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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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der konvent tanzt<br />

Amtsverständnis der obersten Verwaltungs- und Kontrollorgane<br />

oder die (Nicht)Wahrnehmung von Regelungskompetenzen<br />

im Verhältnis zwischen Bund und Ländern (Grundsatzgesetzgebung).<br />

Ausgangspunkt einer Verfassungsreform ist deshalb nicht<br />

bloß das Verfassungs<strong>recht</strong> „in the books“, sondern auch dasjenige<br />

„in action“, also die Art und Weise der Handhabung<br />

bzw Mobilisierung geltenden Verfassungs<strong>recht</strong>s vor allem<br />

durch die politischen Eliten.<br />

Jede Verfassungsreform trifft damit zugleich auch das<br />

Gestaltungspotential der politischen Klasse in seinem Kern,<br />

nämlich formelle und informelle Veränderungen bei der Verteilung<br />

von Ressourcen (Budgethoheit), Kompetenzen<br />

(Kompetenzartikel), ´checks and balances` (Kontrolle, Gerichtsbarkeit)<br />

und Gestaltungspotentialen (Föderalismus).<br />

Damit wird eine Reihe von Konfliktfeldern zwischen Bund<br />

und Ländern, zwischen Ländern und Gemeinden, zwischen<br />

politischen Eliten und BürgerInnen als Entscheidungsadressaten,<br />

zwischen vollziehender Verwaltung und wirtschaftlichen<br />

Subjekten eröffnet.<br />

Wenn, wie Frankenberg (1997,147ff.) ausführt, die<br />

Zwecksetzung der republikanischen Verfassung primär in<br />

der Ermöglichung der Zivil<strong>gesellschaft</strong>, genauer: in der Ligatur<br />

zwischen sozialer Integration und öffentlicher Gestaltungsmacht,<br />

zwischen individueller Freiheit und Verpflichtung<br />

zur Solidarität liegt, steht im Rahmen einer Verfassungsreform<br />

eben nicht nur die soziotechnische Dimension<br />

des Staates (bürgerfreundliche Verwaltung) zur Debatte,<br />

sondern notwendigerweise auch das Verhältnis zwischen<br />

Souverän und Repräsentation desselben im politischen System.<br />

............................................<br />

3 www.konvent.gv.at/Wko.pdf.<br />

4 Vgl. PARLAMENTSKORRESPONDENZ/10/<br />

10.07.2003/Nr. 566.<br />

3. Welchen Reformbedarf hat die Bundesverfassung<br />

Die herrschende Phraseologie, mithilfe derer der Ruf nach<br />

einer Verfassungsreform begründet wird, verwendet ein ganzes<br />

Arsenal von Krisenattesten. Neben dem Hinweis auf die<br />

durch den EU-Beitritt veränderten Rahmenbedingungen<br />

wird auf die mangelnde Ineffizienz, mangelnde Legitimität,<br />

fehlende Zweckmäßigkeit, hohe Bürokratisierungsneigung,<br />

fehlende Überschaubarkeit und eingeschränkte Lesbarkeit<br />

der Verfassung hingewiesen. So weit der Krisenbefund.<br />

Die Behandlung, so der informelle Konsens im Konvent,<br />

besteht im Wesentlichen in einer Neuordnung bundesstaatlicher<br />

Strukturen und einem Neuzuschnitt der Kompetenzverteilung.<br />

Ziel der Reform sei eine gesteigerte Bürgernähe des<br />

Staates, die Wiederherstellung bzw Gewährleistung der<br />

Übersichtlichkeit und methodischen Geschlossenheit der<br />

Verfassung, realisiert durch die Realisierung der Zielsetzung<br />

eines „schlanken Staates“, wie dem WKO-Paper 3 zum Konvent<br />

zu entnehmen ist sowie durch die Realisierung der Zielvorgabe<br />

einer Steigerung der Subsidiarität im Verhältnis von<br />

Bund und Ländern. 4<br />

Hier „zündelt“ die Feuerwehr. Manfried Welan hat bereits<br />

darauf aufmerksam gemacht, dass die Stabilität der aus „heterogenen<br />

Elementen zusammengesetzten Verfassung“ zwischen<br />

1970 und 2000 eben nicht auf Grundlage formalisierter<br />

„checks and balances“, sondern auf Basis der österreichischen<br />

Realverfassung funktionierte. Zu dieser Realverfassung<br />

gehörten etwa die defensive Kohabitation zwischen<br />

Bundespräsident und Parlament, Verzerrungen im Wahlsystem,<br />

die sozialpartnerschaftlich-personalisierte Verschränkung<br />

von Verbänden, Kammern, Parteien und Regierungsfunktionen<br />

oder aber auch eine moderate Politisierung der<br />

Höchstgerichte im Sinne einer punktuellen Vorordnung des<br />

legislativen Spielraums durch den VfGH. Wieso der gerügte<br />

institutionelle Pragmatismus ineffizient sein sollte, muss<br />

deshalb dunkel bleiben.<br />

Noch dunkler wird es, wenn Konventsvorsitzender RH-<br />

Präsident Franz Fiedler anlässlich dessen Eröffnung von der<br />

Notwendigkeit spricht, „ohne Tabus und inhaltliche Einschränkungen“<br />

arbeiten zu können und insistiert, man dürfe<br />

auch vor „revolutionären Veränderungen“ nicht zurückschrecken.<br />

„Revolutionär“ heißt nämlich hier in seltsamer<br />

„Inversion“: die Bundesverfassung sollte schlank(er), sparsam(er)<br />

und dem Recht der EU gegenüber kompatibler als<br />

der ´status quo` sein. Die Forderung nach der Kompatibilität<br />

des österreichischen Verfassungs<strong>recht</strong>s mit dem europäischen<br />

scheint müßig; auch diejenige nach erhöhter Sparsamkeit<br />

lässt sich an wie das „Einrennen offener Türen“. Das<br />

Postulat einer „schlanken Verfassung“ wiederum provoziert<br />

längeres Räsonieren darüber aus, wie eine schlanke Verfassung<br />

denn aussehen sollte.<br />

3.1 Zum „Effizienzkriterium“ der Verfassung<br />

Bereits vorweg stellt sich die Frage, was man sich denn unter<br />

einer „effizienten Verfassung“ denn vorzustellen hätte. Was<br />

effizient ist, folgt allgemeinen Wirtschaftlichkeitserwägungen,<br />

worin eine Steigerung der Effizienz auf Steigerung des<br />

Nutzens und Senkung der Kosten hinausläuft.<br />

Versteht man die Verfassung als ein (kognitiv offenes und<br />

operativ geschlossenes) System sozietaler Regulation im<br />

Sinne Niklas Luhmanns, dann könnte man folgende Kriterien<br />

für die Messung der Effizienz von verfassungs<strong>recht</strong>lichen<br />

Normen im Rahmen einer parlamentarischen Demokratie<br />

heranziehen, wobei die aus der politischen Theorie geläufigen<br />

fünf regulativen Prinzipien der Demokratie, also das Legalitätsprinzip,<br />

die Legitimation durch Verfahren (Wahlen),<br />

die Grund<strong>recht</strong>e (soziale und politische), die Überordnung<br />

des Parlamentes über die Regierung (Kontrollfunktionen)<br />

sowie die Gewaltenteilung das Fundament der folgenden Erwägungen<br />

bilden:<br />

• Einheitlichkeit von Prinzipien und Regeln (Einheit der<br />

Rechtsordnung, Stufenbau, doktrinäre Geschlossenheit)<br />

• Minimalebenenregel (so wenig Entscheidungs- bzw<br />

Delegationsebenen wie möglich; so viele wie für die<br />

Reproduktion des Systems notwendig; keine Doppelgleisigkeiten)<br />

juridicum 4 / 2003 Seite 205

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