Euch zu Diensten - Cuthalions Bogen
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der Seemöwen. Stattdessen war die Luft vom schrillen Gezwitscher der Schwalben<br />
erfüllt, die ihre Nester unter den Dachtraufen der Häuser von Minas Tirith bauten,<br />
und der kühle, grüne Duft des Flusses wurde überlagert von einem Geruch nach<br />
frisch gemähtem Heu. Nach einer Abwesenheit von acht Jahren kehrte sie endlich an<br />
den Ort <strong>zu</strong>rück, den sie liebte.<br />
Lothíriel war in der schönsten Stadt von Gondor aufgewachsen, in den hoch<br />
gewölbten, eleganten Hallen des Palastes der Fürsten von Dol Amroth. Im Sommer<br />
von Meeresbrisen gekühlt und im Winter mit einem maßvollen Klima gesegnet, war<br />
ihre Geburtsstadt lange als der schönste Wohnort im Reich Gondors betrachtet<br />
worden. Lothíriels Zimmer schaute nach Westen; es blickte über die sich ständig<br />
ändernden Wasser der Bucht von Belfalas hinaus, die sich von Blau <strong>zu</strong> Grün und <strong>zu</strong><br />
geschmolzenem Gold färbten, während der Tag voranschritt. Tatsächlich hätte sie die<br />
Sehnsucht nach der See in den Knochen tragen müssen. Doch stattdessen hatte sie<br />
bei ihrem ersten Besuch in Minas Tirith als kleines Kind ihr Herz an die Weiße Stadt<br />
verloren.<br />
Die drückende Hitze in den Sommermonaten und die kalten Winde, die den Rest der<br />
Zeit hindurch peitschten, hatten sie nie gekümmert. Selbst die ständige Bedrohung<br />
durch den Feind hatte sie nicht berührt, denn sie war überzeugt gewesen, das nichts<br />
jemals ihre großartigen Vettern Boromir und Faramir besiegen würde, die <strong>zu</strong>weilen<br />
da<strong>zu</strong> überredet werden konnten, einer schmuddeligen kleinen Prinzessin einen Ritt<br />
auf ihren prächtigen Rössern <strong>zu</strong> gönnen. Jetzt waren diese Tage natürlich für immer<br />
dahin; Faramir bereitete sich auf seine Vermählung vor und darauf, sich in Süd-<br />
Ithilien nieder <strong>zu</strong> lassen, und Boromir war weit entfernt von der Heimat, die er liebte,<br />
ums Leben gekommen. Mit einiger Mühe schob Lothíriel diese traurigen Gedanken<br />
von sich. Sie war entschlossen, sich ihre Rückkehr nach Minas Tirith durch nichts<br />
verderben <strong>zu</strong> lassen.<br />
„Aufgeregt, kleine Schwester?“<br />
Sie wandte sich ihrem Bruder Amrothos <strong>zu</strong>, der unbemerkt hinter ihr heran<br />
gekommen war und nickte, <strong>zu</strong> zerstreut, um dagegen <strong>zu</strong> protestieren, dass er sie<br />
klein nannte. Als die Kleinste unter Fürst Imrahils Abkömmlingen hatte sie schon<br />
lange die Hoffnung auf einen weiteren Wachstumschub aufgegeben und sich damit<br />
abgefunden, dass sie nicht mehr als mittelgroß war – eine Tatsache, mit der ihre<br />
Brüder sie gern neckten. Jetzt langte sie nach Amrothos’ Arm.<br />
„Können wir schon von Bord gehen?“ fragte sie.<br />
„Oh, ich denke doch,“ erwiderte er. „Schauen wir mal, ob Vater jemanden geschickt<br />
hat, um ums <strong>zu</strong> begrüßen. Immerhin werden wir erwartet.“<br />
Er nahm sie beim Arm und half ihr die steilen Stufen vom Vorschiff auf das<br />
Hauptdeck hinunter. Hier war das Fallreep bereits angebracht worden, aber Lothíriel<br />
musste ihre Ungeduld zügeln, während sie sich vom Kapitän verabschiedeten.<br />
Endlich waren sämtliche Nettigkeiten ausgetauscht und man hatte einander Lebewohl<br />
gesagt. Der Kapitän bestand darauf, sie selbst von seinem Schiff herunter <strong>zu</strong><br />
eskortieren, denn das Holz der Fallreep war schlüpfrig, wie er betonte. Dieses eine<br />
Mal machte es ihr nicht so viel aus wie normalerweise, weil sie schlichtweg <strong>zu</strong> eifrig<br />
darauf bedacht war, den Fuß wieder auf festes Land <strong>zu</strong> setzen. Wie sich<br />
herausstellte, war sie sogar dankbar, denn <strong>zu</strong> Anfang hatte dieses Land die<br />
erschreckende Neigung, unter ihren Sohlen <strong>zu</strong> schwanken, und sie brauchte einen<br />
Augenblick, ihr Gleichgewicht wieder<strong>zu</strong>finden.<br />
Dann rief jemand ihren Namen, und sie wurde ihnen Vorwarnung in einer<br />
bärenhaften Umarmung eingefangen.