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Das Verstandene Leben - Ernst Michael Lange

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„Namenerklärung“ anzufangen, denn sie helfe uns „wenig oder nichts, denn auch ohne ihr<br />

versteht man dieses Wort (‚Zeit’) genug, um es nicht zu verwechseln.“ (Deutlichkeit A 80)<br />

Wittgenstein war dagegen der Meinung, dass schon hinsichtlich der Wörter Unklarheit<br />

herrsche und uns insbesondere die substantivische Form der Frage, was Zeit ist, in die Irre zu<br />

führen geeignet sei (weil Substantive Gegenstände indizieren und uns die Zeit aufgrund der<br />

Form der Frage als eine merkwürdig Art von Ding erscheinen könne – <strong>Das</strong> blaues Buch 21<br />

f.). Aber er hat gelehrt, dass Bedeutung eines Ausdrucks das sei, was Erklärungen der<br />

Bedeutungen dieses Ausdrucks erklären (dieser analytische Satz verknüpfe einfach die<br />

Begriffe Bedeutung und Erklärung). Und wenn wir keine Erklärungen für Bedeutung eines<br />

Ausdruck in einem Satz oder jedenfalls in übersichtlicher Weise haben, dann soll man sich<br />

nach Wittgenstein die Bedeutung des Ausdruck von dem Gebrauch lehren lassen, den wir in<br />

der Sprache tatsächlich von ihm machen. In jedem Fall seien, anders als Kant meinte,<br />

Worterklärungen jedenfalls der Anfang philosophischer Einsicht. Und ‚Zeit’ ist nun ein ganz<br />

gebräuchlicher Ausdruck unserer Sprache, der Bedeutung hat, und also muss er sich erklären<br />

lassen.<br />

Zeit – die methodologische Erklärung<br />

Wenn wir unser praktisches Verstehen von Zeit u. a. darin zeigen, dass wir Verabredungen<br />

zu bestimmten Zeitpunkten erfolgreich treffen, dann kann als Anfang einer Erklärung für den<br />

Ausdruck ‚Zeit’ nicht falsch sein, wenn wir mit der Erklärung anfangen: Zeit ist, was wir als<br />

Zeit bestimmen (z.B. den Zeitpunkt einer Verabredung). <strong>Das</strong> ist wieder analytisch und also<br />

zunächst nichts sagend, aber es verknüpft die Begriffe der Zeit und der Bestimmung von<br />

etwas und ist insofern nicht ganz leer. Weiter führt dann die Frage, wie machen wir es denn,<br />

dass wir Zeit bestimmen Wenn wir uns ein wenig auf die vielfältigen Weisen des<br />

Bestimmens von Zeit besinnen, werden wir nach einigem Nachdenken folgender erster<br />

Erklärung die Zustimmung nicht versagen: Zeit ist, was wir bestimmen, indem wir es mit<br />

Kalendern einteilen und mit Uhren messen. 36<br />

Nun ist die Unterscheidung zwischen Kalendern und Uhren als Mitteln unserer<br />

Zeitbestimmung mittels der Ausdrücke ‚einteilen’ und ‚messen’ nicht trennscharf. Wir<br />

bestimmen Daten nicht nur mit Hilfe des Kalenders, sondern, wenn der Kontext solche<br />

Genauigkeit verlangt, mit der Angabe einer Uhrzeit. Und wir messen Zeiträume nicht nur mit<br />

der Uhr, sondern, wenn der Kontext solche Ungenauigkeit zulässt, auch mit Hilfe des<br />

Kalenders (z.B. als den Zeitraum einer Reihe von Tagen). Gleichwohl können wir nicht auf<br />

einer der beiden Typen von Angaben einfach verzichten, wenn wir unsern normalen<br />

Zeitbegriff klären wollen. <strong>Das</strong> wird klar, wenn man auf den Zusammenhang aufmerksam<br />

wird, der beide Arten von Angaben mit zwei grundlegenden Fragen nach der Zeit verbindet –<br />

den Fragen ‚wann’ und ‚wie lange’. Diese beiden Fragen scheinen aufeinander nicht<br />

reduziert werden zu können. Die erste betrifft die Datierung von zeitlichen Gegebenheiten,<br />

die zweite ihre Dauer (wenn sie eine aufweisen). Die beiden Fragen sind aber auch nicht<br />

völlig unabhängig voneinander. Sie sind Ausdruck verschiedener Interessen, die wir an<br />

zeitlichen Gegebenheiten nehmen und die uns daher bei aller Zeitbestimmung leiten. 37<br />

Kalender dienen primär der Datierung, können aber auch zu grober Messung verwendet<br />

werden; Uhren dienen primär der Messung, können aber auch zur genauen Datierung<br />

verwendet werden.<br />

36 Hier folge ich, was die Bezugnahme auf Uhren angeht, Einstein und Wittgenstein (vgl. <strong>Das</strong> Braune Buch<br />

Abschnitt 51, 154). Die bei beiden fehlende Bezugnahme auf Kalender rechtfertige ich im Text sachlich.<br />

37 Die gesamte folgende Zeitanalyse ist eine Anwendung von Wittgensteins allgemeiner Einsicht: „Begriffe<br />

leiten uns zu Untersuchungen. Sind der Ausdruck unseres Interesses, und lenken unser Interesse.“ PU Abschnitt<br />

570.<br />

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