Bank exklusiv 1/2012
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Den tiefsten Einschnitt hat zweifellos<br />
Libyen erlebt. Aufgrund gewaltiger<br />
Ölreserven könnte es dem Land gelingen,<br />
die Kriegsschäden rasch zu beseitigen<br />
– sofern die Regierung die vorrangigen<br />
Aufgaben bewältigt, nämlich die<br />
Herstellung der öffentlichen Sicherheit<br />
und die Durchführung allgemeiner<br />
Wahlen. „Die Regierung prognostiziert<br />
ein Wirtschaftswachstum in den Jahren<br />
<strong>2012</strong> bis 2016 von durchschnittlich 12<br />
Prozent pro Jahr“, berichtet David Bachmann,<br />
österreichischer Wirtschaftsdelegierter<br />
für Libyen. „Ich rechne mit<br />
einem starken Aufschwung, sobald die<br />
politische Lage geklärt ist.“ Neue Großprojekte<br />
werden voraussichtlich erst<br />
von einer neu gewählten Regierung in<br />
Angriff genommen werden, aber einzelne<br />
Bereiche zeigen schon deutlich<br />
positive Entwicklungstendenzen: Konsumgüter<br />
und Baumaterialen sind derzeit<br />
stark nachgefragt.<br />
Algerien: wenig diversifizierte<br />
Wirtschaft<br />
Wie Libyen ist auch Algerien Erdölexporteur;<br />
nur zwei Prozent der algerischen<br />
Exporte entfallen auf Produkte<br />
aus dem Nicht-Erdöl-Sektor. Dies ist<br />
Abbild einer wenig diversifizierten<br />
Wirtschaft, die Algerien zu Importen<br />
in fast allen Bereichen zwingt – und zu<br />
einem interessanten Handelspartner<br />
macht. In den kommenden Jahren sollen<br />
die Öl-Einnahmen vor allem dazu<br />
dienen, die Infrastruktur des Landes<br />
32 <strong>Bank</strong> <strong>exklusiv</strong> 01/<strong>2012</strong><br />
weiter auszubauen – eine Chance für<br />
europäische Unternehmen. „Algerien<br />
will seine Lieferquellen variieren und<br />
nicht von Frankreich abhängig sein“,<br />
meint Stephan Gebeshuber, Mitarbeiter<br />
im österreichischen Außenwirtschaftscenter<br />
in Algier. „Österreichische<br />
Produkte und Dienstleistungen genießen<br />
hier einen guten Ruf, besonders im<br />
Eisenbahnbereich, bei der Wasseraufbereitung<br />
und im Industrieanlagenbau.“<br />
Tunesien hat nach dem Umsturz<br />
bereits Wahlen durchgeführt und zu<br />
politischer Normalität gefunden. Die<br />
Wachstumsprognosen für <strong>2012</strong> sind<br />
ermutigend (siehe Tabelle) und die neue<br />
Regierung setzt auf die rasche Durchführung<br />
von Infrastrukturprojekten<br />
im Verkehrs- und Versorgungsbereich,<br />
um die Wirtschaft anzukurbeln. Angesichts<br />
nur geringer eigener Rohölvorkommen<br />
möchte Tunesien künftig<br />
verstärkt die starke Sonneneinstrahlung<br />
zur Umwandlung in Solarenergie<br />
nutzen. Neben dem Bausektor ist somit<br />
insbesondere für Unternehmen aus dem<br />
Bereich der Solartechnik der tunesische<br />
Markt höchst interessant.<br />
Marokko als Drehscheibe zwischen<br />
Europa und Westafrika<br />
Großen Herausforderungen steht die<br />
neue Regierung Marokkos gegenüber.<br />
Sie hat für <strong>2012</strong> ein Wirtschaftswachstum<br />
von 5,5 Prozent in Aussicht gestellt, der<br />
Internationale Währungsfonds immerhin<br />
noch 4,6 Prozent prognostiziert.<br />
„Tatsächlich wird die Wachstumsrate<br />
<strong>2012</strong> wohl eher bei rund 3 Prozent liegen“,<br />
schätzt Christoph Plank, österreichischer<br />
Wirtschaftsdelegierter in der<br />
marokkanischen Wirtschaftsmetropole<br />
Casablanca: „Mittel- und langfristig<br />
sind die Konjunkturaussichten aber positiv,<br />
Marokko bleibt ein guter Markt für<br />
österreichische Exporte und Drehscheibe<br />
zwischen Europa und Westafrika.“ Die<br />
Industrie ist zwar breit diversifiziert, aber<br />
vielfach veraltet und wenig effizient. Für<br />
Industrieausstatter und Lieferanten von<br />
Industrieanlagen bieten sich daher sehr<br />
interessante Geschäftschancen.<br />
Die größte regionale Volkswirtschaft<br />
ist Ägypten. Das Land hat mehr<br />
als 80 Mio. Einwohner, rund 700.000<br />
Jugendliche strömen jährlich neu auf<br />
den Arbeitsmarkt. Um entsprechende<br />
Arbeitsplätze zur Verfügung zu haben,<br />
muss die Wirtschaft des Landes jährlich<br />
um etwa 6 Prozent real wachsen, im<br />
Umsturzjahr 2011 blieb das Wachstum<br />
gerade noch bei knapp über 1 Prozent.<br />
Internationale Investoren und Geldgeber<br />
blicken mit einiger Besorgnis auf<br />
Ägypten und schieben Investitionen<br />
und Finanzierungszusagen auf – was<br />
die Gesamtsituation weiter verschärft.<br />
Wirtschaftliche Chancen und Risiken<br />
liegen bei Ägypten besonders nahe beisammen.<br />
Gerade in diesem Schlüsselland<br />
der Region wird sich entscheiden,<br />
ob sich Europa im Süden einer Wachstums-<br />
oder einer Problemregion gegenübersehen<br />
wird. n<br />
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