Stellungnahme (pdf) - Daten-Speicherung.de – minimum data ...
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SCHRIFTSATZ DER KLÄGER VOM 11. OKTOBER 2009 6<br />
13. Unerheblich ist auch, dass nur öffentliche Leistungen betroffen sind und nicht Einkommen<br />
aus an<strong>de</strong>ren Quellen. Erstens leben immer mehr Menschen ausschließlich<br />
von öffentlichen Leistungen. Es ist nicht hinnehmbar, dass gera<strong>de</strong> die Ärmsten auch<br />
die gläsernsten Menschen sein sollen. Zweitens treffen die im vorliegen<strong>de</strong>n Fall angeführten<br />
Argumente (Transparenz, Betrugsbekämpfung) auf je<strong>de</strong>n Steuerzahler zu.<br />
Bei je<strong>de</strong>m Steuerzahler könnte argumentiert wer<strong>de</strong>n, die Öffentlichkeit habe einen<br />
Anspruch auf Kontrolle <strong>de</strong>r Steuerzahlung und auf Verhin<strong>de</strong>rung von Steuerhinterziehung<br />
durch Transparenz.<br />
14. Wir machen <strong>de</strong>n Gerichtshof darauf aufmerksam, dass die Maßstäbe, die er in <strong>de</strong>r<br />
vorliegen<strong>de</strong>n Entscheidung entwickelt, auch in an<strong>de</strong>ren Bereiche angewandt wer<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n. Es besteht die Gefahr, dass <strong>de</strong>r Schutz <strong>de</strong>r Privatsphäre und <strong>de</strong>s Rechts auf<br />
informationelle Selbstbestimmung zunächst für Leistungsempfänger, sodann für weitere<br />
gesellschaftliche Gruppen und letztendlich für alle Bürger relativiert wird. Soweit<br />
die Veröffentlichung von Beihilfen zulässig ist, kann auch die Veröffentlichung sonstiger<br />
Bezüge nicht unzulässig sein. Die streitgegenständlichen Vorschriften stellen mithin<br />
einen Präze<strong>de</strong>nzfall für eine immer weiter reichen<strong>de</strong> Veröffentlichung persönlicher<br />
<strong>Daten</strong> zu an<strong>de</strong>ren Zwecken als <strong>de</strong>m Zweck ihrer Erhebung dar. Diese Entwicklung<br />
droht schrittweise zu einem gläsernen Bürger zu führen, wenn nicht strenge Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
zum Schutz <strong>de</strong>r Privatsphäre <strong>de</strong>r Bürger aufgestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
15. Zwar ist die öffentliche Verwaltung in einzelnen skandinavischen Mitgliedsstaaten tatsächlich<br />
so transparent, dass das Einkommen aller Bürger öffentlich zugänglich ist. In<br />
Staaten, in <strong>de</strong>nen alle Bürger verpflichtet sind, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse<br />
zu offenbaren, hat eine Offenlegungspflicht für Beihilfeempfänger selbstverständlich<br />
eine an<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung als in Staaten, in <strong>de</strong>nen das Recht auf informationelle<br />
Selbstbestimmung und auf Geheimhaltung von persönlichen <strong>Daten</strong> einen hohen,<br />
teilweise verfassungsrechtlich abgesicherten, Stellenwert hat. Die skandinavischen<br />
Län<strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n einen Son<strong>de</strong>rfall in <strong>de</strong>r Europäischen Union. Nach <strong>de</strong>r Rechtsund<br />
Verfassungstradition <strong>de</strong>r weitaus meisten Mitgliedsstaaten hat <strong>de</strong>r Schutz <strong>de</strong>s<br />
Privatlebens Vorrang vor allgemeinen Transparenzerwägungen. Es kann nicht festgestellt<br />
wer<strong>de</strong>n, dass in <strong>de</strong>r Mehrzahl <strong>de</strong>r Mitgliedsstaaten die Empfänger öffentlicher<br />
Leistungen nach Name und Leistungshöhe im Internet veröffentlicht wür<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n<br />
meisten Staaten ist es danach eine schwerwiegen<strong>de</strong> Diskriminierung von Beihilfeempfängern,<br />
gera<strong>de</strong> und ausschließlich <strong>de</strong>ren Bezüge (teilweise) zu veröffentlichen.<br />
16. Erklärt <strong>de</strong>r Gerichtshof eine freie Veröffentlichung von Einkommensteilen für unzulässig,<br />
gerät dies nicht in Konflikt mit <strong>de</strong>n einzelstaatlichen Rechtsordnungen, welche<br />
eine allgemeine Veröffentlichung von Bezügen vorsehen. Denn die Gemeinschaftsgrundrechte,<br />
welche <strong>de</strong>n Maßstab für die Entscheidung <strong>de</strong>s Gerichtshofs bil<strong>de</strong>n, gelten<br />
für die Mitgliedsstaaten ausschließlich bei <strong>de</strong>r Durchführung von Europarecht (Art.<br />
51 Grundrechtscharta).