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POLIZEI & GESELLSCHAFT<br />

Anwaltskanzlei annehme".<br />

Mladen Mijatovic wurde von<br />

seinem Umfeld von der Bewerbung<br />

teils abgeraten: "Das<br />

schaffst du doch nie", waren<br />

manche Verwandten überzeugt.<br />

"Nicht weil sie mir das<br />

nicht zugetraut hätten, sondern<br />

aus ethnischen Gründen."<br />

Ein bosnisch-kroatischserbischer<br />

Ex-Asylant kriege<br />

keine Chance, waren die<br />

Freunde überzeugt. Dazu<br />

komme in manchen Communitys<br />

noch eine ganz grundsätzliche<br />

Polizeiskepsis, sagt<br />

Mijatović. "Wo die Erfahrungen<br />

im Herkunftsland besonders<br />

schlecht <strong>sind</strong>, wie etwa in<br />

afrikanischen Bürgerkriegsländern,<br />

gilt ein Landsmann<br />

in Uniform oft sogar als Verräter."<br />

An alledem ändern gelegentliche<br />

Werbeveranstaltungen,<br />

Broschüren und<br />

Schulbesuche nur wenig. Bislang<br />

jedenfalls hält Kreissl den<br />

Wunsch nach mehr Migranten<br />

in Uniform für ein Lippenbekenntnis.<br />

Zwar gebe es<br />

durchaus starke Bemühungen,<br />

den Polizeiapparat insgesamt<br />

zu modernisieren. Aber:<br />

"Lieber hält man den Laden<br />

ruhig und verharrt im Status<br />

quo, anstatt das Ziel zu exakt<br />

zu formulieren und laut über<br />

konkrete Maßnahmen nachzudenken."<br />

Die Durchfallquoten<br />

beim Deutschtest <strong>sind</strong><br />

enorm, nicht nur unter<br />

Migranten<br />

Diskussionen wie etwa über<br />

eine Quote wären verlässliches<br />

Wasser auf populistische<br />

Mühlen. Da müsse, wie ein<br />

Vertreter der FPÖ einmal<br />

unkte, "auch die Frage erlaubt<br />

sein, was dann als<br />

Nächstes kommt – etwa eine<br />

Quote für Homosexuelle?" In<br />

72 smartguide für GANZ WIEN<br />

„Natürlich macht es einen Unterschied,<br />

wenn ein Migrant wie ich Polizist ist.“<br />

Revierinspektor Mladen Mijatovic<br />

der Sicherheitsdirektion will<br />

man den Vorwurf der "Minderqualifizierung"<br />

vermeintlicher<br />

Quotenpolizisten gar<br />

nicht erst aufkommen lassen:<br />

"<strong>Wir</strong> wollen keine Zwei-Klassen-Polizei."<br />

Ähnliche Erfahrungen<br />

habe man in Österreich<br />

gewissermaßen schon<br />

gemacht, als in den 1990ern –<br />

mit enormer Verspätung im<br />

internationalen Vergleich –<br />

Frauen in den Exekutivdienst<br />

aufgenommen und gefördert<br />

wurden. Hierarchien haben<br />

eine starke Tendenz zur Homogenisierung.<br />

Diese Tendenz<br />

verstärke sich umso<br />

mehr, wenn aufgrund von<br />

Quotenregelungen Minderqualifizierung<br />

unterstellt<br />

wird, sagt ein Sprecher des<br />

Innenministeriums. Immer<br />

wieder sei zu beobachten,<br />

"wie stark manche Frauen einen<br />

männlichen Habitus angenommen<br />

haben, um ihre<br />

Zugehörigkeit zu beweisen".<br />

Umgelegt auf uniformierte<br />

Migranten bedeute das:<br />

"Muss er oder sie dann besonders<br />

viele Leberkässemmeln<br />

essen und Bier trinken,<br />

um als richtiger Österreicher<br />

dazuzugehören?"<br />

Quote? Nein Danke.<br />

Es ist Mittagszeit bei den Polizisten<br />

vom Minderheitenreferat<br />

in der Hufelandgasse. Im<br />

Gemeinschaftsraum wird<br />

selbst gemachte Maronicreme<br />

mit Schlag herumgereicht.<br />

Mladen Mijatović, den die<br />

Kollegen wegen seines akkuraten<br />

Arbeitsstils lächelnd "den<br />

General" nennen, interessiert<br />

sich jetzt aber nicht für Süßes.<br />

Eine Quote? "Da würde man<br />

sich selbst auch nichts Gutes<br />

tun, im Sinne der Anerkennung",<br />

sagt er. Auf dem Weg<br />

zurück in sein penibel aufgeräumtes<br />

Dienstzimmer mit<br />

den kroatischen und den<br />

österreichischen Fähnchen<br />

und Wimpeln kommt Mijatović<br />

noch einmal darauf zurück.<br />

Migrantenvorteil? "Es<br />

gibt bestimmte formale Erfordernisse.<br />

Für alle." De facto<br />

heißt das auch für ihn: Perfekt<br />

Bosnisch, Serbisch und Kroatisch<br />

zu sprechen spielt weder<br />

eine Rolle, wenn es um Karriere<br />

geht, noch spielte es damals<br />

eine im Rekrutierungstest.<br />

Denn mehr als Fitness<br />

und der Psychotest zählen<br />

dort deutsche Rechtschreibung<br />

und Grammatik. Die<br />

Durchfallquoten im Deutschtest<br />

seien enorm – nicht nur<br />

unter Migranten, betont das<br />

Innenministerium. Dort<br />

spricht man offen über die<br />

Mängel eines überholten Verfahrens,<br />

in dem sich ein mäßig<br />

erfolgreiches Deutschdiktat<br />

zwar durch eine sportliche<br />

Spitzenleistung, nicht aber<br />

durch Mehrsprachigkeit wettmachen<br />

lässt.<br />

Keine Diskriminierung<br />

Einmal im Dienst, geht es<br />

auch um Chancen und Stimmung<br />

innerhalb der Behörde.<br />

Dabei betonen uniformierte<br />

Migranten, die sich wie der<br />

Ex-Asylwerber Mijatović oder<br />

der Halbnigerianer Doneis öffentlich<br />

dazu äußern, im Kollegenkreis<br />

nie diskriminiert<br />

worden zu sein. Und das hat<br />

seinen Grund: Sie <strong>sind</strong> ebenso<br />

sehr Vorzeige-Polizisten wie<br />

Vorzeige-Österreicher, integriert<br />

und qualifiziert, akzentund<br />

reibungsfrei. Modellkandidaten,<br />

die als Werbeträger<br />

gerne vorgeschickt werden,<br />

von denen man mit leisen politischen<br />

Absichtsbekundungen<br />

alleine nicht genügend<br />

finden wird. Nervt es eigentlich,<br />

der Vorzeige-Farbige der<br />

Polizei zu sein? Überhaupt<br />

nicht, sagt Christian Doneis<br />

und lächelt wieder ziemlich<br />

entspannt. "Es braucht halt<br />

Menschen, die gewisse Dinge<br />

authentisch rüberbringen<br />

können. Und wenn mir die<br />

Hautfarbe dabei hilft: auch<br />

gut so."

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