Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
thema<br />
Birnen wie zB das Staatskirchentum in Dänemark mit der<br />
Wertefrage und den diversen Verboten (Abtreibung etc) in<br />
Irland und politische Grundsatzhaltungen wie den strikten<br />
Laizismus mancher Länder (zB Frankreich) mit verfassungstechnischen<br />
Fragen. Dass Europa Werte hat, wird man<br />
künftig am besten darin erkennen können, dass es weiterhin<br />
einen friedlichen Konsens schafft und auch die Anliegen<br />
kleinerer Mitglieder berücksichtigt. Das ist die eigentliche<br />
Leistung der EU und dafür bedarf es keiner solemnen Beteuerungen.<br />
2.2 Bezeichnung mit fragwürdigen historischen<br />
Assoziationen<br />
Ich bin schon eingänglich auf die historischen Vorgänger des<br />
„Österreich-Konvents“ eingegangen, die bei mir ambivalente<br />
Assoziationen wecken. In historischer Sichtweise gibt es<br />
mindestens drei Vorgänger für den Österreich-Konvent, die<br />
auch für die im deutschen Sprachraum eher unübliche Namensgebung<br />
Pate standen. Die Erfolgsgeschichte der amerikanischen<br />
„Convention“ vor bald 217 Jahren wird sich in<br />
Österreich eher nicht wiederholen. Am 27. Mai 1787 trat der<br />
Konvent von Philadelphia an, um die Verträge zwischen den<br />
Bundesstaaten zu reformieren. Das Kongressmandat überschritt<br />
er unter Führung von George Washington und schuf<br />
die US-Verfassung, die sich mit ihren Amendments bis heute,<br />
soweit ich sehe, bewährt hat. Wohl auch deshalb, weil<br />
man es anders als in Österreich nicht mit der Kasuistik und<br />
der Zahl der Ergänzungen übertrieb.<br />
In konstitutioneller Sicht weniger erfolgreich als die Convention<br />
of Philadelphia agierte der französische National-<br />
Konvent, eine Gründung der bereits dem Terror (terreur) nahen<br />
Revolution, ab dem Herbst 1792. Die von ihm erarbeitete<br />
Verfassung wäre in manchen Punkten fortschrittlich gewesen<br />
(mit einem Wahl<strong>recht</strong> unabhängig von der Steuerleistung),<br />
trat aber nie in Kraft. Der Konvent widmete sich<br />
größeren Aufgaben, die ihn vollends in Europa diskreditierten:<br />
seine Innen- und Außenpolitik beunruhigte nicht nur<br />
Preußen und Österreich, sondern ganz Europa, der Konvent<br />
missachtete auch die Souveränität der Nachbarn ohne Hemmungen.<br />
Ein trauriges Konvent-„Highlight“ war die Verurteilung<br />
Ludwigs XVI. zum Tode, der am 21.1.1793 guillotiniert<br />
wurde, vor 211 Jahren also. Schließlich fraß der Konvent<br />
seine eigenen Mitglieder. Ein Konvent, der als<br />
zentralistisches Organ mehr als siebenhundert Mitglieder<br />
hatte und damit mehr Abgeordnete als alle österreichischen<br />
Parlamente zusammengenommen. Daher meine ich, dass<br />
man in Kontinentaleuropa den Begriff „Konvent“ angesichts<br />
dieses historischen Vorbilds lieber auf der Müllhalde der Geschichte<br />
hätte liegen lassen sollen.<br />
Stattdessen aber ging man daran, einen europäischen<br />
Konvent unter einem bereits politisch lange ausrangierten<br />
französischen Ex-Präsidenten zu installieren, der natürlich<br />
nichts anderes zustande gebracht hat, als eine Zerrüttung<br />
zwischen den in Allianz bis zur Spanien-Wahl tätigen Staaten<br />
Spanien und Polen einerseits und Resteuropa andererseits.<br />
Der europäische Konvent ist also bisher eher Zeichen<br />
des Niedergangs europäischer Konsens-Kultur als ein Höhepunkt<br />
derselben. Auch auf europäischer Ebene ist von dem<br />
Konvent, der für den Österreich-Konvent wohl auch ein Vorbild<br />
war, nicht allzu viel zu erwarten. Die Gräben zwischen<br />
den Verfassungstraditionen sind tief, es herrscht zudem Uneinigkeit<br />
in Fragen der Außenpolitik. Mehr als eine Institutionenreform<br />
vom Schlage des Vertrags von Nizza und ein<br />
eher redundanter Grund<strong>recht</strong>skatalog, der nur Bekanntes<br />
und schon Geltendes wiederholt, stehen daher nicht an. Genaugenommen<br />
lautet das Zauberwort nicht Konvent, sondern<br />
„Konvention“ (im Englischen und Französischen ist<br />
diese Unterscheidung sprachlich nicht möglich). Wie uns die<br />
Erfolgsgeschichte der EMRK lehrt, kann ein multilateraler<br />
Vertrag mit starken Entscheidungsorganen und der Unterwerfung<br />
der Nationalstaaten unter eine supranationale Gerichtsbarkeit<br />
viel leisten. Die Frage, ob es sich dabei nicht<br />
um eine materielle Grund<strong>recht</strong>sverfassung Europas handelt,<br />
wurde oftmals gestellt. Denn auch wenn die Konvention nur<br />
in manchen Staaten im Verfassungsrang (zB in Österreich)<br />
steht, teils nicht (BRD), hat sie es doch geschafft, quer zu<br />
den nationalen Verfassungen die Menschen<strong>recht</strong>e zu effektuieren.<br />
Voraussetzung war – hier im Rahmen des Europarats<br />
– ein Grundkonsens der Nachkriegszeit, den man heute vermisst.<br />
Auch auf EU- oder nationaler Ebene kann ein Konvent<br />
aber schier gar nichts leisten, wenn der inhaltliche<br />
Grundkonsens der Regionen, der Menschen, der Parteien<br />
und der Politiker fehlt.<br />
2.3 Mangelnde Repräsentativität, zu viele<br />
Interessensvertreter<br />
Dieser Punkt wurde schon sehr oft beanstandet und ist daher<br />
wenig originell, aber dennoch grundsätzlich richtig und objektivierbar.<br />
Es fehlen im Österreich-Konvent einige Frauen,<br />
vor allem auf Expertinnenebene und dass sich alle möglichen<br />
Interessensvertretungen dort wieder finden, wird einen<br />
Konsens nicht erleichtern. Wie will man zB daran gehen die<br />
Landtage abzuschaffen, wenn die Ländervertreter das schon<br />
im Konvent verhindern können Gleiches gilt für eine<br />
grundlegende Reform der Gemeindeverfassung. Gerade die<br />
Aufgaben und Funktion der Parlamente, also National- und<br />
Bundesrat sowie Landtage sowie der sonstigen Vertretungskörper<br />
sollte aber eine künftige grundlegende Verfassungsreform<br />
nicht aussparen. Die Grundidee, den Ländern mehr<br />
Vollziehungskompetenz zu geben und dafür weniger oder<br />
keine Gesetzgebungszuständigkeit zu belassen, wird sich<br />
daher nur sehr schwer umsetzen lassen. Auf Expertenebene<br />
gibt es dafür Vorschläge, auf politischer fehlt der Konsens.<br />
Die Einberufung eines „Verfassungskonvents“, der auch die<br />
oftmals als „Ruine“ bezeichnete österreichische Bundesverfassung<br />
auf Vordermann bringen sollte, ist angesichts gescheiterter<br />
Gespräche mit den Oppositionsparteien, vor allem<br />
der SPÖ, fragwürdig geworden. Ohne Konsens, kein erfolgreicher<br />
Konvent, so scheint es.<br />
3. Einige wesentliche Aufgaben des Österreich-<br />
Konvents<br />
Mir liegt nichts ferner als in obergescheiter Manier dem<br />
Konvent seine Aufgaben zu diktieren oder diese auch nur anzuregen.<br />
Am besten wäre es, allmählich Entwürfe vorzulegen,<br />
denn nur darüber kann sinnvoll diskutiert werden. Mich<br />
wundert es, dass die Mitglieder ruhig schlafen können, wenn<br />
seit gut einem Jahr noch nicht einmal ein einziger Halbsatz<br />
einer Reform „steht“. Es sitzen genug kompetente Verfassungs<strong>recht</strong>ler<br />
(wenn auch zu wenige „–innen“) im „Österreich<br />
Konvent“, sodass die technischen Probleme unserer<br />
Seite 200 juridicum 4 / 2003