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Das zweite Jahr

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Als er aufblickte, nickte Krabat ihm über den Tisch weg zu, kaum<br />

merklich zwar – doch der Junge, so schien es, hatte den Wink verstanden:<br />

er wußte nun, daß er einen Freund hatte auf der Mühle im Koselbruch.<br />

Auch Lobosch kam um den Vormittag in der Mehlkammer nicht herum.<br />

Nach dem Frühstück hieß ihn der Meister mitkommen.<br />

»Soll er es besser haben als wir?« meinte Lyschko. »<strong>Das</strong> bissei<br />

Mehlstaub wird ihn nicht umbringen.«<br />

Krabat erwiderte nichts darauf. Er dachte an Tonda, er dachte an<br />

Michal. Wollte er Lobosch helfen, dann durfte er Lyschko nicht mißtrauisch<br />

machen, auch nicht mit Kleinigkeiten.<br />

Vorerst konnte er nichts für Lobosch tun. Der Knirps mußte zusehen,<br />

wie er den Vormittag hinter sich brachte: besenschwingend im<br />

Mehlgestöber, die Wimpern verkleistert, die Nase zugepappt. Da half alles<br />

nichts, damit mußte er fertig werden, das ließ sich nicht ändern.<br />

Krabat konnte es kaum erwarten, bis Juro die Burschen zu Tisch rief.<br />

Während die anderen in die Stube drängten, lief er zur Mehlkammer, löste<br />

den Riegel und riß die Tür auf. »Rauskommen – Mittag!«<br />

Lobosch hockte in einer Ecke, mit angewinkelten Knien, den Kopf in<br />

die Hände gestützt. Als Krabat ihn anrief, schreckte er hoch; dann kam er,<br />

den Besen hinter sich herschleifend, langsam zur Tür. Er deutete mit dem<br />

Daumen über die Schulter zurück.<br />

»Ich hab's nicht geschafft«, gab er kleinlaut zu. »Da hab ich nach einer<br />

Weile aufgehört und mich hingesetzt. Ob der Meister mich aus dem Dienst<br />

jagt – was meinst du?«<br />

»Er wird keinen Grund haben«, sagte Krabat.<br />

Er sprach eine Zauberformel, er zeichnete mit der linken Hand einen<br />

Drudenfuß in die Luft. Da erhob sich der Staub in der Kammer, als bliese<br />

aus allen Fugen und Ritzen der Wind hervor. Eine Rauchfahne, weiß, stob<br />

zur Tür hinaus – über Loboschs Kopf weg, dem Wald zu.<br />

Die Kammer war leergefegt, bis auf das letzte Stäubchen. Dem Jungen<br />

weiteten sich die Augen. »Wie macht man das?«<br />

Krabat blieb ihm die Antwort schuldig.<br />

»Versprich mir«, sagte er, »daß du es keiner Menschenseele erzählen<br />

wirst. – Und nun laß uns ins Haus gehen, Lobosch, sonst wird uns die<br />

Suppe kalt.«<br />

Am Abend, nachdem sich der neue Lehrjunge schlafen gelegt hatte,<br />

ließ der Müller die Burschen und Witko zu sich rufen, in die Meisterstube –<br />

und so, wie sie am Dreikönigsabend des vorigen <strong>Jahr</strong>es mit Krabat<br />

verfahren waren, verfuhren sie nun mit Witko nach Mühlenordnung und<br />

Zunftgebrauch. Hanzo und Petar standen dem Meister in Witkos Namen<br />

Rede und Antwort, dann wurde der Rotschopf freigesprochen. Der Meister<br />

berührte ihn mit der Schneide des Handbeils am Scheitel und an den<br />

Schultern. »Von Zunft wegen, Witko ...«<br />

Andrusch hatte im Flur einen leeren Mehlsack bereitgelegt, den<br />

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