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Der Junge merkt, daß der Rappe wund ist, am linken Ohr hat der<br />
Riemen ihn aufgescheuert.<br />
»Warte mal«, sagt er, »da muß ich die Schnalle ein wenig lockern, das<br />
haben wir gleich.«<br />
Er lockert die Schnalle, dann nimmt er dem Rappen den Halfter ab.<br />
Krabat, sobald er des Halfters ledig ist, wird zum Raben. Krächzend<br />
erhebt er sich in die Lüfte und hält auf Schwarzkollm zu.<br />
Im Dorf scheint die Sonne. Zu seinen Füßen sieht er die Kantorka, wie<br />
sie unweit des Brunnens steht, eine Strohschüssel in der Hand, und die<br />
Hühner füttert – da streift ihn ein Schatten, der Schrei eines Habichts gellt<br />
ihm ins Ohr. »Der Meister!« durchzuckt es Krabat.<br />
Pfeilschnell, die Flügel angelegt, stürzt er sich in den Brunnen und<br />
nimmt die Gestalt eines Fisches an. Ist er gerettet? Zu spät wird ihm klar,<br />
daß er sich gefangen hat, daß es keinen Ausweg gibt.<br />
»Kantorka!« denkt er mit aller Inbrunst, deren er fähig ist. »Hilf mir<br />
heraus da!«<br />
<strong>Das</strong> Mädchen taucht ihre Hand in den Brunnen hinab, da wird Krabat<br />
zu einem schmalen Goldreif an ihrem Finger: so kehrt er zurück an die<br />
Oberwelt.<br />
Am Brunnen steht, wie vom Himmel gefallen, ein polnisch gekleideter<br />
Edelmann, einäugig ist er, er trägt einen roten, silberverschnürten Reitrock<br />
mit schwarzen Tressen.<br />
»Kann Sie mir sagen, Jungfer, woher Sie den feinen Ring hat? Laß Sie<br />
ihn mich mal sehen ...«<br />
Schon streckt er die Hand nach dem Ring aus, schon greift er danach.<br />
Krabat verwandelt sich in ein Gerstenkorn. Er entgleitet der Kantorka,<br />
fällt in die Strohschüssel.<br />
Mit dem nächsten Wurf streut das Mädchen ihn unter das Hühnervolk.<br />
Der Rotrock ist plötzlich verschwunden. Ein pechschwarzer fremder<br />
Gockel, einäugig, pickt nach den Körnern – doch Krabat ist schneller als er:<br />
seinen Vorteil wahrnehmend, wird er zu einem Fuchs. Blitzschnell stürzt er<br />
sich auf den Schwarzen und beißt ihm den Hals durch.<br />
Es knirscht wie von Häcksel und Stroh zwischen seinen Zähnen. Wie<br />
Stroh knirscht es zwischen Krabats Zähnen, wie Häckerling.<br />
Als Krabat erwachte, war er in Schweiß gebadet. Er hatte sich in den<br />
Strohsack verbissen, er keuchte, es dauerte eine Weile, bis er zur Ruhe<br />
kam.<br />
Daß er den Meister im Traum überwunden hatte, nahm er als gutes<br />
Omen. Von jetzt an war er sich seiner Sache vollkommen sicher. Die Tage<br />
des Meisters, das glaubte er nun zu wissen, waren gezählt. Er, Krabat,<br />
würde dem Treiben des Müllers ein Ende setzen: ihm war es bestimmt,<br />
seine Macht zu brechen.<br />
Am Abend begab er sich in die Meisterstube. »Es bleibt dabei!« rief er.<br />
»Mach du zu deinem Nachfolger, wen du magst. Ich, Krabat, weigere mich,<br />
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