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Das Verstandene Leben - Ernst Michael Lange

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gezeigt werden wird, dass für die weiter gehenden Ansprüche der Philosophie auf<br />

<strong>Leben</strong>sbedeutsamkeit eine begriffliche Konstellation von Notwendigkeit und Ewigkeit<br />

ausschlaggebend gewesen ist, die die Metaphysik von Aristoteles bis Hegel ausdrücklich und<br />

unausdrücklich die Philosophie auch weit darüber hinaus bestimmt hat und die heute aus<br />

Gründen begrifflicher Klarheit nicht aufrecht erhalten werden kann.<br />

I. Sinn – <strong>Leben</strong> – Sinn des <strong>Leben</strong>s<br />

Sinn<br />

Zur Verständigung über das <strong>Leben</strong> im Ganzen konkurrieren in der Philosophie die Begriffe<br />

Glück und Sinn. Die antike Philosophie, besonders Aristoteles, haben gemeint, im <strong>Leben</strong> gehe<br />

es wesentlich um Eudaimonie, Glück, weil das es sei, was alle im Ganzen ihres <strong>Leben</strong>s<br />

erstrebten. Wie eine klarsichtige Philosophin, die sich dieser antiken Auffassung in der Frage<br />

nach dem guten <strong>Leben</strong> als für die Philosophie grundlegend anschloss, bündig bemerkt hat, hat<br />

gegenüber dem Begriff des Glücks der des Sinns den Vorteil, auch <strong>Leben</strong>sziele außerhalb des<br />

eigenen Wohls von vornherein berücksichtigen zu können. 3 Seinen Nachteil sah sie darin,<br />

dass er einen leicht in metaphysische Spekulation verstrickt. Ich möchte versuchen, dem zu<br />

entgehen, indem ich dem Wortfeld von ‚Sinn’ eine Ordnung abzugewinnen suche, die die<br />

Frage nach einem Sinn des <strong>Leben</strong>s orientieren kann.<br />

Denn zunächst ist ‚Sinn’ ja ein Wort der Sprache, in dem sie reflexiv wird. Denn in einer<br />

seiner Verwendungen, die nach dem Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm heute „nur<br />

noch üblich und sehr gewöhnlich“ ist 4 , ist Sinn das Korrelat von Verstehen, Verständnis, und<br />

heißt soviel wie Verstehbarkeit oder Verständlichkeit. Denn wenn wir nach dem Sinn eines<br />

Ausdrucks – Wort, Phrase oder Satz – fragen, fragen wir danach, wie er (vernünftigerweise)<br />

verstanden werden kann und zu verstehen ist.<br />

Aber auch wenn diese Verwendung von Sinn schon 1905 (dem Erscheinungsjahr von DW Bd.<br />

16) nur noch üblich und sehr gewöhnlich war, ist sie doch eine hochstufige Bildung, die sehr<br />

viel voraussetzt. Wenn man die in 24 Punkte gegliederten Angaben des Artikels ‚Sinn’ im<br />

DW zu ordnen versucht, ergibt sich zwanglos eine Einteilung in vier Gruppen. Die<br />

Grundbedeutung von ‚Sinn’ ist ‚Richtung’ - wir kennen sie noch in der Rede vom<br />

Uhrzeigersinn, d. i. die Richtung, in der die Uhrzeiger laufen. Diese durchaus physisch<br />

lokalisierend zu verstehende Bedeutung soll aber von vornherein ‚ins Geistige’ übertragbar<br />

gewesen sein. Da heißt ‚Sinn’ dann soviel wie ‚Zweck’ oder ‚Absicht’ oder ‚Tendenz’. Der<br />

Sinn einer Handlung z.B. ist ihr Zweck, ihre Tendenz, das, worauf sie ausgeht. Auf diese<br />

Verwendung baut eine für das Vermögen oder die Fähigkeit zur Zwecksetzung und<br />

Tendenzverfolgung auf. Wir kennen sie noch in Randbedeutungen. Wenn man einer Person<br />

z.B. einen Sinn für Malerei oder Musik oder Schönheit zuschreibt, dann wird ihr eine<br />

besondere Fähigkeit, Malerei und Musik zu genießen oder Schönheit zu verfolgen<br />

zugesprochen. Diese Verwendung bezieht sich nur auf die rezeptive Seite unsere Fähigkeiten,<br />

aber in der Sprachgeschichte gab es auch Verwendungen für aktive und produktive<br />

Fähigkeiten. Auch davon gibt es heute nur noch Reste – wenn von einer Person gesagt wird,<br />

dass ihr der Sinn nach etwas stehe, ist gemeint oder zu verstehen, dass sie etwas haben, tun<br />

oder erleben will (häufig geht es um das Haben, etwa den Genuss einer Speise oder eines<br />

Getränks).<br />

Die heute nur noch übliche und sehr gewöhnliche Verwendung im Sinn von ‚Bedeutung,<br />

Verständlichkeit’ lässt sich an die Verwendung als ‚Zweck’ etc. anschließen. Handlungen<br />

3 Ursula Wolf: Die Philosophie und die Frage nach dem guten <strong>Leben</strong>, Reinbeck bei Hamburg (Rowohlt) 1999,<br />

16.<br />

4 Bd. 16, Spalte 1147, Ziffer 22. Zitiert DW.<br />

4

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