse<br />

in den Bereichen Marketing, Finanzen und Vertrieb.<br />

Der Management Senior Service deckt mit seinem Angebot alle wichtigen<br />

Managementbereiche ab. Die Hälfte seiner Einnahmen geht an soziale<br />

Einrichtungen, die sich um den benachteiligten Nachwuchs kümmern,<br />

oder sie kommt kulturellen Zwecken zugute. Die beratenen Unternehmen<br />

spenden direkt an die gemeinnützige Einrichtung ihrer Wahl. Der einzelne<br />

Berater wirkt im Netzwerk als Coach und bietet seinen Erfahrungsschatz,<br />

seine Kenntnisse und seine Kontakte.<br />

Mehr als 30 ehemalige Vorstandsmitglieder, Unternehmer und leitende<br />

Angestellte aus Wirtschaft und Verwaltung haben sich als Wirtschafts-<br />

Senioren Hannover e.V. zum Ziel gesetzt, ihre Berufs- und Lebenserfahrung<br />

an die nächste Generation weiterzugeben. Die Berater kommen aus<br />

den verschiedenen Branchen und Bereichen. Sie kennen sich durch ihren<br />

ehemaligen beruflichen Alltag mit Problemen der wirtschaftlichen und<br />

personellen Fragen gut aus. Sie sind unabhängig und ehrenamtlich tätig.<br />

Verwaltungskosten werden in Rechnung gestellt. Der Verein wurde als<br />

erster seiner Art 1981 in Hannover gegründet und hat als Vorbild in anderen<br />

Regionen zu ähnlichen Gründungen geführt. Ein weiteres Beispiel für<br />

ehrenamtliche Existenzgründungsberatung ist der Bremer Senior Service<br />

e.V., Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Alt hilft Jung e.V. Hierbei<br />

handelt es sich um eine Gruppe von Führungskräften, die nach einem<br />

erfolgreichen Berufsleben aus der aktiven Tätigkeit ausgeschieden sind.<br />

213 http://www.beschaeftigungsfoerderung-goettingen.de/content/existenz_mobil.php<br />

214 Niedersächsische Wirtschaft, IHK-Zeitung Juni 2006<br />

215 Kontakt: IHK Hannover, Christian Treptow, 0511/3107411<br />

216 Wirtschafts-Senioren Hannover - Alt Hilft Jung e.V., Vahrenwalder Straße 7, 30165 Hannover, Tel.<br />

0511/9357310, Fax 0511/9357311, http://www.wirtschafts-senioren.de, ahjhannover@t-online.de<br />

217 http://www.existenzgruendung-bremen.de/index_15.php<br />

191<br />

Qualifizierung und Beratung


kommunen als<br />

Impulsgeber<br />

10 handlungsempfehlungen<br />

Viele Arbeitswissenschaftler behaupten, dass neue Produkte und Dienstleistungen,<br />

die speziell auf die Bedürfnisse Älterer ausgerichtet sind, auch<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten für die Generation 50plus schaffen. Tenor:<br />

Ältere lassen sich am liebsten von Älteren bedienen. Diese optimistische<br />

Einstellung kann die Studie, wie oben dargestellt, nicht verifizieren. Durch<br />

neue Angebote entstehen kaum Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere<br />

– und wenn in direkter Form überhaupt, dann vorwiegend in prekären<br />

Arbeitsverhältnissen wie etwa bei den 400-Euro-Jobs. Wenn zusätzliches<br />

Personal durch das Angebot neuer Produkte oder Dienstleistungen benötigt<br />

wird, profitieren davon in erster Linie die unter 50-Jährigen. Dennoch<br />

bieten die im Folgenden dargestellten Handlungsempfehlungen<br />

beschäftigungsrelevante Vorschläge für eine zukunftsorientierte <strong>Seniorenwirtschaft</strong>spolitik.<br />

Angesichts der finanziellen Situation der Kommunen lag die zentrale Arbeitsthese<br />

vor Beginn der Bearbeitung der Studie darin, keine zusätzlichen<br />

öffentlichen Angebote anzuregen. Diese Festlegung konnte nicht konsequent<br />

durchgehalten werden. Es hat sich gezeigt, dass die Kommunen<br />

in der Seniorenpolitik als Moderatoren und Initiatoren wichtig sind. Es<br />

sollte deshalb geprüft werden, ob vorhandene Personalkapazitäten in den<br />

Kommunalverwaltungen für diese Aufgabe umgewidmet werden können,<br />

ob neues Personal erforderlich ist oder ob die Aufgabenwahrnehmung<br />

regional gemeinsam, z. B. im Rahmen geeigneter bestehender Institutionen,<br />

organisiert werden kann.<br />

Die Umfragen unter Verantwortlichen von Kommunalverwaltungen haben<br />

ergeben, dass es eine auf die Altersgruppe 50plus abgestellte Wirtschafts-<br />

und Beschäftigungsförderung in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden<br />

bislang so gut wie nicht gibt. Die Hauptverwaltungsbeamten<br />

verweisen in ihren Stellungnahmen auf die Förderprogramme des Landkreises,<br />

dort insbesondere auf das Projekt „50plus – Erfahrung zählt!“.<br />

Beim Landkreis Göttingen bestand bis zum Jahr 2002 eine Seniorenberatungsstelle,<br />

die einen Teil der vorgeschlagenen Maßnahmen wahrgenommen<br />

hatte. Nach der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) und<br />

der Niedersächsischen Landkreisordnung (NLO) umfasst der Begriff der<br />

Gleichstellung das Verhältnis der Geschlechter. Es ist deshalb nicht zulässig,<br />

den Gleichstellungsbegriff in diesem Kontext auf die Gleichstellung<br />

der Generationen zu erweitern. Deshalb musste der Gedanke verworfen<br />

werden, eine Ausweitung der Aufgaben von Gleichstellungsbeauftragten<br />

vorzuschlagen. Es erscheint wichtig, das Thema Generationengerechtigkeit<br />

als Querschnittsaufgabe zu begreifen und in den Gemeinden eng mit<br />

den dort gegründeten Bündnissen für Familie zu verknüpfen.<br />

218 Der Bürgermeister der Gemeinde Friedland hält eine wirtschafts- und beschäftigungspolitische<br />

Initiative der 50plus-Generation für sinnvoll. Auch der Bürgermeister der Gemeinde Staufenberg setzt<br />

sich für eine stärkere Berücksichtigung der Belange Älterer ein. Nach der Kommunalwahl hat er Mitte<br />

September 2006, wie angekündigt, die Initiative zur Gründung eines Seniorenbeirats ergriffen.<br />

192


Besonders wichtig erscheinen die kommunalen Beiträge im Rahmen der<br />

im Mai 2006 gegründeten Landesinitiative für seniorengerechte Produkte<br />

und Dienstleistungen. Die Kommunen können dazu beitragen, das Bild des<br />

Alters positiv zu transformieren, die Transparenz über seniorengerechte<br />

Produkte und Dienstleistungen zu verbessern und die Erfahrungen Älterer<br />

für die Gesellschaft besser zu nutzen. Dazu gehört insbesondere auch die<br />

Stärkung des Selbstbewusstseins und sich für eigene und gesellschaftliche<br />

Interessen einzusetzen. Die geplante Einrichtung eines Runden<br />

Tisches „Leben und Wohnen im Alter – Ambulant betreute Wohngruppen“<br />

des Landkreises Göttingen kann ein erster Schritt sein. Der Kreistag hat<br />

im Mai 2006 die Verwaltung beauftragt, durch die Herausgabe eines<br />

„Senioreninfo Informationen für die Generation 60plus“ die Vielfalt der<br />

Angebote für Senioren im Landkreis darzustellen.<br />

Da zu erwarten ist, dass der Wettbewerb um Fachkräfte und um EinwohnerInnen<br />

allgemein innerhalb Deutschlands und in der Europäischen Union<br />

an Schärfe zunehmen wird, sollten die Initiativen ausgeweitet werden.<br />

Stadt und Landkreis Göttingen können sich – möglichst in Kooperation mit<br />

den Landkreisen Osterode am Harz und Northeim – durch eine strategisch<br />

angelegte Bevölkerungspolitik im Wettbewerb der Standorte positionieren<br />

und profilieren.<br />

Auch wenn die Kommunen nicht unmittelbar für mehr Beschäftigung in<br />

der Generation 50plus sorgen können, so haben sie doch die Chance,<br />

durch politische Diskurse und in enger Zusammenarbeit mit Unternehmern<br />

der Region zu einem Stimmungswechsel hin zu einem aktiven Umgang<br />

mit dem demographischen Wandel beizutragen. Seniorengerechtigkeit<br />

muss auch über die kurzfristige betriebswirtschaftliche Rentabilität hinaus<br />

gesehen werden. Städte und Gemeinden müssen lebenswert bleiben. Es<br />

dürfen keine Altenghettos entstehen. Die Verbesserung der Generationengerechtigkeit<br />

innerhalb des Landkreises Göttingen kann dazu beitragen,<br />

Fachkräfte anzuwerben und in Stadt und Landkreis zu halten.<br />

Vor diesem Hintergrund wird die Prüfung folgender Projekte vorgeschlagen:<br />

1.<br />

2.<br />

Der Landkreis Göttingen schreibt einen Wettbewerb „Die seniorengerechte<br />

Kommune“ aus. Wichtigste Zielsetzung ist es, zu einer<br />

Diskussion über die Frage anzuregen, was eine seniorengerechte<br />

Kommune auszeichnet. Dabei müssen unterschiedliche Aspekte<br />

berücksichtigt werden. Interessant sein dürfte die Diskussion innerhalb<br />

der Stadt- und Gemeinderäte, ob die jeweilige Kommune<br />

wirklich seniorengerecht sein möchte, ob sich diese Orientierung<br />

nur an die bisherigen BewohnerInnen richtet oder ob mit einem<br />

solchen Qualitätssiegel gezielt um (ältere) NeubürgerInnen geworben<br />

werden soll.<br />

Die kommunalen Wirtschaftsfördereinrichtungen motivieren im<br />

Rahmen eines Modellversuchs fünf unterschiedlich große Unternehmen<br />

aus verschiedenen Branchen, einen Demographie-Check<br />

durchzuführen. Dabei soll die „Demographie-Festigkeit“ des Unternehmens<br />

bzw. seiner Produkte getestet werden. Die „Demographie-Festigkeit“<br />

macht Aussagen dazu, inwieweit Produkte und<br />

193<br />

Handlungsempfehlungen


3.<br />

4.<br />

5.<br />

6.<br />

7.<br />

Dienstleistungen auch in einer weiter alternden Gesellschaft mit<br />

ihren sich verändernden Anforderungen einen positiven Beitrag zum<br />

Unternehmensergebnis leisten können.<br />

Es wird eine Untersuchung über Motive und Umfang überregionaler<br />

Wanderungsbewegungen in Auftrag gegeben. Dabei geht<br />

es um eine differenzierte Ursachen-/Wirkungsanalyse, möglichst<br />

differenziert nach Gemeindeebene, eine empirische Erfassung der<br />

Wanderungsmotive sowie die Identifizierung von Einflussfaktoren<br />

für Wanderungsbewegungen. Die Untersuchung soll insbesondere<br />

Aussagen darüber machen, welche Einflussmöglichkeiten Kommunen<br />

haben, um Zuzüge zu fördern und Wegzüge zu verhindern.<br />

Ausgehend von dieser Untersuchung wird eine Initiative unter dem<br />

Arbeitstitel “In den Landkreis Göttingen der Enkel wegen“ gestartet.<br />

Angesprochen werden JungseniorInnen, deren Kinder im Stadt- und<br />

Landkreis Göttingen wohnen und eine Familie gegründet haben.<br />

Die Vorsitzenden der Seniorenbeiräte der Städte und (Samt-)Gemeinden<br />

finden sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, in der<br />

ein Erfahrungsaustausch stattfindet und in der darüber hinaus z. B.<br />

Kooperationen für die Ausrichtung gemeinsamer Veranstaltungen<br />

konzipiert werden.<br />

In Abstimmung mit IHK, Einzelhandelsverband und Citymarketing-<br />

Initiativen wird ein Alterssimulator (Age-Explorer) zum ganztägigen<br />

Einsatz in den Innenstädten von Göttingen, Duderstadt und Hann.<br />

Münden gemietet. Wie fühlt man sich mit 70? Um die fehlende<br />

Erfahrung junger Manager im Umgang mit den alltäglichen Problemen<br />

älterer Menschen für einige Stunden zu kompensieren,<br />

hat Meyer-Hentschel Management Consulting in Saarbrücken den<br />

„Age Explorer“ entwickelt. Dabei handelt es sich um ein komplexes<br />

System. So werden mit einem Spezialvisier das veränderte Farbensehen<br />

und die altersbedingten Veränderungen der Sehschärfe<br />

simuliert. Jüngere können dadurch das Sehvermögen im Alter und<br />

die Konsequenzen für die Wahrnehmung von Produkten erleben.<br />

Weitere Elemente simulieren nachlassende Kraft, eingeschränkte<br />

Beweglichkeit und reduziertes Hörvermögen. Der Age Explorer kann<br />

dazu beitragen, Verhalten gegenüber älteren Kunden, Produkten und<br />

Dienstleistungen zu verändern.<br />

In Kooperation mit der Stadt Göttingen und möglichst mit einem<br />

privaten Veranstaltungsmanagement richtet jeweils eine kreisangehörige<br />

Kommune im Landkreis Göttingen jährlich einen Tag der<br />

älteren Generation aus. Nach den Vorbildern in Braunschweig (Juli<br />

2006) und Bovenden (September 2006) handelt sich dabei um einen<br />

Mix aus Unterhaltung und Information. Motto: „Senioren gestalten<br />

die Zukunft!“ Gewerbliche Anbieter und Senioren-Organisationen<br />

stellen ihre Angebote und Produkte vor. Die Palette der Themen reicht<br />

von Möglichkeiten der aktiven Lebens- und Freizeitgestaltung über<br />

die Weiterbildung bis zur Pflege und Gesundheit. Auch Sport- und<br />

Weiterbildungsangebote, wie zum Beispiel Nordic-Walking, werden<br />

präsentiert. Erster Schwerpunkt kann das Thema Wohnen sein.<br />

194


8.<br />

9.<br />

10.<br />

11.<br />

12.<br />

13.<br />

Es wird ein Modellvorhaben mit der Zielsetzung gestartet, die Wohnflächen<br />

nebeneinander liegende Häuser (z. B. auch durch Galerien)<br />

zu verbinden und für sie gemeinsam einen Fahrstuhl an der von der<br />

Straße abgewandten Gebäudeseite zu installieren. Die Kommunen<br />

prüfen baurechtliche Aspekte und sprechen in einem zweiten<br />

Schritt die infrage kommenden Hausbesitzer in geeigneter Form an.<br />

Aufgrund der Einkaufs- und Kommunikationsmöglichkeiten haben<br />

viele Ältere Interesse am Wohnen in Kernstädten. Vielfach ist der<br />

Zugang zu den Wohnungen aber erschwert. Insbesondere in Fachwerkstädten<br />

wie Duderstadt, Hann. Münden und den historischen<br />

Teilen der Stadt Göttingen ist es unter verschiedenen Aspekten, z.<br />

B. Denkmalschutz, bislang schwierig oder gar unmöglich, Fahrstühle<br />

in den Baubestand zu integrieren.<br />

Die Internetportale von Stadt und Landkreis Göttingen werden um<br />

Seniorenplattformen mit folgenden Angeboten ergänzt: Beratungsangebote,<br />

Wohnen im Alter, Finanzielle Leistungen, Übersicht<br />

über die bestehenden Pflege- und Altenheime, Pflegedienste und<br />

Einrichtungen des betreuten Wohnens (inkl. deren Leistungen und<br />

Kosten), Freizeit und Hobby, ehrenamtliches Engagement, Bildung,<br />

Veranstaltungen, rechtliche Betreuung, Senioreninitiativen, spezielle<br />

Themen, Altenhilfeplanung, Einkaufsführer, Reiseangebote und<br />

Naherholung, Berichte aus den Gemeinden und Ortsteilen, Links,<br />

Downloads und eine Möglichkeit zur Meinungsäußerung.<br />

Mit der Kommunalen Datenverarbeitung Südniedersachsen (KDS)<br />

und anderen Anbietern wird bezüglich barrierefreier Internetauftritte<br />

der Kommunen Kontakt aufgenommen. Den Kommunen kommt hier<br />

eine Vorbildfunktion zu.<br />

Insbesondere in ländlichen Gebieten fällt es Initiatoren von Veranstaltungen<br />

und Reisen schwer, auf genügend Resonanz bei ihren<br />

Zielgruppen zu stoßen. Bei der Ankündigung solcher Initiativen wird<br />

darauf geachtet, dass die Informationen nicht nur über die jeweiligen<br />

Gemeindeblätter, sondern auch in den Nachbarorten vermittelt werden.<br />

Damit wird erreicht, dass Fahrten tatsächlich zustande kommen<br />

bzw. Veranstaltungen ausreichend besucht werden.<br />

Kommunen regen bei Vereinen und Verbänden die Ausrichtung von<br />

fachspezifischen Vorträgen und Veranstaltungen an – z. B. zu den<br />

Themen Erben, Vererben und Vorsorgevollmacht. Trotz vielfältiger<br />

Angebote besteht hier noch erheblicher Informationsbedarf.<br />

Gemeinsam mit der Vereinigung Alumni Göttingen e.V. werden SeniorInnen,<br />

die früher in Göttingen studiert haben, auf Besuche in Stadt<br />

und Landkreis Göttingen angesprochen. Es wird ein touristisches<br />

Paket zusammengestellt, das den Ansprüchen dieser Zielgruppe<br />

entspricht.<br />

219 Siehe beispielhaft http://www.braunschweig.de/soziales_senioren/senioren/<br />

195<br />

Handlungsempfehlungen


HanDwerk unD<br />

woHnen<br />

14.<br />

15.<br />

16.<br />

17.<br />

18.<br />

Für Senioren gibt es ein vielfältiges Freizeitangebot – vom Fitnessstudio<br />

bis zum Barfuß-Wanderweg in Nienhagen. Es wird deshalb<br />

empfohlen, in Abstimmung mit der Stadt Göttingen und in Kooperation<br />

mit einem privaten Verlag einen Freizeitführer für Senioren<br />

herauszugeben. Es wird überprüft, ob dieser Freizeitführer an alle<br />

SeniorInnen des Landkreises verschickt werden kann.<br />

Erstellt und versandt wird ein Informationsbrief an alle BürgerInnen,<br />

die 63 Jahre alt werden. Ähnlich wie das Seniorenbüro Braunschweig<br />

wird auf die verschiedenen Angebote für Senioren eingegangen, also<br />

auch auf Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren. Außerdem<br />

weist der Landkreis Göttingen auf die verschiedenen Fortbildungs-<br />

und Beratungsangebote für Senioren hin.<br />

Nach dem Auszug von Kindern und dem Tod des Partners leben<br />

viele ältere Menschen in großen Wohnungen. Gleichzeitig fehlt es<br />

an bezahlbarem Wohnraum für Kinderreiche Familien. Es wird überprüft,<br />

inwieweit eine Wohnungstauschbörse zum Ausgleich dieser<br />

Angebote beitragen kann.<br />

Der Landkreis Göttingen regt bei geeigneten Initiatoren Fahrten<br />

zu Modellvorhaben, z. B. nach Großräschen (Brandenburg, Seniorenkaufhaus),<br />

Braunschweig (kommunales Seniorenbüro sowie<br />

Senioreninitiativen), Herten (seniorenfreundliche Stadt) und nach<br />

Paderborn (Zentrum für Gerontotechnik) an.<br />

In den Gemeinden werden Boule-Bahnen angelegt. Dazu ist es in<br />

erster Linie erforderlich, einen geeigneten Standort zu finden. Er<br />

sollte zentral liegen und Kommunikations- und Sitzmöglichkeiten<br />

eröffnen. Die Bahn muss ca. 15 Meter lang sein und aus verdichtetem<br />

Sandboden bestehen. Es bietet sich an, für die Anlage einer<br />

solchen Boule-Bahn auch auf die Leistungen motivierter, fitter Senioren<br />

zurückzugreifen.<br />

Wie dargestellt, ist das Wohnen im Alter ein vielschichtiges Thema mit<br />

verschiedenen Aufgabenfeldern und verschiedenen Zielgruppen. Die<br />

steigende Zahl älterer BürgerInnen erfordert von Handwerk, Wohnungswirtschaft<br />

und Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft neue Strategien.<br />

Es gibt eine Reihe baulicher Maßnahmen und technischer Hilfsmittel, die<br />

das Wohnen zu Hause erleichtern, die derzeit aber noch wenig verbreitet<br />

sind. Unter Stichworten wie “das intelligente Heim“ und “smarter Wohnen“<br />

sind Produkte verfügbar, die mit relativ geringem finanziellen Aufwand<br />

die Wohnqualität bei eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit<br />

wesentlich verbessern können.<br />

Im gewerblichen Bereich ist eine steigende Nachfrage nach seniorengerechtem<br />

bzw. barrierefreien Wohnraum zu verzeichnen, die vor allem in den<br />

hochpreisigen Segmenten gut befriedigt wird. Wohnungsgesellschaften<br />

und Bauträger sind zu weiten Teilen auf dieses wachsende Geschäftssegment<br />

eingestellt. Allerdings bestehen im Bereich der preiswerten<br />

Angebote Defizite. Zur Steigerung der Kundenzufriedenheit sollten beste-<br />

196


hende Serviceangebote ausgeweitet werden: Eine gute Mieterbetreuung<br />

führt zu größerer Zufriedenheit, weniger Mieterfluktuation und stärkt die<br />

Konkurrenzfähigkeit der Anbieter.<br />

Für das Handwerk entsteht eine Reihe relevanter Konsumtrends. Dazu<br />

zählen neben der Verschönerung und Verbesserung des Wohnumfeldes<br />

(seniorengerechtes und barrierefreies Wohnen), Sicherheit und Schutz sowie<br />

Gesundheitsprodukte (Bio-Produkte, natürliche Baustoffe, Wohn-Wellness),<br />

vor allem eine stärkere Serviceorientierung. Durch Spezialisierung<br />

auf Luxus- und Statusprodukte können sich Handwerksbetriebe auch auf<br />

Dienstleistungen spezialisieren, die sie SeniorInnen mit überdurchschnittlichem<br />

Einkommen anbieten.<br />

1.<br />

Es wird hiermit vorgeschlagen, mit geeigneten Partnern ein Zentrum<br />

“Wohnen im Alter“ zu gründen. Kunden sind SeniorInnen, die ihre<br />

eigene Wohnung seniorengerechter gestalten oder in eine seniorengerechte<br />

Wohnung umziehen wollen, Handwerksbetriebe, die<br />

Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Wohnen im Alter<br />

anbieten wollen und dafür Anregungen und Kooperationspartner<br />

suchen sowie die Wohnungswirtschaft. Das Göttinger Zentrum<br />

“Wohnen im Alter“ hat folgende Aufgaben:<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

4.<br />

5.<br />

6.<br />

7.<br />

8.<br />

9.<br />

Es stellt Transparenz her über die Projekte seniorengerechten<br />

Wohnens in Stadt und Landkreis Göttingen sowie in der gesamten<br />

Region,<br />

gibt einen Überblick über neue bauliche und technische<br />

Maßnahmen zur Verbesserung der Seniorengerechtigkeit von<br />

Wohnraum,<br />

leistet in Abstimmung bestehender Angebote z. B. der Wohnungswirtschaft<br />

Wohnungsanpassungsberatung für SeniorInnen,<br />

führt SeniorInnen zusammen, die gemeinsam neue Wohnprojekte<br />

planen und umsetzen wollen,<br />

richtet Veranstaltungen aus und informiert in anderer Form<br />

(z. B. über eine Internetplattform) über Aspekte des Themas<br />

Wohnen im Alter,<br />

berät Handwerksbetriebe (auch aufsuchend) über neue Produkte<br />

und Dienstleistungen, die die Seniorengerechtigkeit von<br />

Wohnraum fördern,<br />

fördert Kooperationen von Handwerksbetrieben mit dem Ziel,<br />

seniorengerechte Angebote „aus einer Hand“ zu gestalten,<br />

arbeitet bei der Weiterentwicklung seiner Aufgaben eng mit<br />

Architekten bzw. der Architektenkammer sowie den Kommunen<br />

(insbesondere für die Aufstellung von Bebauungsplänen)<br />

zusammen,<br />

sensibilisiert die Öffentlichkeit über die Bedeutung des Themas<br />

Wohnen im Alter.<br />

197<br />

Handlungsempfehlungen


Partner der Einrichtung sind Innungen, die Kreishandwerkerschaft<br />

Südniedersachsen, die Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen,<br />

das Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und<br />

Handwerk der Universität Göttingen und die Architektenkammer. Ihr<br />

gemeinsames Interesse liegt darin, noch ungenutzte Auftragspotenziale<br />

zu identifizieren und im Interesse der Betriebe zu nutzen. Das<br />

Interesse der Sozialhilfeträger liegt darin, dass SeniorInnen so spät<br />

wie möglich in eine (teure) stationäre Pflegeeinrichtung wechseln.<br />

Beteiligt werden auch Wohnungsgesellschaften und andere große<br />

Vermieter. Ihr Interesse ist es, die langfristige Vermietbarkeit ihrer<br />

Wohnungen auch zu Zeiten des demographischen Wandels sicherzustellen.<br />

Wichtige Herausforderung bei der Gestaltung dieses<br />

Angebots ist es, die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten<br />

so zu bündeln, dass eine klare Aufgabenstellung formuliert werden<br />

kann. Vorbild für das vorgeschlagene Göttinger Zentrum “Wohnen<br />

im Alter“ ist eine vergleichbare Einrichtung der Handwerkskammer<br />

Düsseldorf.<br />

2. In Abstimmung mit der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen<br />

wird eine Initiative „seniorenorientierte Weiterbildung“<br />

für Handwerker gestartet. Sie umfasst Beratungsdienstleistungen für<br />

die Personalentwicklungsplanung (einschließlich der Weiterbildungsplanung,<br />

und altersgerechter Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung)<br />

von Handwerksbetrieben und die Schulung von Beschäftigten.<br />

Zielsetzung ist es, die Angebote der Handwerksbetriebe stärker an<br />

den Bedürfnissen von SeniorInnen zu orientieren und neue Marketingansätze<br />

zu realisieren. Eine demographiefeste Arbeits- und<br />

Personalplanung bedingt eine permanente Weiterqualifizierung der<br />

älteren Mitarbeiter. Das verstärkte Einbinden erfahrener Beschäftigter<br />

in die Betriebsabläufe und das Aktivieren ihres Know-hows<br />

sind erste Schritte bei der Bewältigung des demographischen<br />

Wandels. Darüber hinaus besteht ein Bedarf an grundlegenden Bildungsangeboten,<br />

die die altersspezifischen Bedürfnisse und Anforderungen<br />

aufzeigen. Dazu gehört die Vermittlung von Verständnis<br />

für die Probleme, welche sich aus den verschiedenen geriatrischen<br />

Einschränkungen und Krankheitsbildern ergeben und auf die Lebensumstände<br />

älterer Menschen einwirken. Diese Einsichten gilt es<br />

nicht nur für eine Verbesserung der innerbetrieblichen Strukturen<br />

im Hinblick auf ältere Mitarbeiter zu nutzen, sondern auch für eine<br />

Anpassung an die speziellen Bedürfnisse des Seniorenmarktes hinsichtlich<br />

produktspezifischer sowie sozialer Qualitäten. Insbesondere<br />

den kleinen und auch mittleren Betrieben des Handwerks muss<br />

hier eine Hilfestellung gegeben werden, um deren größenbedingte<br />

Nachteile auszugleichen.<br />

3. Es wird eine (möglichst mit dezentraler Wirkung) eine Vermittlungsstelle<br />

für haushaltsnahe Dienstleistungen eingerichtet. Offenbar<br />

besteht erheblicher Bedarf älterer Menschen, sich im Alltag helfen<br />

zu lassen. Dazu gehören auch Gartenpflege, Handlangerdienste<br />

sowie die Betreuung.<br />

198


4. In Abstimmung mit Herstellern, Handwerk, Verbraucherberatung,<br />

Wohnungsgesellschaften und anderen großen Vermietern wird<br />

eine barrierefreie Wohnung eingerichtet und als Modellwohnraum<br />

zu Besuchen zur Verfügung gestellt.<br />

Angesichts der demographischen Entwicklung im Landkreis Göttingen<br />

wird die Bedeutung der über 50-Jährigen als Konsumenten zunehmen.<br />

Dabei ist zu beachten, dass es sich hierbei nicht um eine homogene Zielgruppe<br />

handelt. Produkte und Dienstleistungen sowie deren Bewerbung<br />

sollten seniorengerecht sein, ohne “omahaft“ zu wirken. Probleme im<br />

Umgang mit Produkten des täglichen Bedarfs behindern deren Vermarktung<br />

massiv.<br />

Einkaufen ist insbesondere für Ältere nicht nur ein Versorgungsvorgang,<br />

sondern bietet auch die Möglichkeit zur Kommunikation, Service hat<br />

daher auch immer eine persönliche Note. Bei älteren Kunden lohnt sich<br />

die Beratung mehr, weil sie die Kaufentscheidung eher Informationen<br />

des Verkaufspersonals stützen als junge. Bei der Beratung ist neben der<br />

fachlichen auch die sprachliche Fähigkeit des Verkäufers wichtig. Gerade<br />

von jüngeren Menschen erwarten Senioren Respekt, einen freundlichen<br />

und zuvorkommenden Umgangston. Senioren schätzen eine persönliche<br />

Beratung, weil ihre Bedürfnisse und Wünsche häufig speziell sind.<br />

Zuzustimmen ist dem Vorsitzenden des Landesseniorenrates Niedersachsen,<br />

der wenig von dem Konzept des Seniorenkaufhauses hält. 0 Es sollte<br />

auch darauf verzichtet werden, “Seniorenecken“ in Supermärkten einzurichten.<br />

Gesunde Senioren sind mobil und flexibel. Ihnen ist es möglich,<br />

sich auch ohne diese Einrichtung einen Überblick über seniorengerechte<br />

Produkte und Dienstleistungen zu verschaffen.<br />

Viel wichtiger ist eine kompetente Beratung im Handel allgemein. Häufig<br />

bringen Senioren älteren Verkäufern mehr Vertrauen gegenüber als jüngeren.<br />

Es kommt immer darauf an, dem Konsumenten bei der Beratung<br />

den Spielraum zu geben, sich selbst zu entscheiden. Während früher eine<br />

altenspezifische Bekleidung vorherrschte, tragen heute auch 70-jährige<br />

Menschen Jeans. Da Marketingfachleute raten, älteren Personen zielgruppenorientiert<br />

anzusprechen, aber nicht als Senioren zu bezeichnen, wird<br />

der Vorschlag abgelehnt, ein regionales Göttinger Gütesiegel “seniorengerecht“<br />

einzuführen.<br />

Initiativen für Verbesserung der Seniorengerechtigkeit des Handels bestehen<br />

aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen. Gemeinsam mit Vertretern<br />

des Handels wird geprüft, ob ein seniorengerechter Supermarkt als Modellprojekt<br />

mit Aspekten wie den Folgenden eingerichtet werden kann:<br />

Gestaltung der Schaufenster: die Preisschilder sind klar und deutlich zu<br />

lesen, der Preis ist den ausgestellten Ware leicht zuzuordnen, an Treppen<br />

werden beidseitig Geländer angebracht, Türen sind leichtgängig, Ruhebereiche<br />

werden eingerichtet. Der Bürgersteig ist rutschfrei. Standorte für<br />

220 Gespräch mit Dr. Christoph Steinbach am 5. April 2006<br />

199<br />

Handlungsempfehlungen<br />

HanDel


Einkaufswagen sind sowohl am Eingangsbereich des Ladens als auch am<br />

Parkplatz vorhanden. Seniorenparkplätze werden in Eingangsnähe ausgewiesen.<br />

Bei der Ladengestaltung wird auf eine orientierungsfreundliche<br />

Gestaltung geachtet, der wichtigste Punkt ist dabei die Wegeführung.<br />

Trend ist es, sich von den üblichen, rechtwinkligen Wegeführungen zu<br />

verabschieden und den Kunden in den Mittelpunkt der Betrachtung zu<br />

stellen. Bei Älteren besteht die Gefahr, dass bei Orientierungsproblemen<br />

ein unangenehmes Gefühl der Unterlegenheit und damit eine negative<br />

Kaufstimmung entsteht, die Einfluss auf Produktbewertung und -auswahl<br />

hat.<br />

Im Eingangsbereich werden Orientierungstafeln aufgestellt, bei denen<br />

durch Knopfdruck auf die gewünschte Ware eine Lampe mit dem entsprechenden<br />

Standplatz aufleuchtet. Die Schrift ist groß genug und wird durch<br />

Bilder ergänzt. Zusätzlich tragen Übersichtspläne über die Ladengestaltung<br />

dazu bei, den Senioren ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Wegweiser und<br />

Bodenpfeile helfen an Wegkreuzungen, die Orientierung zu behalten.<br />

Es wird darauf geachtet, dass Senioren häufig langsamer sind und längere<br />

Zeit an einer Stelle bleiben, um sich über ein Produkt zu informieren.<br />

Sie sollen dabei nicht das Gefühl haben, andere zu behindern. Rund ein<br />

Fünftel aller Senioren erledigt den Einkauf mit dem Fahrrad. Es ist also<br />

wichtig, über ausreichend (gute, möglichst überdachte) Fahrradständer zu<br />

verfügen. Zwei Drittel der Senioren legen Wert darauf, in den Geschäften<br />

Sitzgelegenheiten zu erhalten. Senioren, die mit dem Bus zum Einkaufen<br />

fahren, kaufen häufiger ein und dann nur geringere Mengen. Große Einkaufswagen<br />

empfinden sie als unhandlich und sperrig. Kleinere Körbe sind<br />

eine sinnvolle Alternative. Einkaufswagen sollen leicht funktionieren, eine<br />

Ablage besitzen und häufiger auf Funktionsfähigkeit untersucht werden.<br />

Idealerweise werden Einkaufswagen mit Papier und Stiften sowie einer<br />

Halterung für Gehstöcke ausgerüstet. Für Ältere ist es wichtig, dass auf<br />

jeder Etage eine nicht zu kleine, mit Haken für Jacken und Taschen ausgerüstete<br />

Toilette vorhanden ist.<br />

Für Regenschirm und Taschen sind Aufbewahrungsmöglichkeiten und<br />

Schließfächer vorhanden. Denkbar ist es, bereits am Eingang zu den<br />

Geschäften auf den Bringservice aufmerksam zu machen. Die Hälfte der<br />

Senioren würde für diesen Dienst einen Mindesteinkaufswert akzeptieren.<br />

Häufig wurde beobachtet, dass altengerechte Produkte in den Läden<br />

weit hinten angeboten werden. Eine bessere Präsentation würde auch<br />

zu mehr Umsatz führen.<br />

Obstangebote aus dem Ausland werden erläutert, insbesondere was<br />

Herkunft und Zubereitungsmöglichkeiten angeht. Der Bestand an Einkaufswagen<br />

wird überprüft, es werden leichtere Einkaufswagenmodelle<br />

angeschafft, die – wie auf Flughäfen – mit einer Handbremse ausgestattet<br />

sind. Sie sind leichtgängig und dürfen nicht unabsichtlich blockieren und<br />

nicht zur Seite driften. Einkaufswagen werden am Eingang sowie an den<br />

Parkplätzen aufgestellt, um längere Wege zu vermeiden, sie sind auch nach<br />

vorne zu öffnen, um das Umladen der Waren ins Auto zu ermöglichen. Es<br />

werden höhenverstellbare Einkaufswagen angeschafft.<br />

200


Sonderangebote werden deutlich gekennzeichnet – ein Vergleich mit dem<br />

alten Preis ist leicht möglich. Es werden keine grellen und schlecht lesbaren<br />

Farben verwandt. Seniorenorientierte Waren werden nicht zu hoch<br />

oder zu niedrig platziert. Getränkekisten werden nicht zu hoch gestapelt.<br />

Tiefkühlschränke lösen wegen der besseren Entnahmemöglichkeiten<br />

der Produkte Truhen ab. Es erfolgt eine deutliche und große Preisauszeichnung.<br />

Durch Pfeile o. Ä. wird Klarheit darüber geschaffen, ob der<br />

Preis zu einem unteren oder oberen Regal gehört. Eine Umstellung von<br />

Waren innerhalb der Geschäfte sollte nur erfolgen, wenn dies unbedingt<br />

notwendig ist. Häufige Änderungen verwirren Senioren. In Einzelfällen<br />

kann es sinnvoll sein, Hinweisschilder an den alten Plätzen anzubringen,<br />

die erklären, wo sich die Ware nun befindet.<br />

Eingänge sind ebenerdig und gut beleuchtet. Preisauszeichnungen kleben<br />

nicht auf dem Haltbarkeitsdatum und anderen wichtigen Informationen.<br />

Leihkühltaschen werden im Laden zur Verfügung gestellt. Trinkwasserbehälter<br />

werden aufgestellt. Ein Infostand für Senioren mit einem Ansprechpartner<br />

bindet Kunden ebenso wie gut ausgeschilderte Kundentoiletten<br />

oder überdachte Parkplätze oder Parkhäuser. Die Schrift auf Kassenbons<br />

ist gut zu lesen, die Artikel verständlich aufgeführt. Sonderkassen für<br />

Ältere können Rücksicht darauf nehmen, dass Senioren langsamer bezahlen,<br />

weil sie schlechter sehen, das Geld schlechter erkennen und evtl.<br />

langsamer zusammenrechnen. Stehhilfen vor der Seniorenkasse können<br />

für Entlastung sorgen. Die Kassenbereiche werden so gestaltet, dass ein<br />

Rollstuhl oder Rollator hindurchpasst. Schnellkassen sind für Senioren<br />

doppelt wichtig: Sie müssen nicht so lange warten und fühlen sich auch<br />

nicht von nachfolgenden jüngeren Leuten bedrängt. Ein Scanner am Einkaufswagen<br />

der die Preise anzeigt und addiert erleichtert den Einkauf. An<br />

den Regalen hängen Lupen.<br />

Über diese Einzelvorschläge hinaus werden folgende Handlungsempfehlungen<br />

gegeben:<br />

1.<br />

2.<br />

Gemeinsam mit einer Telefongesellschaft wird ein Modellvorhaben<br />

“Die generationengerechte Beratung“ gestartet. Zunächst erfolgt<br />

eine gezielte Schulung der BeraterInnen im Sinne des Leitsatzes:<br />

Immer an das Alter des Kunden denken, aber niemals drüber sprechen.<br />

Im Rahmen des Modellvorhabens wird zweitens ein Beratungsservice<br />

eingerichtet, der sich gezielt am Informationsbedürfnis von<br />

SeniorInnen orientiert und so auch gekennzeichnet wird. Denkbar ist<br />

drittens die Einrichtung eines gesonderten “generationengerechten<br />

Telefonladens“.<br />

Gemeinsam mit dem Betreiber eines Computerladens wird ein<br />

Modellvorhaben “Die generationengerechte Beratung“ gestartet.<br />

Zunächst erfolgt eine gezielte Schulung der BeraterInnen im Sinne<br />

des Leitsatzes: Immer an das Alter des Kunden denken, aber niemals<br />

drüber sprechen. Im Rahmen des Modellvorhabens wird zweitens<br />

ein Beratungsservice eingerichtet, der sich gezielt am Informationsbedürfnis<br />

von SeniorInnen orientiert und so auch gekennzeichnet<br />

wird. Denkbar ist drittens die Einrichtung eines gesonderten “generationengerechten<br />

Computerladens“.<br />

201<br />

Handlungsempfehlungen


ambulante pflege<br />

3.<br />

4.<br />

5.<br />

Innenstadt-Marketing-Einrichtungen starten gemeinsam mit dem<br />

Handel Initiativen zum generationengerechten Innenstadthandel.<br />

Zunächst wird bei der Ausrichtung von Aktivitäten wie Stadtfesten<br />

etc. auf Senioreninteressen besonders Rücksicht genommen, z. B.<br />

was Sitzgelegenheiten angeht.<br />

Es wird ein Modellvorhaben “Reklamationsmanagement“ gestartet.<br />

Das Handelsmarketing für Senioren unterscheidet mit tatsächlichen,<br />

ehemaligen und möglichen Kunden drei wichtige Kundengruppen.<br />

Dabei ist zu beachten, dass sich nur wenige tatsächlichen Kunden<br />

äußern, wenn sie unzufrieden sind. Gute Kundenorientierung im<br />

Handel wird von allen Konsumentengruppen für wichtig erachtet.<br />

Fehlt sie, werden aus tatsächlichen Kunden ehemalige Kunden.<br />

Das gilt insbesondere auch für Senioren. Jeder Beschwerde sollte<br />

deshalb nachgegangen werden. In Abstimmung mit Innenstadt-Marketing-Initiativen<br />

werden Weiterbildungsveranstaltungen zum Thema<br />

„professionelles Beschwerdemanagement im Handel“ angeboten.<br />

Es wird geprüft, welche Anreize seitens der Kommunen für die Etablierung<br />

von Nahversorgungszentren in räumlicher Nähe zu Anlagen<br />

des betreuten Wohnens gegeben werden können. Es bestehen<br />

Ausbauchancen für angeschlossene Dienstleister, z. B. Cafés, Friseur,<br />

Einkaufsdienste, Fußpflege, die auch von älteren Arbeitnehmern<br />

geleistet werden können.<br />

Die Hilfesysteme für pflegebedürftige Menschen stehen vor neuen Herausforderungen.<br />

Die Träger der ambulanten und der stationären Pflege<br />

sind gefordert, neue Strategien zu entwickeln, damit die Einrichtungen im<br />

Wettbewerb bestehen können. Sowohl der Bereich der Gesundheitswirtschaft<br />

als auch der Bereich der ambulanten Pflege ist von der Thematik<br />

aber vor allem auch durch die Vielzahl von Akteuren sehr unübersichtlich<br />

und komplex. Um über eine Weiterentwicklung der ambulanten Pflege<br />

bzw. über neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu diskutieren, könnte eine<br />

Pflegekonferenz bzw. ein Pflegeforum umgesetzt werden.<br />

Es wird Folgendes empfohlen:<br />

1.<br />

Es wird ein Pflegeforum veranstaltet, das insbesondere die Frage<br />

klären soll, ob die Etablierung einer Pflegekonferenz für den Landkreis<br />

Göttingen sinnvoll ist. Beteiligt werden neben den Leistungserbringern<br />

auch die Betroffenen (Selbsthilfegruppen, Angehörigengruppen,<br />

Seniorenrat, etc.), die Kostenträger und sonstige Akteure<br />

(Wohlfahrtsverbände, Altenpflegeschulen, etc.) sowie ggf. die<br />

Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen. Dem Pflegeforum<br />

vorgeschaltet werden sollten vertiefende Interviews, deren<br />

Ergebnisse vorgestellt und diskutiert werden. Es ist davon auszugehen,<br />

dass die Pflegedienste die Bedarfe ihrer Klienten gut kennen<br />

221 Die Landkreise und kreisfreien Städte erstellen nach §4 des Niedersächsischen Pflegegesetz (NpflegeG)<br />

einen örtlichen Pflegeplan. Darüber hinaus können nach §5 NpflegeG örtliche Pflegekonferenzen<br />

gebildet werden, um dort Fragen der pflegerischen Versorgung der Bevölkerung, der notwendigen pflegerischen<br />

Versorgungsstruktur und der Koordinierung von Leistungsangeboten zu beraten.<br />

202


2.<br />

und deshalb auch die Nachfragepotenziale im Bereich barrierefreies<br />

Wohnen gut einschätzen können. Diese Kenntnisse werden damit<br />

auch dem Handwerk erschlossen. Im Kreis Minden-Lübbecke hat<br />

NADel e.V. ein Netzwerk von zehn ambulanten Diensten gebildet.<br />

Im Vordergrund stehen die qualitative Selbstkontrolle und eine<br />

vertrauensvolle Zusammenarbeit. So ist die Aufnahme in NADel e.<br />

V. an die Qualitätsrichtlinien nach § 80 SGB XI gebunden und muss<br />

durch die Träger rechtsverbindlich erklärt werden. Das Netzwerk<br />

beschäftigt sich unter anderem mit folgenden Themen: Planung<br />

gemeinsamer Fortbildungen, Abgleich der Abläufe in den Diensten,<br />

Hilfen bei der Personalakquise, Entwicklung eines Aufnahme- und<br />

Entlassungsmanagements mit den Kliniken und Durchführung von<br />

Projekten. Vorbild kann auch die Pflegekonferenz der Region Hannover<br />

sein.<br />

Geprüft werden sollte das Angebot für Reisebegleitungen von SeniorInnen.<br />

Auch im Bereich der Demenzerkrankung dürfte Beschäftigungspotenzial<br />

liegen: Viele Demenzkranke brauchen keine Pflege,<br />

vielmehr brauchen sie Gesellschaft. Diese Dienstleistung können<br />

auch Ältere anbieten, die körperlich nicht mehr in der Lage sind,<br />

Pflegeleistungen zu erbringen. Das muss aber organisiert werden.<br />

Ältere wollen im Urlaub den gewohnten Lebensstil möglichst ohne Einschränkungen<br />

beibehalten. Dazu gehören Selbstständigkeit und Autonomie.<br />

Die Herausforderungen im Seniorentourismus liegen vor allem darin,<br />

Angebotscluster zu schaffen.<br />

Bei Übernachtungen sind folgende Aspekte wichtig: altengerechte Telefone<br />

und Fernbedienungen, einfach zu bedienende Technik, leuchtende<br />

Lichtschalter, große Bäder, leicht zu bedienende Bad-Armaturen, Reduzierung<br />

der Rutschgefahr im Bad, helle Lampen, gute Nachtbeleuchtung,<br />

unkomplizierte Wecker mit großen Zahlen, große Schriftgröße bei Mitteilungen<br />

und Speisekarten, keine komplizierten Videokommunikationssysteme,<br />

Kissen, Nackenrollen und zusätzliche Decken, nicht zu tief gelegte<br />

Betten, Betten mit verstellbaren Kopfteilen.<br />

Bei der Gastronomie ist zu beachten: gut lesbare Speisekarten, bequeme<br />

Sitzmöglichkeiten, möglichst frei wählbare Beilagen, freundliche Bedienung.<br />

Wichtig sind außerdem folgende Punkte: erhöhtes Sicherheitsbedürfnis,<br />

hoher Komfort, Höflichkeit/Freundlichkeit, Geduld, Aufmerksamkeit,<br />

Dienstleistungsmentalität der Anbieter, Gesellschaft nach Bedarf, individuelle<br />

Behandlung, Arzt auf Abruf, Abholservice zu Hause/am Bahnhof/am<br />

Flughafen sowie Einzelzimmer ohne Aufpreis.<br />

222 Nähere Informationen können bei einer der beiden Vorstände des Netzwerkes NADel e.V., Beate<br />

Oberschür, Ambulante Dienste des Diakonischen Werkes Minden erfragt werden. Tel.: 0571/88804-200,<br />

oberschuer@dwminden.de<br />

223 http://www.hannover.de/de/gesundheit_soziales/beratung/pflegebe/Pflegekonferenz.html und<br />

http://www.braunschweig.de/soziales_senioren/senioren/konferenz.html<br />

203<br />

Handlungsempfehlungen<br />

tourIsmus unD<br />

mobIlItät


Über diese Einzelvorschläge hinaus werden folgende Handlungsempfehlungen<br />

gegeben:<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

4.<br />

5.<br />

6.<br />

7.<br />

8.<br />

9.<br />

10.<br />

Es findet gemeinsam mit dem DeHoGa Kreisverband Göttingen<br />

eine Vortragsveranstaltung mit einem Vertreter der Tourismusförderung<br />

aus der Region Teutoburger Wald “TeutoWellness50plus“<br />

statt. Zielgruppe sind Hoteliers, Gastronomen und andere Akteure<br />

der Tourismuswirtschaft. Ihnen werden Rahmenbedingungen und<br />

Ergebnisse einer Tourismuswirtschaft erläutert, die sich gezielt an<br />

SeniorInnen richtet.<br />

Geprüft wird eine Kooperation zwischen Wohlfahrtsverbänden und<br />

Reiseunternehmen im Sinne des “betreuten Reisens“.<br />

Geprüft wird, ob in Anlehnung an das Beispiel “TeutoWellness-<br />

50plus“ eine Gesundheitsregion im Landkreis Göttingen bzw. in der<br />

Region Südniedersachsen als Anbieterkooperation zu realisieren ist.<br />

Gefragt sind zunehmend auch buchbare Angebote für bestimmte<br />

Krankheitsbilder.<br />

Es wird ein Expertengremium zum Thema “Seniorentourismus im<br />

Landkreis Göttingen als Jobmotor für die Region“ zusammengestellt.<br />

Vertreten sein sollen die Tourismusvereine Göttingen, Duderstadt,<br />

Hann. Münden, Landkreis Göttingen und Kreisverband Göttingen<br />

des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DeHoGa).<br />

Es wird überprüft, inwieweit gezielte Reiseangebote für SeniorInnen<br />

unter Berücksichtigung von Kultur-, Qualifizierung-, und Rehabilitations-<br />

bzw. Kurangeboten gestaltet werden können. Mögliches Motto<br />

“Reise in den Landkreis Göttingen der Bildung wegen!“<br />

Es wird ein Modellvorhaben “seniorengerechtes Hotel“ gestartet.<br />

Betreiber von Hotels werden motiviert, zu überprüfen, inwieweit ihr<br />

Haus die “Qualitätskriterien für seniorenorientierte Beherbergungsbetriebe“<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen erfüllt oder welcher Aufwand<br />

erforderlich wäre, sie einzuhalten. Es wird darüber hinaus<br />

überprüft, ob der Begriff “Seniorengerechtigkeit“ benutzt werden<br />

sollte oder ob beispielsweise mit dem Begriff der Generationengerechtigkeit<br />

gearbeitet werden kann.<br />

Im Rahmen eines anschließenden Modellvorhabens testet ein<br />

Hotelbetrieb, inwieweit Qualitätsverbesserungen, die gezielt im<br />

Sinne von SeniorInnen liegen, die höheren Kosten überkompensieren.<br />

Möglicherweise bietet sich hier in einem Markt, der stark von<br />

Preiswettbewerb geprägt ist, eine Möglichkeit, auch höhere Preise<br />

durchzusetzen.<br />

Es wird überprüft, inwieweit Unternehmensnetzwerke im Hinblick<br />

auf die gemeinsame Angebotsgestaltung und auf ein gemeinsames<br />

Marketing realisierbar sind.<br />

Im Rahmen der Entwicklung des Wandertourismus werden spezielle<br />

Themenrouten kreiert (z. B. zur Kulturhistorie des Landkreises).<br />

Es werden Gespräche mit Busunternehmen über die Gestaltung von<br />

alternativen, anspruchsvolleren „Kaffeefahrten“ unternommen.<br />

224 http://www.seniorenwirt.de<br />

204


Beschäftigungspotenziale im Bereich der neuen Medien liegen vor allem<br />

in der Umgestaltung von Homepages im Sinne der Barrierefreiheit. Außerdem<br />

lassen sich Beschäftigungspotenziale gerade für ältere Menschen<br />

sehen, die Senioren für die Nutzung des Computers und des Internets<br />

schulen. Die barrierefreie Gestaltung von Websites ist ähnlich wie beim<br />

Universal Design nicht nur für Menschen mit Einschränkungen eine große<br />

Hilfe, sondern nützt jedem Anwender. Ein übersichtliches Design und<br />

klare Strukturen vereinfachen das Lesen und Finden von Informationen.<br />

Sogar der Autor einer Seite profitiert, kann z. B. ein blinder Mensch die<br />

Seite lesen, dann kann dies auch eine Suchmaschine, d. h., die Website<br />

wird von Interessenten leichter gefunden. Oft bedarf es zudem nur relativ<br />

einfacher Überlegungen und Mittel, eine Website zumindest barrierearm<br />

zu konzipieren.<br />

Für Webdesign und das redaktionelle Bearbeiten der Homepages sind<br />

neben Senior-Entwicklern auch Senior-Berater gut vorstellbar. Erfahrung,<br />

eine andere Sicht und Wahrnehmung des Internets lässt diese evtl. sensibler<br />

mit barrierefreiem Design und Inhalt umgehen als jüngere Vertreter<br />

der von unergonomischen SMS geprägten Generation.<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

1) Im Rahmen eines Modellversuchs strebt eine Kommune im<br />

Landkreis Göttingen in Abstimmung mit ihrem Seniorenbeirat sowie<br />

der Landesinitiative für generationengerechte Produkte eine Vereinbarung<br />

mit einer ausgesuchten Bank und Sparkasse über eine<br />

seniorengerechte Gestaltung von Produkten und Vertriebsformen<br />

an. Grundlage sind Berichte von SeniorInnen, die sich von Kreditinstituten<br />

wegen ihres Alters diskriminiert fühlen. Mit dem Partner-<br />

Institut wird im Rahmen des Modellversuchs zunächst überprüft, ob<br />

und inwieweit eine Diskriminierung Älterer in der Praxis stattfindet.<br />

Dabei wird geklärt, ob sie Gegenstand der Geschäftspolitik ist oder<br />

ob es Defizite in der Ausbildung der Beschäftigten gibt. Am Abschluss<br />

des Modells steht eine Vereinbarung zwischen Kommune<br />

und Kreditinstitut.<br />

Im Banksektor sind Hausbesuche unüblich. Diese könnten aber<br />

unbeweglich gewordene Kunden stark entlasten. Ein guter Senioren-Service<br />

der Banken und Sparkassen könnte sich dadurch<br />

auszeichnen, dass einmal pro Monat ein vertrauter Kundenberater<br />

kommt, Bargeld mitbringt, aufgelaufene Rechnungen anschaut und<br />

Überweisungen tätigt.<br />

In Japan werden seit einiger Zeit neue Finanzkonstruktionen erprobt:<br />

Dort gibt es viele ältere Menschen mit Immobilienbesitz, die oftmals<br />

nur ungern verkauft werden (wie in Deutschland auch). Ältere<br />

HausbesitzerInnen können Teile ihres Hauses an Finanzdienstleister<br />

verkaufen und erhalten dafür monatliche Zahlungen, quasi als Zusatzrente.<br />

Diese Aktivitäten sind in Deutschland noch unüblich und<br />

mit großen Unsicherheiten behaftet, z. B. bei der Bewertung der<br />

Immobilien. Aber sie zeigen Möglichkeiten auf, wie ältere Menschen<br />

ihren monatlichen Lebensunterhalt verbessern können. Zudem wird<br />

das im Immobilienbesitz gebundene Kapital wieder dem volkswirt-<br />

205<br />

Handlungsempfehlungen<br />

neue meDIen<br />

unD telekommunIkatIon<br />

fInanzDIenstleIstungen


DIe näcHsten<br />

scHrItte<br />

4.<br />

schaftlichen Kreislauf zugeführt. Vergleichbare Produkte (Reverse<br />

Mortgage, Home Reversion) werden vor allem in den USA und<br />

Großbritannien angeboten.<br />

Auch Versicherungsprodukte, die sich an den geänderten Bedürfnissen<br />

einer älter werdenden Gesellschaft orientieren und flexibel auf<br />

unterschiedliche Lebensphasen angepasst werden, sind vorstellbar.<br />

Das Modell der privaten Absicherung im Krankheits- oder Pflegefall<br />

könnte durch ein Modell, das die wohnbegleitende Unterstützung für<br />

Ältere finanziell und – bestenfalls – auch organisatorisch absichert,<br />

ergänzt werden.<br />

Mit dem Auftraggeber wurde vereinbart, dass nach Vorlage der Studie<br />

einige Themenfelder mit Praktikern vertieft diskutiert und Handlungsvorschläge<br />

konkretisiert werden. Zu den extern moderierten und gemeinsam<br />

mit Partnerorganisationen ausgerichteten Veranstaltungen lädt der<br />

<strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen VertreterInnen der Zielgruppen und<br />

ReferentInnen ein.<br />

Erste Veranstaltung mit dem Titel: Ignoriert der Handel in Stadt und<br />

Landkreis Göttingen die reichste Generation aller Zeiten? Termin: Erste<br />

Novemberhälfte 2006; Zielgruppen: Senioren, Einzelhandel, Marketingexperten,<br />

Niedersächsisches Ministerium für Familie, Senioren, Frauen<br />

und Jugend, Kommunalpolitik in Stadt und Landkreis Göttingen. Mögliche<br />

Themen: Darstellung der Kaufkraft von SeniorInnen in Stadt und Landkreis<br />

Göttingen, Einkaufsverhalten und Präferenzen von Senioren, gute<br />

Beispiele aus anderen Städten, Probleme beim Seniorenmarketing. Zum<br />

Einsatz kommt auch der „Age-Explorer“.<br />

Zweite Veranstaltung mit dem Titel: Generationengerechtes Wohnen;<br />

Termin: Erste Dezemberhälfte; Zielgruppen: Architekten, Wohnungsgesellschaften,<br />

private Planungsbüros, Gemeindeverwaltungen, Stadtverwaltung<br />

und Kreisverwaltung Göttingen, Altenheimbetreiber, Interessenten an innovativen<br />

Wohnprojekten. Mögliche Themen: Neue Rahmenbedingungen<br />

für das Wohnen zu Hause, Planung von Um- und Neubauten (Barrierearm<br />

bzw. -frei), bestehende Netzwerke, Bedeutung der Wohnungsanpassungsberatung,<br />

innovative Wohnprojekte in Bremen.<br />

Dritte Veranstaltung mit dem Titel: Das Handwerk als Dienstleister für<br />

Senioren; Termin: Zweite Januarhälfte 2007. Mögliche Themen: Potenziale<br />

des Göttinger Zentrums “Wohnen im Alter“, geänderte Ansprüche im Privathaushalt;<br />

Kooperationen und Anbietergemeinschaften von Handwerksbetrieben,<br />

Gesundheitshandwerk (wie Hörgeräteakustiker), Weiterbildung<br />

im Handwerk; Zielgruppen: Handwerksbetriebe, Seniorenvertretungen,<br />

Architekten, Wohnungsgesellschaften, Altenheimbetreiber, Interessenten<br />

an innovativen Wohnprojekten.<br />

Vierte Veranstaltung mit dem Titel: Pflegeforum Göttingen; Termin: Zweite<br />

Februarhälfte 2007; Themen: Bessere Abstimmung der Anbieter von<br />

Pflegedienstleistungen, Beschäftigungsperspektiven in der ambulanten<br />

Pflege durch den demographischen Wandel, Gesundheitswirtschaft als<br />

206


wichtiger Wirtschaftssektor, Bedeutung ambulanter Betreuungsmöglichkeiten.<br />

Zielgruppen: Stationären/teilstationäre Träger, Krankenhäuser,<br />

Kassenärztliche Vereinigung, Hospizarbeit, Seniorenbeiräte, Pflege- und<br />

Krankenkassen, Sozialhilfeträger, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung,<br />

Wohlfahrtsverbände, DRK-Altenpflegeschule, Gesundheitsamt<br />

und die Heimaufsicht von Stadt und Landkreis Göttingen.<br />

207<br />

Handlungsempfehlungen


lIteratur<br />

Arbeitsgemeinschaft Online Forschung AGOF (2006): “Sonderbericht ’Silver Surfer’<br />

zu den internet facts 2005-II“, URL: http://www.agof.de/index.download.<br />

df923023a13a077d1f3da30b28cf4c94.pdf (31.08.2006).<br />

Baurecht.de (2006): “Niedersächsische Bauordnung (NBauO) in der Fassung vom<br />

10. Februar 2003“, URL: http://www.baurecht.de/landesbauordnung-niedersachsen.html<br />

(07.2006).<br />

Becker, V. (2005): “Bauleistungen und neue Dienstleistungen des Handwerks im<br />

Marktfeld Seniorengerechtes Wohnen“ in: Demographischer Wandel – Auswirkungen<br />

auf das Handwerk, Kontaktstudium Wirtschaftswissenschaft 2004, hrsg.<br />

v. Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen, Duderstadt.<br />

Bovensiepen, Gerd; Fobbe, Katrin; Kruthoff, Kai; Rumpff, Stephanie; Schögel,<br />

Marcus; Wulff, Christian (2006): “’Generation 55+’ – Chancen für Handel und<br />

Konsumgüterindustrie“. PriceWaterhouseCoopers und Institut für Marketing<br />

und Handel, Universität St.Gallen.<br />

BTE – Tourismusmanagement, Regionalentwicklung (2003): “Tourismuskonzeption<br />

für den Landkreis und die Stadt Göttingen – Gutachten im Auftrag des Landkreises<br />

Göttingen Stabsstelle für Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung“,<br />

Hannover, Nierstein.<br />

Braubach, M. (2003): “Wohnumwelt und Pflegebedürftigkeit im Alter“, Veröffentlichungsreihe<br />

des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld<br />

(IPW), Bielefeld.<br />

Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2002): “Aktuelle Daten zur Entwicklung<br />

der Städte, Kreise und Gemeinden“, Bonn.<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2005): “Demographischer<br />

Wandel – (k)ein Problem! – Werkzeuge für betriebliche Personalarbeit“, Berlin.<br />

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (1998): “Zweiter<br />

Altenbericht der Bundesregierung über das Wohnen im Alter“, Bonn.<br />

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005): “Fünfter<br />

Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland<br />

– Potenziale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft. Der Beitrag älterer Menschen<br />

zum Zusammenhalt der Generationen“, Berlin.<br />

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2006): “Baumodelle<br />

der Altenhilfe und Behindertenhilfe“, URL: http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/<br />

aeltere-menschen, did=69842.html. (08.2006)<br />

Bundesministerium für Gesundheit (2002): “KDA Hausgemeinschaften 2001/2002<br />

– Eine Dokumentation zur Verbesserung der Situation Pflegebedürftiger“, Band<br />

9, Köln.<br />

Cassing, Gerd (2006): „Erwerbs-Szenario Südniedersachsen 2020: Gehen der<br />

Region die Mitarbeiter aus?“, Informationsveranstaltung „Landesförderung für<br />

autdit berufundfamilie“ vom 09. Mai 2006, Göttingen.<br />

208


Circel, Michael; Hilbert, Josef; Schalk, Christa (2004): “Produkte und Dienstleistungen<br />

für mehr Lebensqualität im Alter“, Institut für Arbeit und Technik,<br />

Gelsenkirchen.<br />

Cramer, G. (2003): „Improving the Quality of Life – A Future Market for SMEs and<br />

Skilled Trades“ (Vortrag), The ageing society: Opportunities and challenges for<br />

strengthening Europe‘s competitiveness, Brüssel 09.12.2003; URL: http://www.<br />

seniorenwirt.de (08.2006).<br />

Deutscher Berufsverband für Altenpflege (2005): URL: http://www.dbva.de<br />

(08.2006).<br />

Deutsches Handwerksblatt (2005): “Kaufrausch kennt keine Altersgrenze“,<br />

Deutsches Handwerksblatt vom 25.8.2005.<br />

Deutscher Mieterbund (2005): “Mieterlexikon“, Berlin.<br />

Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft (DSSW) (Hrsg.) (2004): “Leitfaden<br />

Senioren und Innenstadt – Eine Übersicht über die Literatur zum Thema“ – DSSW-<br />

Material, Berlin. URL: http://www.dssw.de/downloads/dl_hd_dssw_09.pdf<br />

(08.2006).<br />

Eichener, V. (2004): “Wohnen älterer und pflegebedürftiger Menschen in NRW<br />

– Formen, Modelle, Zukunftsperspektiven, Expertise für die Enquetekommission<br />

’Situation und Zukunft der Pflege in NRW’ beim Landtag des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen“, Bochum.<br />

Fachstelle Wohnberatung (2002): “Selbstorganisiert gemeinschaftlich Wohnen.<br />

Projektbeispiele und ausgewählte Projektadressen in Niedersachsen“, URL:<br />

http://www.fachstelle-wohnberatung.de/Vortrag_Wohngemeinschaften.pdf<br />

(08.2006).<br />

Fachstelle Wohnberatung (2006): “Ambulant betreute Wohngemeinschaften“,<br />

Forum gemeinschaftliches Wohnen e. V., URL: http://www.fachstelle-wohnberatung.de/Vortrag_Wohngemeinschaften.pdf<br />

(08.2006).<br />

Fuchs, J. (2005): “Auswirkungen des demographischen Wandels auf das Arbeitskräftepotenzial“,<br />

in: Demographischer Wandel – Auswirkungen auf das<br />

Handwerk, Kontaktstudium Wirtschaftswissenschaft 2004, hrsg. v. Seminar für<br />

Handwerkswesen an der Universität Göttingen, Duderstadt.<br />

Fuchs, J.; Dörfler, K. (2005): “Projektion des Arbeitsangebots bis 2050 – Demografische<br />

Effekte sind nicht mehr zu bremsen“, in: IAB Kurzbericht Nr. 11/2005,<br />

hrsg. v. Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg.<br />

GdW – Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen (Hrsg.) (2004): “Innovative<br />

Dienstleistungen ‘rund um das Wohnen’ professionell entwickeln – Service<br />

Engineering in der Wohnungswirtschaft”, Berlin. URL: http://www.izt.de/pdfs/<br />

sewowi/leitfaden-service-engineering-10-03-2004.pdf (06.2006).<br />

Geißler, Clemens (2003): “Für einen Perspektivenwechsel: Die Potenziale des<br />

Alters als Triebkräfte gesellschaftlicher Entwicklung“, in: Raumforschung und<br />

Raumordnung, Heft 5/2003, 61. Jahrgang.<br />

Geroweb (2006): “Heimgesetz Stand Januar 2002“, URL: http://www.geroweb.<br />

de/altenheim/heimgesetz-1.html (08.2006).<br />

209


Gewos (2004): “Entwicklung des Wohnungsmarktes in Bremen und Niedersachsen<br />

bis 2020“, Hamburg.<br />

Gewos (2005): “Göttingen, Bovenden, Rosdorf 2020 – Wohnungsmarktanalyse<br />

und -prognose“, Hamburg.<br />

Grohs, George (2004): “Telemedizin“, in: c’t 12/2004, S. 54, bzw. URL: http://www.<br />

heise.de/ct/04/12/054/<br />

Haimann, Richard (2005): “Alt! – Wie wichtigste Konsumentengruppe der Zukunft<br />

die Wirtschaft verändert“, Redline Wirtschaft, Frankfurt.<br />

Handwerkskammer Düsseldorf (Hrsg.) (2002): “Marktfeld seniorengerechtes<br />

Wohnen – StartSet für Handwerksorganisationen“, Düsseldorf.<br />

Handwerkskammer Düsseldorf (Hrsg.) (2005): “Marktfeld seniorengerechtes<br />

Wohnen – StartSet für Handwerksbetriebe“, Düsseldorf.<br />

Handwerkskammer Hamburg (Hrsg.) (2001): “Zukunftsfähige Konzepte für das<br />

Handwerk zur Bewältigung des demographischen Wandels“, Broschürenreihe:<br />

Demographie und Erwerbsarbeit, Stuttgart.<br />

Heine, Achim; Knigge Mathias; Schmidt-Ruhland, Karin (1999): “Image – Das Alter<br />

im Bild oder das Bild vom Alter“, Berlin. URL: http://www.sentha.udk-berlin.<br />

de/download/Studien/sentha-Image.pdf (08.2006).<br />

Hellbusch, Jan Eric: “Barrierefreies Webdesign – Ein behindertengerechtes Internet<br />

gestalten“, URL: http://www.barrierefreies-webdesign.de/barrierefrei/ueberblick.<br />

html (08.2006).<br />

Herwig, Oliver: “Die jungen Alten“, form 206, Sonderheft: Universal Design,<br />

Juli/August 2006, URL: http://www.form.de/data/u/Universal_Design.pdf, S.<br />

3–8 (08.2006).<br />

Hiege, Karsten; Hesse, Wolf-Ekkehard (2006): “Regionalanalyse des Landkreises<br />

Göttingen – Basisdaten zu älteren Beschäftigten und Erwerbslosen“, <strong>Regionalverband</strong><br />

Süd-Niedersachsen, Göttingen.<br />

Hilbert, Josef; Fretschner, Rainer; Dülberg, Alexandra (2002): “Rahmenbedingungen<br />

und Herausforderungen der Gesundheitswirtschaft.“ Manuskript,<br />

Gelsenkirchen, Institut Arbeit und Technik, URL: http://iat-info.iatge.de/aktuell/<br />

veroeff/ds/hilbert02b.pdf (06.2006).<br />

Huber, Th. (2005): “Die Zukunft des Handwerks vor dem Hintergrund des demographischen<br />

und gesellschaftlichen Wandels – Das Handwerk aus der Perspektive<br />

der Zukunfts- und Trendforschung“, in: Demographischer Wandel – Auswirkungen<br />

auf das Handwerk, Kontaktstudium Wirtschaftswissenschaft 2004, hrsg.<br />

v. Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen, Duderstadt.<br />

Kasper, P. (2005): “Andere Zeiten – andere Kunden?“, in: GFF Zeitschrift für Glas-<br />

Fenster-Fassade-Metall, Nr. 11/2005, Schorndorf.<br />

Kistler, E.; Mendius, H.G. (Hrsg.) (2002): “Demographischer Strukturbruch und<br />

Arbeitsmarktentwicklung. Probleme, Fragen, erste Antworten“, SAMF-Jahrestagung<br />

2001, Stuttgart.<br />

210


Kremer-Preiß, Ursula; Stolarz, Holger (2003): “Forum für Gemeinschaftliches Wohnen<br />

im Alter, 2000“ Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen.<br />

Kremer-Preiß, Ursula; Stolarz, Holger (2003): “Neue Wohnkonzepte und praktische<br />

Erfahrungen bei der Umsetzung – eine Bestandsanalyse“, Bertelsmann Stiftung/<br />

Kuratorium Deutsche Altershilfe (Hrsg.), Köln.<br />

Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) (2005): “Positionspapier Perspektiven für das<br />

Wohnen im Alter“, Handlungsempfehlungen des Beirates „Leben und Wohnen<br />

im Alter“ der Bertelsmann Stiftung. URL: http://www.kda.de/files/wohnen/2006-<br />

03-01positionspapier_wohnen.pdf (06.2006).Landes-Gewerbeförderungsstelle<br />

des nordrhein-westfälischen Handwerks e.V. (LGH) (Hrsg.) (2004): “Marktchancen<br />

50plus – Dienstleistungen für mehr Komfort und Sicherheit“, Düsseldorf.<br />

Landestreuhandstelle (LTS) (2005): “Perspektiven der Wohnungsnachfrage. Wohnungsprognose<br />

2010/2015“, Hannover.<br />

Landestreuhandstelle (LTS) (2005): „Wohnortblitzlicht für Gemeinden“, URL: http://<br />

www.lts-nds.de/index2.php?t=21211 (06.2006).<br />

Landkreis Göttingen (Hrsg.) (1984): “Altenhilfeplan 1984“.<br />

LTS (2005): “Perspektiven der Wohnungsnachfrage. Wohnungsprognose<br />

2010/2015, Wohnungsnachfragemuster nach Lebensphasen“.<br />

Meyer-Hentschel, Gundolf (Hrsg.) (2005): “Warum ignoriert das Marketing die<br />

reichste Generation aller Zeiten – die 50plus-Generation“, in: Jahrbuch Seniorenmarketing<br />

2006/2007. Deutscher Fachverlag, Frankfurt a. M.<br />

Meyer-Hentschel, Hanne; Meyer-Hentschel, Gundolf (Hrsg.) (2006): “Jahrbuch<br />

Seniorenmarketing 2006/2007“, Deutscher Fachverlag, Frankfurt a. M.<br />

Miegel, Meinhard (2003): “Die deformierte Gesellschaft – Wie die Deutschen ihre<br />

Wirklichkeit verdrängen“, Ullstein Verlag, Ulm.<br />

Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen (Hrsg.) (2003): “Ausbildung und Qualifizierung in der Altenpflege<br />

– Arbeitshilfen für Theorie und Praxis“, Düsseldorf.<br />

Naegele, G. (2006): “Finanzdienstleistungen und <strong>Seniorenwirtschaft</strong> – Dokumentation“,<br />

URL: http://www.ffg.uni-dortmund.de/Tagungsdokumentationen/fus.<br />

php (11.09.2006).<br />

Nee, M.-A. (Hrsg.) (2003): “Die Altenpflegeausbildung“, URL: http://www.altenpflegeschueler.de/ausbildung/index.php<br />

(08.2006).<br />

Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung NIW (Hrsg.) (2004): “Gesundheitswirtschaft<br />

im Landkreis Osnabrück – Positionierung, Spezialisierung<br />

und Perspektiven im überregionalen Wettbewerb“, Schriftenreihe des NIW,<br />

Osnabrück.<br />

Niedersächsisches Landesamt für Statistik (2003): “Statistische Berichte Niedersachsen.<br />

K II 6“, Gesetzliche Pflegeversicherung Ergebnisse der Pflegestatistik<br />

2003, URL: http://www.nls. niedersachsen.de/html/veroeffentlichungen.<br />

html (06.2006).<br />

211


Niedersächsisches Landesamt für Statistik (2004): “Basisdaten Niedersachsens<br />

– Statistische Grundzahlen auf Landes- oder Bezirksebene, Gebäude- und<br />

Wohnungsfortschreibung“, URL: http://www.nls.niedersachsen.de/html/basisdaten_niedersachsen.html<br />

(06.2006).<br />

Niedersächsisches Landesamt für Statistik (2004): “Statistische Berichte Niedersachsen,<br />

A I Bevölkerungsstand“, URL: http://www.nls.niedersachsen.<br />

de/html/veroeffentlichungen.html (06.2006).<br />

Niedersächsisches Landesamt für Statistik (2004): “Statistische Berichte Niedersachsen.<br />

A I 5 Bevölkerung, Erwerbstätigkeit, Haushalte und Familien – Ergebnisse<br />

des Mikrozensus. März 2004“, URL: http://www.nls.niedersachsen.<br />

de/html/veroeffentlichungen.html (06.2006).<br />

Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (2004):<br />

“Grundprinzipien und Leitlinien der Pflegedokumentation“, Hannover, URL:<br />

http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C5782565_L20.pdf (08.2006).<br />

Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit<br />

(2005): “Landespflegebericht – nach § 2 des Niedersächsischen Pflegegesetzes<br />

(NPflegeG)“, Hannover.<br />

Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit<br />

(2006): “Wohnraumförderung“, URL: http://www.ms.niedersachsen.de/master/<br />

C1829960_N2776011_L20_D0_I674.html (07.2006).<br />

Nickel, T. (2005): “Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf das Arbeitskräfteangebot<br />

in Niedersachsen“, in: Statistische Monatshefte Nds. 5/2005,<br />

hrsg. v. Niedersächsischen Landesamt für Statistik, Hannover.<br />

Nullbarriere.de (2006): “Dienstleistungsnormung: DIN-Norm für ’Betreutes Wohnen’<br />

77800“, URL: http://www.nullbarriere.de/din77800_betreutes_wohnen.<br />

htm (09.2006).<br />

Opaschowski, Horst (2005): “Wir werden es erleben. Zehn Zukunftstrends für<br />

unser Leben von morgen“, Darmstadt.<br />

Pöppel, Ernst (2006), in: form 206, Sonderheft Universal Design, Juli/August 2006,<br />

URL: http://www.form.de/data/u/Universal_Design.pdf (08.2006).<br />

Portal der Landeshauptstadt und der Region Hannover:URL: http://www.hannover.<br />

de/de/gesundheit_soziales/beratung/pflegebe/Pflegekonferenz.html (08.2006).<br />

Sonntag, Ulf; Sierck, Astrid (2006): Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen<br />

(FUR), Kiel.<br />

Sozialnetz Hessen (2006): “Wohnen in jedem Alter“, URL: http://www.sozialnetz.<br />

de/ca/bez/fxa/ (06.2006).<br />

Stadt Braunschweig (Hrsg.): URL: http://www.braunschweig.de/soziales_senioren/<br />

senioren/konferenz.html (08.2006).<br />

Stadt Göttingen; Amt für Beschäftigungsförderung (Hrsg.) (2000): “Existenzgründungen<br />

und Gründungshemmnisse in Südniedersachsen sowie daraus abzuleitende<br />

Handlungsbedarfe“, Göttingen.<br />

Stadt Göttingen (Hrsg.) (2006): “Leitbild 2020, Göttingen stellt sich der Zukunft“,<br />

Göttingen.<br />

212


Stadt Göttingen; Fachdienst Statistik und Wahlen (Hrsg.) (2004): “Daten und Indikatoren<br />

der deutschen Urban-Audit Städte“, in: Göttinger Statistik aktuell 15: 3.<br />

Steffens, B. et al. (2004): “Enquetekommission ’Situation und Zukunft der Pflege<br />

in NRW’ – Bericht der Arbeitsgruppe Wohnen“, URL: http://www.landtag.nrw.<br />

de/portal/WWW/GB_I/I.1/EK/EKALT/ 13_EK3/AGBerichte/AG_Bericht_Wohnen.<br />

pdf (06.2006).<br />

Stiftung Warentest; Kuratorium Deutsche Altershilfe; Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)<br />

(2006): “Leben und Wohnen im Alter“, Berlin.<br />

T.E.A.M. Team für Effiziente Angewandte Marktpsychologie GmbH, (2004): “Die<br />

unterschätzte Generation“, Frankfurt a. M.<br />

VDW – Verband der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen und Bremen e.V.<br />

(2006): “Daten und Fakten“, URL: http://www.vdw-online.de/de/html/Daten<br />

Fakten_30_70.php (06.2006).<br />

Weber, B.; Packebusch, L. (2005): “Altern im Handwerk – Betriebliche Strategien<br />

einer alternsgerechten Arbeits- und Personalpolitik“, in: Demographischer<br />

Wandel – Auswirkungen auf das Handwerk, Kontaktstudium Wirtschaftswissenschaft<br />

2004, hrsg. v. Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen,<br />

Duderstadt.<br />

Wirtschaftswoche (2006): “Frischer Wind”, in: Wirtschaftswoche vom 10.07.2006<br />

(Nr. 28).<br />

Zentralverband des Deutschen Handwerks (2001): Demographische Entwicklung.<br />

Eine Herausforderung für die Berufsbildung im Handwerk, Berlin.<br />

Ziehe, Vera (2005): “Teutowellness50plus – Tourismusförderung in der Region Teutoburger<br />

Wald“, Europäische Konferenz <strong>Seniorenwirtschaft</strong> in Europa, Bonn.<br />

213


InternetlInks<br />

Ausgewählte Internetlinks von Akteuren in der <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Telekommunikation und Neue Medien<br />

Landesarbeitsgemeinschaft lokale<br />

Medienarbeit NRW e.V.<br />

http://medienarbeit-nrw.de/<br />

Ganz einfach Internet für 50plus http://www.50plus-ans-netz.de/<br />

Sonderbericht „Silver Surfer“ zu<br />

den internet facts 2005-II der<br />

AGOF<br />

Werkzeuge zur Validierung und<br />

Überprüfung von barrierefreiem<br />

Webdesign<br />

http://www.agof.de/index.395.html<br />

http://www.barrierefreies-webdesign.<br />

de/verweise/tools.html<br />

Partnervermittlung ab 40 http://www.derzweitefruehling.de<br />

Stiftung Digitale Chancen Bremen http://www.digitale-chancen.de<br />

Europäisches Zentrum für Medienkompetenz<br />

http://www.ecmc.de<br />

HNF Heinz Nixdorf Museum Forum http://www.hnf.de<br />

Medienkompetenz Netzwerk http://www.mekonet.de<br />

Online-Lern Seite für SeniorInnen http://www.senioren-lernen-online.de<br />

Senioren OnLine http://www.senioren-online.net<br />

Zentrum für Telematik im Gesundheitswesen<br />

Bildung<br />

Weiterbildungen in der Region Süd-<br />

Niedersachsen<br />

http://www.ztg-nrw.de<br />

http://www.bildung21.net<br />

Fortbildungen für Pflegepersonal http://www.fortbildung-pflege.com<br />

Bildungswerk Neues Alter Hattingen<br />

Weiterqualifizierung für Betriebe<br />

http://www.neues-alter.de<br />

des Gesund-heitswesens und der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

http://www.regioplus-weserbergland.de/<br />

Das Netz für Leute ab 50 von Senioren<br />

für Senioren<br />

http://www.seniorennet.de<br />

Europäisches Zentrum für universitäre<br />

Studien der Senioren<br />

http://www.zig-owl.de/<br />

Ältere ArbeitnehmerInnen<br />

Beschäftigungspakt für Ältere im<br />

Landkreis Göttingen<br />

http://www.50plus-goettingen.de<br />

Börse für Seniorenführungskräfte http://www.erfahrung-deutschland.de<br />

214


G.I.B. Gesellschaft für innovative<br />

Beschäftigungsförderung mbH<br />

http://www.gib.nrw.de<br />

Equal – Offensive für Ältere http://www.offensive-fuer-aeltere.de<br />

Zwischen Arbeit und Ruhestand<br />

(ZWAR) NRW<br />

Reisen<br />

http://www.zwar.org<br />

50plus Hotels in Deutschland http://www.50plushotels.de<br />

Info- und Freizeitbörse Galerie Göttinger<br />

Land<br />

http://www.goettingerland.de/<br />

Nordrhein-Westfalen Tourismus e.V. http://www.nrw-tourismus.de<br />

Teutoburger Wald Tourismus http://www.teutoburgerwald.de<br />

Wellness im Teutoburger Wald<br />

Handwerk<br />

Dienstleistungsnetzwerk: Ein Team<br />

für alle Fälle<br />

Kooperation von Betrieben in Niedersachsen<br />

Passgerecht – Handwerk für mehr<br />

Lebensqualität<br />

Service-Organisation für Senioren<br />

von Senioren<br />

Handwerkszentrum – Internetportal<br />

für barrierefreies Bauen und<br />

Wohnen<br />

Wohlfahrtsorganisationen<br />

Informations- und Kontaktstelle für<br />

die Arbeit mit älteren MigrantInnen<br />

Aktuelle Informationen zur Pflegeversicherung<br />

http://www.teutoburgerwald.de/wellness50plus/<br />

http://ein-team.de<br />

http://www.hand-in-hand-werker.de<br />

http://www.passgerecht.de<br />

http://www.service-org-senioren.de<br />

http://www.wia-handwerk.de<br />

http://www.aktioncourage.org/ikom/fortangebot.htm<br />

http://www.carehelix.de<br />

Caritas in Deutschland http://www.caritas.de/<br />

Der Paritätische Landesverband in<br />

Niedersachsen<br />

Informations- und Ideenpool für<br />

Initiativen älterer Menschen<br />

Plattform für Fachinformationen aus<br />

Sozialwirtschaft und Nonprofit-Management<br />

Forschung<br />

Deutsches Zentrum für<br />

Alternsforschung<br />

Forschungsinstitut Technologie .<br />

Behindertenhilfe<br />

http://www.paritaetischer.de/<br />

http://www.senioren-initiativen.de/<br />

http://www.socialnet.de/<br />

http://www.dzfa.de<br />

http://www.ftb­volmarstein.de<br />

215


GRP – Forschung für alle<br />

Generationen<br />

http://www.grp.hwz.uni-muenchen.de<br />

Institut Arbeit und Technik http://www.iat-info.iatge.de<br />

Seniorengerechte Technik im<br />

häuslichen Alltag<br />

http://www.sentha.udk-berlin.de<br />

Institut für Gerontologie http://www.uni-dortmund.de/FFG/<br />

Wohnen<br />

Anbieter von 24-Stunden Seniorenbetreuung<br />

http://www.seniocare24.de<br />

BMFSFJ – Weiterentwicklung zukunftsorientierter<br />

Wohn– und Pflegeangebote<br />

für alte Menschen<br />

http://www.baumodelle-bmfsfj.de/Modellreihen_Altenhilfe.html<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung<br />

e.V.<br />

http://www.wohnungsanpassung.de<br />

Designzeitschrift Form: Spezialaushttp://www.form.de/data/u/Universal_Degabe<br />

Barrierefrei – Universal Design<br />

sign.pdf<br />

now<br />

Empirica – SeniorInnen Immobilien http://www.empirica-institut.de/empirica/<br />

und neue Wohnformen für Ältere htm/produkt/7.htm<br />

Förderverein Lebensgerechtes Woh- http://www.lebensgerechtes-wohnen.<br />

nen OWL<br />

de<br />

Forum Gemeinschaftliches Wohnen<br />

e.V.<br />

http://www.fgwa.de/<br />

Gang-way GmbH Produkte und<br />

Ideen zum Wohnen ohne Hindernisse<br />

http://www.gang-way.com/web/index.<br />

php<br />

Hilfe und Pflege im Alter zu Hause http://www.hilfe-und-pflege-im-alter.de/<br />

Institut Wohnen im Alter http://www.institut-wohnen-im-alter.de/<br />

InWis GmbH Wohnungswesen und<br />

Immobillienwirtschaft: Wohnen im<br />

Alter<br />

Kommunalkongress Altersgerechte<br />

Wohnkonzepte:<br />

Gestaltungsmöglichkeiten für Kommunen<br />

Kuratorium Deutsche Altershilfe – Leben<br />

und Wohnen im Alter<br />

http://www.inwis.de/htm/start/images<br />

/wus_trendreport.pdf_<br />

http://www.aktion2050.de/cps/rde/<br />

xchg/SID-0A000F0A-F85273F3/aktion/<br />

hs.xsl/6594.html<br />

http://www.kda.de/german/showarticles.<br />

php?id_pag=8&id_art=113<br />

LAG Wohnberatung NRW http://www.wohnberatungsstellen.de<br />

Niedersächsische Fachstelle Wohnberatung<br />

nullbarriere.de – Barrierefreies Planen,<br />

Bauen und Wohnen<br />

Realisierung für barrierefreies Bauen,<br />

Wohnen, Arbeiten<br />

http://www.fachstelle-wohnberatung.<br />

de/<br />

http://www.nullbarriere.de/<br />

http://www.barrierefreileben.de<br />

Selbstbestimmtes Wohnen im Alter http://www.Wohnbund-beratung-nrw.de<br />

Smarter Wohnen<br />

Sozialnetz Hessen – Wohnen in jedem<br />

Alter<br />

http://www.smarterwohnen.net/deutsch/<br />

startseite/<br />

http://www.sozialnetz.de/ca/bez/fxa/<br />

216


Wohn mobil – Beratungsstelle für<br />

http://www.wohn-mobil-koeln.de/<br />

Wohnraumanpassung<br />

Wohnberatung für ältere und behin-<br />

http://www.wohnberatung.info<br />

derte Menschen in NRW<br />

Wohnraumberatung und Hilfsmittelversorgung<br />

für Senioren, Behinderte http://www.gerotronik.de<br />

und Kranke<br />

Verbände und Verwaltung<br />

Bundesministerium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend zum<br />

Thema „Ältere Menschen“<br />

KCR, Konkret Consult Ruhr, Dienstleistungen<br />

für Unternehmen der<br />

Sozialwirtschaft<br />

http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/<br />

aeltere-menschen.html<br />

http://www.KCR-net.de<br />

Kuratorium Deutsche Altershilfe http://www.kda.de<br />

Impuls 50plus, Initiative der Rheinisch-BergischenWirtschaftsförderung<br />

GmbH<br />

Verband Deutscher Alten- und<br />

Behindertenhilfe e.V.<br />

Ver.di Vereinte Dienstleistungsgesellschaft<br />

http://www.rbk-direkt.de/do/de/Verbraucher.asp<br />

http://www.vdab.de<br />

http://www.verdi.de<br />

Verbraucherzentrale Niedersachsen http://www.vzniedersachsen.de/<br />

ZIG, Zentrum für Innovation in der<br />

Gesundheitswirtschaft Ostwestalen-<br />

Lippe<br />

Politik<br />

http://www.zig-owl.de<br />

AG SPD 60 plus http://www.ag60plus.de/<br />

http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/genera-<br />

Altenberichte des BMFSFJ<br />

tor/ Kategorien/ Publikationen/publikationsliste.html<br />

Die Grauen/Graue Panther in Südnie- http://www.die-grauen-niedersachsen.<br />

dersachsen<br />

de/SSB-Südniedersachsen<br />

Senioren Union CDU http://www.seniorenunion.cdu.de/<br />

Handel<br />

Großes Handy http://www.fitage.de<br />

Deliga: Pflegeversand http://www.pflegeversand.de<br />

Senio: Fachhandel für Senioren http://www.senio.de<br />

217


Seniorenportale, Seniorenorganisationen<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen<br />

218<br />

http://www.bagso.de<br />

Deutsche Seniorenliga e.V. http://www.deutsche-seniorenliga.de<br />

Informationsdienst Altersfragen http://www.dza.de<br />

Lifestyle Portal 50plus http://www.forum-fuer-senioren.de<br />

Senioren-Pflege-Informationsportal http://www.geroweb.de<br />

Portal mit seniorenrelevanten Themen http://www.lebensphasen.net<br />

Portal mit vielen SeniorInnen-Themen http://www.seniorenfreundlich.de<br />

Senioren Initiativen http://www.senioren-initiativen.de<br />

Portal mit Schwerpunkt auf <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Landesseniorenvertretung NRW<br />

Allgemeines Portal mit SeniorInnen-<br />

Themen<br />

http://www.seniorenmarkt.de<br />

http://www.senioren-online.net/lsvnrw/<br />

http://www.seniorentreff.de<br />

Internationale Seniorenseiten http://www.seniorenweb.ch/de<br />

Ver.di Internet Senioren Club http://www.verdi-senioren.club.de<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

Geschäftsstelle <strong>Seniorenwirtschaft</strong> http://seniorenwirt.de<br />

Zukunftsmarkt 70plus, Frankfurt November<br />

2006<br />

http://www.euroforum.de<br />

Senioren im Ehrenamt http://www.feierabend.com<br />

Portal für bürgerschaftliches Engagement,<br />

Ehrenamt und Selbsthilfe in<br />

Niedersachsen<br />

http://www.freiwilligenserver.de<br />

Gesellschaft für Gerontotechnik http://www.gerontotechnik.de<br />

Landesinitiative <strong>Seniorenwirtschaft</strong><br />

NRW<br />

SEN@ER, <strong>Seniorenwirtschaft</strong> Netwzwerk<br />

Europäischer Regionen<br />

SWZ, <strong>Seniorenwirtschaft</strong>szentrum Gelsenkirchen<br />

Verschiedenes<br />

Tipps Gegen Trickbetrüger<br />

und Trickdiebe<br />

http://www.seniorenwirt.de<br />

http://www.silvereconomy-europe.<br />

org<br />

http://www.swz-net.de<br />

http://www.pfiffige-senioren.de<br />

Senioren besser verstehen http://www.seniorenfreundlich.de


abbIldungsverzeIchnIs<br />

Abbildung 1: Verbindungen der drei Studien untereinander 15<br />

Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Göttingen 18<br />

Abbildung 3: Verschiebung der Altersanteile in der<br />

Region Südniedersachsen 19<br />

Abbildung 4: Bevölkerungsentwicklung in der<br />

Region Göttingen 2004-2020 (Prozent) 20<br />

Abbildung 5: Entwicklung der Alterskohorten nach Raumtypen 21<br />

Abbildung 6: Entwicklung des Altersaufbaus der<br />

Bevölkerung im Landkreis Göttingen 21<br />

Abbildung 7: Prognose des Erwerbspersonenpotenzials<br />

im Landkreis Göttingen 22<br />

Abbildung 8: Seniorentypen bei den über 50-Jährigen 29<br />

Abbildung 9: Idee der <strong>Seniorenwirtschaft</strong> 31<br />

Abbildung 10: Sinus-Milieus Quelle: Grey Global Group 32<br />

Abbildung 11: Einkommensverteilung der über<br />

50-jährigen im Landkreis Göttingen 56<br />

Abbildung 12: Eigenheimquote 77<br />

Abbildung 13:Wohnformen 78<br />

Abbildung 14: „Was macht für sie seniorengerechtes<br />

Wohnen aus?“ 79<br />

Abbildung 15: Eigenschaften von Wohnungen 79<br />

Abbildung 16: Eignung derzeitiger Wohnungen 80<br />

Abbildung 17: Wohnformenpräferenz bei Umzug 81<br />

Abbildung 18: „Welche der folgenden Wohnformen würden<br />

Sie im Falle eines Umzuges bevorzugen?“ (Nach Alter) 82<br />

Abbildung 19: Kriterien seniorengerechten Wohnens 85<br />

Abbildung 20: Handwerksbetriebe im Landkreis Göttingen 110<br />

Abbildung 21: Handwerksbetriebe im<br />

Landkreis Göttingen nach Branchen 110<br />

Abbildung 22: Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten<br />

im Landkreis Göttingen (Anteile in Prozent) 111<br />

Abbildung 23: Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten<br />

im Landkreis Göttingen 112<br />

Abbildung 24: Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten<br />

nach Betriebsgrößenklassen 112<br />

Abbildung 25: Modulares Managementkonzept, ifh Göttingen 115<br />

Abbildung 26: Liste lokaler Akteure im Bereich der<br />

<strong>Seniorenwirtschaft</strong> 117<br />

Abbildung 27: Handwerks-Faktoren 119<br />

Abbildung 28: “Was ist Ihnen beim Einkauf wichtig?“ 130<br />

Abbildung 29: “Wo liegen für Sie die Hauptprobleme<br />

beim Einkaufen?“ 130<br />

219


Abbildung 30: Hauptprobleme des Einkaufens nach Altersgruppen 130<br />

Abbildung 31: “Nehmen Sie Lieferdienste in Anspruch?“ 131<br />

Abbildung 32: Informationsstand bezüglich<br />

seniorengerechter Produkte nach Alter 131<br />

Abbildung 33: Präferenz für das Seniorenkaufhaus 132<br />

Abbildung 34: Internetnutzung 132<br />

Abbildung 35: Internetnutzung nach Bildungsabschluss 133<br />

Abbildung 36: Wünsche nach haushaltsbezogenen<br />

Dienstleistungen 133<br />

Abbildung 37: Inanspruchnahme haushaltsnaher<br />

Dienstleistungen 133<br />

Abbildung 38: Cluster-Modell Institut für Arbeit und Technik 143<br />

Abbildung 39: Mitgliederstruktur des Kreissportbundes<br />

Göttingen 159<br />

Abbildung 40: Mitgliederstruktur des ASC Göttingen 159<br />

220


pflegesätze der altenhIlfeeInrIchtungen Im land-<br />

kreIs göttIngen<br />

Pflegesätze und Abrechnungsweise der Einrichtungen Landkreis Göttingen (ohne Stadt Göttingen)<br />

Name:<br />

Alma­ Louisenstift<br />

Mühlenanger<br />

Adelebsen<br />

Tel: 0 0 / 0 Fax: 0<br />

Heim­Nr.<br />

Altenheim St. Martini<br />

Göttinger Str.<br />

Duderstadt<br />

Tel: 0 / 0 Fax:<br />

Heim­Nr.<br />

Hollenbach­Stiftung<br />

Adenauerring<br />

Duderstadt<br />

Tel: 0 / 0 Fax:<br />

Heim­Nr.<br />

Pflegeheim Müller<br />

Hünstollenstr.<br />

Ebergötzen<br />

Tel: 0 0 / Fax:<br />

Heim­Nr. 0<br />

Herzogin­Elisabeth­Stift<br />

Am Plan<br />

Hann. Münden<br />

Tel: 0 / 0 Fax: 0 0<br />

Heim­Nr. 0<br />

Altenwohnheim Hermannshagen<br />

Wiershäuser Weg<br />

Hann. Münden<br />

Tel: 0 / 00 Fax: 0<br />

Heim­Nr. 0<br />

Haus Tillyschanze<br />

Tillyschanzenweg<br />

Hann. Münden<br />

Tel: 0 / 0 Fax:<br />

Heim­Nr. 0<br />

Haus der Heimat<br />

Hubertusweg<br />

Hann. Münden<br />

Tel: 0 / 0 0 Fax: 0 0<br />

Heim­Nr. 0<br />

Stand: 26. Juli 2006<br />

Unterkunft<br />

&<br />

Verpflegung<br />

Geringer<br />

Pflegeaufwand<br />

(keine<br />

Pflegestufe)<br />

16,34 € 22,62 €<br />

16,99 €<br />

24,58 €<br />

(16,05 €)<br />

(Altenheim)<br />

16,23 € 21,27 €<br />

14,40 € 21,41 €<br />

16,96 € 23,36 €<br />

16,89 €<br />

16,97 €<br />

24,20 €<br />

(15,56 €)<br />

(Altenheimb.)<br />

23,64 €<br />

(21,13 €)<br />

(Altenheim)<br />

17,47 € 23,71 €<br />

221<br />

Pflegestufen<br />

I<br />

II<br />

III<br />

38,61 € Stufe I<br />

50,38 € Stufe II<br />

63,18 € Stufe III<br />

44,46 € Stufe I<br />

58,72 € Stufe II<br />

73,01 € Stufe III<br />

34,07 € Stufe I<br />

43,92 € Stufe II<br />

54,32 € Stufe<br />

III<br />

37,09 € Stufe I<br />

47,97 € Stufe II<br />

61,38 € Stufe III<br />

42,54 € Stufe I<br />

56,29 € Stufe II<br />

71,01 € Stufe III<br />

43,47 € Stufe I<br />

57,46 € Stufe II<br />

71,27 € Stufe III<br />

42,13 € Stufe I<br />

55,40 € Stufe II<br />

68,70 € Stufe III<br />

42,04 € Stufe I<br />

55,19 € Stufe II<br />

68,38 € Stufe III<br />

14,32 € Tagesstr.<br />

Investionkosten<br />

(tägl.):<br />

11,87 € 0,<br />

6,45 €<br />

13,79 €<br />

15,79 €<br />

9,05 €<br />

19,00 €<br />

14,00 €<br />

21,00 €<br />

15,82 €<br />

Investionskosten-<br />

Faktor:<br />

0,<br />

0,<br />

0,<br />

0,<br />

0,<br />

gültig ab:<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 000<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

.0 . 00


Name:<br />

Seniorenheim Hartel GmbH<br />

Oberdorf 0<br />

Rhumspringe<br />

Tel: 0 / 0 Fax:<br />

Heim­Nr.<br />

Seniorenheim Birkenhof<br />

In der Fuldaaue 1<br />

Staufenberg<br />

Tel: 0 / 0 Fax: 0<br />

Heim­Nr. 0<br />

Haus Elisabeth GmbH<br />

Hauptstr.<br />

Wollbrandshausen<br />

Tel: 0 / Fax:<br />

Heim­Nr.<br />

Seniorengemeinschaft Am Reinhardswald<br />

Veckerhäger Str.<br />

Hann. Münden<br />

Tel: 0 / 0 0 Fax: 0<br />

Heim­Nr. 0<br />

Landhaus Fuldablick<br />

Am Sonnenhang<br />

Staufenberg<br />

Tel: 0 / 0 0 Fax: 0 0<br />

Heim­Nr.<br />

Haus St. Georg<br />

Tannenweg<br />

Duderstadt<br />

Tel: 0 / 0 Fax: 0<br />

Heim­Nr.<br />

Pflegeheim Hemeln<br />

Im Klimpe 28<br />

Hann. Münden<br />

Tel: 0 / 0 0 Fax: 0 0<br />

Heim­Nr. 0<br />

Haus Drei Linden<br />

Hauptstr. 0<br />

Wollbrandshausen<br />

Tel: 0 / Fax:<br />

Heim­Nr.<br />

Haus Am Park<br />

Löwengasse<br />

Duderstadt<br />

Tel: 0 / 0 Fax:<br />

Heim­Nr.<br />

Seniorenresidenz Eschenhof<br />

Knickgasse 31<br />

Gieboldehausen<br />

Tel: 0 / 0 Fax: 00<br />

Heim­Nr.<br />

Unterkunft<br />

&<br />

Verpflegung<br />

Geringer<br />

Pflegeaufwand<br />

(keine<br />

Pflegestufe)<br />

15,56 € 20,94 €<br />

16,40 € 22,04 €<br />

15,47 €<br />

22,84 €<br />

18,82 € 23,03 €<br />

15,60 €<br />

17,09 €<br />

20,77 €<br />

(13,72 €)<br />

(Altenheim)<br />

23,86 €<br />

(16,03 €)<br />

(Altenheim)<br />

16,60 € 19,45 €<br />

16,31 € 23,62 €<br />

15,88 € 21,28 €<br />

16,38 € 20,85 €<br />

Pflegestufen<br />

I<br />

II<br />

III<br />

Inv. Kosten Stufe<br />

G<br />

36,27 € Stufe I<br />

47,36 € Stufe II<br />

58,19 € Stufe III<br />

37,83 € Stufe I<br />

50,05 € Stufe II<br />

60,24 € Stufe III<br />

40,86 € Stufe I<br />

52,85 € Stufe II<br />

64,83 € Stufe III<br />

38,38 € Stufe I<br />

49,89 € Stufe II<br />

69,08 € Stufe III<br />

35,86 € Stufe I<br />

46,49 € Stufe II<br />

56,46 € Stufe<br />

III<br />

40,45 € Stufe I<br />

52,66 € Stufe II<br />

64,88 € Stufe III<br />

29,42 € Stufe I<br />

37,34 € Stufe II<br />

49,93 € Stufe<br />

III<br />

43,37 € Stufe I<br />

63,05 € Stufe II<br />

74,34 € Stufe III<br />

33,48 € Stufe I<br />

42,40 € Stufe II<br />

55,39 € Stufe III<br />

§ BSHG<br />

35,35 € Stufe I<br />

46,28 € Stufe II<br />

61,91 € Stufe III<br />

222<br />

Investionkosten<br />

(tägl.):<br />

10,69 €<br />

10,69 €<br />

12,00 €<br />

13,00 €<br />

13,00 €<br />

12,10 €<br />

21,41 €<br />

13,91 €<br />

13,10 €<br />

12,00 €<br />

16,48 €<br />

96,43 €<br />

19,75 €<br />

monatlich<br />

Investionskosten-<br />

Faktor:<br />

0,<br />

0,<br />

0,<br />

0,<br />

gültig ab:<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0 . 0. 00<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0, 0 . 0. 00<br />

0 .0 .<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 . 0. 000<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0, .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0,<br />

0 .0 . 00<br />

– 0.0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00


Name:<br />

Vitanas GmbH & Co. KGaA-<br />

BS Königshof<br />

Berliner Ring –<br />

Hann. Münden<br />

Tel: 0 / 0 Fax: 00<br />

Heim­Nr. 0 ab 0 .0 . 00<br />

Vitanas GmbH & Co. KGaA-<br />

BS Königshof – Gerontho<br />

Berliner Ring –<br />

Hann. Münden<br />

Tel: 0 / 0 Fax: 00<br />

Heim­Nr. 0 ab 0 .0 . 00<br />

Haus Hainbuchenbrunnen<br />

Am Hainbuchenbrunnen<br />

Hann. Münden<br />

Tel: 0 / 0 0 Fax:<br />

Heim­Nr.<br />

Pflegeheim Schloß Friedland<br />

Schloßstr. 11<br />

Friedland<br />

Tel: 0 0 / 0 Fax:<br />

Heim­Nr. 0<br />

Pflegeheim Johannishof zu<br />

Rosdorf<br />

Kampweg 9<br />

Rosdorf<br />

Tel: 0 / 00 Fax: 0<br />

Heim­Nr.<br />

Haus der Heimat<br />

Spezialpflegeeinrichtung<br />

“Phase F“<br />

Hubertusweg<br />

Hann. Münden<br />

Tel: 0 / 0 0 Fax:<br />

Heim­Nr.<br />

Seniorenwohnanlage Dransfeld<br />

GmbH<br />

„Wohnen im alten Dorf“<br />

Im alten Dorf 8<br />

Dransfeld<br />

Tel.: 0 0 / ­0 Fax: ­<br />

Heim­Nr.:<br />

Haus St, Martinus GmbH<br />

Auf der Winsche<br />

Bilshausen<br />

Tel.: 0 / 0 0 Fax: 0<br />

Heim­Nr.: 0<br />

Seniorenpflegezentrum Bovenden<br />

Wurzelbruchweg<br />

0 Bovenden<br />

Tel.: 0 / 0 Fax:<br />

Heim­Nr.:<br />

Unterkunft<br />

&<br />

Verpflegung<br />

16,87 €<br />

17,05 €<br />

Geringer<br />

Pflegeaufwand<br />

(keine<br />

Pflegestufe)<br />

22,23 €<br />

22,34 €<br />

15,34 € 22,50 €<br />

16,22 €<br />

21,77 €<br />

16,82 € 23,56 €<br />

(Altenheim<br />

61,01 €)<br />

14,68 € ,- €<br />

16,49 € 21,45 €<br />

16,03 € 21,61 €<br />

16,01 € 21,14 €<br />

223<br />

Pflegestufen<br />

I<br />

II<br />

III<br />

38,90 € Stufe I<br />

51,34 € Stufe II<br />

63,68 € Stufe III<br />

41,54 € Stufe I<br />

59,59 € Stufe II<br />

69,69 € Stufe III<br />

38,61 € Stufe I<br />

49,42 € Stufe II<br />

64,10 € Stufe III<br />

36,77 € Stufe I<br />

47,87 € Stufe II<br />

59,02 € Stufe III<br />

41,93 € Stufe I<br />

55,46 € Stufe II<br />

68,98 € Stufe III<br />

49,45 € Stufe I<br />

75,23 € Stufe II<br />

103,25 € Stufe<br />

III<br />

– € Tagesstr.<br />

37,35 € Stufe I<br />

48,74 € Stufe II<br />

60,07 € Stufe III<br />

37,49 € Stufe I<br />

49,34 € Stufe II<br />

61,34 € Stufe III<br />

36,69 € Stufe I<br />

52,80 € Stufe II<br />

65,77 € Stufe III<br />

Investionkosten<br />

(tägl.):<br />

19,27 €<br />

19,27 €<br />

16,50 €<br />

14,56 €<br />

26,54 €<br />

15,82 €<br />

23,05 €<br />

21,75 €<br />

Investionskosten-<br />

Faktor:<br />

gültig ab:<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 . 0. 00<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 . . 00<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 . . 00<br />

0, 0 .0 . 00<br />

0 .0 . 00<br />

0, 0 . 0. 00<br />

0 . 0. 00<br />

0, 0 .0 . 00


pflegesätze der altenhIlfeeInrIchtungen In der<br />

stadt göttIngen<br />

Stand: August 2006<br />

Name:<br />

Unterkunft<br />

& Verpflegung<br />

Geringer<br />

Pflegeaufwand<br />

(keine Pflegestufe)<br />

Pflegestufen<br />

I<br />

II (§ 75 SGB XII) (§ 82 IV SGB X!)<br />

III „Sozialhilfefälle“ „Selbstzahler“<br />

224<br />

Investionkosten Investionskosten-<br />

Feierabendhaus 16,57 € 22,53 € 41,44 € Stufe I 22,00 € 24,76 €<br />

Alten- und Pflegeheim Bode<br />

GbR<br />

55,00 € Stufe II<br />

68,61 € Stufe III<br />

16,10 € 21,50 € 37,67 € Stufe I 16,15 € 17,89 €<br />

49,27 € Stufe II<br />

60,90 € Stufe III<br />

Stift am Klausberg 18,11 € 23,14 € 39,61 € Stufe I 23,00 € 27,58 €<br />

51,59 € Stufe II<br />

64,63 € Stufe III<br />

St. Paulus­Stift 17,21 € 24,20 € 42,47 € Stufe I 12,29 € 13,14 €<br />

55,42 € Stufe II<br />

68,42 € Stufe III<br />

Matthias­Claudius­Stift 17,73 € 24,74 € 44,51 € Stufe I 17,41 € 19,84 €<br />

58,69 € Stufe II<br />

72,91 € Stufe III<br />

GDA Wohnstift Göttingen 17,95 € 24,38 € 43,94 € Stufe I 17,78 € 19,74 €<br />

Zentrum für ältere Menschen<br />

/ St. Petri<br />

57,98 € Stufe II<br />

72,06 € Stufe III<br />

16,60 € 25,85 € 42,46 € Stufe I 16,75 € 17,95 €<br />

55,72 € Stufe II<br />

67,46 € Stufe III<br />

Seniorenzentrum Göttingen 19,23 € 26,84 € 45,13 € Stufe I 18,27 € 18,46 €<br />

(ehemals Altenzentrum 61,88 € Stufe II<br />

72,35 € Stufe III


Name:<br />

Unterkunft<br />

& Verpflegung<br />

Geringer<br />

Pflegeaufwand<br />

(keine Pflegestufe)<br />

225<br />

Pflegestufen<br />

I<br />

Investionkosten Investionskosten-<br />

II (§ 75 SGB XII) (§ 82 IV SGB X!)<br />

III „Sozialhilfefälle“ „Selbstzahler“<br />

Alt­Bethlehem 18,48 € 24,47 € 43,64 € Stufe I 19,50 € 20,59 €<br />

57,40 € Stufe II<br />

71,20 € Stufe III<br />

Pro Seniore Residenz 16,40 € 24,69 € 41,11 € Stufe I 21,39 € 23,41 €<br />

Friedländer Weg 54,98 € Stufe II<br />

68,90 € Stufe III<br />

Pro Seniore Residenz 16,62 € 24,13 € 40,78 € Stufe I 23,12 € 25,20 €<br />

Posthof 54,85 € Stufe II<br />

68,95 € Stufe III<br />

Altenzentrum Luisenhof 16,04 € 20,98 € 40,04 € Stufe I 19,75 € 22,50 €<br />

53,73 € Stufe II<br />

67,44 € Stufe III<br />

Phönix­Haus 16,44 € 20,97 € 39,06 € Stufe I 20,24 € 22,83 €<br />

Am Steinsgraben 51,96 € Stufe II<br />

64,83 € Stufe III<br />

Seniorenzentrum Weende 16,41 € 21,65 € 39,23 € Stufe I 21,50 € 24,33 €<br />

51,85 € Stufe II<br />

64,42 € Stufe III<br />

Kurzzeitpflege 16,93 € 33,95 € 59,06 € Stufe I<br />

am Hainberg 62,73 € Stufe II<br />

68,65 € Stufe III


adressen der alten- und pflegeeInrIchtungen In der<br />

stadt göttIngen<br />

Name Träger Anschrift Telefon homepage<br />

Wohnanlage<br />

Reinhäuser Landstraße<br />

Wohnanlage Ingeborg-<br />

Nahnsen Platz<br />

Wohnanlage<br />

Ewaldstraße 42<br />

Wohnanlage Haselweg<br />

, , 0<br />

Wohnanlage Danziger<br />

Straße/ Tilsiterstraße<br />

Städtische<br />

Wohnungsbau<br />

GmbH<br />

Städtische<br />

Wohnungsbau<br />

GmbH<br />

Wohnungsgenossenschaft<br />

e.G. GÖ<br />

Wohnungsgenossenschaft<br />

e.G. GÖ<br />

Wohnungsgenossenschaft<br />

e.G. GÖ<br />

Firma Residenz<br />

am Hainberg<br />

Gemeinschaft<br />

Deutsche<br />

Altenhilfe GmbH<br />

Ev. Stift Alt­ und<br />

Neu­Bethlehem<br />

Ev. Stift Alt­ und<br />

Neu­Bethlehem<br />

Reinhäuser Landstr.<br />

, 0 Göttingen<br />

Reinhäuser Landstr.<br />

, 0 Göttingen<br />

Oesterleystr. ,<br />

0 Göttingen<br />

Oesterleystr. ,<br />

0 Göttingen<br />

Oesterleystr. ,<br />

0 Göttingen<br />

0 / 0 http://www.swbgoe.de<br />

0 / 0 http://www.swbgoe.de<br />

0 / 0 0 http://www.wg­goe.de 0<br />

0 / 0 0 http://www.wg­goe.de<br />

0 / 0 0 http://www.wg­goe.de<br />

226<br />

Anzahl der<br />

Wohnungen<br />

,<br />

Fertigstellung<br />

Ende 00<br />

Residenz am Hainberg<br />

Ewaldstr. 0,<br />

0 Göttingen<br />

0 / 00 http://www.residenz­am­hain­<br />

Charlottenburger Str.<br />

berg.de/<br />

0<br />

GDA Wohnstift<br />

,<br />

0 / 0 http://www.gda.de/<br />

0 Göttingen<br />

Stift am Klausberg<br />

Habichtsweg ,<br />

0 Göttingen<br />

0 / 0 0 http://www.stiftamklausberg.de 0<br />

Alt Bethlehem<br />

Obere Karspüle 24,<br />

, 0 Göttingen<br />

0 / 0 http://www.altbethlehem.de/<br />

Feierabendhaus Ev. Stift Alt­ und<br />

Neu­Bethlehem<br />

Merkelstr. ,<br />

0 Göttingen<br />

0 / 0<br />

http://www.feierabendhaus.<br />

com/<br />

Seniorenzentrum<br />

Weende<br />

Firma Seniorenzentrum<br />

Weende<br />

Max­Born Ring<br />

0 Göttingen<br />

,<br />

0 / 00 0<br />

http://www.seniorenzentrumweende.de/seite<br />

.htm<br />

Seniorenwohnanlage<br />

am Weendespring<br />

Wolfgang<br />

Fehrmann<br />

Am Weendespring a,<br />

0 Göttingen<br />

0 / 0<br />

http://www.senioren­betreuung­goettingen.de/<br />

Wohnanlage Am<br />

Korbhofe, Bovenden<br />

Flecken<br />

Bovenden, WRG,<br />

AWO<br />

Am Korbhofe 2-10,<br />

0 Bovenden<br />

0 / 0<br />

http://www.awo­kv­goettingen.<br />

de/pflege/framepflegebetreuung.htm<br />

Alma­Louisen­Stift<br />

Adelebsen<br />

Diakonischer<br />

Pflegedienst<br />

Mühlenanger<br />

Adelebsen<br />

0 0 / ­<br />

http://www.almalouisenstift.de<br />

Haus St. Laurentius<br />

Haus St. Georg<br />

Gruppe<br />

Bahnhofstr. ,<br />

Gieboldehausen<br />

0 / 0<br />

http://www.haus­st­georg.<br />

de/blank_Portal/unternehmen/<br />

bwstlaurentius<br />

Haus St. Georg<br />

Haus St. Georg<br />

Gruppe<br />

Tannenweg a,<br />

Duderstadt­<br />

Nesselröden<br />

0 / 0<br />

http://www.haus­st­georg.<br />

de/blank_Portal/unternehmen/<br />

bwstgeorg/<br />

Haus Tillyschanze<br />

Tillyschanzenweg ,<br />

Hann. Münden<br />

0 / ­0<br />

http://www.haus­tillyschanze.<br />

de/home.htm<br />

Am Kronenturm<br />

Gemeinnütziger<br />

Bauverein und<br />

AWO<br />

Wiershäuser Weg ,<br />

Hann. Münden<br />

0 / 0 0<br />

http://www.awo­kv­goettingen.<br />

de<br />

http://ww.bauverein­muenden.<br />

de/<br />

Haus der Heimat Monika Keuthen<br />

Hubertusweg ,<br />

Hann. Münden/<br />

Hedemünden<br />

0 / 0 0<br />

http://www.haus­der­heimat.<br />

de/<br />

Vitanas<br />

Seniorenzentrum<br />

Königshof<br />

Vitanas<br />

Berliner Ring – ,<br />

Hann. Münden<br />

0 / 0 http://www.vitanas.de/<br />

Herzogin­Elisabeth­Stift<br />

Ev. Stift Alt­ und<br />

Neu­Bethlehem<br />

Am Plan – ,<br />

Hann. Münden<br />

0 / 0<br />

http://www.herzogin­elisabethstift.de<br />

Seniorenwohnanlage<br />

Gr. Schneen<br />

Dieter Gremmes<br />

Am Birkenfeld – ,<br />

37133 Groß Schneen<br />

0 /<br />

Seniorenwohnanlage<br />

Dransfeld<br />

Seniorenwohnanlage<br />

Dransfeld<br />

GmbH<br />

Im alten Dorf 8, 37125<br />

Dransfeld<br />

0 0 / 0


adressen der alten- und pflegeheIme Im<br />

bereIch des landkreIses göttIngen<br />

Heim Anschrift Plätze Gemeinde<br />

Herzogin­Elisabeth­Stift<br />

Hann. Münden<br />

Altenwohnheim Hermannshagen<br />

Hann. Münden<br />

Haus Tillyschanze<br />

Hann. Münden<br />

Haus der Heimat,<br />

Oberode<br />

Pflegeheim Am Reinhardswald<br />

Hann. Münden<br />

Pflegeheim Hemeln<br />

Hemeln<br />

Senioren- und Wohnpark Königshof<br />

Hann. Münden<br />

Haus Hainbuchenbrunnen<br />

Hann. Münden<br />

Alten- und Pflegeheim St. Martini<br />

Duderstadt<br />

Hollenbach­Stiftung<br />

Duderstadt<br />

Haus Am Park<br />

Duderstadt<br />

Haus St. Georg<br />

Nesselröden<br />

227<br />

Am Plan<br />

Hann. Münden<br />

Tel.: 0 / 0<br />

Fax: 0 / 0 0<br />

Wiershäuser Weg<br />

Hann. Münden<br />

Tel.: 0 / 00<br />

Fax: 0 / 0<br />

Tillyschanzenweg<br />

Hann. Münden<br />

Tel.: 0 / 0<br />

Fax: 0 /<br />

Hubertusweg<br />

Hann. Münden<br />

Tel.: 0 / 0 0<br />

Fax: 0 / 0 0<br />

Veckerhäger Str.<br />

Hann. Münden<br />

Tel.: 0 / 0 0<br />

Fax: 0 / 0<br />

Im Klimpe 28<br />

Hann. Münden<br />

Tel.: 0 / 0 0<br />

Fax: 0 / 0<br />

Berliner Ring –<br />

Hann. Münden<br />

Tel.: 0 / 0<br />

Fax: 0 /<br />

Am Hainbuchenbrunnen<br />

Hann. Münden<br />

Tel.: 0 / 0 0<br />

Fax: 0 / 0 0<br />

Göttinger Str.<br />

Duderstadt<br />

Tel.: 0 / 0<br />

Fax: 0 /<br />

Adenauerring<br />

Duderstadt<br />

Tel.: 0 / 0<br />

Fax: 0 /<br />

Löwengasse<br />

Duderstadt<br />

Tel.: 0 / 0<br />

Fax: 0 /<br />

Tannenweg a<br />

Duderstadt<br />

Tel.: 0 / 0<br />

Fax: 0 / 0<br />

0<br />

Hann.Münden<br />

Duderstadt


Heim Anschrift Plätze Gemeinde<br />

Seniorenresidenz Eschenhof<br />

Gieboldehausen<br />

Haus Drei Linden,<br />

Wollbrandshausen<br />

Haus Elisabeth<br />

Wollbrandshausen<br />

Seniorenheim Hartel<br />

Rhumspringe<br />

Haus St. Martinus<br />

Bilshausen<br />

Seniorenheim Birkenhof<br />

Spiekershausen<br />

Landhaus Fuldablick<br />

Spiekershausen<br />

Alma­Louisen­Stift<br />

Adelebsen<br />

Alten- und Pflegeheim Müller<br />

Holzerode<br />

Johannishof<br />

Rosdorf<br />

Pflegeheim Schloß Friedland<br />

Friedland (Eingliederungshilfe)<br />

Seniorenpflegezentrum Bovenden<br />

Bovenden<br />

Seniorenwohnanlage<br />

Dransfeld<br />

Knickgasse 31<br />

Gieboldehausen<br />

Tel.: 0 / 0<br />

Fax: 0 / 00<br />

Hauptstr. 0<br />

Wollbrandshausen<br />

Tel.: 0 /<br />

Fax: 0 /<br />

Hauptstr.<br />

Wollbrandshausen<br />

Tel.: 0 /<br />

Fax: 0 /<br />

Oberdorf – 0<br />

Rhumspringe<br />

Tel.: 0 / 0<br />

Fax: 0 /<br />

Auf der Winsche<br />

Bilshausen<br />

Tel.: 0 / 0 0<br />

Fax: 0 / 0<br />

In der Fuldaaue 1<br />

Staufenberg<br />

Tel.: 0 / 0 und 0<br />

Fax: 0 / 0<br />

Am Sonnenhang<br />

Staufenberg<br />

Tel.: 0 / 0 0<br />

Fax: 0 / 0 0<br />

228<br />

SG Gieboldehausen<br />

Staufenberg<br />

Mühlenanger<br />

Adelebsen<br />

Tel.: 0 0 / 0<br />

Fax: 0 0 / 0 Adelebsen<br />

Hünstollenstr.<br />

Ebergötzen<br />

Tel.: 0 0 /<br />

Fax: 0 0 /<br />

Kampweg 9<br />

Rosdorf<br />

Tel.: 0 / 00<br />

Fax: 0 / 0<br />

0<br />

SG<br />

Radolfshausen<br />

Rosdorf<br />

Schloßstr. 11<br />

Friedland<br />

Tel.: 0 0 / 0<br />

Fax: 0 0 / Friedland<br />

Wurzelbruchweg<br />

0 Bovenden<br />

Tel.: 0 / ­0<br />

Fax.: 0 / ­ Bovenden<br />

Im alten Dorf 8<br />

Dransfeld<br />

Tel.: 0 0 / ­0<br />

Fax.: 0 0 / ­ Dransfeld


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen e.V.<br />

Geschäftsführer Rüdiger Reyhn<br />

Barfüßerstr. 1<br />

37073 Göttingen<br />

Tel.: 0551/5472810<br />

Fax: 0551/5472820<br />

http://www.regionalverband.de<br />

E-Mail: info@regionalverband.de<br />

Projektleitung: Rüdiger Reyhn<br />

Projektkoordination: Holger Balderhaar und Marcus Lemke<br />

Bearbeitung: Holger Balderhaar, Kilian Bizer, Julia Busche,<br />

Gerd Cassing, Wolf-Ekkehard Hesse, Karsten Hiege, Ullrich Kornhardt,<br />

Marcus Lemke, Steffen Reißig und Rüdiger Reyhn<br />

Mitarbeit: Ulrike Brammer, Bettina Keuthen, Odilia König,<br />

Bernd Kreutzfeldt, Erika Lohe, Christiane Röbbel, Ulf Schmidt,<br />

Dirk Spenn und Gudrun Surup<br />

Wissenschaftliche Beratung: Gerhard Bäcker<br />

Moderation der narrativen Gesprächsrunden: Silke Inselmann<br />

(WIDServe)<br />

Datenerhebung: Helga Wehler, Christiane Wilde, Swaantje Krasky<br />

Seniorenscout: Swaantje Krasky<br />

Auswertung der Fragebögen: Nils-Christian Schwarz und<br />

Katharina Ratke<br />

Lektorat: Ingo Chao<br />

Layout und Grafiken: OPTEX Werbeagentur, Maike Lambrecht und<br />

Jens Geumann<br />

Göttingen, im September 2006<br />

229


230<br />

© <strong>Regionalverband</strong> Südniedersachsen e.V. | Barfüßerstr. 1 | 37073 Göttingen | www.regionalverband.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!