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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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echt & <strong>gesellschaft</strong><br />

Papsttum, Papstwahl und<br />

Nachfolgesouveränität<br />

Oder: Inwiefern kann ein Papst seine<br />

Nachfolge beeinflussen<br />

Stefan Schima<br />

...................................<br />

1. Einleitung<br />

„There is no perfect forme of Government,<br />

where the disposing of the Succession<br />

is not in the present Soveraign.“<br />

1 An diesen Worten von Thomas<br />

Hobbes (1588-1679) zeigt sich sehr<br />

deutlich, dass es sich bei der Frage der<br />

„Nachfolgesouveränität“ um eine wichtige<br />

Problematik der Staatslehre handelt:<br />

Seiner Ansicht nach konnte es<br />

keine vollkommene Regierungsform<br />

geben, bei der die Verfügung über die<br />

Nachfolge nicht beim gegenwärtigen<br />

Souverän (im Sinne des obersten Amtsträgers)<br />

lag.<br />

Die Abgrenzung zwischen Verfügungsbefugnis<br />

über die eigene Nachfolge<br />

und Bestellungsmodus durch Wahl<br />

durch eine Personenmehrheit kann in<br />

der Praxis sehr fließend sein. Insbesondere<br />

dann, wenn die Befugnis zur Ausgestaltung<br />

des <strong>recht</strong>lichen Nachfolgebestellungsmodus<br />

und die ausschließliche<br />

Einflussnahme auf die<br />

Zusammensetzung des Wahlkollegs in<br />

der Hand des jeweiligen Amtsträgers<br />

liegt – dies ist etwa beim Papsttum der<br />

Fall – müssen Wahl<strong>recht</strong> und Nachfolgesouveränität<br />

des Amtsinhabers in<br />

keinem zwingendem Widerspruch zueinander<br />

stehen.<br />

Typischerweise ist auch bei demokratischen<br />

Rechtsordnungen die Frage<br />

der Nachfolgesouveränität virulent,<br />

wenn auch nur in indirekter Art und<br />

Weise. Ein <strong>recht</strong>svergleichender Blick<br />

auf verschiedene Wahlsysteme der Vergangenheit<br />

und Gegenwart legt Methoden<br />

der Wahl<strong>recht</strong>sgestaltung offen,<br />

............................................<br />

1 Hobbes, Leviathan or the Matter,<br />

Forme and Power of a Commonwealth,<br />

Ecclesiasticall and Civill, II,<br />

19, ed Waller (1904) 136. Das Zitat<br />

selbst wird bei Wood, The Pope’s<br />

Right to elect his Successor: The<br />

Criterion of Sovereignty, in dies<br />

(Hrsg), The Curch and Sovereignty<br />

c. 590-1918. Essays in honour of<br />

Michael Wilks (1991) 233 ff in<br />

Zusammenhang mit dem mittelalterlichen<br />

Papsttum ins Gespräch<br />

gebracht.<br />

2 Die folgenden Angaben werden<br />

übernommen von Nohlen, Wahl<strong>recht</strong><br />

und Parteiensystem (2000) 77 ff.<br />

durch die sich eine Regierung bzw eine<br />

herrschende Partei – zumeist im Wege<br />

parlamentarischen Beschlusses – bewusst<br />

ihre Macht über den kommenden<br />

Wahlakt hinaus sichern will. Zu nennen<br />

sind in diesem Zusammenhang Methoden<br />

der Wahlkreiseinteilung 2 wie etwa<br />

das „Malapportionment“ oder das<br />

„Gerrymandering“: Bei erstem handelt<br />

es sich um die Steuerung der Wahlkreiseinteilung<br />

zur Erzielung unterschiedlicher<br />

Repräsentation. So besagte die sogenannte<br />

norwegische Bauernklausel<br />

im 19. Jh, dass die Abgeordneten zu<br />

zwei Dritteln vom Land und zu einem<br />

Drittel aus Städten zu wählen waren.<br />

Das „Malapportionment“ sollte somit<br />

verhindern, dass jede Stimme den gleichen<br />

Zählwert aufwies. Es spielte in der<br />

Wahl<strong>recht</strong>sentwicklung fast aller europäischer<br />

Länder eine Rolle. Unter „Gerrymandering“<br />

wird die nach politischen<br />

Gesichtspunkten vorgenommene Ziehung<br />

der Wahlkreisgrenzen verstanden.<br />

Benannt ist diese Vorgangsweise nach<br />

dem Gouverneur von Massachusetts,<br />

Elbridge Gerry, der bei den Wahlen von<br />

1812 aus der Stadt Boston einen für ihn<br />

„sicheren“ Wahlkreis herausschnitt, der<br />

in sich nicht geschlossen war und somit<br />

dem Muster eines Salamanders glich.<br />

Gerry fasste geographisch nicht zusammenhängende<br />

Gebiete zu einem Wahlkreis<br />

zusammen, von dem er sicher sein<br />

konnte, dass er dort gewinnen würde.<br />

Auch Vorschläge zur Einführung des<br />

Mehrheitswahlsystems können die<br />

Machterhaltung der jeweils dominierenden<br />

Partei zum Zweck haben.<br />

Das Ineinandergreifen von Nachfolgesouveränität<br />

und Wahl<strong>recht</strong> wird im<br />

Folgenden im Zusammenhang mit dem<br />

Papsttum näher dargelegt. Die Wahlordnung<br />

von 1179 3 , die durch die Einführung<br />

des Zweidrittelerfordernisses<br />

eine gravierende Zäsur in der Entwicklung<br />

des Papstwahl<strong>recht</strong>s darstellt, wird<br />

in den folgenden Ausführungen als wesentliches<br />

Gliederungskriterium erachtet.<br />

Grundsätzlich hat sich dieses Erfordernis<br />

bis heute gehalten, allerdings mit<br />

einer im Jahr 1996 erfolgten Modifikation,<br />

deren mögliche Bedeutung und<br />

Auswirkungen auf die Frage der Nachfolgebeeinflussung<br />

hinterfragt werden<br />

müssen.<br />

2. Von der Antike bis zur<br />

Papstwahlordnung von 1179<br />

Mit Blick darauf, dass der Papst stets<br />

auch zugleich römischer Bischof ist,<br />

wird es verständlich, dass in den ersten<br />

Jahrhunderten die Bestellung des römischen<br />

Bischofs primär eine Angelegenheit<br />

der Ortskirche war. Vorgaben bei<br />

der Bischofsbestellung waren die Wahl<br />

unter Beteiligung von Klerus und Volk<br />

der Ortskirche und die Ordination durch<br />

die Nachbarbischöfe. 4<br />

Im 8. Jh wurde der Einfluss der Laien<br />

auf den eigentlichen Wahlvorgang<br />

allerdings dezidiert ausgeschlossen 5 –<br />

ein Verbot, dem nur geringe praktische<br />

Wirkung zukommen sollte. Zeitweilig<br />

war auch ein Bestätigungs<strong>recht</strong> des byzantinischen<br />

Kaisers anerkannt worden;<br />

diese Funktion übernahmen später im<br />

Wesentlichen fränkische, ottonische<br />

und salische Herrscher.<br />

In der Literatur wird wiederholt die<br />

Ansicht vertreten, dass in der Spätantike<br />

und im Frühmittelalter dem Archidiakon<br />

der römischen Kirche – bei äußerlicher<br />

Beibehaltung der electio – eine<br />

gewisse Anwartschaft auf den Bischofssitz<br />

zugekommen sei. 6 Der Begriff<br />

„Archidiakon“ bezeichnet den Ersten<br />

im Diakonenkolleg und taucht so-<br />

3 Abgedruckt in Alberigo ua (Hrsg),<br />

Conciliorum oecumenicorum decreta,<br />

Bd 2, Konzilien des Mittelalters (dt<br />

Ausgabe; 2000) 211.<br />

4 Siehe dazu Potz, Bischofsernennungen<br />

– Stationen, die zum heutigen<br />

Zustand geführt haben, in Greshake<br />

(Hrsg), Zur Frage der Bischofsernennungen<br />

in der römisch-katholischen<br />

Kirche (1991) 17 ff.<br />

5 Concilium Romanum a. 769, ex<br />

sinodo secundi Stephani papae in<br />

actione III (Monumenta Germaniae<br />

Historica. Concilia 2/1, 86).<br />

Seite 180 juridicum 4 / 2003

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