Hannah Arendt und das philosophische Denken - KOPS ...
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stand, <strong>das</strong>s die Aristotelischen Vorstellungen ihren eigenen entsprechen. Darin liegt<br />
sowohl die 'Originalität' <strong>Arendt</strong>s als auch der Gr<strong>und</strong> dafür, <strong>das</strong>s sie Kritik aus allen<br />
möglichen Richtungen erfährt. <strong>Arendt</strong> war sich immerhin dabei sicher, <strong>das</strong>s sie nicht<br />
zu den von Kant ironisch als 'Denker von Gewerbe' bezeichneten Autoren gezählt<br />
werden kann.<br />
Die dargestellte Denkweise stellt den Schlüssel zum Verständnis <strong>Arendt</strong>s dar. Ein<br />
<strong>Denken</strong> nach dem Zusammenbruch der Tradition ist voller Spontaneität <strong>und</strong> vollzieht<br />
sich als eine permanente Debatte mit den Traditionen der Philosophie, der Metaphy-<br />
sik <strong>und</strong> der Politik. Auf diese Weise wird nicht nur über die traditionellen Probleme,<br />
sondern auch über die Bedeutung der Überlieferung noch einmal nachgedacht. Da-<br />
mit ist aber auch klar, warum eine Interpretation oder eine Kritik <strong>Arendt</strong>s, die aus der<br />
Perspektive der Tradition heraus entwickelt wird, den Kern des <strong>Arendt</strong>schen Den-<br />
kens nicht treffen kann. Um dieses <strong>Denken</strong> in angemessener Weise zu kritisieren,<br />
muss man zunächst einmal <strong>Arendt</strong>s Konzeption eines freien <strong>und</strong> spontanen Den-<br />
kens, eines <strong>Denken</strong>s 'ohne Geländer' verstanden haben.<br />
Ein <strong>Denken</strong> ohne Geländer lässt sich bereits in <strong>Arendt</strong>s früher Studienzeit in ersten<br />
Ansätzen finden. Als sie in Marburg bei Heidegger studierte, hat ihr dieser eine<br />
strenge Methode in der Philosophie nahegebracht. In Martin Heidegger ist achtzig<br />
Jahre alt schildert sie, wie dieses <strong>Denken</strong> <strong>und</strong> ein Bewusstsein vom Zusammen-<br />
bruch der Tradition zustandekamen. Nach dem Ersten Weltkrieg habe es an den<br />
deutschen Universitäten "ein weit verbreitetes Unbehagen an dem akademischen<br />
Lehr- <strong>und</strong> Lernbetrieb in all den Fakultäten, bei all den Studenten, für die <strong>das</strong> Stu-<br />
dium mehr bedeutete als die Vorbereitung auf den Beruf" gegeben. Doch hätten die<br />
Studenten gleichzeitig nicht gewusst, was sie eigentlich wollten. In dieser Situation<br />
tauchte Husserl mit seinem Ruf 'Zu den Sachen selbst' auf. Das wurde als Aufforderung<br />
verstanden: "Weg von den Theorien, weg von den Büchern." Scheler griff<br />
diesen Impuls als erster auf, später Heidegger. Beide hatten mit Jaspers gemein,<br />
<strong>das</strong>s sie zwischen einem 'gelehrten Gegenstand' <strong>und</strong> einer 'gedachten Sache' unterscheiden<br />
konnten. Zudem hielt Heidegger "die Gelehrsamkeit gerade in Sachen der<br />
Philosophie für ein müßiges Spiel" <strong>und</strong> wandte sich der 'Sache des <strong>Denken</strong>s' zu.<br />
<strong>Arendt</strong> sagt über Heidegger: "gerade weil ihm der Faden der Tradition gerissen ist,<br />
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