11.06.2015 Aufrufe

Wir sind Wien!

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

n Paul Grünberg wurde 1923 in <strong>Wien</strong><br />

geboren. Er begann eine Schneiderlehre,<br />

die er aber nach dem „Anschluss“ abbrechen<br />

musste. 1939 wurde er verhaftet<br />

und nach Buchenwald verschleppt.<br />

Dort musste er mit seinem Vater zunächst<br />

im Steinbruch arbeiten. 1942<br />

wurde er ins neu errichtete Lager Buna/Monowitz<br />

(Auschwitz III)<br />

deportiert. Dort arbeitete er in der<br />

Schreibstube. Im Jänner 1945 trieb die<br />

SS die Häftlinge, darunter auch Paul<br />

Grünberg, auf Todesmärsche. Er erlebte<br />

das Kriegsende in Tschechien.<br />

Trotzdem werden Sie sich wohl<br />

Gedanken darüber machen,<br />

wie Sie auch in zehn oder 15<br />

Jahren Zeitzeugenberichte in<br />

die Schule bringen können?<br />

Natürlich machen wir uns die,<br />

und da gibt es im Wesentlichen<br />

zwei große Ideen: Eine davon<br />

basiert auf der Videodokumentation<br />

von Zeitzeugen-Interviews,<br />

wie wir sie etwa auch<br />

schon im Rahmen von zwei<br />

Wanderausstellungen in Schulen<br />

nutzen. Schüler können sich<br />

dort die Geschichten der Menschen<br />

durchlesen und über QR-<br />

Codes kommen sie online zu<br />

den Interviews.<br />

Und was ist der zweite Ansatz?<br />

Dieser Ansatz ist mitten unter<br />

uns, in den Erfahrungen von<br />

vielen von uns gespeichert. Ein<br />

Beispiel: Denken sie an eine<br />

Familie in <strong>Wien</strong>, die heute lebt<br />

und in der mütterlicherseits<br />

beide Elternteile aus verfolgten<br />

Familien stammen. Diese Verfolgungsgeschichte<br />

hat heute<br />

immer noch Auswirkungen auf<br />

das Leben der Familie, die Familienmitglieder<br />

haben ein<br />

ganz anderes Sensorium für<br />

potenzielle Gefahren, benennen<br />

ihre Kinder anders und<br />

wählen andere Formen von Besitz<br />

oder andere Berufe. Dabei<br />

geht es ihnen immer darum,<br />

möglichst flexibel zu sein, um<br />

im Notfall auch anderswo auf<br />

der Welt zurechtzukommen.<br />

Das Sein in der Welt ist dadurch<br />

grundlegend anders,<br />

und diese Erfahrungen mit einer<br />

Gesellschaft zu teilen, die<br />

davon keine Ahnung hat, ist<br />

aus unserer Sicht eine sehr<br />

wichtige Sache.<br />

Das Thema Holocaust und Verfolgung<br />

wird dadurch aber<br />

deutlich breiter an gelegt?<br />

Genau. Es ist interessant zu sehen,<br />

wie sich die Verbrechen zur<br />

Zeit des Nationalsozialismus etwa<br />

zum Genozid an den Armeniern<br />

verhalten oder welche Parallelen<br />

die Verfolgung der Juden<br />

damals mit der Verfolgung<br />

von Roma und Sinti und ihre<br />

Diskriminierung bis heute aufweist.<br />

Welche Muster lassen sich<br />

darin erkennen? Diese Zugangsweise<br />

führt zu einem tieferen<br />

Verständnis des sozialen Prozesses<br />

eines Völkermordes oder der<br />

Verfolgung einer ganzen Bevölkerungsgruppe<br />

und wir lernen<br />

daraus, auf welche Kriterien wir<br />

achten müssen, um kritische<br />

Momente herauszufiltern, in denen<br />

eine Gesellschaft in Massengewalt<br />

abgleiten kann.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!