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Das Verstandene Leben - Ernst Michael Lange

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Kant auch nicht nur der zeitlichen!) wirft beide Aspekte zusammen. 40 Der formale Begriff<br />

‚Zeit’ erfasst alle Arten von zeitlichen Bestimmungen – ist mit jeder einzelnen von ihnen<br />

schon gegeben und insofern ‚a priori’ – und daher auch die Zeit als empirische Möglichkeit<br />

der Temporalisierung.<br />

Die Zeitreihenbestimmungen als modale<br />

Über die sachliche Haltbarkeit der formal-ontologischen Erklärung von Zeit als Möglichkeit<br />

der Temporalisierung muss eine Aufklärung über die Stellung modaler Bestimmungen und<br />

Sachverhalte in unserem Verstehen überhaupt und des Näheren eine Erläuterung des<br />

Zusammenhangs zeitlicher Bestimmungen mit den modal grundlegenden ‚alethischen’ (auf<br />

Wahrheit bezogenen) Bestimmungen ‚wirklich/möglich/notwendig’ entscheiden. In<br />

Verbindung damit muss aus dem Bisherigen das Problem im Auge behalten werden, wie<br />

denn das in der Dualität der Fragen ‚wann’ und ‚wie lange’ und den zugeordneten<br />

begrifflichen Unterscheidungen steckende Interesse an Einmaligkeit (Ereignisse) im<br />

Unterschied zu Wiederholbarkeit (Prozesse), das bisher deskriptiv unterstellt wurde,<br />

seinerseits verständlich werden kann.<br />

Für den ersten Punkt ist es praktisch, sich an den zeitlichen Bestimmungen zu orientieren, die<br />

seit Kant als vorzüglicher Ausdruck der Zeit überhaupt gegolten und daher im Mittelpunkt<br />

des Interesses üblicher Zeitphilosophie gestanden haben. Kant sah Zeitlichkeit wesentlich<br />

durch „das Zugleichsein oder Aufeinanderfolgen“ konstituiert und seit J.E. McTaggart<br />

orientiert sich die analytische Zeitphilosophie an dem Bestimmungspaar ‚früher/später’ und<br />

der Bestimmungsreihe ‚vergangen/gegenwärtig/zukünftig’. Die erste Relation ordne eine B-<br />

Reihe genannte Abfolge von zeitlichen Gegebenheiten (‚positions in time’), die zweite Folge,<br />

A-Reihe genannt, sei eine weitere Ordnung zeitlicher Gegebenheiten. <strong>Das</strong> zentrale Problem<br />

des Verstehens von Zeit bestand seither für viele Philosophen in der Bestimmung des<br />

Charakters (real subjektiv objektiv) und des Verhältnisses der beiden Reihen<br />

zueinander. 41<br />

Aus Sicht der bisherigen Erörterungen ist zu dieser Problemstellung zu sagen, dass die<br />

Orientierung an den beiden Reihen indifferent bleibt gegenüber dem Unterschied<br />

Ereignis/Prozess – beide Arten von zeitlichen Gegebenheiten können nach beiden Reihen<br />

geordnet werden. Und: Die Reihen gehören, nach der Verwendung der zu ihrer Markierung<br />

benutzten Wörter zu urteilen, in den Zusammenhang von Datierungsfragen – früher und/oder<br />

später geben eine grobe relative Datierung von Ereignissen oder Prozessen (oder ihren<br />

Stadien) im Verhältnis zueinander, vergangen und zukünftig eine grobe Datierung bezüglich<br />

einer als gegenwärtig ausgezeichneten Erfahrungsperspektive bzw. eines gewählten<br />

objektiven Bezugspunkts, aus dem (auf den) eine Erfahrungsperspektive (im Sinne möglicher<br />

Beobachtung und Messung) möglich ist.<br />

Für die jetzt anzustellenden Überlegungen stellt sich im Hinblick auf den modalen Charakter<br />

der Zeitbestimmungen die Frage so: Wie verhalten sich ‚vergangen/gegenwärtig/zukünftig’<br />

zu ‚möglich/wirklich/notwendig’ (‚früher/später’ können als bloß relative Bestimmungen<br />

zunächst außer Betracht bleiben). Und im Hinblick auf den etwa erfolgreichen Nachweis der<br />

Modalität der Zeitbestimmungen stellt sich dann die Frage: Wie ist die Stellung von modalen<br />

Bestimmungen in unserem Verstehen überhaupt zu verstehen<br />

40 Die Nichtunterscheidung ist unter Voraussetzung seines transzendentalen Idealismus, der die<br />

Möglichkeitsform Zeit zu einer Form der (subjektiven) Anschauung werden lässt, auch konsequent. – Leider<br />

fehlen mir genauere Kenntnisse in der physikalischen Theorie, um zu untersuchen, inwiefern die<br />

Nichtunterscheidung empirischer von logischer Möglichkeit auch bei den Debatten zwischen Positionen einer<br />

‚relativen’ und einer ‚absoluten’ Zeitauffassung eine Rolle gespielt hat.<br />

41 Die beste akademische Untersuchung in dieser Tradition war in deutscher Sprache die Dissertation von Peter<br />

Bieri: Zeit und Zeiterfahrung, Frankfurt am Main 1972. Vgl. auch <strong>Ernst</strong> Tugendhat, ‚Heidegger und Bergson<br />

über die Zeit’, in: Philosophische Aufsätze 1992-2000, Frankfurt am Main 2001, 15.<br />

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