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Hannah Arendt und das philosophische Denken - KOPS ...

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meinschaftlichen unter die Kategorie des Herrschens fallen. So stellt C. Thürmer-<br />

Rohr fest: "Ihr [<strong>Arendt</strong>s] Fre<strong>und</strong>schaftsbegriff verweist exemplarisch auf Gr<strong>und</strong>züge<br />

ihres politischen <strong>Denken</strong>s <strong>und</strong> damit auch auf ihre zentrale These vom modernen<br />

Verfall des Politischen." 89<br />

Dies mag ein 'romantisches Element' 90 des Politikbegriffs <strong>Arendt</strong>s sein, doch ist es<br />

tief in <strong>Arendt</strong>s Biographie begründet. In ihrer von Verzweiflung erfüllten Lebenserfahrung<br />

in einer feindseligen Welt, dem damaligen Deutschland, lässt sie sich von<br />

der Vorstellung einer heimatlichen Welt leiten, in der die Menschen unter Verzicht<br />

auf Gewalt miteinander wie Fre<strong>und</strong>e leben. Das ist jedoch nicht der einzige Gr<strong>und</strong><br />

für <strong>das</strong> Modell der Fre<strong>und</strong>schaft.<br />

Wie gezeigt wurde, hat eigentlich der Umstand, wie sich ihre Fre<strong>und</strong>e (insbesondere<br />

Heidegger) im Naziregime verhielten, <strong>Arendt</strong> dazu getrieben, sich der Politik zuzuwenden.<br />

Sie wurde aus ihrem Fre<strong>und</strong>eskreis ausgeschlossen, weil man mit ihr nicht<br />

mehr in einer gemeinsamen Welt leben wollte 91 ; ihre Fre<strong>und</strong>e traten in eine nationalstaatliche<br />

Ideologie zurück. Nach <strong>Arendt</strong> ist dabei nicht die Ideologie an sich in erster<br />

Linie schuld an diesem Umstand, sondern der Nationalismus selbst, der strukturell<br />

gesehen Exklusivität in seinem Wesen verbirgt. Dieser verlangt, eine Grenze zwischen<br />

den Menschen zu ziehen: jeder, der nicht zur eigenen Nation gehört, wird als<br />

gefährlicher Fremdling angesehen, der gegebenenfalls zum Feind werden könnte<br />

<strong>und</strong> deshalb vernichtet werden darf, wenn sich dies als notwendig erweisen sollte.<br />

Nach <strong>Arendt</strong> versteckt sich hinter dem Nationalismus ein Modell der Familie, welches<br />

dem Modell der Fre<strong>und</strong>schaft entgegensteht. Aus diesem Modell geht die Exklusivität<br />

des Nationalismus hervor. Denn <strong>das</strong> Modell der Familie, die ihre Mitglieder<br />

in brüderlicher Beziehung unter einem Herrscher zusammenzubinden versucht, fordert<br />

vor allem, den Fremden auszusetzen <strong>und</strong> in extremen Fällen aus der Welt zu<br />

entfernen. Mit anderen Worten, <strong>das</strong> Modell der Familie verträgt <strong>das</strong> Fremd-Sein der<br />

Anderen nicht. Doch ist jeder Mensch in gewisser Weise ein Fremdling gegenüber<br />

einem Anderen – mit der Möglichkeit, mit anderen Fremden handelnd <strong>und</strong> sprechend<br />

vertraut zu werden. Eben <strong>das</strong> aber lässt <strong>das</strong> Modell der Familie nicht zu. Für<br />

<strong>Arendt</strong> besteht <strong>das</strong> wesentliche Problem im Nationalismus <strong>und</strong> seinem Modell der<br />

Familie in deren Anti-Universalismus: "Die Nation verbreitete sich über die Erde, als<br />

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