Strahlende Sieger - Travel-One

➤ DESTINATION Nordamerika
Tony Hoover verteilt die Kopfhörer, setzt
sich selbst einen auf und bringt das Mikrofon
vor seinem Mund in Position.
»Okay, dann kann es losgehen«, sagt er und
deutet nach oben: »Das Bradbury Building
war das erste Gebäude in den USA mit einem
Glasdach.« Er erzählt die Geschichte des
1893 errichteten Backsteinbaus, in dem sich
sein Büro befindet, geht dabei langsam auf
die Eingangstür zu und steht schließlich auf
dem Broadway, der ältesten
Kinostraße der USA. Ein historisches
Lichtspieltheater
reiht sich an das nächste.
»Das Million Dollar Theatre
eröffnete 1918 als erstes
Kino weltweit.«
Zwei Urlauber haben
sich an diesem Samstag
morgen Tony Hoover angeschlossen
und folgen dem
Chef von Red Line Tours
zu Fuß durch die Innenstadt
von Los Angeles. Eine
größere Gruppe ist mal
wieder nicht zusammengekommen – trotz
der vielen Sehenswürdigkeiten. »Downtown
ist schwierig zu verkaufen«, beklagt Hoover.
Jährlich buchen lediglich 1.000 Besucher der
Metropole bei Red Line Tours eine Führung
durch das alte Zentrum der Stadt. Eine geringe
Zahl im Vergleich zu Hollywood, dem Top-Ziel
der südkalifornischen Metropole. Für seine
geführten Spaziergänge durch das Film-Mekka
registriert das Unternehmen im Jahr rund
20.000 Gäste.
Hollywood mit seinem Walk of Fame, Kinos
wie das Chinese oder das Kodak Theatre
oder den Hand- und Fußabdrücken bekannter
Schauspieler gehört zum Pflichtprogramm jedes
Touristen. In der Regel zieht es die Urlauber
noch in die Universal Studios und ins
L.A. mal
anders
Downtown ■ Nur wenige Touristen besuchen das Zentrum
der Metropole. Doch das soll sich ändern: Das einst gefragte
und später gemiedene Viertel wird für viel Geld umgestaltet.
Anette Kaiser-Rott:
Enorme Investition
Disneyland. Und manche stürzen sich ins Getümmel
am Venice Beach, wo Arnold Schwarzenegger
einst seine Muskeln stählte, oder
bummeln durch das quirlige Santa Monica.
Für viel mehr bleibt meist keine Zeit. Schließlich
nutzt das Gros der Besucher, vor allem
die ausländischen Gäste, Los Angeles in erster
Linie als Ausgangs- und Endpunkt von Rundreisen
durch den amerikanischen Westen und
bleibt daher nur wenige Tage in der Stadt.
Neue Museen
und Konzertsäle
Ein Abstecher ins Zentrum kommt für die
Urlauber bei all der Konkurrenz selten in
Betracht. Und auch die Veranstalter machen
ihren Kunden bislang nicht diesen Vorschlag.
Zum großen Bedauern von Hoover. »In keiner
Stadt Nordamerikas gibt es so viele historische
Gebäude wie in diesem Viertel«, sagt er. Doch
die Crux an der Sache
ist, dass selbst Amerikaner
dies nur selten
wissen. »Die meisten
sehen mich erstaunt
an, wenn sie das
hören«, erzählt der
Chef von Red Line
Tours, während er
vor einem Art-Deco-
Hochhaus steht.
Das Zentrum von
Los Angeles gehörte
über viele Jahre
hinweg nicht zu den
gefragtesten Adressen
der rund 3,8 Millionen
Einwohner zählenden
Stadt. Nach
seiner Blüte in den
FA C T S
L.A. in den Katalogen
USA-Anbieter haben in der Regel auch
Los Angeles im Programm, als Bestandteil
von Rundreisen durch den Südwesten
und mit einzeln buchbaren Hotels. Zudem
bieten sie Ausflüge an, einige Beispiele:
■ Dertour: Stadtrundfahrt, Universal
Studios, Helikopterflug, Rundfahrt mit
Stretchlimousine
■ FTI: Grand Tour, Cadillac-Tour, Universal
Studios, Tour durch Hollywood
■ Neckermann: Verschiedene Stadtrundfahrten,
zu Fuß durch Hollywood, Helikopterflug,
Disneyland, Universal Studios
■ TUI: Universal Studios, City-Tour mit
Bus, Helikopterflug, Hollywood City Pass
Das Bradbury Building von 1893 zählt heute
zu den Broadway-Highlights (Foto: LACVB)
Anfangsjahren des Films schien Downtown
dem Verfall preisgegeben. Auf dem Broadway,
einst Haupteinkaufsstraße und Zentrum des
Nachtlebens von L.A., schlossen Kaufhäuser
und Kinos. Billigläden zogen in die frei werdenen
Räume ein. Soziale und ethnische Gegensätze
prägten das Bild, Kriminalität war an der
Tagesordnung.
Seit ein paar Jahren allerdings erlebt die
Innenstadt eine Renaissance. Um die sozialen
Probleme in den Griff zu bekommen, wurden
Obdachlosen-
Programme initiiert.
Gleichzeitig flossen
viele Milliarden US-
Dollar in die Instandsetzung
der historischen
Gebäude. In
den ehemaligen Kaufhäusern
entstanden
Wohnungen. Sogar
das Subway Terminal
Building, Knotenpunkt
der U-Bahnen
zwischen 1925 und
1956, ist renoviert
und in einen Komplex
mit Luxus-
Apartments umfunktioniert
worden. »Es
wird wieder schick,
28 TRAVEL ONE 23.11.2005