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Andrusch, Hanzo, Petar und Krabat: wer von den Burschen ein Messer<br />
hatte, klappte es auf. Doch keinem gelang es, an Merten heranzukommen.<br />
Er war wie von einem Bannkreis umgeben. Drei Schritte waren das<br />
äußerste, was sie schafften: dann kamen sie keinen Zollbreit weiter, als<br />
klebten sie mit den Sohlen an Fliegenleim.<br />
Krabat faßte die Spitze des Messers mit Daumen und Zeigefinger, er<br />
zielte, er warf es – und traf den Strick.<br />
Er traf ihn, aber das Messer fiel kraftlos zu Boden.<br />
Da lachte jemand.<br />
Der Meister war in die Scheune gekommen. Er blickte die Burschen an,<br />
als wären sie nichts als ein Haufen Dreck. Er bückte sich nach dem Messer.<br />
Ein Schnitt – und ein dumpfer Aufschlag.<br />
Schlaff wie ein Sack voll Lumpen fiel der Erhängte zu Boden. Da lag er<br />
nun, lag dem Meister zu Füßen und röchelte.<br />
»Stümper!«<br />
Der Meister sagte es voller Abscheu, dann ließ er das Messer fallen,<br />
und spuckte vor Merten aus.<br />
Sie fühlten sich alle angespuckt, alle – und das, was der Meister sagte,<br />
sie spürten es, galt ihnen insgesamt, ohne Ausnahme.<br />
»Wer auf der Mühle stirbt, das bestimme ich!« rief er. »Ich allein!«<br />
Dann ging er hinaus, und nun war es an ihnen, sich Mertens<br />
anzunehmen. Hanzo löste die Schlinge von seinem Hals, Petar und<br />
Staschko trugen ihn in die Schlafkammer.<br />
Krabat hob Tondas Messer vom Boden auf, und bevor er es in die<br />
Tasche schob, rieb er die Schalen des Griffes mit einem Strohwisch ab.<br />
Schnee auf die Saaten<br />
Merten war krank, er blieb es für lange Zeit. Anfangs hatte er hohes<br />
Fieber, sein Hals war verschwollen, er litt unter Atemnot. Während der<br />
ersten Tage brachte er keinen Bissen hinunter; später gelang es ihm dann<br />
und wann, einen Löffel Suppe zu schlucken.<br />
Hanzo hatte die Burschen so eingeteilt, daß tagsüber ständig jemand<br />
in Mertens Nähe war und ihn nicht aus den Augen ließ. Auch Nachtwache<br />
hielten sie eine Zeitlang bei ihm, weil sie fürchteten, daß er im Fieber<br />
versuchen könnte, sich abermals etwas anzutun. Bei klarem Verstande, da<br />
waren sich alle einig, würde selbst Merten nicht mehr zum Strick greifen<br />
oder sich sonstwie ums Leben zu bringen trachten: der Müller hatte ja<br />
keinen Zweifel daran gelassen, daß dies kein Weg war, um aus dem<br />
Koselbruch wegzukommen.<br />
»Wer auf der Mühle stirbt, das bestimme ich!«<br />
Die Worte des Meisters hatten sich Krabat tief eingeprägt. Kamen sie<br />
nicht der Antwort auf jene Frage gleich, die er sich nach der letzten<br />
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