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Straßenjunge im Interview<br />
Woran arbeitest du<br />
gerade?<br />
Aufträge bekomme<br />
ich eigentlich spontan rein. Für<br />
regelmäßige Aufträge bräuchte<br />
man eine Agentur, die das übernimmt<br />
– aber auch hier kann<br />
man sich nicht darauf verlassen.<br />
Deswegen muss man sich um<br />
seine Kunden schon selber<br />
kümmern (lacht). Zu meinen<br />
Projekten: Im Sommer möchte<br />
ich ein lange geplantes Porträtprojekt<br />
starten, bei dem ich<br />
durch experimentelle Techniken,<br />
bei der Ausarbeitung in der<br />
Dunkelkammer, beim Spiel mit<br />
der Chemie, Farben und Belichtung,<br />
Effekte erzeugen<br />
möchte und so die Personen ein<br />
Stück weit entfremde. Hier geht<br />
es mir darum, zum Ursprung<br />
zurückzukehren. Also was kann<br />
man alles mit einem Bild &<br />
analoger Technik anstellen, sodass<br />
im Endeffekt etwas Neues<br />
entsteht. Trotzdem bleibt der<br />
Mensch im Hintergrund als<br />
Bild wichtig. Anders als beim<br />
Arbeiten auf Film hat man bei<br />
der digitalen Arbeit<br />
fast schon zu viel Kontrolle<br />
über das Bild. Das lenkt mich<br />
vom Wesentlichen ab.<br />
Siehst du dich als Künstler oder<br />
Fotograf? Worin liegt für dich<br />
der Unterschied und nach welchen<br />
Kriterien nimmst du Aufträge<br />
an?<br />
Mir ist es wichtig zu wissen, was<br />
man mit mir als Künstler oder<br />
Person verbindet. Im Endeffekt<br />
geht es um eine Art Marke, um<br />
ein Image, um Stil, den man natürlich<br />
prägen kann, indem<br />
man auch nur gewisse Dinge<br />
zeigt. Deshalb habe ich nur wenige<br />
ausgewählte Auftragsarbei-<br />
Severin Koller<br />
ten auf meiner Website abgebildet.<br />
Bei Wittmann oder Interlübke<br />
hatte ich zum Beispiel total<br />
freie Hand und habe so fotografiert,<br />
wie wenn ich für mich<br />
selbst fotografiert hätte. Nach<br />
meinem Geschmack und natürlich<br />
analog. Das <strong>sind</strong> für<br />
mich die idealen Aufträge. So<br />
hat der Kunde etwas von der<br />
professionellen Qualität, die ihren<br />
eigenen Stil hat, und ich zeige<br />
es einfach gerne her. Wenn es<br />
darum ginge, für eine karibische<br />
Insel Werbung zu machen,<br />
würde dieser Kunde natürlich<br />
nur die Bilder mit der schönen<br />
Landschaft aussuchen – die kritischen<br />
würden wegfallen. Da<br />
wird es gefährlich. Da muss man<br />
zwischen Auftrag und persönlichem<br />
Ansatz unterscheiden.<br />
Wieso verwendest du überwiegend<br />
Schwarz–Weiß-Bilder?<br />
Die Welt is doch bunt, oder?<br />
Mit der Schwarz-Weiß-Fotografie<br />
habe ich vor zehn Jahren<br />
angefangen. Da hatte ich gerade<br />
einmal meine Matura und vielleicht<br />
ab und zu einen Fotojob.<br />
Damals habe ich mit Freunden<br />
begonnen, Schwarz-Weiß-Filme<br />
zu entwickeln. Zuerst fand<br />
ich die einfachere Handhabung<br />
der Schwarz-Weiß-Filme gut,<br />
um mich auf das Wesentliche<br />
– das<br />
Fotografieren – zu konzentrieren<br />
und weiter zu entwickeln.<br />
Aber auch durch<br />
meine Ikonen, die allesamt<br />
schwarz-weiß fotografiert<br />
haben, habe ich<br />
mich bewusst für dieses<br />
Stilmittel entschieden.<br />
Später habe ich dann gemerkt,<br />
dass dieser Stil sehr zeitlos<br />
ist. Man kann also nicht genau<br />
deuten, in welcher Zeit das<br />
Bild fotografiert wurde. Durch<br />
das Monochrome wirken die<br />
Arbeiten sehr einheitlich und<br />
miteinander verbunden. Wenn<br />
ich in Farbe und digital fotografiert<br />
hätte, hätte ich auf Grund<br />
der Weiterentwicklungen der<br />
Kameras und Objektive der<br />
letzten zahn Jahre immer wieder<br />
unterschiedliche Stile entwickelt.<br />
Ich bin froh, bei diesem Stil geblieben<br />
zu sein, obwohl sich<br />
Schwarz-Weiß-Fotografie oft<br />
schwerer verkaufen lässt. Vielleicht<br />
in vierzig Jahren dann<br />
(lacht).<br />
Deine bevorzugte Kamera?<br />
Für Street-Fotografie Leica M6<br />
und Konica Hexar AF.<br />
Was macht ein gutes Bild aus?<br />
Ein gutes Bild lebt hauptsächlich<br />
von Moment, Komposition<br />
und Licht. Die objektivabhängige<br />
Fotografie, wo es dann überwiegend<br />
um Bildschärfe als Kriterium<br />
geht, finde ich persönlich<br />
nicht so spannend. Mir<br />
geht es darum, eine Geschichte<br />
zu erzählen, und die wird<br />
hauptsächlich durch einen<br />
Moment, ein Gefühl oder eine<br />
Stimmung, die festgehalten<br />
wird, am besten erzählt.<br />
Wie ist dein erstes großes Projekt<br />
„Vienna“ entstanden? Wie<br />
würdest du dein <strong>Wien</strong> beschreiben?<br />
Oft <strong>sind</strong> es die banalen Dinge<br />
wie zum Beispiel: Ein Geschäft<br />
an der Westbahnstraße ist<br />
plötzlich weg. Es war aber da –<br />
dreißig Jahre lang und niemand<br />
hat es fotografiert – oder eben<br />
doch. Hier entstehen durch die<br />
Street-Fotografie auch Zeitdokumente<br />
einer Stadt, die wichtig<br />
<strong>sind</strong>, um die Stadt zu verstehen<br />
und den Charakter zu begreifen.<br />
Für mich trägt die<br />
Street-Fotografie auch etwas<br />
Romantisches, Nostalgisches<br />
mit sich. Sie hat die Aufgabe,<br />
einer Stadt, einem Ort ein Porträt<br />
zu geben. Genau das ist das<br />
Ziel von „Vienna“. So kann<br />
auch das Bild einer Stadt geprägt<br />
werden. Wenn weitere<br />
zehn Fotografen ihr „Vienna“<br />
veröffentlichen würden, wären<br />
wieder andere Blickwinkel und<br />
Situationen zu sehen. Städte, die<br />
viel fotografiert werden, bekommen<br />
ein anderes, vielfältigeres<br />
Image – eigentlich auch<br />
ein bisschen im Sinne von Werbung,<br />
aber eben nicht Mainstream.<br />
Was mir dabei auch<br />
wichtig ist – ich zensiere nicht.<br />
Weder beim Fotografieren<br />
selbst noch bei der Fotoauswahl.<br />
Deswegen finde ich es<br />
auch in Ordnung, Obdachlose<br />
oder Menschen mit Handicap<br />
zu zeigen. Ich diskriminiere<br />
nicht. Diskriminierend wäre es,<br />
diese Menschen nicht zu zeigen.<br />
Mein Fotoband ist also definitv<br />
meine ganz persönliche Hommage<br />
an die Stadt <strong>Wien</strong> in all<br />
ihren Facetten.<br />
smartguide für GANZ WIEN<br />
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