Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
stieben entsetzt auseinander – doch Krabat fegt über ihre weißgepuderten<br />
Köpfe hinweg, und zur allgemeinen Verwunderung trägt der Rappe ihn steil<br />
in die Lüfte empor. Nicht genug damit! Roß und Reiter beginnen sich im<br />
Davonjagen zu verflüchtigen, mehr und mehr, bis sie aller Augen<br />
entschwunden sind – selbst den Blicken des Herrn<br />
Generalfeldzeugmeisters Graf Gallas, der über das schärfste Fernrohr der<br />
kaiserlichen Armee verfügt.<br />
Krabat reitet in schwindelnder Höhe dahin, wie andere Leute über ein<br />
ebenes Feld reiten. Bald erspäht er am Rande eines zerschossenen Dorfes<br />
die ersten Türken. Er sieht ihre bunten Turbane in der Sonne leuchten, er<br />
sieht die Geschütze hinter den Schanzkörben aufgefahren, er sieht, wie die<br />
Streifscharen zwischen den Feldwachen hin und her reiten. Er selbst und<br />
sein Roß aber sind für niemand sichtbar. Die Pferde der Türken blähen vor<br />
Angst die Nüstern, die Hunde beginnen zu jaulen und klemmen den<br />
Schwanz ein.<br />
Über dem türkischen Heerlager weht die grüne Fahne des Propheten<br />
im Wind. Krabat lenkt seinen Rappen zur Erde, behutsam läßt er ihn<br />
aufsetzen. Unweit des Prunkzeltes, das der Sultan bewohnt, entdeckt er ein<br />
etwas kleineres Zelt, das von einigen zwanzig bis an die Zähne<br />
bewaffneten Janitscharen bewacht wird.<br />
Den Rappen am Zügel, geht er hinein – und richtig hockt da auf einem<br />
Feldstuhl, den Kopf in die Hände gestützt, der große Kriegsheld und<br />
Türkenfresser aus Dresden. Krabat macht, daß er sichtbar wird, räuspert<br />
sich, tritt auf den Marschall zu – und erschrickt.<br />
Der Feldherr trägt eine schwarze Lederklappe über dem linken Auge!<br />
»Was gibt's?« krächzt er Krabat mit rabenhaft heiserer Stimme an.<br />
»Steht Er in türkischen Diensten? Wie kommt Er zu mir ins Zelt?«<br />
»Gehorsamst zu melden«, sagt Krabat. »Ich habe Befehl, Exzellenz da<br />
herauszuholen. Mein Roß steht bereit.«<br />
Jetzt nimmt auch der Rappe wieder Gestalt an.<br />
»Wenn Exzellenz nichts dagegen haben ...«, meint Krabat.<br />
Er schwingt sich aufs Roß und bedeutet dem Marschall, hinter ihm<br />
aufzusitzen. Dann preschen sie aus dem Zelt hervor.<br />
Die Janitscharen sind so verdutzt, daß sie keinen Finger rühren.<br />
Unentwegt »Platz da!« rufend, stürmt Krabat mit dem befreiten Marschall<br />
die Lagergasse hinunter. Bei ihrem Anblick lassen sogar die nubischen<br />
Garden des Sultans die Spieße und Säbel fallen.<br />
»Hussa!« schreit Krabat und »Festhalten, Exzellenz!«<br />
Niemand wagt es, sich ihnen entgegenzustellen. Schon sind sie am<br />
Ausgang des Lagers, schon draußen im freien Feld. Nun läßt Krabat den<br />
Rappen sich in die Lüfte erheben, und jetzt erst beginnen die Türken auf sie<br />
zu feuern, aus allen Rohren, das pfitscht und pfatscht nur so.<br />
Krabat ist guter Dinge, er fürchtet die türkischen Kugeln nicht.<br />
»Wenn die Burschen uns treffen wollten, müßten sie mit was<br />
Goldenem nach uns schießen«, belehrt er den Marschall. »Kugeln aus<br />
126