Mitteilungen 74 Juni 2008 - Geschichte in Schleswig-Holstein
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Jahrhundert e<strong>in</strong>e Landesgeschichtsschreibung, die sich nun auch <strong>in</strong> breiterem<br />
Maße auf Quellen stützte. Ich zögere nicht, <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />
neben He<strong>in</strong>rich Rantzau den Chronisten me<strong>in</strong>er Heimat Dithmarschen zu<br />
nennen, Johann Adolf Köster, genannt Neocorus, aus Büsum. Von hier war<br />
es noch e<strong>in</strong> langer Weg bis zur quellenkritisch geschulten Geschichtswissenschaft<br />
des 19. Jahrhunderts, aber dieser Weg ist gesäumt von bedeutenden<br />
Gelehrten, die das ihre geleistet haben. Ich erwähne nur Ernst Joachim<br />
Westphalen mit se<strong>in</strong>er mehrbändigen Edition der „Monumenta <strong>in</strong>edita rerum<br />
Germanicarum praecipue Cimbricarum“ (1739–1<strong>74</strong>5), die größtenteils<br />
übrigens bis heute nicht durch bessere Ausgaben ersetzt ist. Hervorzuheben<br />
ist auch, dass es schon im 18. Jahrhundert Historiker gab, die anstelle<br />
gängiger Territorial- und Dynastengeschichte von „Landesgeschichte“<br />
sprachen, so etwa Bernhard Helfrich Wenck 1783 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er „Hessischen<br />
Landesgeschichte“.<br />
Aber: die Landesgeschichte ist erst <strong>in</strong> den letzten hundert Jahren zu e<strong>in</strong>er<br />
eigenständigen wissenschaftlichen Diszipl<strong>in</strong> geworden. Dabei haben sich<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsbild und Selbstverständnis der deutschen Landesgeschichtsforschung<br />
im Laufe der letzten hundert Jahre ziemlich verändert. Ich referiere<br />
<strong>in</strong> Stichworten:<br />
– Vor e<strong>in</strong>em Jahrhundert, seit ca. 1900, e<strong>in</strong>e Zeit der Etablierung und des<br />
Aufbruchs, als die ersten landesgeschichtlichen Professuren und Institute<br />
e<strong>in</strong>gerichtet wurden. Den Universitäten Leipzig und Bonn kam dabei e<strong>in</strong>e<br />
Vorreiterrolle zu.<br />
– Vor 50 Jahren, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, e<strong>in</strong>e Phase<br />
der breiten Entfaltung, als die Landesgeschichte <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit der<br />
mittelalterlichen <strong>Geschichte</strong> für gut zwei Jahrzehnte <strong>in</strong> der westdeutschen<br />
Geschichtswissenschaft zu e<strong>in</strong>er Leitdiszipl<strong>in</strong> wurde.<br />
– Und heute Die Landesgeschichte ist <strong>in</strong> allen alten Bundesländern (mit<br />
Ausnahme des Saarlandes) und <strong>in</strong> mehreren neuen Bundesländern mit Professuren,<br />
z.T. sogar mit Forschungs<strong>in</strong>stituten etabliert. Gleichwohl herrscht<br />
angesichts der Absenkung mancher Professuren von C4 auf W2 (was übrigens<br />
den Erfordernissen e<strong>in</strong>er Landesgeschichtsprofessur mit ihren vielfältigen<br />
Aufgaben nicht gerecht wird) oder sogar ihrer Streichung, wie <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>, Halle und Passau geschehen, allgeme<strong>in</strong>es Klagen im Fach. Dabei<br />
handelt es sich nach me<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>druck freilich weniger um e<strong>in</strong>e spezielle<br />
Krise des Faches Landesgeschichte, sondern um e<strong>in</strong>e grundsätzliche Krise<br />
der Geisteswissenschaften, <strong>in</strong>sbesondere der Geschichtswissenschaften. Die<br />
Landesgeschichte ist Teil, aber nicht Kern des Problems. Zudem nehmen<br />
die Sorgen der Fachkollegen gelegentlich schon drollige Züge an. Kürzlich<br />
schrieb e<strong>in</strong> bayerischer Kollege, Ernst Schubert habe se<strong>in</strong>em landesgeschichtlichen<br />
Grundsatzreferat 2004 auf dem Historikertag <strong>in</strong> Kiel „die<br />
fast resignative Überschrift ‚Abend der Landesgeschichte‘“ vorausgeschickt.