Cruiser Edition Sommer 2015
Die (fast) luftig-fluffige Sommerausgabe vom Cruiser. Die Themen: Equality Dance: Cruiser war im Tanzkurs. Schwule Migranten: Wenn die eigene Familie einem das Leben zur Hölle macht. Und: Wo man richtig gut baden gehen kann!
Die (fast) luftig-fluffige Sommerausgabe vom Cruiser. Die Themen: Equality Dance: Cruiser war im Tanzkurs. Schwule Migranten: Wenn die eigene Familie einem das Leben zur Hölle macht. Und: Wo man richtig gut baden gehen kann!
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cruiser<br />
CHF 7.50<br />
<strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> <strong>2015</strong><br />
Migration<br />
Schwule<br />
Migranten in<br />
der Schweiz<br />
Wenn die eigene Familie<br />
das Leben beinahe<br />
unerträglich macht<br />
Transfrauen<br />
Eine neue Revolution<br />
dank Caitlyn Jenner?<br />
Hingehen<br />
<strong>Cruiser</strong> kennt die<br />
schönsten Badestrände<br />
Lets Dance<br />
Schwule & Lesben<br />
im Tanzkurs
Editorial<br />
Inhalt<br />
<strong>Sommer</strong> <strong>2015</strong><br />
04 Thema | Schwule Migranten<br />
Die Krux mit der Heirat<br />
FOTOS UMSCHLAG: ISTOCK<br />
Liebe Leser<br />
Eigentlich wollten wir für unsere <strong>Sommer</strong>nummer nur fluftig leichte<br />
Themen haben. («fluftig» ist das aktuelle Lieblingswort des stv. Chefredaktors<br />
Dani Diriwächter). Ganz so fluffig (sein Alternativbegriff)<br />
wurde der aktuelle <strong>Cruiser</strong> dann doch nicht. Wir hatten und haben<br />
noch immer die Pride-Monate. Fast überall demonstrieren – wenigsten<br />
in Mittel- und Nordeuropa – die Gays. Meist fröhlich und ausgelassen.<br />
Aber eine Gruppe von Homosexuellen wird dabei komplett ausgeklammert:<br />
die schwulen Migranten, die aus einem anderen Kulturkreis kommen<br />
und wissen, dass sie mit ihrer Homosexualität in diesem Leben<br />
sicher nie von Familie und Umfeld akzeptiert werden. In den von uns<br />
geführten Gesprächen war so viel Angst zu spüren, aber auch Hilflosigkeit<br />
und teilweise – wegen der eigenen Sexualität – auch Selbsthass.<br />
Dani konnte sein luftiges (Variante drei des neuen Redaktionslieblingswortes)<br />
<strong>Sommer</strong>thema doch noch durchsetzen. Wir zeigen die<br />
schönsten Strände rund um den Globus, fast alle von unserer Redaktion<br />
getestet. Oder jemand von uns kannte wenigstens jemanden, der schon<br />
mal dort war. Abschliessend wirds dann richtig beschwingt: Die schwulen<br />
Tänzer tanzen Mann an Mann. Wie das mit dem Führen des gleichgeschlechtlichen<br />
Partners funktioniert, erklären unsere Protagonisten<br />
in unserer «Let’s Dance»-Story.<br />
Wir verabschieden uns wie jedes Jahr in die <strong>Sommer</strong>pause und sind<br />
ab 28. August wieder da! Geniesst den <strong>Sommer</strong>!<br />
<strong>Cruiser</strong> print<br />
Herzlich, Haymo Empl<br />
Chefredaktor<br />
Herausgeber & Verleger: Haymo Empl, empl.media<br />
Infos an die Redaktion: redaktion@cruisermagazin.ch<br />
Chefredaktor: Haymo Empl<br />
Stv. Chefredaktor: Daniel Diriwächter<br />
Bildredaktion: Haymo Empl, Daniel Diriwächter<br />
Art Director: Astrid Affolter, Access – bridge to work, Bereich Grafik<br />
Redaktion Print: Martin Ender, Andreas Faessler, Alain Sorel, Thomas Borgmann,<br />
Marianne Weissberg, Bruno Bötschi, Michi Rüegg, Pia Spatz,<br />
Vinicio Albani, Moel Maphy,<br />
Layout:<br />
Access – bridge to work, Bereich Grafik<br />
Lektorat: Ursula Thüler<br />
Anzeigen: Said Ramini, Telefon 043 300 68 28, anzeigen@cruisermagazin.ch<br />
Auflage:<br />
12 000 Exemplare, 10 Ausgaben jährlich<br />
Redaktion und Verlagsadresse:<br />
empl.media, Haymo Empl, Welchogasse 6, Postfach 5539, 8050 Zürich<br />
Telefon 043 300 68 28, Telefax 043 300 68 21, info@cruisermagazin.ch<br />
<strong>Cruiser</strong> online<br />
Chefredaktor Online: Daniel Diriwächter<br />
Infos an die Online-Redaktion: online@cruisermagazin.ch<br />
Impressum<br />
07 Kolumne | Weissbergs warme Weissheiten<br />
Schaffen Sie sich ja keine Quengelware an!<br />
08 Aktuell | Promis<br />
09 Kolumne | Bötschi klatscht<br />
10 <strong>Sommer</strong>special | Die schönsten Strände<br />
Wo man idyllisch baden gehen kann<br />
14 Serie | Mannsbild – Berufsbild<br />
Der Elektroniker<br />
18 News | National<br />
20 News | International<br />
22 Serie | Homosexualität in Geschichte<br />
und Literatur Stille Glut und Stichflammen<br />
26 Interview | Claudia Meier<br />
«Es gibt noch viel zu tun für uns<br />
Transmenschen!»<br />
29 Thema | BDP<br />
Warum sich die Partei für LGBT<br />
Rechte einsetzt<br />
30 Kolumne | Pia Spatz<br />
31 Ratgeber Aids-Hilfe | Dr. Gay<br />
32 Kultur | Schweiz<br />
34 Serie | Persönlichkeiten<br />
This Brunner<br />
37 Kolumne | Michi Rüegg<br />
38 Reportage | Tanzschule<br />
<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 3
Thema | Schwule Migranten<br />
Schwule Migranten<br />
in der Schweiz:<br />
Wenn die eigene Familie das Leben<br />
beinahe unerträglich macht<br />
Text: Haymo Empl<br />
Ein Mann ist ein Mann und hat eine Frau zu lieben. Dass es auch anders<br />
geht, ist in vielen Ländern noch immer ein Tabuthema. Mancherorts<br />
wird Homosexualität mit der Todesstrafe geahndet und selbst wenn die<br />
schwulen Söhne von Migranten hier aufgewachsen sind, werden sie in<br />
vielen Fällen von der Familie verstossen.<br />
Eine schwule Beziehung zu führen ist<br />
für viele Migranten kaum möglich<br />
Wir haben uns lange überlegt, wie<br />
wir das Thema Migration und Homosexualität<br />
angehen wollen. Bei den<br />
Fachstellen, wie beispielsweise bei der<br />
Fachstelle für Integrationsfragen in<br />
Zürich musste man sich mit dem Thema<br />
an sich noch nie wirklich auseinandersetzen,<br />
wie ein kurzer Anruf bestätigte.<br />
Doch wir konnten drei<br />
Migranten finden, die bereit waren,<br />
dem «<strong>Cruiser</strong>» Auskunft zu geben. Allerdings<br />
– und hier beginnt die eigentliche<br />
Geschichte – nur unter der Voraussetzung<br />
absoluter Anonymität. Wir<br />
geben hier auch – ohne irgendwie zu<br />
diskriminieren – die Originalzitate<br />
wieder. Denn jeder unserer Protagonisten<br />
hatte die Aufgabe, uns in einem<br />
Satz aufzuschreiben, was er über Homosexualität<br />
denkt. Wahlweise auf<br />
Deutsch oder in seiner Muttersprache.<br />
(ja, ja, manchmal ist der <strong>Cruiser</strong> auch<br />
«pädagogisch wertvoll»).<br />
4 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong><br />
Adnit<br />
Der 30-Jährige ist im Kosovo geboren<br />
und in den 90ern in die Schweiz gekommen.<br />
Er hat eine jüngere Schwester<br />
und einen sehr jungen Bruder, der hier<br />
in der Schweiz geboren wurde. Sein<br />
Aussehen entspricht effektiv der Klischeevorstellung,<br />
die man von einem<br />
Kosovo-Albaner hat, auch sein Look.<br />
Die Begrüssung ist betont männlich.<br />
Adnit hat keine Berufslehre gemacht<br />
und besuchte eine kleine Schule im<br />
Kosovo. In dem landwirtschaftlich geprägten<br />
Dorf gab es ein paar Kühe, viele<br />
Cousins und absolut keinen Platz für<br />
Homosexualität. Lediglich ein Onkel in<br />
seinem Dorf sei ihm gegenüber ein paar<br />
Mal verdächtig aufdringlich gewesen.<br />
Hier stellt sich natürlich die Frage,<br />
wie denn die Sexualität ausgelebt werden<br />
soll. Adnit sagt im Interview, dass<br />
dies praktisch unmöglich sei. Eine<br />
Heirat war bei ihm unumgänglich, er<br />
hatte eine Christin geheiratet – seine<br />
Familie wollte den Kontakt mit ihm allein<br />
schon deswegen abrechen. Das<br />
Eheleben ist miserabel, die Frau nicht<br />
glücklich und für die Familie von<br />
Adnit stellt sich natürlich schon längst<br />
die Frage, wo denn die Kinder bleiben.<br />
Man will schliesslich Enkel. Immer<br />
mal wieder, so Adnit, wünscht er sich,<br />
mit einem Mann zusammen zu sein.<br />
Dieses Verlangen sei teilweise so stark<br />
gewesen, dass er mit 25 Jahren einen<br />
Suizidversuch unternommen habe.<br />
«Ich bereue es überhaupt nicht,<br />
in die Schweiz gekommen zu sein.<br />
Es war vielleicht die beste<br />
Entscheidung meines Lebens.»<br />
FOTO: FOTOLIA
«Në Kosovë, ne nuk<br />
do të flasim në lidhje<br />
me homoseksualitetin.<br />
Familja mund<br />
të mos e dinë se ju<br />
jeni homoseksual.»<br />
«Im Kosovo spricht man nicht<br />
über Homosexualität.<br />
Die Familie darf nicht wissen,<br />
dass man schwul ist.»<br />
und konnte deshalb bald als Lagerist<br />
in Locarno arbeiten, musste dann aber<br />
enttäuscht feststellen, dass dort auch<br />
keine wirkliche Gay-Szene existierte.»<br />
Wie Laith im Gespräch weiter erzählt,<br />
hat er sich im Betrieb schnell bewährt<br />
und konnte bald danach eine Ausbildung<br />
zum kaufmännischen Angestellten<br />
machen. «Bei einer sündhaft teuren<br />
Privatschule. Dann habe ich<br />
Deutsch gelernt, weil ich unbedingt<br />
nach Zürich wollte. Nur war das so<br />
eine Sache: Hochdeutsch nützte mir zu<br />
Beginn nicht viel.» Laith lebt heute in<br />
Zürich, hat einen guten Job und lebt<br />
schwul. «Aber ich bin nicht geoutet.<br />
Meine Familie im Irak weiss nichts,<br />
und ich habe mich deswegen in den<br />
90ern für kurze Zeit verheiratet. Es<br />
war ein klares Arrangement. Ich habe<br />
so den Pass bekommen und meine Familie<br />
fragt nichts mehr, weil es in<br />
meiner Kultur durchaus üblich ist,<br />
nach einer Scheidung – was weniger<br />
üblich ist – nicht mehr zu heiraten.»<br />
Aufgrund dieses Vorfalls wurde ihm<br />
damals ein Psychiater zugeteilt, mit<br />
dem Adnit immer noch Kontakt hat<br />
bzw. zu dem er in unregelmässigen<br />
Abständen in die Therapie geht. Was<br />
rät denn der Psychiater? «Er sagt, er<br />
sehe nur die Möglichkeit, komplett mit<br />
meiner Familie zu brechen und irgendwo<br />
ein neues Leben zu beginnen.<br />
Das ist für mich aber keine wirkliche<br />
Lösung. Ich hätte zudem Schiss, dass<br />
irgendwer von meiner Familie wegen<br />
meiner sexuellen Ausrichtung etwas<br />
rausfindet. Und man weiss nie, was<br />
dann passiert».<br />
Laith<br />
Im Gegensatz zu Adnit hat der mittlerweile<br />
50-jährige Laith genau das gemacht,<br />
er hat mit seiner Familie gebrochen.<br />
Er ist als Iraker während des<br />
ersten Golfkrieges in die Schweiz gekommen.<br />
Auch wegen der Kriegswirren,<br />
aber vor allem wegen seiner Homosexualität.<br />
In seinem Heimatland<br />
wäre er als schwuler Mann gehängt<br />
worden. Er kam als illegaler Flüchtling<br />
in die Schweiz, über den Iran, von dort<br />
in die Türkei … und landete schliesslich<br />
als Asylant in Lugano. Warum er<br />
damals die Schweiz gewählt hat? «Ich<br />
hatte natürlich ein idealisiertes Bild<br />
von der Schweiz … der Klassiker mit<br />
den saftigen, grünen Wiesen und den<br />
vielen Seen», erinnert sich Laith. Er<br />
selbst stammte aus einer grösseren<br />
Stadt im Irak, die aber «enorm trocken<br />
ist, von Wasser keine Spur …» – und<br />
von Homosexualität natürlich auch<br />
nicht. «Heute würde ich sagen, dass<br />
die grünen Wiesen vielleicht weniger<br />
der wahre Grund gewesen sind, sondern<br />
ich hatte einfach einen enormen<br />
Sex-Drive. Ich wollte daher unbedingt<br />
mit der schwulen Bevölkerung rasch<br />
in Kontakt kommen und so lernte ich<br />
italienisch. Die Sprache habe ich eigentlich<br />
erstaunlich schnell gelernt<br />
Shükrü<br />
Türkischer könnte sein Name nicht<br />
sein. Wir haben vor gut einem Jahr<br />
über ihn berichtet – damals war das<br />
Thema «Arme Schwwule» –, nun haben<br />
wir ihn erneut getroffen. «Als Türke<br />
bin ich nicht geoutet. Meine Eltern<br />
sind von der Südtürkei nach Zürich<br />
migriert, ich war damals 16 und hatte<br />
meine obligatorische Schulzeit beendet.<br />
Eigentlich hätte ich eine Lehrstel-<br />
«Türkler eşcinseller<br />
gözle görünenden<br />
daha fazla olduğunu.»<br />
«Die Türken akzeptieren<br />
Homosexualität nur schwer.»<br />
<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 5
Thema | Schwule Migranten<br />
le suchen sollen, das Problem war<br />
aber, dass ich sprachlich einfach Mühe<br />
hatte – bei uns zu Hause wurde nur<br />
türkisch geredet. Ich hatte dann die<br />
Wahl, entweder sofort deutsch zu lernen<br />
und eine Lehrstelle zu suchen,<br />
oder möglichst schnell einen Job zu<br />
finden.» Shükrü hat sich für die Jobvariante<br />
entschieden und musste Jahre<br />
später feststellen, dass diese Entscheidung<br />
vielleicht nicht unbedingt<br />
gut war. «Der Umzug in ein neues Land<br />
war für alle hart, ich hatte keine<br />
Freunde hier, merkte zudem, dass ich<br />
auf Männer stehe … es war eine furchtbare<br />
Zeit. Ich spürte einfach, dass ‹etwas<br />
nicht stimmte›. In meiner Kultur<br />
spricht man nicht über Homosexualität<br />
und ich habe noch heute Mühe,<br />
dass ich offenbar schwul bin und das<br />
wohl auch so bleiben wird.»<br />
Wie lernte denn Shükrü Männer<br />
kennen? «Das war eigentlich einfach.<br />
Ich entdeckte, dass man in der damaligen<br />
«Caroussel»-Bar Sex haben konnte<br />
und dafür auch noch bezahlt wurde.<br />
Für mich eine Win-win-Situation. Ich<br />
sah also keinen Grund, irgendetwas<br />
an meiner Lebenssituation zu ändern.»<br />
Nun, das ‹Caroussel› wurde geschlossen.<br />
«Ich hatte dann eine Beziehung<br />
mit einem etwas älteren Mann, bei<br />
ihm habe ich auch gewohnt.» Geliebt<br />
habe er ihn nicht, aber sehr gern gehabt.<br />
Shükrü hat nun eine Ausbildung<br />
zum Fitness-Instruktor begonnen und<br />
hofft, sich bald einmal richtig zu verlieben.<br />
«Aber natürlich fragt mich<br />
meine Familie dauernd, wann ich denn<br />
endlich heiraten würde. Irgendwann<br />
werde ich das wohl auch tun müssen.»<br />
Weiterführende<br />
Adressen für direkt oder<br />
indirekt Betroffene:<br />
SOS Rassismus<br />
Rosengartenstrasse 1, 8037 Zürich<br />
Telefon 043 366 98 16<br />
info@sosrassismus.ch<br />
www.sosrassismus.ch<br />
TIKK Taskforce interkulturelle<br />
Konflikte<br />
Strassburgstrasse 15, 8004 Zürich<br />
Telefon 044 291 65 75<br />
info@tikk.ch<br />
www.tikk.ch<br />
Kantonale Beauftragte für<br />
Integrationsfragen<br />
Neumühlequai 10<br />
Postfach, 8090 Zürich<br />
Telefon 043 259 25 27<br />
julia.morais@ji.zh.ch<br />
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Kolumne | Weissbergs warme Weissheiten<br />
Schaffen Sie sich<br />
ja keine Quengelware an!<br />
Text: Marianne Weissberg<br />
Koluministin Marianne Weissberg schaltet sich diesmal in die heisse<br />
Wer-darf-Kinder-haben-Diskussion ein und rät, sich diese heikle Anschaffung<br />
gründlich zu überlegen. Was sie selbst natürlich versäumte.<br />
FOTO: MARIANNE WEISSBERG<br />
rierte Mom, viel zu früh geheiratet,<br />
viel zu früh schwanger. Dann gottlob<br />
alle aus dem Haus, als ich noch nicht<br />
so fertig aussah, wie die Frauen, die<br />
meinen, sie müssten kurz vor den<br />
Wechseljahren noch Kinder kriegen.<br />
Glauben Sie mir, dass ist für alle grässlich.<br />
Auch für mich. Denn das sind<br />
«Ich war eine frustrierte<br />
Mom, viel zu früh<br />
geheiratet, viel zu früh<br />
schwanger.»<br />
genau die Teppichratten, die an der<br />
Kasse kein Schoggivalium kriegen,<br />
weil das nicht gesund ist, gäll Emma!!<br />
Und dann werde ich strafend angeschaut,<br />
weil ich sagte: «Jetzt geben Sie<br />
dem Kreischer endlich die Schoggi da,<br />
ich bezahle sie!!!»<br />
Wieso ich Ihnen das erzähle? Weil<br />
ja heiss diskutiert wird, wer Kinder<br />
zeugen / adoptieren darf. Ich finde zuallererst<br />
schwule Männer. So ein<br />
Männer-Paar ist das Beste für Kinder.<br />
Meist in interessanten Berufen tätig,<br />
ziemlich sicher solvent und, wie ich in<br />
meinem schwulen Umfeld sehe: äusserst<br />
attraktiv. Zum Vergleich das<br />
Normalo-Hetero-Päärli, das immer<br />
noch ungeprüft Kinder anschaffen<br />
darf: Er öde Karriere, sie es bitzli Teilzeit.<br />
Beide gestresst und kein appetitlicher<br />
Anblick, wenn sie ihr nörgliges<br />
Accessoire-Kind ausführen. Ich weiss<br />
das, ich war auch so. Ich erinnere<br />
mich, wie ich als grüne Mom endlich<br />
realisierte, dass ich mein Hirn abgegeben<br />
hatte. Beschloss, dass Kinderhaben<br />
und unglücklich verheiratet<br />
sein, inklusive grottenschlechtem Sex,<br />
mein Untergang sei. Ich begann femi-<br />
Es geht diesmal um Quengelware.<br />
Was das ist, werden Sie fragen! Habe<br />
ich auch getan, als ich das erste Mal<br />
den Ausdruck las: Beim Posten, da erblickte<br />
ich über der Kasse ein Schild<br />
auf dem stand: Neutrale Kasse. Hier<br />
keine Quengelware! Ich blickte mich<br />
um: Gottlob, es stimmte, keine Goofen<br />
weit und breit. Es ist mir nämlich oft<br />
passiert, dass Eltern ihre quengelnden<br />
Kleinkinder extralangsam an mir vorbeischoben.<br />
Obwohl das Getöse der<br />
kleinen Ekel laut einer wissenschaftlichen<br />
Messung demjenigen von Düsenjägern<br />
entspricht. Wo ich residiere,<br />
wird die Quengelware gerne am Wochenende<br />
frühmorgens aus der Penthousewohnung<br />
geworfen, damit sie<br />
dann vor meinem Fenster brüllen<br />
kann. Während ich noch Schönheitsschlaf<br />
halten möchte. Ganz schlimm<br />
sind die Erzeugerpäärli, die ihre Mini-<br />
Penisträger in XXL-Fussballliibli gewanden,<br />
damit die schon beim kindlichen<br />
Ballspiel lernen, was ein echter<br />
Hetero ist: Einer, der sich schmutzig<br />
macht und dümmlich aus der Wäsche<br />
guckt.<br />
Ich als Mom war ja immer froh,<br />
wenn es an der Kasse viel Schleckzeugs<br />
hatte – dies nämlich die Bedeutung<br />
von «Quengelware» – mit der ich<br />
meine Jungs vollstopfte, damit sie<br />
friedlich waren. Ich war eine frustnistische<br />
Frauenliteratur zu lesen und<br />
holte mir meinen ersten grossen<br />
Reportage-Auftrag in der USA, um<br />
meiner Quengelware zu entkommen.<br />
Die Kids versorgte ich bei einem<br />
Exliebhaber. Und als der meldete, dass<br />
der eine einen Köpfler ins untiefe<br />
Wasser gemacht habe und jetzt ein wenig<br />
komisch aussehe, reiste ich nicht<br />
vorzeitig heim, sondern schrieb lieber<br />
meine erste Coverstory. Ja, so eine<br />
Raben-Mom war ich. Heute bin ich<br />
längst glückliche Kinderfeindin. Wenn<br />
Sie trotz dieser Warnkolumne eins anschaffen<br />
und mich besuchen wollen,<br />
dann lassen Sie Ihre Quengelware bitte<br />
zuhause. Danke!<br />
«Achtung Lebensgefahr! Wollen Sie<br />
wirklich so ein umtriebiges Quengel-<br />
Monster anschaffen?»<br />
Marianne Weissberg<br />
ist Historikerin, Autorin & Inhaberin<br />
des Literaturlabels <strong>Edition</strong><br />
VOLLREIF (www.vollreif.ch).<br />
Ihre Werke u. a. «Das letzte Zipfelchen<br />
der Macht» oder die Kolumnen kolle ktion<br />
«Tränen ins Tiramisu» sind mitlerweile<br />
schon fast Kult.<br />
<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 7
Aktuell | Promis<br />
Leben und sterben<br />
lassen<br />
«Ich bin sehr offen. Mir ist es egal, ob jemand mit<br />
einem Mann oder einer Frau zusammen ist.»<br />
{ }<br />
Ramona Bachmann (24), Fussballerin und WM-Heldin im «Blick»<br />
über ihre Homosexualität<br />
Andreas Gabalier<br />
Was ist bloss mit dem selbsternannten<br />
Volksrocker los? Droht er ganz wie sein<br />
Alter Ego «Mountain Man» völlig abzuheben?<br />
Die Luft wird jedenfalls dünn für<br />
den 30-jährigen. Mehrmals fiel Andreas<br />
Gabalier mit zwar nicht gerade homophoben,<br />
aber doch ziemlich ätzenden<br />
Äusserungen gegenüber Schwulen auf.<br />
Beispielsweise gab er bekannt, dass er<br />
sich als Heterosexueller diskriminiert<br />
fühle: «Man hat's nicht leicht auf dieser<br />
Welt, wenn man als Manderl noch auf<br />
ein Weiberl steht.» Obwohl ein eher unbedachter<br />
Witz, zog dies einen mittleren<br />
Shitstorm nach sich. Das dürfte den<br />
Schlagersänger ziemlich genervt haben<br />
– kein Wunder, holte er in «Die Welt»<br />
zur Revanche aus. Er wolle, so seine<br />
Worte, nicht jeden Tag schmusende<br />
«Männlein» in Zeitungen oder auf Plakaten<br />
sehen, denn dies löse «Abwehr,<br />
Überdruss und Antipathie» bei Leuten<br />
aus, die eigentlich tolerant wären.<br />
Andreas Gabalier muss es schliesslich<br />
wissen, hat er doch «viele schwule<br />
Freunde», welche ebenso denken. Eine<br />
kleine Weisheit fügt er seinen Worten<br />
hinzu: «Sich mal rar machen, das wäre<br />
vielleicht nicht schlecht. Jeden Tag Gabalier<br />
will ja auch keiner sehen.»<br />
Whitney Houston<br />
Ruhe im Tod, falls diese denn überhaupt<br />
existieren sollte, wird Whitney Houston<br />
derzeit nicht finden. Die grandiose Sängerin,<br />
deren Leben vor mehr als drei<br />
Jahren ein dramatisches Ende in der Badewanne<br />
fand, wird nun post mortem in<br />
die Lesbenecke gerückt. Im Buch «Whitney<br />
und Bobbi Kristina – The deadly<br />
Price of Fame», ein mitunter schamloser<br />
Versuch, aus der Tragödie mit der im<br />
Koma liegenden Tochter Kasse zu machen,<br />
will der kanadische Journalist Ian<br />
Halperin wissen, dass Whitney Houston<br />
zu Beginn der 1990-Jahre eine Affäre<br />
mit ihrer Assistentin gehabt habe. Damals,<br />
dank «Bodyguard» auf dem Höhepunkt<br />
ihrer Karriere, soll sie deswegen<br />
erpresst worden sein. Dem Houston-Clan<br />
war die Verschwiegenheit einiges wert<br />
und er soll eine unbekannte Summe an<br />
die Erpresser gezahlt haben. Egal, ob der<br />
Buchinhalt Wahrheit oder Lüge ist,<br />
lohnt es sich eher, auf den TV-Film<br />
«Whitney» mit Yaya DaCosta zu warten,<br />
in dem die Fans das Leben der Sängerin<br />
nochmals Revue passieren lassen dürfen.<br />
Dieser Film wurde jedoch vom noch<br />
mächtigen Houston-Clan verurteilt.<br />
Fürwahr, das Leben nach dem Tod ist<br />
kein leichtes.<br />
Lady Gaga<br />
Dass Stefani Germanotta eine begnadete<br />
Künstlerin ist, dürfte niemand mehr<br />
bezweifeln – ebenso, dass sie ihrem<br />
Künstlernamen öfters alle Ehre macht.<br />
Trotzdem scheint ihre Integrität zu wanken:<br />
Lady Gaga trat an der Eröffnungsfeier<br />
der Europa-Spiele in Aserbaidschan<br />
auf und musste dafür einige Kritik der<br />
«kleinen Monster», ihrer Fans, ertragen.<br />
Besagtes Land hält bekanntlich wenig<br />
von Menschenrechten und die Homosexualität,<br />
wenn auch legal, ist dort verpönt.<br />
Da Lady Gaga schon diverse Lanzen<br />
für Schwule und Lesben brach,<br />
mutete ihr Einsatz etwas seltsam an.<br />
Schlussendlich handelt es sich aber<br />
«nur» um einen gut bezahlten Auftritt<br />
an einer fragwürdigen Veranstaltung.<br />
Deshalb wurde die Anwesenheit von<br />
Lady Gaga wohl bis zur Show geheim gehalten.<br />
Medienberichten zufolge musste<br />
sich die Pop-Ikone einige Tage im Hotel<br />
einsperren. (DD)<br />
FOTOS: ZVG (2), INTERSCOPE (1), TWITTER (1)<br />
8 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>
Kolumne | Bötschi klatscht<br />
Der It-Boy<br />
und seine Villa<br />
Text: Bruno Bötschi<br />
Der Unterschied zwischen Autor Philipp Tingler und It-Boy Reto Hanselmann:<br />
Beide meinen, sie seien sexy. Aber nur einer von beiden ist es.<br />
Lustig ist auch nur einer von den beiden Buben. Sie wollen wissen welcher?<br />
Dann müssen Sie diese Kolumne lesen.<br />
Kaum sass er im voll besetzten Restaurant<br />
Schützengasse (im Moment<br />
«the place to be» in Zürich) neben mir,<br />
erzählte er mir aus seinem Leben.<br />
Frisch, frei, fröhlich. Von Monte Carlo<br />
bis Los Angeles. Von seinen Freundinnen<br />
Dominique Rinderknecht (Ex-<br />
Miss-Schweiz) und Fabienne Louves<br />
(Ex-Musicstar). Und von seinen Schönheitsoperationen.<br />
Reto Hanselmann<br />
steht dazu: Er ist ein Gesamtkunstwerk.<br />
Hanselmann brachte das Kunststück<br />
fertig, dass die Klatschsendung<br />
«Glanz&Gloria» eine ganze Woche<br />
lang jeden Abend über die Vorbereitungen<br />
seiner Halloweenparty berichtete.<br />
Moderatorin Annina Frey<br />
schwärmte: «Er schmeisst jedes Jahr<br />
eine der exklusivsten Gruselpartys<br />
von Zürich.» Mehr Gratis-PR bekam<br />
noch nie eine Party im Schweizer<br />
Farbfernsehen. Momoll.<br />
Als Klatschkolumnist muss ich eine<br />
grosse Klappe führen. Auch auf die<br />
Gefahr hin, dass ich mir Feinde schaffe.<br />
Das merke ich jeweils, wenn mich<br />
ein Promi (mit oder ohne Servelat) auf<br />
Twitter blockiert – getan haben das<br />
zum Beispiel: Märchenonkel Reeto von<br />
Gunten und Listenschreiber Philipp<br />
Tingler.<br />
Keine Ahnung, was ich dem von<br />
Gunten für eine Laus über die Leber gejagt<br />
habe. Philipp Tingler hingegen<br />
brünzelt gerne anderen ans Bein, selber<br />
«Dass ich mir als<br />
Klatschkolumnist Feinde<br />
geschaffen habe,<br />
merke ich jeweils, wenn<br />
mich ein Promi (mit<br />
oder ohne Servelat) auf<br />
Twitter blockiert.»<br />
mag er aber keine feuchten Hosenstösse.<br />
In seinem Handbuch «Stil zeigen!»<br />
schreibt er, lautes Grunzen, Zischen<br />
und orgasmisches Keuchen seien tabu<br />
im Fitnesscenter. Und was tut Tingler?<br />
Schnaubt im Fitnesscenter wie ein Bulle<br />
(mit vier Beinen). Ich war so ehrlich<br />
und notierte das in meiner Kolumne.<br />
Seither ist der Tingler böse auf mich.<br />
Ach, da ist eine kleine Welt hässig.<br />
Kein Interview geben will mir zudem<br />
Fernseh- und Radiofrau Viola<br />
Tami. Auf Instagram darf ich sie zwar<br />
noch anschauen. Dabei habe ich mich<br />
letztes Jahr bei meinem Coiffeur<br />
(Charles Aellen, Zürich) nett mit ihrem<br />
Lieblingsmann (Roman Kilchsperger)<br />
unterhalten. Wer weiss, vielleicht war<br />
genau das das Problem.<br />
Nik Hartmann soll auch kein gutes<br />
Haar an mir lassen. Ich habe mich einmal<br />
über ihn lustig ... ach, das lasse<br />
ich jetzt besser bleiben, sonst ruft<br />
mich der beliebteste Moderator der<br />
Schweiz wieder mit anonymer Nummer<br />
auf mein Handy an.<br />
Dagegen nimmt Reto Hanselmann<br />
freche Sprüche auf die leichte Schulter.<br />
Als er kürzlich mit seiner Freundin<br />
Dominique Rinderknecht verglichen<br />
wurde, antwortete er auf<br />
Facebook: «Ich bin gerade beim Coiffeur<br />
und blondiere meine Haare. Und<br />
den Termin für meine Brust-OP habe<br />
ich auch bereits.»<br />
Hanselmann ist seit neun Jahren<br />
glücklich unter der Haube (vier davon<br />
verheiratet). Er lebt in einer Villa am<br />
Zürichsee. Und das stört den It-Boy:<br />
Nicht die Villa, sondern dass es heisst,<br />
er könne nur dank dem Stutz seines<br />
Partners (Vorname Torsten) in solchem<br />
Luxus leben. Dabei organisiert<br />
Reto Hanselmann erfolgreich Partys.<br />
Aber sein Torsten ist halt Multimillionär.<br />
Und dann sieht der Torsten auch<br />
noch adrett aus (manche behaupten,<br />
sogar adretter als Reto). Logisch, dass<br />
da der eine oder die andere eifersüchtig<br />
wird und sich das Maul zerreisst.<br />
Und zu guter Letzt: Kürzlich wollte<br />
ich im Restaurant «Louis» in Zürich-Wollishofen<br />
einkehren. Das zweistöckige,<br />
total in Weiss gehaltene Lokal<br />
ist seit vergangenem Oktober offen. Ich<br />
sass also an einem Sonntagnachmittag<br />
im Garten und wartete und wartete und<br />
wartete. Irgendwann habe ich mich von<br />
dannen gemacht, weil mich keiner der<br />
«Louis»-Servicemitarbeiter eines Blickes<br />
würdigte. Ich spazierte über den<br />
neuen Cassiopeia steg, suchte mir im<br />
«Ziegel au lac» in der Roten Fabrik ein<br />
lauschiges Plätzchen, bestellte ein<br />
Fläschchen Sauvignon blanc vom<br />
Turmgut Erlenbach und genoss einen<br />
wunderbaren Nachmittag.<br />
www.brunoboetschi.ch<br />
<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 9
<strong>Sommer</strong>special | Die schönsten Strände<br />
Atlas der schönsten<br />
abgelegenen Strände<br />
Text: Dani Diriwächter<br />
Die <strong>Sommer</strong>ferien stehen<br />
vor der Tür. Viele wird es<br />
bald an die Superstrände<br />
von Sitges, Gran Canaria<br />
oder Mykonos ziehen. Doch<br />
wo finden sich idyllische<br />
Strände, die erst wenige<br />
kennen?<br />
Nicht, dass wir Judith Schalansky und<br />
ihrem Werk «Atlas der abgelegenen Inseln»<br />
Konkurrenz machen möchten.<br />
Doch die Idee gefiel uns so sehr, dass<br />
wir uns freudig inspirieren liessen. Basierend<br />
darauf präsentieren wir Ufer<br />
und Küsten, für die es sich lohnt, eine<br />
Reise zu planen. Gefragt sind keine<br />
Hotspots, sondern geheimnisvolle<br />
Plätzchen, unberührte Gestade oder<br />
einfach nur bezaubernde Strände.<br />
Wir suchen deinen Traumstrand<br />
Während unserer <strong>Sommer</strong>pause sehnt<br />
sich die Online-Redaktion nach Tipps<br />
von badefreudigen Lesern. Möchtest du<br />
deinem liebsten Badestrand ein wenig<br />
Aufmerksamkeit schenken? Dann hau<br />
in die Tasten und sende uns ein Bild mit<br />
deiner Idylle sowie einem kurzen Text<br />
dazu. Ob gemütlich, gesittet, FKK,<br />
schwul oder hetero – wo badet es sich<br />
wie ein junger Gott? Es muss auch nicht<br />
am Meer sein, es kann am heimischen<br />
See oder an einem Fluss sein – Blue<br />
Bayous sind selbstverständlich auch<br />
willkommen.<br />
Wir wollen natürlich nicht, dass ein<br />
Geheimtipp zur angesagten Szenemeile<br />
wird, deshalb steht es dir frei zu entscheiden,<br />
ob du die genaue Ortsbe-<br />
zeichnung angeben möchtest. Einige<br />
Info-Zückerchen müssten aber schon<br />
dabei sein. Die tollsten Strände werden<br />
wir online vorstellen.<br />
Wir sind gespannt auf deine Impressionen<br />
und freuen uns auf deine Zusendungen<br />
(mail: online@cruisermagazin.ch)<br />
Baie des Trépassés,<br />
Bretagne, Frankreich<br />
Am Strand kann man(n) mehr<br />
als nur baden gehen<br />
Die Bucht der «Hingeschiedenen» am<br />
westlichsten Zipfel von Frankreich,<br />
nahe der Pointe du Raz, erfüllt die Voraussetzungen<br />
einer geheimnisvollen<br />
Idylle. Umgeben von imposanten Klip-<br />
pen lässt sich die bretonische Bucht mit<br />
dem Auto oder per Bus erreichen. Der<br />
Sage nach liessen die Kelten dort ihre<br />
Verstorbenen zur Ile de Seine hinaus<br />
gleiten. Heute gleiten dort überaus lebendige<br />
und ruhige Menschen am flachen<br />
Sandstrand hin und her, während<br />
sexy Surfer die Wellen nutzen. Für den<br />
Komfort sorgen das schmucke «Hotel-Restaurant<br />
de la Baie des Trépassés»<br />
und das «Hotel-Brasserie Relais de la<br />
Pointe du Van».<br />
Speziell:<br />
Ein Besuch in der nahen «Biscuiterie de la<br />
Pointe du Raz» ist nicht unbedingt förderlich<br />
für die Strandfigur, aber dennoch ein<br />
Muss mit Genuss.<br />
Im schwulen Roadmovie «Hildes Reise»<br />
(2004) von Christof Vorster spielt dieser<br />
Strand eine zentrale Rolle.<br />
FOTOS: DANI DIRIWÄCHTER<br />
10 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>
El Matui, Palomino,<br />
Kolumbien<br />
Wer diesen Strand erreichen will, muss<br />
einen weiten Weg auf sich nehmen: Mit<br />
dem Flugzeug nach Bogotà, der Haupstadt<br />
Kolumbiens, dann weiter nach<br />
Santa Marta an der Karibikküste. Danach<br />
mit dem Bus bis ins Fischerdorf<br />
Palomino und zu guter Letzt noch mit<br />
dem Motorradtaxi bis zur «Reserva Natural<br />
El Matuy». Der Lohn der Anstrengung:<br />
Ein mehrere Kilometer langer<br />
Strandabschnitt, der zu stundenlangen<br />
Spaziergängen einlädt, auf denen man<br />
keinem einzigen Menschen begegnet.<br />
Speziell:<br />
Wenn das Wetter mitmacht, erhascht man<br />
vom Strand aus einen Blick auf die schneebedeckten<br />
Gipfel der Sierra Nevada de Santa<br />
Marta.<br />
Dank einer hübschen Bungalow-Anlage<br />
ohne elektrischen Strom und Handynetz<br />
darf man dort dem natürlichen Rhythmus<br />
von Tag und Nacht frönen.<br />
Baie des Trépassés,<br />
Bretagne, Frankreich<br />
El Matui, Palomino,<br />
Kolumbien<br />
Pachia Ammos,<br />
Tinos, Griechenland<br />
Viele Sonnenanbeter, die nach Mykonos<br />
reisen, haben keinen blassen<br />
Schimmer von der Nachbarinsel Tinos.<br />
Allerdings ist die Insel auch ein wichtiges<br />
Zentrum der dortigen römisch-katholischen<br />
sowie der griechisch-orthodoxen<br />
Kirche. Sei’s drum – leben und<br />
leben lassen. Die sehr steinige Insel bietet<br />
ruhige Strände und abgeschiedene<br />
Orte, fern vom Tourismus. Der Strand<br />
Pachia Amos sticht dabei besonders he-<br />
raus. Das kristallklare Wasser verspricht<br />
unberührtes Vergnügen. Nur<br />
mit dem Auto zu erreichen, ohne Bar<br />
oder Hotel.<br />
Speziell:<br />
Tinos gilt als Katzeninsel –<br />
tausende Miezen tummeln<br />
sich dort und verzaubern<br />
die Liebhaber der sanften<br />
Pfoten.<br />
Das Städtchen Tinos lädt<br />
mit klassischen Tavernen<br />
zum Verweilen ein.<br />
Koh Poda, Provinz<br />
Krabi, Thailand<br />
Krabi gilt als auch als Ausgangsort für<br />
diverse Inselbesichtigungen. Aber wieso<br />
in die Ferne schweifen, wenn das<br />
Gute so nah liegt? Die nahe Insel Koh<br />
Poda ist per Wassertaxi in nur 25 Minuten<br />
zu erreichen – Feilschen inklusive.<br />
Danach wähnt man sich im Paradies:<br />
Weisser Sand, klares Wasser und<br />
ein wunderschönes Panorama sorgen<br />
für unbeschwerte Stunden. Ein Restaurant<br />
mit einem kleinen Shop sorgt für<br />
das leibliche Wohl.<br />
Speziell:<br />
Schnorcheln auf Koh Poda macht besonders<br />
Spass, und auch ohne grössere Tiefen<br />
zu erkunden, öffnet sich früh eine farbenfrohe<br />
Fauna.<br />
Gegen Abend und bei Ebbe tauchen die Seesterne<br />
auf – die unzähligen Stachelhäuter<br />
verwandeln den Strand in ein Gemälde.<br />
Pachia Ammos, Tinos,<br />
Griechenland<br />
Koh Poda, Provinz Krabi,<br />
Thailand<br />
<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 11
<strong>Sommer</strong>special | Die schönsten Strände<br />
Saint-Laurent d’Eze,<br />
Südfrankreich<br />
Saint-Laurent d’Eze,<br />
Südfrankreich<br />
Es handelt sich hier vielleicht um den<br />
beliebtesten Geheimtipp an der «French<br />
Riviera» – der schwule Strand<br />
Saint-Laurant d’Eze. Doch während<br />
immer noch Heerscharen von schwulen<br />
Männern die teuren Strände rund um<br />
Nizza heimsuchen, gilt diese Idylle besonders<br />
bei FKK-Liebhabern als «the<br />
place to be». Schwer zu erreichen und<br />
ohne eine Bar oder ein Restaurant,<br />
kann man es sich dort in den Buchten<br />
so richtig gut gehen lassen.<br />
Speziell:<br />
Der Weg zum Strand führt durch einen<br />
Tunnel – ab ins Wunderland!<br />
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<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 13
Serie | Mannsbild – Berufsbild<br />
Der Elektroniker<br />
Text: Thomas Borgmann<br />
Eigentlich war Andreas in seiner dörflichen Gemeinschaft gut integriert:<br />
Familie und Verwandtschaft vor Ort, ein guter Freundeskreis, engagiert in<br />
Vereinen und in der kirchlichen Gemeinde, eine solide Berufsausbildung,<br />
ein guter Job und sogar eine Ehefrau und Kinderwunsch. Also nichts, was<br />
Konflikte mit seinem Umfeld provozieren könnte. Wenn er nicht schwul<br />
wäre.<br />
Im Einsatz für seinen neuen Arbeitgeber: Als Servicetechniker für einen Hersteller<br />
für Sicherheitstechnik kommt Andreas viel herum<br />
Schon mit 14 hat Andreas, heute 39,<br />
gemerkt, dass er auf Männer steht. Ein<br />
paar Kontakte gab es in Jugendjahren,<br />
die keinen Zweifel daran liessen, dass<br />
er sexuell mit Männern mehr anfangen<br />
kann als mit Frauen. Aber das offen<br />
zu leben, erschien ihm in den<br />
1990er-Jahren nicht nur unvereinbar<br />
mit den Wertevorstellungen seiner Familie<br />
und seines dörflichen Umfelds,<br />
sondern widersprach auch seinen eigenen<br />
christlich geprägten Moralvorstellungen.<br />
Und eigentlich entsprach<br />
er doch auch in keinster Weise dem<br />
Klischee, das seinerzeit noch oft von<br />
schwulen Männern herrschte: kein feminines<br />
Auftreten, kein auffällig gestyltes<br />
Outfit, Freude am Renovieren<br />
und Reparieren, und dann noch ein<br />
Beruf, in dem man Schwule kaum vermutet.<br />
Andreas ist gelernter Landmaschinenmechaniker,<br />
hat während seiner<br />
Militärzeit als Panzerschlosser<br />
«gedient» und arbeitete danach als<br />
Servicetechniker für die Montage und<br />
Wartung von Hochdruckreinigungsanlagen.<br />
Entsprechend regelkonform<br />
war auch seine Lebensplanung. Eine<br />
lesbische Freundin lebte im gleichen<br />
Konflikt, und da sich die beiden gut<br />
verstanden, beschlossen sie, in der<br />
nächstgelegenen grösseren Stadt ein<br />
Zweifamilienhaus zu kaufen, zu heiraten<br />
und ein durch künstliche Befruchtung<br />
gezeugtes gemeinsames Kind<br />
gross zu ziehen. Zwei separate Wohnungen<br />
in dem Haus sollten ermöglichen,<br />
dass jeder trotz der familiären<br />
Bindung sein eigenes Leben und seine<br />
Sexualität leben konnte. Dass dieses<br />
Konzept keine Chance hatte, ist<br />
Andreas heute klar. Für die neue Partnerin<br />
seiner Frau waren diese konstruierten<br />
Familien-Verhältnisse auf Dauer<br />
nicht akzeptabel, und als diese eine<br />
Eigentumswohnung erbte, verliess seine<br />
Frau das gemeinsame Haus und zog<br />
zu ihr. Nach nur drei Jahren wurde die<br />
Ehe geschieden, Andreas verkaufte<br />
das Haus, das er alleine nicht halten<br />
konnte, und entkam nur knapp der<br />
privaten Insolvenz.<br />
Das war nur einer der vielen Schritte<br />
auf seinem schwierigen Weg zu einem<br />
selbstbestimmten Leben. Schon<br />
einige Jahre zuvor ging er in seinem<br />
Dorf eine Beziehung mit einer Frau<br />
ein, um die ihn viele beneideten. Als<br />
er diese abbrach, weil er spürte, dass<br />
sie beide miteinander nicht glücklich<br />
würden, erntete er Unverständnis. Als<br />
sein Cousin nicht aufhörte, ihn nach<br />
den Ursachen für die Trennung zu fragen,<br />
offenbarte er ihm schliesslich den<br />
wahren Grund. Das machte schnell die<br />
Runde im Dorf. Geschwister und<br />
Freunde gingen auf Distanz, hinter<br />
seinem Rücken wurde geredet. Andreas<br />
fühlte sich zunehmend isoliert in der<br />
Dorfgemeinschaft. Dass er inzwischen<br />
als Servicetechniker für Reinigungs-<br />
FOTOS: THOMAS BORGMANN<br />
14 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>
anlagen auf Montage meist fern der<br />
Heimat eingesetzt wurde und nur noch<br />
am Wochenende zuhause war, erschien<br />
ihm wie eine Befreiung. Doch<br />
dann, auf dem Weg zu einem Einsatz<br />
in Paris, warf ihn ein schwerer Autounfall<br />
komplett aus der Bahn. Mehrere<br />
Brüche, unter anderem an der Hüfte,<br />
und dann noch eine bakterielle Infektion<br />
durch eine der 14 Operationen,<br />
setzten ihn acht Monate ausser Gefecht.<br />
Und auch für die Zukunft musste<br />
er komplett neu planen. Dass er<br />
nicht mehr Motorrad und Ski fahren<br />
darf, war das geringere Übel. Wegen<br />
«Andreas hat während<br />
seiner Militärzeit<br />
als Panzerschlosser<br />
gedient.»<br />
des Kraftaufwands für die 160 kg<br />
schweren Bauteile durfte er nicht nur<br />
seinen Job als Servicetechniker für<br />
Gabelstapler und Reinigungsanlagen<br />
nicht mehr ausüben, sondern musste<br />
generell starke körperliche Anstrengungen<br />
meiden, was quasi einer Berufsunfähigkeit<br />
entsprach.<br />
Mit sich selbst im Reinen – nach<br />
schwierigen Jahren hat Andreas seinen<br />
Weg gefunden<br />
Die Krise als Chance genutzt<br />
Empfohlen wurde ihm eine Umschulung<br />
zu einem Beruf für Bürotätigkeiten,<br />
doch das lehnte er ab. «Ich wollte<br />
auf jeden Fall wieder in einen technischen<br />
Beruf», erklärt Andreas. «Technik<br />
und Handwerken ist das, was ich<br />
am liebsten mache und was ich am<br />
besten kann.» Er entschloss sich für<br />
eine zweite Ausbildung als Elektroniker.<br />
Dass dies die richtige Entscheidung<br />
war, beweist, dass er schon gegen<br />
Ende der zweijährigen Ausbildung<br />
mehrere Jobangebote erhielt. «Gerade<br />
meine doppelte Ausbildung als Mechaniker<br />
und Elektroniker eröffnete<br />
mir viele Möglichkeiten», erklärt er.<br />
«Mechatroniker ist ein Beruf mit Zukunft.<br />
Da hab ich immer gute Chancen,<br />
auch wenn ich seit dem Unfall<br />
körperlich nicht mehr so fit bin.»<br />
Gleich nach der Umschulung fand er<br />
einen neuen Job als Servicetechniker<br />
bei einem Hersteller für Sicherheitstechnik.<br />
Hier installierte und programmierte<br />
er die Steuerung für das<br />
Personenschutzsystem von Hochregal-<br />
und Schmalgangstaplern – eine<br />
Arbeit, die weniger mechanische Anstrengung<br />
erfordert, sondern vor allem<br />
Programmiertätigkeit ist. Doch<br />
dann warf ihn nur acht Monate nach<br />
Dienstantritt ein psychischer Erschöpfungszustand<br />
erneut aus dem Rennen.<br />
«Entlastungsdepression» lautete die<br />
Diagnose, die ihn für 13 Wochen wieder<br />
in die Klinik brachte – eine Form<br />
der Depression, die nicht bei Belastung,<br />
sondern bei Entlastung nach einer<br />
Zeit der Überforderung auftritt.<br />
«Ich hab gekämpft, gekämpft und gekämpft,<br />
und irgendwann ging mir einfach<br />
die Kraft aus», erläutert er. In der<br />
Klinik hatte er Zeit, zur Ruhe zu kommen,<br />
sein Leben zu überdenken und<br />
neue Kräfte zu sammeln. Nach der Genesung<br />
empfing ihn sein Arbeitgeber<br />
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Serie | Mannsbild – Berufsbild<br />
vorbehaltlos. Keine Vorwürfe wegen<br />
der Erkrankung kurz nach der Einstellung,<br />
und auch die Kollegen sind froh,<br />
dass er wieder da ist und es ihm besser<br />
geht. Mit seiner Sexualität gibt es an<br />
diesem Arbeitsplatz keine Probleme.<br />
Um nicht wieder Versteck spielen zu<br />
müssen, hat sich Andreas bei seinem<br />
Arbeitgeber gleich zu Beginn geoutet.<br />
«Das ist Ihre Privatsache. Sie machen<br />
Ihren Job gut, der Rest interessiert<br />
mich nicht», gab ihm der Geschäftsführer<br />
des 25 Mitarbeiter zählenden<br />
Unternehmens zu verstehen. Das soziale<br />
Klima an seiner Arbeitsstelle ist<br />
Andreas mehr wert als das Gehalt.<br />
«Vielleicht könnte ich woanders noch<br />
mehr verdienen, aber die Akzeptanz<br />
und Kollegialität hier sind mir wichtiger»,<br />
meint er.<br />
Zu verbergen, dass er schwul ist,<br />
hätte an seinem neuen, 120 000 Einwohner<br />
zählenden Wohnort, in dem er<br />
seit sechs Jahren lebt, ohnehin nur<br />
wieder Druck gemacht. Andreas ist in<br />
dem dortigen schwul-lesbischen Zentrum<br />
sehr engagiert, und weil er jüngst<br />
erneut in den Vereinsvorstand gewählt<br />
wurde, tritt er hier beim CSD oder anderen<br />
Veranstaltungen in der Funktion<br />
auch öffentlich auf. In der Schwulengruppe<br />
schätzt man nicht nur seine<br />
handwerklichen Fähigkeiten, sondern<br />
vor allem auch sein Engagement. Er<br />
hat dadurch viele neue Freunde gefunden,<br />
bei denen er nicht mehr vorgeben<br />
muss, was er nicht ist. Das war wie ein<br />
Befreiungsschlag. «Ich war so heterofixiert<br />
und konnte mir lange nie vorstellen,<br />
von meinem Dorf wegzugehen,<br />
in dem ich 30 Jahre lang gewohnt<br />
habe. Heute bin ich an meinem neuen<br />
Wohnort mehr daheim, als ich es dort<br />
vielleicht je war», so sein Fazit. Aber<br />
auch der Kontakt zu seiner Familie hat<br />
sich inzwischen deutlich entspannt,<br />
seit Andreas das lebt, was er ist. Seine<br />
Schwester hat ihre Ablehnung seiner<br />
sexuellen Identität überwunden und<br />
schätzt mittlerweile, dass sie Dinge<br />
mit ihm besprechen kann, die sie bei<br />
anderen nur schwer zur Sprache<br />
bringt. Und sein Bruder, der an einer<br />
privaten Bibelschule Theologie studiert,<br />
hat ihn wissen lassen, dass er<br />
ihn segnen würde, wenn er einen<br />
Mann heiraten sollte – ein grosser<br />
Schritt in einem immer noch eher homophoben<br />
Umfeld. Viele Freunde von<br />
damals wollen jetzt mehr von seinem<br />
schwulen Leben erfahren. Die Berührungsängste<br />
verlieren sich, weil<br />
Andreas inzwischen so selbstverständlich<br />
damit umgeht und vorlebt,<br />
dass viele Bilder in manchen Köpfen<br />
überholte Klischees sind. «Früher hab<br />
ich gedacht, dass es mir gut geht,<br />
wenn es anderen gut geht», erklärt<br />
Andreas. «Heute weiss ich, dass es anderen<br />
gut gehen kann, wenn es mir<br />
gut geht.»<br />
<strong>Cruiser</strong> zeigt Männer im Berufsalltag.<br />
Dass Sexualität nichts mit der Berufswahl<br />
zu tun haben muss, beweisen unsere<br />
gestan denen Männer. Bisher portraitiert:<br />
Schiffbauingenieur, Maschinenbauer,<br />
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PUBLIREPORTAGE<br />
Scharfe Wäsche, heiss verpackt. – Oder umgekehrt:<br />
Wie verpackt man etwas Scharfes heiss?<br />
Text: Haymo Empl<br />
Wenn wir im «<strong>Cruiser</strong>» jeweils Inserate bekommen, prüfen wir als Erstes<br />
immer die Internetseite der Inserenten. So haben wir das auch bei<br />
«GAY-STORE.CH» gemacht und ... oha – da gibt sich einer wirklich Mühe!<br />
FOTOS: HAYMO EMPL<br />
Ein sichtlich gut gelaunter Lars im Interview<br />
– Inhaber von «GAY-STORE.CH»<br />
(www.gay-store.ch)<br />
Die Internet-Seite mit Unterwäsche<br />
& Co. wirkt frisch, aufgeräumt und gar<br />
nicht schmuddelig. Fast schon clean.<br />
Und da uns das Konzept überzeugte<br />
(und gut: auch weil wir von den 15%<br />
Rabatt profitieren wollten), haben wirs<br />
ausprobiert. Allein die Sortimentsgestaltung<br />
im virtuellen Laden ist spannend.<br />
Es wird beispielsweise zwischen<br />
«Nachbarsjunge», «Naturbursche» oder<br />
«Romantiker» unterschieden. Entsprechend<br />
wird einem dann alles angeboten,<br />
was passen könnte. Klickt man<br />
also auf «Romantiker», wird einem unter<br />
anderem eine Lavendel-Massage-<br />
Duftkerze gezeigt. Richtig spannend<br />
ist aber das Underwear-Sortiment. Nur<br />
schon das kanadische Label «Pump»<br />
haut einen aus den Socken bzw. den<br />
alten Unterhosen (im Dreierpack gekauft<br />
bei Lidl – nicht schön!). Wir haben<br />
also bestellt – ein bisschen viel,<br />
man will ja vom Gratisversand profitieren<br />
– und staunten schon wieder.<br />
Die Artikel kamen in schwarzem Karton,<br />
beinahe edel (in der Damenwelt<br />
wird vermutlich Reizwäsche jeweils so<br />
verpackt) und wurden neugierig: Wer<br />
steckt hinter dem Portal? Wer gibt sich<br />
so viel Mühe und kann preislich der<br />
Konkurrenz die Tränen in die Augen<br />
treiben? Wir haben telefoniert und Inhaber<br />
Lars hat sich spontan bereit erklärt,<br />
sich mit uns im «Platzhirsch» zu<br />
treffen.<br />
<strong>Cruiser</strong>: Wie muss man sich denn so einen<br />
Versandhandel vorstellen? Stapeln<br />
sich da Schachteln und Kisten und tonnenweise<br />
Wäsche und Gadgets?<br />
Lars: Es ist manchmal schon etwas<br />
chaotisch. Aber wir sind eigentlich<br />
sehr gut organisiert und verfügen über<br />
ausreichend Platz. Wir haben tatsächlich<br />
alles an Lager bei uns, denn nur<br />
so können wir auch superschnell liefern.<br />
Du sprichst von «wir»?<br />
Ich könnte das alles alleine gar nicht<br />
schaffen, denn ich bin ja auch noch<br />
berufstätig. Ich entwickle Verpackungen<br />
und Verpackungsdesign für eine<br />
grosse Schweizer Firma. Bei grösseren<br />
Bestellungen hilft mir mein Freund.<br />
Und manchmal springen sogar die Eltern<br />
ein, wenn sie bei uns auf Besuch<br />
sind.<br />
Du bist aus Deutschland, aber schon<br />
lange in der Schweiz. Bestellen die<br />
Schweizer Gays anders als die Deutschen?<br />
Als mein Freund und ich damals eingewandert<br />
sind, haben wir natürlich<br />
viel über die Mentalität der Schweizer<br />
gehört und uns auch entsprechend informiert.<br />
Wir sind also nicht einfach<br />
so ausgewandert, wie man das von den<br />
einschlägigen TV-Sendungen kennt.<br />
Wir wussten daher, dass die Schweizer<br />
wohl preissensitiv sind, aber es<br />
herrscht hier nicht die «Geiz ist<br />
geil»-Mentalität.<br />
Wenn man auf deiner Webseite schaut,<br />
entdeckt man Marken, die uns teilweise<br />
noch gar nicht bekannt sind und die mit<br />
extrem tollen Schnitten und Wahnsinnsfeatures<br />
ausgestattet sind. Wie<br />
kommt man auf solche Hersteller?<br />
(Lacht) Das Thema an sich muss einen<br />
natürlich schon interessieren. Und<br />
manche Hersteller kontrollieren ihre<br />
Vertriebskanäle sehr genau. Es gibt<br />
beispielsweise Labels, die man förmlich<br />
anflehen muss, damit sie einen<br />
beliefern. Das darf man aber nicht zu<br />
ernst nehmen, das ist meistens einfach<br />
Teil einer Marketingstrategie. Mittlerweile<br />
haben wir uns aber – in doch<br />
sehr kurzer Zeit – auch bei den Lieferanten<br />
etabliert und können daher einige<br />
Marken in der Schweiz exklusiv<br />
anbieten.<br />
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<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 17
News | National<br />
Nationale News<br />
«Wir schauen natürlich nicht hinter jedes Gebüsch – aber wenn jemand<br />
quasi in aller Öffentlichkeit sexuell aktiv ist, schreiten wir ein.»<br />
{ }<br />
Adrian Feubli, Sprecher der Stadtpolizei, gegenüber «20 Minuten» über Sex auf der Werdinsel<br />
Umstrittene Pille für «Davor»<br />
Schweiz<br />
Kommt die Pille<br />
gegen HIV?<br />
Eine Studie der Fachhochschule<br />
Nordwestschweiz untersucht,<br />
ob ein PrEP-Medikament auch<br />
hierzulande zugelassen werden<br />
könnte.<br />
Bereits gibt es Medikamente, die eine<br />
HIV-Infektion minimieren können. Die<br />
Rede ist von der Prä-Expositions-Prophylaxe,<br />
oder kurz PrEP genannt. In den<br />
USA ist das Medikament bereits zugelassen.<br />
Dieses muss jedoch täglich eingekommen<br />
werden, wenn man sich auf diese<br />
Weise schützen will. In weiteren<br />
Ländern wird die Wirksamkeit derzeit<br />
getestet. Sicher ist, dass die Einnahme<br />
der Pille nicht ohne Nebenwirkungen ist.<br />
Die Fachhochschule Nordwestschweiz<br />
hat sich dieses Themas angenommen und<br />
lancierte eine Studie gezielt bei schwulen<br />
Männern, mit welcher geklärt werden<br />
soll, ob und wie der Bedarf hierzulande<br />
gegeben ist.<br />
Die anonyme Teilnahme ist unter<br />
www.prepstudy.ch zu finden.<br />
Parlament sagt Nein<br />
zur CVP-Initiative<br />
Der Ständerat folgt dem Nationalrat<br />
und lasst die Heiratsstrafe<br />
durchfallen.<br />
Mit 25 gegen 16 Stimmen hat die kleine<br />
Kammer die von der CVP lancierte Initiative<br />
«Für Ehe und Familie – gegen die<br />
Heiratsstrafe» zur Ablehnung empfohlen<br />
– wie vor ihr auch der Nationalrat.<br />
Laut «Pink Cross» ist die Initiative insofern<br />
nicht tragbar, als dass über verschiedene<br />
Themen abgestimmt werden<br />
soll: die Steuern, die Sozialversicherungen<br />
und die Definition des Begriffs<br />
«Ehe» in der Bundesverfassung. Die Definition<br />
der «Ehe» als eine «auf Dauer<br />
angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft<br />
von Mann und Frau»<br />
würde de facto den Zugang zu dieser<br />
Institution für homosexuelle Paare verunmöglichen.<br />
Verein gegen die<br />
«Ehe für alle»<br />
Konservative und kirchliche<br />
Kreise gründeten den Verein<br />
«Für eine traditionelle Familie».<br />
Laut «20 Minuten» wurde der Verein<br />
«Für eine traditionelle Familie» gegründet,<br />
um die drohende Homo-Ehe in der<br />
Schweiz zu verhindern. Ebenfalls ist ein<br />
Referendum gegen die Stiefkindadoption<br />
in Planung. Co-Präsident und<br />
EDU-Politiker Marco Giglio spricht von<br />
einer «Demontage der Familie» und von<br />
einer «Phalanx der Schwulen-Lobby».<br />
Im Verein finden sich weitere bekannte<br />
Namen wieder, u. a. die Nationalräte<br />
Jakob Büchler (CVP) und Verena Herzog<br />
(SVP). Bastian Baumann, Geschäftsleiter<br />
des Schwulen-Dachverbandes «Pink<br />
Cross», sagte gegenüber «20 Minuten»,<br />
er halte den Verein für eine verschlossene<br />
Gruppe, die die Zeichen der Zeit<br />
nicht erkannt habe.<br />
Offener Brief an<br />
Swissmedic<br />
«Pink Cross» fordert, dass<br />
schwule Männer wieder Blut<br />
spenden dürfen.<br />
«Pink Cross» sendet mit elf anderen<br />
Organisationen und Parteien und 30<br />
Politikern einen offenen Brief an Swissmedic<br />
und fordert darin die Behörde<br />
auf, den lebenslangen Ausschluss von<br />
Männern, die Sex mit Männern haben<br />
(MSM), aufzuheben. Seit 1977 wird,<br />
wer eine sexuelle Beziehung zu einem<br />
Mann hat, von der Blutspende ausgeschlossen.«Verbote,<br />
die der Sicherheit<br />
dienen, machen Sinn. Verbote, die<br />
auf eine alte Faktenlage oder eine antiquierte<br />
Haltung gründen, sind dis -<br />
kri minierend», sagt Bastian Baumann,<br />
FOTOS: FOTOLIA (2)<br />
18 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>
Dürfen bald auch schwule Männer<br />
Blut spenden?<br />
Geschäftsleiter von «Pink Cross». Auch<br />
der Europäische Gerichtshof hält in einem<br />
Urteil vom 29. April <strong>2015</strong> fest,<br />
dass der generelle Ausschluss von MSM<br />
unzulässig ist, sofern wirksame Techniken<br />
zum Nachweis von HIV erlauben, ein<br />
hohes Gesundheitsschutzniveau der<br />
Blutspendeempfänger sicherzustellen.<br />
Dies ist in der Schweiz der Fall.<br />
Sébastien Nendaz erklärte gegenüber<br />
der Presse, dass der Umzug nichts zu<br />
wünschen übrig liess. Die Pius-Bruderschaft<br />
hingegen rief im Vorfeld der<br />
Gay-Pride zur Gegendemonstration auf,<br />
blieb dem Anlass aber fern. Allerdings<br />
verkündete sie medienwirksam, dass sie<br />
sich künftig eine Sittenpolizei wünsche.<br />
Zürich<br />
Werdinsel im Fokus<br />
der Polizei<br />
Das Eiland steht auch bei der<br />
Zürcher Gay-Community hoch<br />
im Kurs.<br />
Die Polizei führt ab sofort vermehrt<br />
Kontrollen auf der Werdinsel durch.<br />
Dies, obwohl Sex im öffentlichen Raum<br />
generell nicht verboten ist. Roman Thür,<br />
Kreischef, sagte gegenüber der Zeitung<br />
«Zürich Nord», dass die Polizei bereits im<br />
letzten Jahr 30 Personen aus den Büschen<br />
holen musste. Alexander Jäger,<br />
Präsidenten des Quartiervereins, will<br />
wissen, dass sich manche gar nicht mal<br />
Mühe geben, sich richtig zu verstecken.<br />
Also werden die Kontrollen verstärkt.<br />
Zwischen Juni und August werden an<br />
zwölf Wochenenden Doppelpatrouillen<br />
unterwegs sein. Man wolle dabei mit Augenmass<br />
vorgehen, aber auf Anzeigen<br />
werde man weiterhin eingehen.<br />
Erfolgreiche Pride<br />
in Zürich<br />
35 000 Besucher für «Gleichstellung<br />
ohne Grenzen»<br />
Das Zurich Pride Festival auf dem<br />
Kasernenareal und dem Zeughaushof<br />
lockte 35 000 Besucherinnen und Besucher<br />
an, wie die Organisatoren mitteilten.<br />
Ein Showprogramm, zahlreiche Bars,<br />
Verpflegungs- und Infostände trugen zu<br />
einem umfangreichen Programm bei.<br />
Mit einer einmaligen Sensation startete<br />
der diesjährige Demonstrationsumzug:<br />
Das Zurich Pride Team eröffnete die Parade<br />
mit elf Botschafterinnen und Bostchaftern,<br />
welche den Umzug anführten.<br />
Insgesamt wurden 16 000 Personen gezählt,<br />
die friedlich durch die Innenstadt<br />
von Zürich zogen und auf das Motto<br />
«Gleichstellung ohne Grenzen» aufmerksam<br />
machten. (DD)<br />
Die Pride <strong>2015</strong>: Schrille Vögel, bunte Hunde und 35 000 BesucherInnen<br />
Sion<br />
8000 Besucher an<br />
der «Pride Valais»<br />
Die zweite LGBT-Demonstration<br />
in Sion erwies sich als voller<br />
Erfolg.<br />
Unter dem Motto «Ich will dir sagen. Ich<br />
liebe ... das Wallis» kamen im Juni 5000<br />
Teilnehmende und 3000 Schaulustige<br />
zusammen, um friedlich für die Gleichberechtigung<br />
von Schwulen und Lesben<br />
zu demonstrieren. Die Organisatoren<br />
wollten nicht nur die Vorurteile über<br />
die Stereotypen der Szene abbauen,<br />
sondern mit dem Slogan auch für ihre<br />
Heimat werben. Man sei stolz auf<br />
ein «aufgeschlossenes Wallis». Sprecher<br />
<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 19
News | International<br />
Internationale News<br />
«Wenn wir die Flagge einer Organisation erlauben, dann müssen wir auch<br />
die von anderen erlauben.»<br />
{ }<br />
Der schwedische Christdemokrat Morgan Emgardsson über die Regenbogenflagge im Vergleich zur Nazifahne<br />
auf dem Maidan und dem Beginn der<br />
Kämpfe in der Ost-Ukraine war dies die<br />
erste Gay-Kundgebung im Land.<br />
Vatikan<br />
«Eine Niederlage<br />
für die Menschheit»<br />
Das wuchtige Ja der Irländer<br />
zur «Ehe für alle» wurde vom<br />
Vatikan verurteilt.<br />
Die Gay-Pride in Tel Aviv war ein voller Erfolg<br />
Israel<br />
180 000 Besucher<br />
an der Gay-Pride<br />
Die diesjährige Gay-Parade in<br />
Tel Aviv darf als grosser Erfolg<br />
verbucht werden.<br />
Die 17. Gay-Pride in Tel Aviv stellte die<br />
Solidarität mit Transpersonen in den<br />
Mittelpunkt. Die bunte und friedliche<br />
Parade zog laut der Polizei mehr als<br />
100'000 Menschen an, während die<br />
Veranstalter von 180 000 Besucher<br />
sprechen. Als Ehrengast wurde Caitlyn<br />
Jenner eingeladen, die jedoch nicht<br />
teilnehmen konnte. ESC-Gewinnerin<br />
Conchita Wurst vertrat sie würdig:<br />
«Was Caitlyn getan hat, war ein tolles<br />
Vorbild für alle Transmenschen weltweit»,<br />
so die bärtige Sängerin. Tel Aviv<br />
selbst gewann mit der Gay-Pride an<br />
neuen Sympathien. Viele Besucher lobten<br />
laut Medienberichten die lokale Offenheit<br />
und Toleranz.<br />
Ukraine<br />
Verletzte bei<br />
Gay-Pride<br />
In Kiew gingen ca. 200 Schwule<br />
und Lesben auf die Strasse, um<br />
für ihre Rechte zu demonstrieren.<br />
Die Kundgebung, die ausserhalb des<br />
Stadtzentrums stattfand, verlief alles<br />
andere als friedlich, wie «Zeit Online»<br />
schrieb. Vermummte Ultranationalisten<br />
versuchten, den Anlass mit Knallkörpern<br />
und Knüppeln aufzulösen. Bei den<br />
Auseinandersetzungen wurden fünf Polizisten<br />
verletzt – es folgten 25 Festnahmen.<br />
Im Vorfeld der Parade hatte<br />
der Bürgermeister von Kiev, Ex-Boxer<br />
Vitali Klitschko, die Organisatoren aufgefordert,<br />
die Veranstaltung abzusagen,<br />
aus Angst vor Gewalt. Anders Präsident<br />
Petro Poroschenko, der das Demonstrieren<br />
als «verfassungsmässiges Bürgerrecht»<br />
bezeichnete. Seit den Protesten<br />
Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin<br />
hat bei einer Veranstaltung in Rom laut<br />
Presseberichten zum irischen Volksentscheid<br />
klare Worte gefunden: «Ich glaube,<br />
man kann nicht nur von einer Niederlage<br />
der christlichen Prinzipien,<br />
sondern von einer Niederlage für die<br />
Menschheit sprechen». Die katholische<br />
Kirche wolle weiterhin die Familie verteidigen,<br />
so Parolin.<br />
Grönland<br />
Grönland sagt Ja<br />
Die Homo-Ehe tritt am<br />
1. Oktober <strong>2015</strong> in Kraft.<br />
In Grönland hat das Parlament mit<br />
27 Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen<br />
entschieden, dass die Ehe ab Oktober<br />
auch für Lesben und Schwule geöffnet<br />
wird. Damit wird auch das bislang gültige<br />
Partnerschaftsgesetz per 1. Oktober<br />
aufgelöst. Das neue Gesetz erlaubt es,<br />
neben der Stiefkindadoption, die bereits<br />
möglich war, in den Kirchen zu heiraten.<br />
Wie das reguläre Adoptionsrecht umgesetzt<br />
wird, gilt es abzuwarten. Die<br />
rechtliche Umsetzung wird sich nach<br />
Dänemark richten – Grönland ist ein autonomer<br />
Bestandteil des Königreichs.<br />
FOTOS: LIVE BALL (1), VANGARDIST (1), ZVG (1)<br />
20 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>
Mexico<br />
Ehe-Verbot ist<br />
verfassungswidrig<br />
Das Oberste Gerichtshof stellte<br />
klar, dass die Homo-Ehe nicht<br />
verweigert werden darf.<br />
In Mexiko wurden die Bundesstaaten<br />
vom Obersten Gerichtshof darauf hingewiesen,<br />
dass es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz<br />
in der Bundesverfassung<br />
verstösst, wenn sie gleichgeschlechtlichen<br />
Paaren die Ehe verwehren. Schwule<br />
und Lesben dürfen damit eine Ehe vor<br />
dem Amtsgericht erzwingen. Die katholische<br />
Kirche hingegen protestierte lautstark<br />
gegen das Urteil.<br />
Paraguay<br />
Der Papst wird<br />
LGBT-Organisation<br />
besuchen<br />
Auf der Lateinamerika-Reise<br />
des Kirchenoperhauptes kommt<br />
es zu einer Premiere.<br />
Papst Franziskus wird im Juli Lateinamerika<br />
bereisen und auch in Paraguay<br />
Halt machen. Dort wird zum ersten Mal<br />
in der Geschichte der katholischen Kirche<br />
eine LGBT-Organisation zum offiziellen<br />
Gespräch mit einem Papst eingeladen.<br />
Das Treffen mit «SomosGay» wird<br />
am 11. Juli in der Hauptstadt Asunción<br />
stattfinden. Als Grund für die Einladung<br />
wurde der «hohe Einfluss» der Organisation<br />
auf die Bevölkerung genannt.<br />
Marokko<br />
«Sollte man Homos<br />
verbrennen?»<br />
Ein marokkanisches Magazin rief<br />
zum vermeintlichen Mord auf.<br />
Wie provokativ darf eine Schlagzeile sein?<br />
Das wöchentliche Magazin «Maroc<br />
Hebdo» betitelte eine seiner Juni-Ausgaben<br />
mit «Faut-il brûler les homos?»<br />
(Sollte man die Homos verbrennen?)<br />
Eine Welle der Empörung aus dem Inund<br />
Ausland war die Folge. Anlass für<br />
den als vermeintlichen Aufruf zum<br />
Mord bezeichneten Titel ist eine Initiative<br />
des marokkanischen Gesundheitsministeriums,<br />
welche Homosexualität<br />
legalisieren will – bislang stehen für<br />
gleichgeschlechtlichen Sex bis drei Jahre<br />
Gefängnis auf dem Programm. Das Magazin<br />
liess in einer Stellungnahme verlauten,<br />
dass man lediglich eine Debatte<br />
auslösen wollte. Trotzdem wurde das<br />
Magazin aus dem Verkauf genommen.<br />
Norwegen<br />
Homoerotisches<br />
Video in Kirche<br />
Popsänger Tooji Keshtkar<br />
löst nicht nur bei der Kirche<br />
Kopfschütteln aus.<br />
Das etwas misslungene Coming-out des<br />
einstigen Eurovision-Song-Contest-Teilnehmers<br />
Tooji Keshtkar sorgt für rote<br />
Köpfe. Der Sänger mit iranischen Wurzeln<br />
nutzte die Gunst der Stunde, um<br />
sich mit seinem neuen Musikvideo zur<br />
Single «Father» der Welt mitzuteilen.<br />
Dumm nur, dass dies in der Kirche und<br />
mit küssenden Geistlichen inszeniert<br />
wird. Am Ende wachsen den Liebenden<br />
Flügel. Der Bischof von Oslo bezeichnete<br />
das Video als «völlig inakzeptabel».<br />
Tooji Keshtkar provoziert<br />
Deutschland<br />
IGLFA-Fussball-EM<br />
war ein Erfolg<br />
Beim schwul-lesbischen Sportanlass<br />
gewannen «Vorspiel Berlin»<br />
und eine russische Frauen-Mannschaft.<br />
Im Juni gingen in Hamburg die dritten<br />
Europameisterschaften des schwul-lesbischen<br />
Fussballverbandes IGLFA über<br />
die Bühne. Innerhalb von zwei Tagen<br />
spielten 30 europäische Vereine und<br />
rund 400 Spielerinnen und Spieler in<br />
drei Männer- und einer Frauendivision<br />
um die Titel. Als Sieger bei den Männern<br />
gingen «Vorspiel Berlin», das «Dream<br />
Team Cologne» und die «Stuttgart Allstars»<br />
hervor. Bei den Frauen gewann der<br />
FC Krylya aus Moskau. Die Pokale wurden<br />
von Thomas Hitzlsperger überreicht.<br />
USA<br />
Prediger fordert<br />
LGBT-Boykott<br />
Der evangelikale Pastor Franklin<br />
Graham holt zum Rundumschlag<br />
an.<br />
Der umstrittene Prediger<br />
Franklin Graham<br />
Auf Facebook rief der vielleicht bekannteste<br />
Prediger der USA, Franklin<br />
Graham, seine Schäfchen dazu auf, keine<br />
Geschäfte mehr mit Organisationen<br />
zu machen, die der LGBT-Comunnity<br />
nahe stehen, wie etwa mit Tiffany &<br />
Co., die mit einem schwulen Paar für<br />
Eheringe wirbt. Der Pastor ist der Sohn<br />
des 96-jährigen Erweckungspredigers<br />
Billy Graham, dessen «Evangelistic Association»<br />
eine weltweite Missionierung<br />
zum Ziel haben soll. (DD)<br />
<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 21
Serie | Homosexualität in Geschichte<br />
und Literatur<br />
Stille Glut und<br />
Stichflammen<br />
Text: Alain Sorel<br />
Zwei Cousins erleben einen Nervenkitzel auf einer Brücke hoch über der<br />
Seine. Die Wege zweier Hotelgäste in Venedig kreuzen sich immer wieder.<br />
Der Dschungel der Gefühle lauert in Städten und man kann sich darin<br />
hoffnungslos verlieren.<br />
Tadzio und von Aeschbach in der 1971er Verfilmung von Thomas Manns<br />
«Tod in Venedig»<br />
Denis und Claude sind zwei Cousins,<br />
Denis ist acht, Claude ist dreizehn. Sie<br />
leben unter einem Dach. Der Schauplatz:<br />
Paris.<br />
Ein anderer Handlungsort: Venedig.<br />
Der alternde Gustav von Aschenbach<br />
verbringt hier seine Ferien – im selben<br />
Hotel wie der etwa 14-jährige Tadzio.<br />
Die Liebe von Knaben und zu Knaben<br />
haben zwei Schriftsteller von Rang<br />
zum Thema gemacht: Julien Green beschreibt<br />
in seinem Roman «Der andere<br />
Schlaf» das Heranreifen von Denis,<br />
Thomas Mann in seiner Novelle «Der<br />
Tod in Venedig», 1971 meisterhaft verfilmt<br />
von Luchino Visconti, die Geschichte<br />
eines Mannes, dessen Reife<br />
ihn nicht vor einer starken Verwirrung<br />
der Gefühle schützt. Greens Text<br />
erschien 1931, die Wunden des Ersten<br />
Weltkrieges waren noch nicht vernarbt<br />
und acht Jahre später sollte<br />
schon der Zweite beginnen. Manns<br />
Novelle entstand 1911 / 1912, am Vorabend<br />
des ersten grossen Krieges in<br />
Europa im letzten Jahrhundert, jenem<br />
von 1914 bis 1918.<br />
Leiden am Jahrhundert<br />
Das 20. Jahrhundert hatte es in sich, es<br />
war eines im Umbruch. Green, Sohn<br />
US-amerikanischer Eltern in Paris, der<br />
auf Französisch schrieb, durchmass es<br />
mit seiner Lebensspanne von 1900 bis<br />
1998 fast in seiner Gesamtheit; Mann,<br />
1875 in Lübeck geboren, starb 1955.<br />
Beide litten an diesem Jahrhundert:<br />
Sie sahen Staaten, Blöcke und Bündnisse<br />
kommen und gehen, totalitäre<br />
Systeme wie den Nationalsozialismus<br />
entstehen, den sie entschieden bekämpften:<br />
Green in der Résistance,<br />
Mann aus dem Exil. Sie mussten mit<br />
ihrer Homosexualität zurecht kommen,<br />
die angesichts strenger Normen<br />
und Konventionen noch weitherum<br />
geächtet war. Eine literarische Verarbeitung<br />
dieser Bedrängnis war für<br />
Green und Mann, der verheiratet und<br />
Vater von sechs Kindern war, naheliegend.<br />
Greens Hauptfigur, der schmächtige,<br />
scheue Denis, ein Stadtmensch,<br />
wird im Roman von einem Typen ganz<br />
anderen Zuschnitts angezogen: Claude<br />
ist verwegen, von ausgesprochener<br />
Wildheit in Auftreten und Kleidung,<br />
ihn umgibt ein Hauch von frischer<br />
Luft, von Wiesen und Wäldern, er ist<br />
ein Kind der Natur. Er ist ein kräftiger<br />
Bursche mit manchmal durchaus<br />
rohen Anwandlungen, die aber eine<br />
bestimmte Grenze nie überschreiten.<br />
Denis wird in seiner kindlichen Verletzlichkeit<br />
vom Verhalten Claudes anfänglich<br />
sehr erschreckt. Dann wird<br />
Claude als eine Art Vorbild empfunden,<br />
bis Denis merkt, dass er wieder<br />
erschrickt, weil sich seine Einstellung<br />
zu Claude weiter ändert. Langsam,<br />
FOTOS: PD<br />
22 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>
ganz langsam, von ihm selbst fast unbemerkt,<br />
entwickelt der Jüngere tiefere<br />
Gefühle für den Älteren.<br />
Thomas Manns Geschöpfe ähneln<br />
sich in ihrem Wesen bis zu einem gewissen<br />
Grad. Der kultivierte Aschenbach,<br />
bezeichnenderweise ein Schriftsteller<br />
wie sein Schöpfer Thomas<br />
Mann, verliebt sich in den scheuen,<br />
feingliedrigen Tadzio, der Ästhet in<br />
den Jüngling, der von engelgleicher<br />
Schönheit ist.<br />
«Langsam entwickelt<br />
der jüngere Knabe<br />
tiefere Gefühle für den<br />
älteren.»<br />
Mutprobe auf der Brücke<br />
Claude ist ein Waisenkind und von<br />
Tante und Onkel, Denis’ Eltern, aufgenommen<br />
worden. Das Schlüsselerlebnis<br />
hat Denis an jedem zweiten Sonntag,<br />
an dem Claude auf Bitten der<br />
Erwachsenen mit ihm ausgeht. Es<br />
kommt stets der Moment, in dem beide<br />
in Paris eine Brücke, den Pont d’Iéna,<br />
überqueren.<br />
Was sich ereignet, ist wie ein Ritual:<br />
Claude packt Denis und hebt ihn<br />
über die Steinbrüstung. Nur die Hände<br />
des Dreizehnjährigen können den jüngeren<br />
Knaben vor einem Sturz in die<br />
Fluten der Seine bewahren. Aber er<br />
will ihm ganz offensichtlich nichts<br />
zuleide tun. Für beide ist die Sache<br />
eine Mutprobe. Sie werden mit Ängsten<br />
konfrontiert. Und sie halten gegenüber<br />
den Erwachsenen dicht. Sie haben<br />
ein Geheimnis miteinander, eine<br />
stille Komplizenschaft in einer schwierigen<br />
Familiensituation.<br />
Die Liebe zwischen den Generationen<br />
ist abwesend in diesem Haus.<br />
Green entwirft das Bild von Eltern, die<br />
müde – weil überanstrengt – sind vom<br />
täglichen Kampf ums Dasein. Die emotionalen<br />
Alarmsignale der zwei Jungen,<br />
die eigentlich ihre Schutzbefohlenen<br />
sein sollten, nehmen die<br />
Erwachsenen auf eine höchstens unbeholfene<br />
Weise wahr. Claudes spöttische<br />
Haltung markiert Distanz, die<br />
sich rapide vergrössert, und er wird<br />
die Konsequenzen ziehen. Denis erkennt<br />
es, und er selber empfindet<br />
schnell einmal nur noch Verachtung<br />
und Kälte für seine Eltern. Aber auch<br />
er sucht sich bald recht autonom seinen<br />
Weg ins Leben.<br />
Tag und Traum<br />
Denis: Das ist die Geschichte eines<br />
Jungen, dessen sexuelles Bewusstsein<br />
erwacht. Jeder solche Weckruf an den<br />
Eros besiegelt das Ende einer Kindheit.<br />
Green schildert auf subtile, feinfühlige<br />
Weise ein jugendliches Pendeln<br />
zwischen Imagination und Wirklichkeit,<br />
zwischen Tag und Traum. Denis<br />
erlebt Tagträume. Ist unser Wachzustand<br />
eine Illusion? Ein «anderer<br />
Schlaf»? Und was geschieht mit uns in<br />
dem allen vertrauten nächtlichen<br />
Schlaf?<br />
In den Ferien betrachtet der am<br />
Fenster stehende Knabe in den frühen<br />
Morgenstunden erstmals bewusst den<br />
noch schlafenden Claude und nimmt<br />
ihn mit einem andern Blick wahr als<br />
bisher. Nie wird er diese Szene vergessen.<br />
«In seinem tiefen Schlaf erschien<br />
er als die Kraft in Person. Nichts, was<br />
dieses glückselige Atmen störte. Ich<br />
sah seine Züge nicht, aber eine dunklere<br />
Stelle auf seinem Gesicht bezeichnete<br />
die Stelle, wo das Blut seine braunen<br />
Wangen belebte.» Das eine Bein,<br />
«lang und kräftig, leuchtete aus dem<br />
Dämmerlicht, wobei sich die einzelnen<br />
Muskeln abzeichneten, und wirkte auf<br />
der Weisse des Betts beinahe schwarz.»<br />
Manchmal kündigt sich etwas an,<br />
bräuchte aber Zeit, um sich zu entfalten.<br />
Besonders, wenn es von der Allgemeinheit<br />
nicht akzeptiert ist. Doch<br />
Denis und Claude verlieren sich aus<br />
den Augen. Der Erste Weltkrieg naht.<br />
Claude verpflichtet sich zum Militärdienst<br />
und meldet sich danach nicht<br />
mehr bei der mittlerweile verwitweten<br />
Mutter von Denis oder diesem selber.<br />
Die Schriftsteller<br />
Thomas Mann (1875–1955) und<br />
Julien Green (1900–1998)<br />
Claudes Bild verblasst, bekommt aber<br />
neuen Glanz bei der Beisetzung von<br />
Denis’ Mutter. Denn Claude ist zur<br />
Trauerfeier angereist. Und bringt Denis<br />
mit seiner blossen Anwesenheit<br />
gewaltig aus dem Konzept. Das ist nur<br />
möglich, weil der Ältere ihm nicht<br />
gleichgültig ist. Und Claude, von dessen<br />
Militärdienst nichts berichtet<br />
wird, hat sich nie gemeldet, weil er<br />
glaubte, der Jüngere habe kein Interesse<br />
an ihm. Er war also enttäuscht,<br />
doch enttäuscht ist ein Mensch nur<br />
von jemandem, von dem er sich mehr<br />
erhofft hat.<br />
Es kommt zu rührenden Signalen<br />
von Denis. Er nimmt Claudes Hand, als<br />
dieser seine Abreise ankündigt, lässt<br />
sie nicht los – und der andere entzieht<br />
sie ihm auch nicht. Denis wird erstmals<br />
bestimmend gegenüber Claude,<br />
sagt ihm, dass er ihn nicht gehen lassen<br />
will und dass er mit ihm einen<br />
Ausflug in ihre Jugendzeit, in das Ferienhaus<br />
von damals, machen will. Ein<br />
aufschlussreicher Vorschlag, denn<br />
dort hat er ihn ja seinerzeit beobachtet.<br />
In jenem Zimmer flüstert er ihm<br />
denn auch zu: «Erinnerst du dich? Hier<br />
haben wir geschlafen.» Das klingt verdächtig<br />
danach, als hätte er den Satz<br />
eigentlich ganz anders formulieren<br />
wollen …<br />
«Denis nimmt<br />
Claudes Hand, lässt sie<br />
nicht los.»<br />
Aber der Mut verlässt Denis, seine<br />
Glut bleibt verborgen. Und Claude erlöst<br />
ihn nicht. Er lächelt ihm nur<br />
manchmal zu, als durchschaue er ihn.<br />
Kühner wird Denis erst wieder, als<br />
Claude im Freien einschlummert. Dieses<br />
Mal beobachtet er ihn nicht nur,<br />
sondern lässt seinen Schatten über<br />
Wangen und Mund des andern streifen.<br />
Für Denis eine «geheimnisvolle<br />
Berührung». Aber ein Befreiungsakt<br />
ist das noch lange nicht. Wir sind halt<br />
in der Anfangsepoche des 20. Jahrhunderts.<br />
Einmalige Chancen<br />
Was wäre geschehen, wenn …? Diese<br />
Frage stellen sich jene oft, bei denen<br />
sich eine Liebschaft nicht hat konkretisieren<br />
lassen, sei es widriger Zeitum-<br />
<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 23
Serie | Homosexualität in Geschichte<br />
und Literatur<br />
stände wegen oder weil die innere<br />
Freiheit fehlte, etwas auszuleben. Wir<br />
wissen nicht, ob Claude und Denis eines<br />
Tages doch noch zusammengefunden<br />
hätten; der schmale Roman hört<br />
damit auf, dass sich Denis in jenem<br />
Garten des Ferienhauses von Claude<br />
wieder entfernt. Wie viele haben wohl<br />
schon den Schmerz einer verpassten<br />
Chance in Herzensangelegenheiten<br />
durchmachen müssen? Weil sie eine<br />
günstige Konstellation haben vorbeiziehen<br />
lassen, und solche Situationen<br />
die Eigenheit haben, dass sie sich nie<br />
wiederholen. Denis sagt sich nur, dass<br />
auch nach ihm immer wieder junge<br />
Männer ihre Chance bekommen werden,<br />
und ihn streift bei dieser Erkenntnis<br />
ein Hauch von Vergänglichkeit –<br />
viel zu früh für sein Alter.<br />
Szenenwechsel. Aschenbach, der<br />
Schriftsteller und Künstler in Thomas<br />
Manns «Tod in Venedig», ist zwar neugierig<br />
und offen für Neues, aber in<br />
überschaubarem Rahmen. Sein Leben<br />
ist an sich fest gefügt. Der Witwer ist<br />
Vater einer erwachsenen Tochter, beruflich<br />
arriviert und will jetzt einfach<br />
wieder mal ausspannen. Doch das<br />
wird nicht gelingen, er gerät in einen<br />
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gefährlichen Taumel der Gefühle. Der<br />
Grund dafür ist Tadzio, der zu einer<br />
polnischen Familie gehört, die ebenfalls<br />
im Bäderhotel abgestiegen ist.<br />
Schritt für Schritt, Seite für Seite ist<br />
das Protokoll des Verfalls nachzuvollziehen,<br />
dessen Opfer Aschenbach<br />
wird. Thomas Manns Sprache ist elegant<br />
und brillant bei jenen Stellen, bei<br />
denen er den Ablauf der Ereignisse<br />
ausbreitet. Er wusste genau, wovon er<br />
schrieb.<br />
Mehr und mehr nimmt der Schöne,<br />
wie Mann Tadzio oft nennt, das Denken<br />
und Trachten des älteren Reisenden<br />
gefangen. Aschenbach verfolgt<br />
ihn durch die Gassen der Stadt, er<br />
sieht ihm zu beim Baden und beim<br />
Spiel mit seinen Altersgenossen und<br />
seine Augen nehmen natürlich auch<br />
den Ringkampf voll unterschwelliger<br />
Erotik wahr, den ein Bursche namens<br />
Jaschu Tadzio aufzwingt, um ihn für<br />
sich zu gewinnen.<br />
«Ich liebe dich!»<br />
Mit Macht, mit Gewalt, bricht sich eine<br />
Veranlagung in Aschenbach Bahn,<br />
die nie ausgelebt wurde, eine Lust, die<br />
er sich selbst verboten hatte. Seine<br />
Leidenschaft schiesst empor wie eine<br />
Stichflamme. Aschenbach macht auf<br />
jung, geht ständig zum Coiffeur und<br />
merkt nicht, wie er seine Würde verliert.<br />
Wie zur Untermalung dieses Zustands<br />
bricht in Venedig die Indische<br />
Cholera aus; die Dekadenz dieser Stadt<br />
und die Morbidität einer verwöhnten<br />
Gesellschaftsschicht sind mit Händen<br />
greifbar. Venedig wird zum Brennpunkt<br />
eines vielschichtigen Untergangs.<br />
Tadzio kann nicht hören, wenn der<br />
total von seiner Leidenschaft überwältigte<br />
Aschenbach die «stehende Formel<br />
der Sehnsucht» flüstert – «unmöglich<br />
hier, absurd, verworfen, lächerlich<br />
und heilig doch, ehrwürdig auch hier<br />
noch: ‹Ich liebe dich!›»<br />
Und dennoch kommt es zu einem<br />
Kommunikationsaustausch zwischen<br />
Aschenbach und Tadzio – via Blicke.<br />
Dem Jungen sind die Nöte des älteren<br />
Mannes nicht verborgen geblieben<br />
und er scheint mit ihnen zu kokettieren.<br />
Wenn dann Aschenbachs Herz<br />
bricht, buchstäblich bricht, gibt er ihm<br />
einen Fingerzeig.<br />
Der Roman «Der andere Schlaf» und die<br />
Novelle «Der Tod in Venedig» sind über<br />
Buchhandel und Internet greifbar.<br />
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<strong>Cruiser</strong>-Serie: Homosexualität<br />
in Geschichte<br />
und Literatur<br />
Mehr oder weniger versteckt findet<br />
sich das Thema Männerliebe in der<br />
Weltgeschichte, in antiken Sagen und<br />
traditionellen Märchen – in der Literatur<br />
ganz allgemein – immer wieder.<br />
<strong>Cruiser</strong> greift einzelne Beispiele heraus,<br />
würzt sie mit etwas Fantasie, stellt sie<br />
in zeitgenössische Zusammenhänge und<br />
wünscht bei der Lektüre viel Spass –<br />
und hie und da auch neue oder zumindest<br />
aufgefrischte Erkenntnisse. Die<br />
vierte Folge befasst sich mit zwei<br />
Dichterwerken, in deren Mittelpunkt<br />
Knaben stehen.<br />
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Interview | Claudia Meier<br />
«Es gibt noch viel zu tun für<br />
uns Transmenschen!»<br />
Text: Dani Diriwächter<br />
Dank der Metamorphose von Bruce in Caitlyn Jenner ist die moderne<br />
Transfrau von heute auch im Mainstream angelangt. Doch verklärt sie<br />
fernsehgerecht die Wahrheit? Wir sprachen mit Claudia Meier, einer<br />
erfolgreichen Transfrau, über Caitlyn und die Realität.<br />
«Echt, sexy, stark und<br />
lebensfroh gelten nicht<br />
unbedingt als Attribute<br />
einer Transfrau.»<br />
Es war ein Akt der Befreiung, als sich<br />
das Familienoperhaupt der TV-Familie<br />
Kardashian medienwirksam auf dem<br />
Juni-Titel der «Vanity Fair» als Caitlyn<br />
Jenner vorstellte. Kultfotografin Annie<br />
Leibowitz rückte die 65-Jährige ins<br />
vorteilhafte Licht – eine atem beraubende<br />
Schönheit war geboren. Menschen<br />
auf der ganzen Welt zeigten sich<br />
hingerissen, selbst Präsident Barack<br />
Obama zollte Caitlyn Jenner via Twitter<br />
Respekt. Wohl noch nie wurde die<br />
optische Angleichung einer Transperson<br />
so sehr erwartet wie die von Bruce<br />
an Caitlyn Jenner. Dabei fiel der einstige<br />
Leichtathlet im Zehnkampf in<br />
jüngster Zeit eher als Staffage in der<br />
TV-Serie «Keeping up with the Kardashians»<br />
auf. Als in sich gekehrter und<br />
wenig schriller Vater von Kim und Co.<br />
wurde ihm nicht viel Aufmerksamkeit<br />
geschenkt. Als allerdings gemunkelt<br />
wurde, dass der Olympia- Gewinner<br />
eine Transfrau sein könnte, richteten<br />
sich die Scheinwerfer auf Bruce.<br />
Bruce ist heute Geschichte – Caitlyn<br />
Jenner hat das Sagen. Sie erscheint in<br />
den Medien als echt, sexy, stark und<br />
lebensfroh. Attribute, die das Mainstreampublikum<br />
bislang so von einer<br />
Claudia Meier: Eine lebensfrohe und<br />
powergeladene Transfrau<br />
Transfrau nicht unbedingt wahrgenommen<br />
hat. Doch verklären Fotoshop<br />
und Marketingstrategie die Realität?<br />
Hilft der schöne Schein einer Caitlyn<br />
Jenner den Transmenschen? Wir haben<br />
mit Claudia Meier (45) über diese<br />
Themen gesprochen. Als Transfrau<br />
stand sie schon einige Male im Fokus<br />
der Medien. Nicht zuletzt wegen ihres<br />
Kampfes für die Namens- und Personenstandsänderung<br />
(siehe Box).<br />
<strong>Cruiser</strong>: Wie erlebst du den Medienrummel<br />
um Caitlyn Jenner?<br />
Claudia Meier: Bereits im letzten Jahr<br />
tauchten diverse Gerüchte und Fotos<br />
auf, dass Caitlyn möglicherweise<br />
«trans» sein könnte, daher war ich<br />
kaum überrascht. Dass es in einem<br />
solchen Fall einen Rummel gibt, dürfte<br />
klar sein – ich habe das als Hotelier/<br />
ère des bekanntesten Hotels in der Region<br />
Gantrisch-Gurnigel selbst erlebt.<br />
Wie reagiert man auf einen solchen<br />
Rummel?<br />
Faktisch ergibt sich daraus lediglich<br />
die Konsequenz, offen zu kommunizieren<br />
– ein Dementieren oder Geheimhalten<br />
funktioniert in aller Regel<br />
nicht, wenn man nicht gerade unbekannt<br />
ist. Sich den Medien zu verweigern,<br />
wäre in einem solchen Fall meines<br />
Erachtens sogar kontraproduktiv.<br />
Caitlyn wirkte als Bruce eher verschlossen,<br />
als Frau bislang jedoch sehr selbstbewusst.<br />
Könnte dies eine typische Entwicklung<br />
sein?<br />
Es kann, es muss aber nicht sein – viele<br />
erleben, wie auch ich, die Transition<br />
als Erlösung. Natürlich macht sich<br />
auch manchmal eine gewisse Euphorie<br />
breit – je nachdem wird diese dann getrübt,<br />
wenn Probleme auftauchen. Ein<br />
solcher Wechsel ist tatsächlich noch<br />
heute nicht ganz einfach. Die Gesellschaft<br />
hat bis heute nicht verstanden,<br />
dass Vorbehalte und Vorurteile gegen<br />
uns unproduktiv sind – ich denke, es<br />
ist bei Schwulen und Lesben ähnlich<br />
gewesen, auch wenn es heute nicht<br />
mehr ganz so schwarz aussieht.<br />
FOTO: ZVG<br />
26 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>
Was genau meinst du betreffend<br />
Schwulen und Lesben?<br />
Homosexuellen Menschen ist die Neigung<br />
nicht auf die Stirn geschrieben<br />
– anders ist es halt bei Transmenschen.<br />
Irgendwann muss man sich outen –<br />
spätestens, wenn eben der Wechsel<br />
ins gefühlte Geschlecht offensichtlich<br />
wird. Aber, um dies zu betonen: «Trans»<br />
ist keine sexuelle Ausrichtung, sondern<br />
die Geschlechtsidentität.<br />
Wie hast du deine Entwicklung miterlebt<br />
– wo liegen die Unterschiede im<br />
«vorher und nachher»?<br />
Jeder, der Andreas traf, dachte spätestens<br />
nach ein paar Minuten: Was ist<br />
das für ein komischer, verschlossener<br />
Kauz? (lacht) Als Claudia nehmen<br />
mich die Menschen als offen, kommunikativ,<br />
fröhlich und als «typisch<br />
Claudia» wahr – als Frau, die ich eben<br />
immer war. Heute stimmt einfach mein<br />
Äusseres mit meinem Kern überein,<br />
das merken die Menschen.<br />
Caitlyn Jenner verfügt über finanzielle<br />
Möglichkeiten, um optisch mehr zu<br />
punkten als vielleicht eine «normale»<br />
Transfrau – verklärt das Jenner-Image<br />
die Realität?<br />
Eine interessante Ansicht – natürlich<br />
verfügt Caitlyn über viel Geld – doch<br />
man braucht keine Millionen, um entsprechend<br />
auszusehen. Zudem werden<br />
bei uns eine Vielzahl der Eingriffe von<br />
den Kassen übernommen. Vieles ist<br />
aber auch von der Physiognomik des<br />
Körpers abhängig. Man kann eine<br />
Zwei-Meter-Frau nicht kleiner machen,<br />
man kann die Schultern nicht<br />
schmaler machen, grosse Hände und<br />
Füsse bleiben gross und auch einer<br />
Kahlheit auf dem Kopf ist nur schwer<br />
beizukommen. Ich selbst habe lediglich<br />
den Schnitt im Schritt, den<br />
«Heute stimmt einfach<br />
mein Äusseres mit<br />
meinem Kern überein,<br />
das merken die<br />
Menschen.»<br />
«Zwei-Königstag» (Brustaufbau) und<br />
den Bart mittels Nadelepilation machen<br />
lassen – vieles sonst habe ich von<br />
der Natur geschenkt bekommen oder<br />
haben die Hormone bewirkt. Und<br />
Glücklichsein selbst macht schon sehr<br />
hübsch (lächelt). Persönlich denke ich,<br />
es sei falsch, einem Vorbild wie Caitlyn<br />
Jenner optisch nacheifern zu wollen<br />
– jeder Transmensch soll seinen<br />
eigenen, persönlichen Stil entwickeln.<br />
Dieser hat auch etwas mit persönlicher<br />
Identität, mit dem, wer man wirklich<br />
ist, zu tun.<br />
Du hast selbst verschiedene Stile ausprobiert<br />
– war das Spass oder Notwendigkeit?<br />
Der persönliche Stil ist eine Entwicklung,<br />
wie sie eben jeder Mensch durchmachen<br />
sollte – klar, ich trug zu Beginn<br />
eine Perücke, weil ein 3-mm-<br />
Haarschnitt nicht gerade sehr weiblich<br />
ist. Man darf auch nicht vergessen,<br />
dass ich abermals eine Pubertät durchlebte<br />
und versuchte, mein Geschlecht<br />
zu unterstreichen.<br />
Das scheint sich geändert zu haben –<br />
um auf deinen Militäranzug anzuspielen.<br />
Hätte man mir vor vier Jahren gesagt,<br />
dass ich abermals Uniform und Kampfstiefel<br />
anziehen werde, hätte ich gelacht<br />
und den Vogel gezeigt – doch irgendwann<br />
wusste ich, dass ich auch in<br />
Uniform und Kampfstiefeln nicht weniger<br />
Claudia bin als im Rock und mit<br />
Highheels. Spätestens mein Einsatz im<br />
Kosovo zeigte mir das sehr deutlich.<br />
Aber klar, ich ziehe auch heute noch<br />
gerne mal einen Mini und Stilettos an.<br />
Du hast viel an dir gearbeitet und auch<br />
deine Stimme verändert – wie geht das?<br />
Die Stimme ist eines der wichtigsten<br />
Identifikationsmerkmale, und da ich<br />
damals am Telefon immer als «Herr»<br />
angesprochen wurde, war mir klar,<br />
dass ich das ändern will. Daraufhin<br />
besuchte ich gut ein Jahr lang eine Lo-<br />
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Interview | Claudia Meier<br />
Bruce Jenner wurde zu Caitlyn und liess<br />
sich von Starfotografin Annie Leibovitz<br />
für «Vanity Fair» ablichten<br />
gopädin. Für uns Transfrauen ist es<br />
hartes Training, es ist, als würde man<br />
ein Instrument lernen. Viel Schweiss<br />
und manchmal auch Tränen stecken in<br />
meiner Stimme.<br />
Es gab und gibt bekannte Transfrauen,<br />
die durch ihre berechtigten Probleme<br />
aufgefallen sind.<br />
Tatsächlich gibt es einige tragische<br />
Schicksale unter uns Transfrauen,<br />
aber auch unter den Transmännern.<br />
Ich sage allen Betroffenen: Wenn du<br />
den Weg nicht gehen musst, gehe ihn<br />
nicht, gehe den Weg nur, wenn es<br />
wirklich keinen anderen gibt – es wird<br />
kein Spaziergang! Doch viele, für die<br />
besagter Weg der einzige war, erleben<br />
in der Tat eine Art des Erwachens, des<br />
Aufblühens.<br />
Hast du ein Rezept zum Glücklichsein?<br />
Nun, ich habe gelernt, auch mal Fünfe<br />
gerade sein zu lassen, nicht immer alles<br />
so eng zu sehen und dass ich natürlich<br />
selbst Toleranz gegenüber meinen<br />
Mitmenschen zeige. Tatsächlich fühlt<br />
sich heute für mich jeder Tag an wie<br />
Weihnachten, Geburtstag und Ostern<br />
zugleich.<br />
Hast du nie eine miese Laune?<br />
Klar gibt es auch mal einen Tag, an<br />
dem ich lieber im Bett bleiben möchte<br />
– meistens dann, wenn ich wieder mal<br />
mit meinem Kopf gegen eine gesellschaftliche<br />
Hürde gelaufen bin. Aber<br />
spätestens im Bett wird mir dann klar,<br />
dass es Zeit ist zu überlegen, wie diese<br />
Hürde zu umgehen, zu übersteigen, zu<br />
untergraben oder zu durchstossen ist<br />
– womit wir ja wieder beim Thema wären:<br />
Es gibt noch viel zu tun für uns<br />
Transmenschen!<br />
«Ich denke, es ist falsch,<br />
einem Vorbild wie<br />
Caitlyn nachzueifern –<br />
jeder Transmensch<br />
soll seinen eigenen Stil<br />
entwickeln.»<br />
Konkret – welche Hürden müssen aus<br />
dem Weg geschafft werden?<br />
Für mich gibt es drei Arten von Problemen.<br />
Als Erstes nenne ich die Vorurteile<br />
der Gesellschaft, das Zweite sind<br />
die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
und schliesslich gibt es noch die absolut<br />
unnötigsten, nämlich die systembedingten,<br />
technischen Probleme. Gerade<br />
Letztere wären einfach zu<br />
beheben. Es gab beispielsweise einen<br />
«Herrn Claudia Sabine Meier». Eigentlich<br />
wäre es ja ein Leichtes, dem System<br />
beizubringen, dass es einfach die<br />
Anrede ändern soll. Auch um rechtliche<br />
Hürden zu meistern, benötigen die<br />
Betroffenen meist sehr viel Kraft,<br />
Ausdauer und oft auch ein gutes finanzielles<br />
Polster. Einen grossen<br />
Raum nehmen die zuerst genannten<br />
Probleme ein, die Vorurteile in den<br />
Köpfen der Gesellschaft. Ich wünschte<br />
mir oft, es gäbe mehr Transmenschen,<br />
die eine erfolgreiche Geschichte erzählen,<br />
denn meist liest man halt von<br />
tragischen Schicksalen.<br />
Klar ist, dass iene, die in den Fokus<br />
der Medien geraten, nie mehr in die<br />
Anonymität abtauchen können – das<br />
ist der Preis, der zu zahlen ist. Dennoch<br />
bin ich überzeugt, dass gute Berichte<br />
dazu beitragen, Vorurteile abzubauen.<br />
Um das Gespräch optimistisch zu<br />
schlies sen: Welches ist dein persönliches<br />
Highlight in Sachen Fortschritt?<br />
Mein Highlight ist die Anerkennung,<br />
die mir vom Militär zuteil wurde.<br />
Denn es war wegen meiner Vergangenheit<br />
nicht ganz einfach, als tauglich<br />
erklärt zu werden – die militärische<br />
Krankheitslehre glaubt noch<br />
immer, dass Transmenschen zwingend<br />
untauglich sind. Dennoch ist es mir<br />
gelungen, anerkannt zu werden! Noch<br />
während des Kosovoeinsatzes wurde<br />
ich angefragt, ob ich Interesse hätte,<br />
als Leiterin des Verpflegungszentrums<br />
in Stans tätig zu sein – mehr Anerkennung<br />
kann ich kaum verlangen. Mir<br />
scheint, als hätte sich auch in der Armee<br />
viel punkto Vorurteil und Stigma<br />
zum Guten gewendet.<br />
Zur Person:<br />
Claudia Sabine Meier wurde als<br />
Andreas 1968 in Bern geboren. Als gelernter<br />
Koch übernahm sie die Direktion<br />
des Viersternehotels «Schwefelberg-Bad»<br />
im Berner Gantrischgebiet.<br />
Sie heiratete, wurde Vater und realisierte,<br />
dass sie der Transsexualität<br />
nicht entrinnen konnte. Seit 2010 lebt<br />
Andreas als Claudia Meier. 2012 zog<br />
sie vor Gericht, um ihren Namen und<br />
ihren Persönlichkeitsstatus zu ändern,<br />
ohne die dafür nötige geschlechtsangleichende<br />
Operation vorzunehmen –<br />
sie gewann den Kampf und schuf damit<br />
zwei Präzedenzfälle in der Schweiz.<br />
Heute hat Claudia Meier das Hotel verkauft<br />
und entschied sich entsprechend<br />
ihrem Wunsch von 1991, einen friedensfördernden<br />
Einsatz im Kosovo zu<br />
leisten; im Anschluss daran übernahm<br />
sie das Verpflegungszentrum in Stans.<br />
Sie ist derzeit Single und taucht in ihrer<br />
Freizeit regelmässig im Vierwaldstättersees<br />
oder fährt mit dem Töff<br />
um den See.<br />
FOTO: PD<br />
28 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>
Thema | BDP<br />
Die BDP hisst die<br />
Regenbogenflagge<br />
Text: Dani Diriwächter<br />
Die Bürgerlich-Demokratische Partei reichte im Mai ein Vorstosspaket<br />
für mehr Gleichstellung ein. Präsident Martin Landolt erklärt, warum sich<br />
seine Partei gerade im Wahljahr für die LGBT-Rechte einsetzt.<br />
FOTO: ZVG<br />
Martin Landolt, Präsident der BDP<br />
Die junge Bürgerlich-Demokratische<br />
Partei (BDP) hisst die Regenbogenflagge.<br />
Sie will bei den Parlamentswahlen<br />
im Herbst ein Zeichen<br />
setzen und die regionalen Verluste der<br />
letzten Monate ad acta legen. Der Vorteil<br />
der BDP ist, dass sich die Partei<br />
noch stetig im Aufbau befindet. «Wir<br />
arbeiten seit der Gründung an unserer<br />
Positionierung und an der Schärfung<br />
unseres Profils. Dazu gehört auch die<br />
Tatsache, dass wir als bürgerliche Partei<br />
für Gleichstellungsfragen einstehen,<br />
weil wir ‹liberal› nicht auf Wirtschaftsthemen<br />
beschränken, sondern<br />
auch sozial-liberal sind», so der Präsident<br />
Martin Landolt gegenüber dem<br />
«<strong>Cruiser</strong>».<br />
Bei dem im Mai eingereichten Vorstosspaket<br />
für mehr Gleichstellung<br />
weht trotzdem auch ein Hauch Wahlkampf<br />
mit. Dabei ist die Respektierung<br />
und Anerkennung gesellschaftlicher<br />
Realitäten seit Beginn im Parteiprogramm<br />
der BDP. «Im politischen Tagesgeschäft<br />
gab es über längere Zeit<br />
kaum Gelegenheiten, unsere diesbezügliche<br />
Position aufzuzeigen. Wir haben<br />
aber bereits die Stiefkindadoption<br />
unterstützt oder beispielsweise umgehend<br />
und vehement auf die ‹Hirnlappen›-Aussage<br />
von Toni Bortoluzzi reagiert»,<br />
erzählt Martin Landolt.<br />
Die Vorstösse der BDP<br />
Vergangenen März gründete die BDP<br />
eine interne Gleichstellungsgruppe,<br />
um die Forderung nach gleichen Rechten<br />
und Pflichten für alle juristischen<br />
Lebensformen besser umsetzen zu<br />
können. Die Annahme, dass dies mit<br />
der «SVP-Vergangenheit» einiger Mitglieder<br />
undenkbar gewesen wäre, ist<br />
unbegründet. «Die BDP besteht heute<br />
bei weitem nicht ausschliesslich aus<br />
ehemaligen SVP-Mitgliedern, sondern<br />
vor allem auch aus jungen, progressiven<br />
Neumitgliedern. Und auch die<br />
vorherigen SVP-Mitglieder hatten<br />
schon früher unterschied liche Haltungen<br />
zu gesellschaftspolitischen Fragen.»<br />
Aus erwähnter Gruppe stammt nun<br />
das Vorstosspaket, das am 5. Mai <strong>2015</strong><br />
eingereicht wurde. Konkret unterstützt<br />
die Partei «Pink Cross» und weitere<br />
Organisationen dabei, die diskriminierenden<br />
Beschränkungen bei der<br />
Blutspende aufzuheben. Mittels einer<br />
Fraktionsmotion will sie den Bundesrat<br />
auffordern, die seit 1977 bestehenden<br />
Ausschlusskriterien für Homosexuelle<br />
aufzuheben. «Swissmedic<br />
ist offensichtlich in einem Klischee<br />
gefangen, welches Schwule auf ein<br />
Sexualverhalten reduziert», meint<br />
Martin Landolt dazu.<br />
Weiter will die BDP vom Bundesrat<br />
wissen, warum die sogenannten «Hate<br />
Crimes», also Verbrechen und Übergriffe<br />
gegenüber Homosexuellen und<br />
Transmenschen, nicht in den Polizeistatistiken<br />
erfasst werden. Die Partei<br />
liess in ihrer Medienmitteilung verlauten,<br />
dass dies «mehr als sinnvoll und<br />
angebracht» wäre.<br />
Ebenfalls setzt sich die BDP für die<br />
Anerkennung der Leistungen von<br />
Gleichstellungsverbänden ein.<br />
Ein Ja für die Ehe für alle<br />
Auch die «Ehe für alle» ist für den<br />
BDP-Präsidenten ein anvisiertes Ziel.<br />
«Wir sind der Überzeugung, dass der<br />
Staat keine Lebensformen zivilrechtlich<br />
benachteiligen oder bevorzugen<br />
soll. Wir unterstützen deshalb die<br />
Ehe-Öffnung und die Adoption». Gerade<br />
bei der Adoption seien die Hürden<br />
und die gestellten Anforderungen generell<br />
derart hoch, dass man nicht<br />
ernsthaft am Kindeswohl zweifeln<br />
könne, wenn ein Paar diese Anforderungen<br />
erfüllt.<br />
Der BDP ist es also ernst und die<br />
Partei stellt sich den brennenden Fragen.<br />
An der «Pride Valais» war sie deshalb<br />
ebenso vertreten wie auch an der<br />
Gay-Pride Zürich. BDP-Fraktionspräsidentin<br />
Rosmarie Quadranti war dort<br />
als eine der Hauptrednerinnen zugegen;<br />
ein eigener Stand erweiterte<br />
schliesslich das Pride-Village. Dabei<br />
sei es selbstverständlich kein Geheiminis,<br />
dass für die BDP jede Stimme<br />
zähle, so Martin Landolt. «Wir sind gekommen,<br />
um zu bleiben, und wir wollen<br />
weiter wachsen. Deshalb wollen<br />
wir deutlich aufzeigen, welche Positionen<br />
gestärkt werden, wenn die BDP<br />
gewählt wird.»<br />
<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 29
Kolumne | Pia Spatz<br />
Der Himmel kann nicht<br />
warten<br />
Text: Pia Spatz<br />
Von wegen Ferien: Pia hat alle Hände voll zu tun. Zum einen wäre<br />
da ihr baldiges Minigolf-Turnier, zum anderen liebäugelt sie mit der<br />
Weltherrschaft.<br />
Ihr Lieben, was für kunterbunte<br />
Wochen liegen hinter uns! Mai und<br />
Juni waren erwartungsgemäss vollgestopft<br />
mit Stolz und Vorurteilen. Meine<br />
Jungs sind deshalb aus der Puste<br />
und machen sich fit für die <strong>Sommer</strong>ferien.<br />
Körper und Seele verlangen nach<br />
Spiel und Spass. Moi hingegen wird<br />
die Zeit nutzen und nicht auf der<br />
faulen Haut liegen. Im Gegenteil: Pia<br />
rules the World! Tatsächlich rollt so<br />
einiges: «Du bist Du», die Beratungsplattform,<br />
konnte sich dem Charme<br />
der allgegenwärtigen Caitlyn Jenner<br />
nicht entziehen, weswegen jetzt auch<br />
junge Transmenschen und Mädchen<br />
bereit stehen, um ihresgleichen bei<br />
den Wirren rund um das Coming-out<br />
zu unterstützen. Grossartig, kann ich<br />
da nur sagen! Kommunikation ist eh<br />
das A und O für so ein Herdentier wie<br />
der Mensch eines ist – auch wenn es<br />
immer wieder Kämpfe gibt. Wir sollten<br />
daher nicht verzagen, weil sich unsere<br />
«Gegner» gerade wieder in Stellung<br />
bringen, um gegen die «Ehe für alle»<br />
zu wettern. Sicher, auch Zeter und<br />
Mordio sind eine Form der Kommunikation,<br />
aber mit Schaum vor dem<br />
Mund sieht man einfach nicht gut aus.<br />
30 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong><br />
Moi jedenfalls lässt sich nicht beirren<br />
und so stöckle ich meinen Weg munter<br />
weiter, denn es öffnen sich weitere Türen:<br />
Meine Haus-Seite www.mycheckpoint.ch<br />
wird global – alle Informationen<br />
werden demnächst auch in<br />
englischer und italienischer Sprache<br />
abrufbar sein. Und Englisch ist ja eh<br />
eine Weltsprache – allerdings mit Tücken.<br />
Weder Sepp Blatter noch die<br />
weltgewandte Magdalena Martullo-<br />
Blocher mit ihren «seven sinking<br />
steps» schaffen eine akzeptable Aussprache.<br />
Im Ausland wundern sich die<br />
Gesprächspartner immer, warum sie<br />
plötzlich so gut Schweizer Dialekt verstehen<br />
... doch wir wollen hier nicht<br />
gifteln und zeigen Verständnis. Hinaus<br />
in die weite Welt zu schreiten,<br />
zeugt schliesslich von Mut! Doch die<br />
Welt ist nicht genug und der Himmel<br />
«Kommunikation ist<br />
eh das A und O für so<br />
ein Herdentier wie der<br />
Mensch eines ist.»<br />
kann nicht warten: Stichwort «Heaven<br />
& Health». Immer am letzten Freitag<br />
des Monats zieht es meine süssen<br />
Checkpoint-Kollegen Dani, Pascal und<br />
Alex in den Club «Heaven», um Tipps<br />
zu Sex, Coming-out und Gesundheit<br />
weiterzugeben. Ein feuriges Trio Infernal,<br />
du brauchst nur auf sie zuzugehen.<br />
Sie haben auf fast alle Fragen<br />
eine Antwort. Ist doch besser, als mit<br />
offenen Fragen ins Bett zu stürzen, sei<br />
es alleine oder in Gesellschaft, nicht?<br />
«Meine Haus-Seite<br />
www.mycheckpoint.ch<br />
wird demnächst auch<br />
in englischer und italienischer<br />
Sprache zu<br />
lesen sein.»<br />
Es wird also ein himmlischer <strong>Sommer</strong><br />
und die Kugeln rollen weiter. Wie<br />
bereits angedeutet, handelt es sich bei<br />
mir aber um keine ruhige Kugel, sondern<br />
um diverse weisse Bällchen: Ich<br />
bin mitten in den Vorbereitungen für<br />
mein alljährliches Minigolf-Turnier<br />
am 6. September. Wie ihr wisst, bin ich<br />
die Königin diverser Anlagen mit<br />
ebenso vielen Schwierigkeitsgraden,<br />
weswegen ich ein Spektakel der Sonderklasse<br />
verlange. Bis dahin wünsche<br />
ich euch einen hitzig-spritzigen <strong>Sommer</strong>,<br />
lasst es euch gut gehen und spielt<br />
die Bälle in eure Hände! Oder nehmt<br />
einen Englischkurs – es könnten bekannte<br />
Personen im Klassenzimmer<br />
sein.
Ratgeber Aids-Hilfe | Dr. Gay<br />
Dr. Gay<br />
Ich kann mich nicht<br />
richtig entspannen<br />
Lieber Dr. Gay, ich bin beim Sex immer<br />
unsicher und habe Angst, etwas falsch<br />
zu machen. In der passiven Rolle bin ich<br />
unentspannt, weil ich Angst habe, nicht<br />
sauber zu sein. Mein Kopf kann einfach<br />
nicht abschalten. Aus diesem Grund<br />
habe ich oft Sex in betrunkenem Zustand.<br />
Auch in der aktiven Rolle klappt<br />
es nie so richtig. Die Angst zu versagen<br />
ist einfach zu gross. Mir ist klar, dass<br />
mir meine Gedanken bei diesem endlosen<br />
Teufelskreis im Weg stehen. Wie<br />
kann ich mich beim Sex entspannen und<br />
einfach loslassen? Hast du einen Tipp<br />
für mich? Rico (23)<br />
Hallo Rico<br />
Unsicherheiten gehören beim Sex<br />
manchmal dazu. Mit der Zeit wirst du<br />
deine Erfahrungen machen und lernen,<br />
damit umzugehen. Versuche, dich<br />
nicht zu sehr auf das Richtig oder<br />
Falsch zu konzentrieren. Sei gelassen<br />
und entspannt. Dies kannst du erreichen,<br />
indem du ganz offen mit deinem<br />
Partner kommunizierst und ihm deine<br />
Ängste und Befürchtungen mitteilst.<br />
So gibst du ihm die Möglichkeit, auf<br />
dich einzugehen. Das gegenseitige<br />
Vertrauen wird dadurch gestärkt und<br />
du kannst so deine Ängste abbauen.<br />
Denn wie du selber schreibst, führt<br />
deine Angst dich in einen Teufelskreis.<br />
Sex ist kein Leistungssport, bei dem<br />
immer alles perfekt klappen muss.<br />
Manchmal steht «er» eben nicht und es<br />
darf auch gelacht werden. Allerdings<br />
solltest du bedenken, dass Alkohol<br />
nicht nur enthemmt, sondern sich<br />
auch negativ auf die Erektion auswirken<br />
kann. Ein Einlauf vor dem Sex<br />
kann helfen, dass du sauber bist und<br />
dich auch so fühlst. Wie das geht, findest<br />
du im Sex-Wiki meiner Webseite<br />
www.drgay.ch. Wenn du trotzdem mal<br />
nicht sauber bist, ist das nicht so<br />
schlimm. Das ist normal und liegt in<br />
der Natur der Sache. Das kann schon<br />
vorkommen und gehört einfach dazu.<br />
Wichtig ist, dass du auch im betrunkenem<br />
Zustand an den Gummi denkst.<br />
Am besten, du legst dir Kondome und<br />
Gleitmittel vorher bereit.<br />
Alles Gute, Dr. Gay<br />
Ist Sperma auf<br />
der Hand ein HIV-<br />
Risiko?<br />
Ich hatte heute Abend meinen ersten<br />
Sex mit einem Mann. Wir haben ein<br />
Kondom benutzt. Am Schluss habe ich<br />
ihn gewichst und sein Sperma ist auf<br />
meine Hand gelaufen. Ich habe mir<br />
dann einen runtergeholt, ohne vorher<br />
das Sperma abzuwischen. Es war bei mir<br />
zwischen Daumen und Zeigefinger, nicht<br />
an der Handinnenfläche. Das heisst, ich<br />
habe das Sperma nicht direkt eingerieben.<br />
Auch habe ich mir grösstenteils<br />
nur den Schaft gerieben und die Eichel<br />
nur kurz berührt. War das ein Risiko für<br />
HIV? Lars (21)<br />
Hallo Lars<br />
Beim Kontakt von fremdem Sperma mit<br />
der Eichel kann ein HIV-Risiko bestehen.<br />
Dieses kann gering bis hoch sein.<br />
Wenn z. B. HIV-infiziertes Sperma in<br />
die Vorhaut eingerieben wird, gibt es<br />
viele Wirtszellen, an denen das Virus<br />
andocken kann. Je nach Menge des<br />
Spermas, der Intensität des Einreibens<br />
oder der Viruslast (Anzahl der Viren im<br />
Sperma) ist das Risiko von kaum relevant<br />
bis hoch einzuschätzen. Wenn sich<br />
jemand erst vor kurzem angesteckt hat,<br />
ist die Viruslast 40–100 Mal höher und<br />
darum die Infektiosität grösser. Der<br />
Kontakt von Sperma mit der intakten<br />
Haut des Penisschafts ist bezüglich HIV<br />
unproblematisch. Nach deiner Beschreibung<br />
sehe ich kaum ein Risiko. Wenn<br />
du unsicher bist, kann dir ein HIV-Test<br />
Sicherheit geben.<br />
Alles Gute, Dr. Gay<br />
Dr. Gay ist eine Dienstleistung der Aids-<br />
Hilfe Schweiz. Die Fragen werden online<br />
auf www.drgay.ch gestellt. Die Redaktion<br />
druckt die Fragen genau so ab, wie sie<br />
online gestellt werden.<br />
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Kultur | Schweiz<br />
Leben, lieben, lesen, leiden –<br />
die <strong>Sommer</strong>-Kulturtipps<br />
Kultur<br />
Ticket<br />
Gerade im <strong>Sommer</strong> schläft die Muse nie – landesweit gibt es eine Fülle<br />
von Veranstaltungen, Konzerten oder Events – oft unter freiem Himmel –,<br />
für die es sich lohnt, Augen und Ohren offen zu halten.<br />
Romeo & Julia –<br />
das Musical<br />
In diesem Jahr kommt niemand an der<br />
vielleicht grössten Liebestragödie der<br />
Literatur vorbei. Kaum eine Bühne, die<br />
keine neue Version von William Shakespeares<br />
«Romeo & Julia» präsentiert –<br />
oft relativ eigenwillig. So singt im Zürcher<br />
Opernhaus in Bellinis «I Capuleti e<br />
i Montecchi» eine Frau den Romeo und<br />
die Balkonszene entfällt völlig. Die Thunerseespiele<br />
versetzen Verona ins Berner<br />
Oberland und zeigen im Juli und<br />
August die Schweizer Erstaufführung<br />
von «Romeo & Julia – das Musical». Geliebt,<br />
gelitten und gemordet wird in<br />
dieser Adaption in einem kriminellen<br />
Milieu. Regisseur Christian von Götz<br />
setzt auf eine durchaus moderne Interpretation.<br />
Und während Eiger, Mönch<br />
und Jungfrau im Hintergrund gewohnt<br />
majestätisch die Szenerie bestimmen,<br />
steht auf der Bühne eine riesige Half-<br />
Pipe, die laut dem Regisseur die Möglichkeit<br />
des Friedens symbolisiert.<br />
Selbstverständlich spielt die Musik aber<br />
die wichtigste Rolle: Gérard Presgurvic,<br />
Autor und Komponist des Musicals, erfüllte<br />
sich im Jahr 1998 den Traum, seine<br />
Leidenschaft zur Musik und zum<br />
Theater zu verbinden und ein Musical<br />
über die Liebesgeschichte von Romeo<br />
und Julia zu schreiben. Entstanden ist<br />
ein emotionsgeladenes Musikspektakel<br />
mit grossen Tönen und eingängigen Melodien,<br />
das auf der Seebühne die hiesige<br />
Erstaufführung feiert. Die Schweizerin<br />
Iréna Flury spielt darin die Julia, der<br />
Schotte Dirk Johnston den Romeo.<br />
8. Juli bis 22. August<br />
Seebühne Thun<br />
www.thunerseespiele.ch<br />
David McConnell ist Autor der vielbeachteten<br />
Romane The Silver Hearted<br />
und Firebrat. Seine Erzählungen und<br />
journalistischen Texte erschienen in<br />
zahlreichen Magazinen und Antholo-<br />
gien, u. a. in Literary Review und Granta.<br />
McConnell lebt in New York.<br />
Romeo & Julia: Die uralte Liebesgeschichte in einer neuen Adaption – spannend<br />
und neu inszeniert<br />
Ehrenmord<br />
in Amerika<br />
»Ein Meisterwerk der Reportage.<br />
Fesselnd, berührend, originell ...«<br />
<strong>Sommer</strong>zeit bedeutet<br />
auch Lesezeit, und<br />
manch einer steht jetzt<br />
ratlos vor dem Bücherregal<br />
und sucht eine spannende<br />
Lektüre mit Tiefgang.<br />
Ein solche ist das<br />
Sachbuch «Ehrenmord in<br />
Amerika» von David Mc-<br />
Connell. Basierend auf einer<br />
Reihe von Morden an schwulen<br />
Männern untersucht der<br />
Autor die Gründe für den Hass. McConnell<br />
zeichnet intime Porträts der Täter,<br />
die ebenso schockieren wie fas zinieren.<br />
Eine Reihe von Morden an schwulen Männern erschüttert<br />
die Vereinigten Staaten. David McConnell untersucht die<br />
Gründe für den Hass, der diese Verbrechen möglich macht.<br />
Er zeichnet intime Porträts der Täter, die ebenso schockieren<br />
wie faszinieren. Anhand bisher unbekannter Details und<br />
Fakten sowie beeindruckender Gefängnisinterviews arbeitet<br />
der Autor die grausamen Fälle minutiös auf. Die so entstandenen<br />
Geschichten sind verstörend wie die Taten,<br />
die ihnen zugrunde liegen. Mit eindringlicher Präzision<br />
und einer bisweilen unheimlichen Unbeschwertheit verwandelt<br />
McConnell die untersuchten Kriminalfälle in<br />
atemberaubende Literatur.<br />
Evan Wright<br />
(Autor von Generation Kill )<br />
EHRENMORD IN AMERIKA<br />
BRUNO GMÜNDER<br />
DAVID McCONNELL<br />
BRUNO GMÜNDER<br />
DAVID McCONNELL<br />
Anhand bisher unbekannter<br />
Details und Fakten sowie<br />
beeindruckender Gefängnisinterviews<br />
arbeitet er<br />
die grausamen Fälle minutiös<br />
auf. Die so entstandenen<br />
Geschichten<br />
sind verstörend wie die<br />
Taten, die ihnen zugrunde<br />
liegen. Mit eindringlicher<br />
Präzi sion<br />
und einer bis weilen<br />
unheimlichen Unbeschwertheit<br />
verwandelt<br />
Mc Connell die<br />
untersuchten Kriminalfälle<br />
in eine journalistische Tour de Force.<br />
T R U E<br />
C R I M E<br />
EHRENMORD<br />
IN AMERIKA<br />
Hass und Begehren unter Männern<br />
»Dieses Buch ist eine journalistische<br />
Tour de Force, eindrucksvoll<br />
nicht zuletzt wegen der<br />
außergewöhnlichen Gefängnisinterviews<br />
… McConnells unbestreitbares<br />
Talent als Schriftsteller<br />
verleiht dem Buch literarisches<br />
Gewicht und eine überraschend<br />
unmittelbare Erzählweise.«<br />
Publishers Weekly<br />
»Eine verblüffende Untersuchung<br />
über das Männlichkeitsbild<br />
in den USA «<br />
Sebastian Junger<br />
(Autor von War und The Perfect Storm )<br />
Berliner Bruno Gmünder Verlag<br />
Im Handel erhältlich.<br />
FOTOS: ZVG<br />
32 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>
Mittelalterspektakel<br />
Aarberg<br />
Nicht erst seit «Game of Thrones» boomen<br />
die Mittelalter-Events geradezu.<br />
Aber sie wurden in jüngster Zeit salonfähig<br />
– so verbuchte etwa die vergangene<br />
«Fantasy Basel» viele Eintritte. Im<br />
August findet nun das erste Mittelalterspektakel<br />
in Aarberg statt. Die<br />
Besucher können in die Welt der Ritter,<br />
Markttreiber, Gaukler oder Glücksspieler<br />
eintauchen und sich auf eine<br />
Reise in die Vergangenheit begeben. Das<br />
Herzstück des Spektakels bildet das<br />
Ritterturnier in der grossen Arena.<br />
14. bis 16. August, Aarberg<br />
www.turnei.ch<br />
Openair Literatur<br />
Festival Zürich<br />
Für die Dauer einer Woche verwandelt<br />
sich der idyllische Alte Botanische Garten<br />
in ein poetisches Gesamterlebnis.<br />
Das Literaturfestival unter freiem Himmel<br />
wird von der Stadt Zürich, dem<br />
Literaturhaus Zürich und dem «Kaufleuten»<br />
gemeinsam kuratiert und präsentiert.<br />
Es findet zum dritten Mal<br />
statt und hat sich dank dem überzeugenden<br />
Programm und dem unschlagbaren<br />
Ambiente bereits etabliert. Das<br />
Abendprogramm bietet Premieren,<br />
Performances sowie Lesungen an. Das<br />
Rahmenprogramm will neue Inszenierungsformen<br />
der Literatur präsentieren.<br />
Eröffnet wird das Festival mit keinem<br />
Geringeren als Monty-Python-Superstar<br />
John Cleese, der seine Autobiographie<br />
«Wer war ich noch mal?» vorstellen<br />
wird.<br />
In Aarberg kann man für ein paar Stunden ins Mittelalter eintauchen<br />
Amy<br />
Vier Jahre ist es bereits her, seit Amy<br />
Winehouse aus dem Leben schied. Mit<br />
27 Jahren trat sie damit in den berüchtigten<br />
«Club 27» ein – Jimi Hendrix oder<br />
Janis Joplin starben ebenfalls in diesem<br />
Alter. Sie alle hatten neben dem selben<br />
Alter auch das einmalige Talent, Millionen<br />
von Herzen ihrer Generation zu<br />
erobern. Die Verwurzelung von Amy<br />
Winehouse im Jazz, ihre Musikalität<br />
und ihre Feinfühligkeit verwob sie in<br />
sehr persönlichen und ausdrucksstarken<br />
Liedern. Diese Authentizität führte zu<br />
einigen der berühmtesten Songs unserer<br />
Epoche. Abseits der Bühne aber<br />
fehlte ihr der Schlüssel zum Leben. Ein<br />
kompliziertes Privatleben, konstante<br />
mediale Aufmerksamkeit und der aussergewöhnliche<br />
Erfolg verwandelten ihren<br />
Alltag in ein fragiles Kartenhaus.<br />
Regisseur Asif Kapadia kombiniert bisher<br />
unveröffentlichtes Bildmaterial mit den<br />
Erzählungen von Amy Winehouses Jugend-<br />
und Musikerfreunden, ihrer Familie<br />
und ihren Managern. Damit gelingt<br />
ihm ein sehr persönlicher Einblick in das<br />
zu kurze Leben der Sängerin.<br />
Ab 16. Juli im Kino<br />
Marys<br />
Old-Timers Bar<br />
Kein Kulturtipp im eigentlichen Sinne,<br />
sondern viel mehr ein Aufruf. Das<br />
Schwulenarchiv Schweiz sucht Zeitzeugen,<br />
welche sich noch an die legendäre<br />
Bar an der Augustinergasse 14 erinnern<br />
können. Denn 37 Jahre nach dem Tod<br />
von Mary Lang (1884 – 1977) ist ihr<br />
Nachlass aufgetaucht. Die Old-Timers<br />
Bar war unter anderem auch ein beliebter<br />
Treffpunkt für Gays. Oder wie man<br />
es damals vornehmer formulierte: Es<br />
war eine diskrete Herrenbar, Frauen<br />
wurden nur in Begleitung eines solchen<br />
akzeptiert. Marys Bar war auch als<br />
«Speak Easy» bekannt unter den zehntausenden<br />
GIs, die dieses kleine Lokal<br />
im Zentrum von Zürich nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg frequentierten. In Ergänzung<br />
zur Nachlass-Inventarisierung<br />
sucht das Schwulenarchiv Schweiz vor<br />
allem Zeitzeugen, aber auch weitere<br />
Dokumente, Bilder etc. (DD)<br />
6. bis 12. Juli<br />
Alter Botanischer Garten Zürich<br />
www.literatur openair.ch<br />
Das Leben der unvergesslichen Amy<br />
Winehouse demnächst auf der grossen<br />
Leinwand<br />
Infos direkt an stephan@jaray.eu<br />
www.schwulenarchiv.ch<br />
<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 33
Serie | Persönlichkeiten<br />
This Brunner<br />
Text: Andreas Faessler<br />
Wenn jemand über die homoerotischen Verbandelungen der männlichen<br />
Hollywoodstars wie Marlon Brando oder James Dean Bescheid weiss, dann<br />
This Brunner. Der Öffentlichkeit ist er hauptsächlich als Koryphäe des<br />
Films bekannt. Doch Brunner ist auch leidenschaftlicher Kunstsammler –<br />
und Künstler. Auch wenn er sich so lieber nicht nennen möchte.<br />
«Mit dem ersten Lohn<br />
kaufte er sich<br />
einen Andy Warhol.»<br />
This Brunners Passion für zeitgenössische<br />
Kunst füllt sprichwörtlich jeden<br />
Winkel in seiner Zürcher Wohnung.<br />
Obschon mitten in der City gelegen, ist<br />
es ruhig hier, ein lauschiger Ort. Das<br />
Haus aus dem 19. Jahrhundert in einem<br />
hübschen Wohnquartier ist umgeben<br />
von viel Grün. Dank dieser Beschaulichkeit<br />
kann der Betrachter all<br />
die Kunst intensiv auf sich wirken lassen.<br />
Pop-Art, abstrahierende Sujets,<br />
grossflächige Gemälde in Mischtechnik,<br />
Zeichnungen, seltene Fotografien<br />
allen Formates. Es sind Originalwerke<br />
etablierter Künstler mit Rang und Namen,<br />
darunter auch Schöpfungen von<br />
Andy Warhol, zu dem This Brunner<br />
eine besonders enge freundschaftliche<br />
Beziehung pflegte.<br />
«Ich könnte zu jedem Kunstwerk an<br />
diesen Wänden eine lange Story erzählen,<br />
jedes einzelne ist eine Episode<br />
aus meinem Leben», sagt Brunner und<br />
lässt seinen Blick durchs Wohnzimmer<br />
gleiten. Viel Herzblut: Alle Künstler<br />
kennt oder kannte Brunner persönlich.<br />
Die freundschaftliche Verbindung zu<br />
ihnen basierte stets auf gegenseitiger<br />
Wertschätzung.<br />
Vor 25 Jahren ist This Brunner vom<br />
Seefeld hierher an den Zürichberg gezogen.<br />
Drei Jahre später traf ein<br />
schwerer Schicksalsschlag den heute<br />
70-Jährigen: Sein langjähriger Lebenspartner,<br />
der Zürcher Galerist Thomas<br />
Ammann, erlag seiner Krankheit.<br />
Heute ist die 7-jährige Hündin Lumpi<br />
Brunners treue Begleiterin. Entspannt<br />
hat sie es sich neben ihrem Herrchen<br />
auf dem Sofa gemütlich gemacht.<br />
«Kunst, die einem selber gefällt»<br />
Der Allgemeinheit bekannt ist This<br />
dennoch weniger als Kunstsammler<br />
denn als Koryphäe des Films (siehe<br />
Biografie). Kaum einer hat den Durchblick<br />
in der Schweizer Filmszene der<br />
vergangenen Jahrzehnte so wie er,<br />
und kaum einer hat das Geschehen inner-<br />
und ausserhalb der Zürcher Kinosäle<br />
so geprägt wie er. This Brunners<br />
Passion für die Kunst wird also besonders<br />
in seinen privaten Räumen ersichtlich.<br />
«Bereits als Kind wurde mein<br />
Interesse an Kunst von meinen Grosseltern<br />
geweckt. Beispielsweise durch<br />
Besuche im Kunsthaus», sagt This<br />
Brunner. «Giacometti, Matisse, Renoir<br />
und andere Meister haben mich schon<br />
früh fasziniert.» Auch der Sammlergeist<br />
zeigte sich sehr bald: Mit seinem<br />
allerersten Lohn kaufte sich This<br />
Brunner ein Werk Andy Warhols. «Damals<br />
war das noch erschwinglich.»<br />
Über die persönliche Bekanntschaft zu<br />
Warhol und besonders auch über seinen<br />
verstorbenen Lebenspartner kam<br />
This Brunner mit namhaften Künstlern<br />
in Kontakt, erwarb Werke von ihnen,<br />
bevor sie berühmt waren. Es war<br />
nicht einmal primär sein ausgeprägtes<br />
Gespür für gute Kunst, das er sich im<br />
Laufe der Zeit autodidaktisch angeeignet<br />
hat – «es waren einfach tolle Leute,<br />
deren Arbeiten mir sehr gefielen.» Was<br />
seine Wahl der Kunstwerkebetrifft, so<br />
ist für This nämlich eines klar: «Man<br />
sollte immer Kunst kaufen, die einem<br />
selber gefällt. Nie wegen der Spekulation<br />
auf Gewinn. Man entwickelt mit<br />
der Zeit ein Feeling für gute Kunst,<br />
wenn man es geschickt anstellt.»<br />
Durch den persönlichen Kontakt mit<br />
den Künstlern sei ein Netzwerk entstanden,<br />
welches ihm diese Welt erschloss.<br />
«All diese wunderbaren<br />
Freundschaften, die sich durch meine<br />
Tätigkeit – sei es auf dem Gebiet des<br />
Films oder der Kunst – ergeben haben,<br />
sind für mich etwas vom Wertvollsten<br />
überhaupt. Es ist wie eine grosse Familie.»<br />
Für seine Leidenschaft – Film und<br />
Kunst – hat This Brunner aus Überzeugung<br />
auf ausgiebiges Partymachen<br />
und Ausgehen verzichtet. «Ich hatte<br />
weder Interesse daran noch Zeit dafür<br />
und mich zielgerichtet meiner Tätigkeit<br />
gewidmet.» Nach wie vor reist<br />
This sehr oft im Namen der Kunst<br />
durch die Welt und besucht Auktionen<br />
und Ausstellungen, wenn er nicht gerade<br />
als Jurymitglied oder Experte an<br />
einem namhaften Filmfestival mitwirkt.<br />
FOTO: ANDREAS FAESSLER<br />
34 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>
«Mein Glaube an Gott<br />
macht mich jeden Tag<br />
zu einem besseren<br />
Menschen.»<br />
Filmkoryphäe, Künstler und Kunstliebhaber: This Brunner mit Hündin Lumpi in seiner Stadtzürcher Wohnung<br />
Aufwendige Installationen<br />
Seit jüngerer Zeit ist Brunner selbst<br />
künstlerisch tätig. Dabei gibt er sich<br />
aber betont bescheiden, aus «grossem<br />
Respekt vor der Kunst», wie er sagt. Er<br />
nennt seine Projekte zurückhaltend<br />
«Ärbetli». Was diese jedoch für Reaktionen<br />
hervorrufen bei Publikum und<br />
Veranstaltern, machen sie zu weit<br />
mehr als nur «Ärbetli» wie wir gleich<br />
erfahren werden. «Meine Werke entstehen<br />
ausschliesslich im Zusammenhang<br />
mit Filmen. Denn davon verstehe<br />
ich wirklich viel.» Im Herbst 2011 gelangte<br />
der Römerhof-Verlag an This<br />
Brunner mit der Frage, ob er jemanden<br />
kenne, der in der Villa Mainau im Seefeld<br />
im Rahmen eines grossen Projekts<br />
einen Raum mit einer Installation ausstatten<br />
könnte. «Die Anfrage kam so<br />
kurzfristig, dass ich unmöglich innerhalb<br />
eines Tages jemanden finden<br />
konnte», erinnert Brunner sich. So bot<br />
er dem Verlag an, selbst über Nacht ein<br />
Konzept zu erarbeiten. Gesagt, getan.<br />
Und dieses Konzept mit dem Namen<br />
«The magnificent obsession – the love<br />
affair between movies and literature»<br />
schlug ein wie eine Bombe. Es war<br />
eine Videoinstallation, welche die Literatur<br />
in direkten Zusammenhang<br />
mit grossen Hollywood-Filmen stellt.<br />
Die Installation stiess auf so grossen<br />
Zuspruch – auch in der Presse –, dass<br />
das Kunsthaus Zürich und auch andere<br />
Museen eine Ausführung wünschten.<br />
Sehr bald erhielt Brunner Anfragen<br />
von Kunstinstituten für weitere Konzepte<br />
ähnlicher Art – in Europa und<br />
Übersee. Beispielsweise die Installation<br />
«Let’s pop again» in New York oder<br />
«Hollywoods secret gay affairs» beim<br />
Schiffbau in Zürich im Rahmen der<br />
«Photo15» im vergangenen Januar.<br />
Da thematisierte Brunner, parallel zu<br />
einer umfangreichen Ausstellung seiner<br />
Fotosammlung, all die heimlichen<br />
homoerotischen Beziehungen von<br />
Marlon Brando, James Dean, Steve<br />
McQueen oder Paul Newman in einer<br />
aufwendigen Filminstallation mit<br />
seltenem Material, das Brunner über<br />
30 Jahre hinweg angesammelt hat.<br />
Durch das gezielte Zusammenfügen<br />
und Kombinieren des Materials verleiht<br />
This Brunner seinen Installationen<br />
eine eigene künstlerische Qualität.<br />
Thematisch und stets genau<br />
aufeinander abgestimmt wählt er etwa<br />
gezielt Szenen aus Filmklassikern und<br />
projiziert sie beispielsweise an Wände<br />
– oft raumfüllend, gelegentlich mit<br />
Zusatzeffekten wie Spiegelung, Umdrehung<br />
oder Ähnlichem. «Hierbei<br />
kann ich walten wie ich will. Da redet<br />
mir niemand drein. Das macht Freude»,<br />
so Brunner. Viele der gewählten<br />
Ausschnitte versprühen den Hollywood-Glamour<br />
der 50er- und 60er-<br />
Jahre, oftmals in einer erstaunlichen<br />
Qualität und Farbgebung, die dem Be-<br />
<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 35
Serie | Persönlichkeiten<br />
trachter erst in dieser Form der Präsentation<br />
so richtig auffallen mögen.<br />
Und vielfach sind es Szenen, die so<br />
brisant sind, dass sie anno dazumal<br />
von den Produzenten weggeschnitten<br />
worden sind. This Brunner aber hat sie<br />
und verwendet sie.<br />
Regisseur John Waters kommt<br />
Zu This Brunners Freundeskreis gehört<br />
auch der illustre US-Regisseur<br />
John Waters, der sich öffentlich für die<br />
Rechte Homosexueller stark macht.<br />
Heute ist er nicht mehr nur für seine<br />
kultigen Filmproduktionen bekannt,<br />
sondern ebenso für seine Fotografien<br />
oder Skulpturen. Brunner besitzt einen<br />
bemerkenswerten Fundus an Waters-Werken,<br />
hauptsächlich Fotografien,<br />
aber auch anderen Objekte wie ein<br />
Pop-Art-Kissen, Drehbücher und Figuren.<br />
Und John Waters kommt im<br />
Herbst nach Zürich. This Brunner<br />
schenkt nämlich dem Zürcher Kunsthaus<br />
seine gesamte Waters-Sammlung,<br />
die ab 14. August bis Anfang<br />
November dort zu sehen ist. Waters-Fans<br />
sollen sich den 23. September<br />
vormerken, da hält Waters eine<br />
Ansprache. Und warum verschenkt<br />
This Brunner seine ganze Sammlung?<br />
Ganz einfach aus Dank. «Ich habe von<br />
Zürich in all der Zeit so viel bekommen.<br />
Jetzt will ich der Stadt etwas zurückgeben.»<br />
This Brunner<br />
«Ritter der Leinwand» bezeichnete ihn<br />
etwa die NZZ. Wenn einer weiss, wie<br />
die Filmwelt – national und international<br />
– funktioniert, dann ist es This<br />
Brunner (70). Bereits im Kindesalter<br />
war er dem Film sehr zugetan und hat<br />
bereits als 17-Jähriger die Programme<br />
diverser Filmclubs mitgestaltet. Er war<br />
es auch, der seinerzeit die ersten Retrospektiven<br />
des Zürcher Filmpodiums<br />
zusammengestellt hat. In den<br />
70er-Jahren war Brunner Leiter der<br />
Nemo Film Produktion, die mit bedeutenden<br />
Regisseuren zusammenarbeitete.<br />
Daneben betätigte er sich als<br />
Film-Koproduzent, war über vier Jahrzehnte<br />
in Programmkommissionen des<br />
Locarno Filmfestivals engagiert und<br />
wurde als Berater für angesehene<br />
internationale Filmspektakel herangezogen.<br />
35 Jahre lang war Brunner<br />
zudem Direktor der Arthouse Kinos<br />
Zürich und prägte in dieser Position die<br />
Filmwelt in der Limmatstadt nachhaltig<br />
mit. Er ist heute in zahlreiche Filmprojekte<br />
und -festivals involviert und<br />
betreut als Kurator die Film-Tributes<br />
für Art Basel und Art Miami. Neben<br />
seinen Engagements ist er leidenschaftlicher<br />
Sammler zeitgenössischer Kunst<br />
und Fotografie. Für Veranstaltungen<br />
und Museen realisiert er Ton-/Bild-<br />
Installationen. This Brunner lebt mit<br />
Hündin Lumpi in Zürich und im Engadin.<br />
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1 8 . B I S<br />
2 4 . A U G U S T 2 0 1 5<br />
F E R I E N /<br />
G E S C H L O S S E N<br />
Am 31. 7. feiern wir Schweizer-Nacht, da gibt¹s Wursträdli<br />
Chäs und Brot zum Znacht!<br />
P E T R A<br />
’ S<br />
tip<br />
top<br />
bar<br />
DIENSTAGS BIS SAMSTAGS AB 18.30 UHR<br />
SEILERGRABEN 13 8001 ZÜRICH WWW.TIP-TOP-BAR.CH
Kolumne | Michi Rüegg<br />
Das mit<br />
der Natur<br />
Text: Michi Rüegg<br />
Wie schön! Katholisch Irland ist der<br />
Meinung, dass der Bund fürs Leben<br />
keine Frage der Geschlechterkombination<br />
ist. Das ist so erfreulich, wie – im<br />
Fall der grünen Inselrepublik – überraschend.<br />
Schliesslich waren die Iren<br />
lange Zeit nicht gerade als progressivstes<br />
aller Völker bekannt.<br />
Wenig überraschend hat die römische<br />
Kirche ihren Schmerz über diese<br />
aus ihrer Sicht unverständliche Entscheidung<br />
ausgedrückt. Schwulsein,<br />
das ist etwas Widernatürliches, predigt<br />
die Kirche unermüdlich. Ich verzichte<br />
hier auf die einzelnen Zitierungen<br />
derjenigen Würdenträger, die sich<br />
dahingehend geäussert haben.<br />
Es ist, scheint mir, an der Zeit, dass<br />
wir uns mit dem Begriff «Natur» auseinandersetzen.<br />
Ich mag die Natur sehr.<br />
Blumen. Die mag ich sehr. Und Bäume,<br />
und kleine pelzige Tiere. Auch die.<br />
Alles. Auch die hässlichen Dinge sind<br />
irgendwie schön, weil sie ja zur Natur<br />
dazu gehören.<br />
Ich gehe oft in die Natur, sei dies für<br />
Wanderungen, Skifahrten oder Tauchgänge<br />
an korallenbewachsenen Riffen.<br />
Ich fühle mich in der Natur jeweils als<br />
Teil von ihr. Dabei blende ich aus, dass<br />
das Pistenfahrzeug bereits rauf- und<br />
runtergetuckert ist, als ich noch geschlafen<br />
habe. Dass der Wanderweg,<br />
der mich durch den Wald führt, von<br />
Maschinen gepfadet wurde. Und dass<br />
meine Laune auf 30 Metern Tiefe im<br />
Indischen Ozean vermutlich ohne<br />
Luftflasche und Lungenautomat deutlich<br />
mieser wäre.<br />
Ehrlicherweise muss ich zugeben,<br />
dass meine Beziehung zur Natur nicht<br />
besonders viel mit ihr zu tun hat. Das<br />
ist nicht anders als bei den Zeitgenossinnen<br />
und -genossen, die uns immer<br />
wieder inbrünstig einreden, Schwule<br />
und Lesben könnten keine Eltern sein.<br />
Weil ein Kind eben Mama und Papa<br />
brauche. Das sei schliesslich so in der<br />
Natur.<br />
«Gäbe es keine Antibiotika,<br />
wäre ich schon dutzend<br />
Tode gestorben.»<br />
Das klingt zwar auf den ersten Blick<br />
logisch, doch schauen wir etwas genauer<br />
auf die Fortpflanzung im Jahre<br />
<strong>2015</strong>: Erst friert frau der Karriere wegen<br />
Eier ein, dann werden sie mit dem<br />
Sperma – das ihr Mann unter Zuhilfenahme<br />
eines Sexheftes ins Becherchen<br />
gerubbelt hat – künstlich befruchtet,<br />
präimplantiv diagnostiziert, eingesetzt,<br />
unter konstanter Ultraschallbetrachtung<br />
und Fruchtwasserpunktion ausgetragen,<br />
per Kaiserschnitt kommt<br />
dann termingenau das Kind zur Welt,<br />
landet zur Sicherheit noch husch im<br />
Brutkasten und wird schliesslich mit<br />
hochwertiger, industriell gefertigter<br />
Dosenmilch aufgepäppelt. Und ist der<br />
oder die Kleine erst einmal auf der<br />
Welt, verkünden die frisch gebackenen<br />
Eltern stolz, es sei so schön, wie die<br />
Natur ihnen ein Kind geschenkt habe.<br />
Auf dem Geburtskärtchen steht dann<br />
keck: «Ein Kind ist sichtbar gewordene<br />
Liebe.» Stattdessen müsste es heissen:<br />
«Ein ausgereifter Fötus ist sichtbar gewordene<br />
Fortpflanzungsmedizin.»<br />
Bitte, seien wir ehrlich: Das Leben<br />
der Menschen zu Beginn des 21. Jahrhunderts<br />
hat mit der Natur im herkömmlichen<br />
Sinne nicht mehr viel gemein.<br />
Würden wir uns tatsächlich an<br />
ihren Regeln orientieren, müssten wir<br />
uns umgewöhnen. Gäbe es keine Antibiotika,<br />
wäre ich schon dutzend Tode<br />
gestorben. Die Natur hatte offensichtlich<br />
anderes mit mir vor, aber hey, ich<br />
hab sie geschlagen!<br />
Das Ziel einer jeden Spezies ist die<br />
Erhaltung der eigenen Art. Eine Ausnahme<br />
bildet hier vielleicht der<br />
Pandabär, den man mit Pandapornos<br />
zum Sex animieren muss. Nichts deutet<br />
darauf hin, dass die Erhaltung der<br />
Menschheit gefährdet wäre, wenn sich<br />
nicht jedes einzelne Individuum fortpflanzt.<br />
Dieser Meinung ist ganz offensichtlich<br />
auch die katholische Kirche,<br />
sonst hätte sie den Zölibat nicht eingeführt.<br />
Angenommen, eine Gesellschaft<br />
lässt Schwule und Lesben heiraten, haben<br />
wir entscheidende Hinweise dafür,<br />
dass dies nicht das Ende der gesamten<br />
Menschheit bedeutet.<br />
«Nichts deutet darauf hin,<br />
dass die Erhaltung der<br />
Menschheit gefährdet wäre,<br />
wenn sich nicht jedes<br />
einzelne Individuum fortpflanzt.»<br />
Und sollten die Verteufler von<br />
Homosexualität tatsächlich um den<br />
Fortbestand unserer Spezies fürchten,<br />
reicht es doch, wenn man auch schwulen<br />
und lesbischen Paaren erlaubt,<br />
Kinder grosszuziehen.<br />
Die Natur hat auch keine Religionen<br />
vorgesehen. Ich kenne kein Tier, das<br />
Kirchen baut und beten geht. Bloss die<br />
zölibatären Pandas bringen mich<br />
etwas ins Grübeln.<br />
<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 37
Reportage | Tanzschule<br />
Let’s Dance … oder:<br />
Darf ich bitten?<br />
Text: Haymo Empl<br />
Das Ehepaar Fern zeigte in den 60ern<br />
züchtig, wie man zu tanzen hatte<br />
Sie brachten in den<br />
sechziger Jahren die<br />
Tanzschule ins Wohnzimmer,<br />
die Tanzlehrer<br />
Ernst und Helga Fern,<br />
das «Ehepaar Fern»,<br />
wie sie allgemein genannt<br />
wurden. Heute<br />
macht das Barbara Ruf<br />
in ihrer Tanzschule<br />
«time2dance». Und natürlich<br />
haben sich<br />
auch die Protagonisten<br />
geändert. Es sind<br />
gleichgeschlechtliche<br />
Paare, die da tanzen.<br />
Equality Dance heisst<br />
das auf neudeutsch.<br />
Tanzstunde bei Barbara Ruf –<br />
mit Schwung & Spass.<br />
Dominic und Tobias: Wer wen führt, ist<br />
bei diesem Tanzpaar kein Thema<br />
«Für mich ist es<br />
einfach entspannend,<br />
wenn ich mich mal eine<br />
Stunde pro Woche<br />
führen lassen kann.»<br />
«Vielleicht wollen Sie das bitte sofort<br />
mal mitmachen! Bitte mal die Tanzhaltung!»<br />
So forderte Ernst Fern im<br />
Jahr 1964 vom Bildschirm aus die Zuschauer<br />
in «Gestatten Sie?» zum Tanz<br />
auf. Eine äusserst populäre TV-Sendung.<br />
In jeder Folge wurden Tänze<br />
präsentiert, die der Zuschauer vor dem<br />
Fernseher zu Hause mitlernen konnte.<br />
Damals war es ganz wichtig, dass es<br />
ein Ehepaar war, welches die Tänze<br />
präsentierte. Und heute? Nun – seit<br />
Jahren bieten diverse Tanzschulen<br />
Tänze auch für gleichgeschlechtliche<br />
Paare an. Beispielsweise Barbara Ruf<br />
mit ihrer Tanzschule «time2dance» im<br />
Stadtzürcher Binzquartier und bereits<br />
seit 1996 bietet «time2dance» Kurse<br />
für gleichgeschlechtliche Paare an.<br />
Mit dabei sind auch Tobias und Dominic.<br />
Beim Ehepaar Fern war es ganz<br />
klar, wer bei den Tänzen führte und<br />
wer sich führen liess. Bei Tobias und<br />
Dominic stellt sich diese Frage<br />
zwangsläufig. «Tobias lässt sich führen<br />
und ich führe», erklärt Dominic.<br />
Das überrascht optisch nun doch etwas<br />
– wenigstens wenn man in den<br />
gewohnten Schubladen denkt. «Für<br />
mich ist es einfach entspannend, wenn<br />
ich mich mal eine Stunde pro Woche<br />
führen lassen kann», erklärt der Medizinstudent.<br />
Bald beginnt die Lektion,<br />
es erstaunt, wie viele schwule und lesbische<br />
Paare sich für die Tanzstunde<br />
an diesem Abend einfinden. Liegt es<br />
FOTOS: PD (1) HAYMO EMPL (4), ZVG (1)<br />
38 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>
am Ambiente? Denn im «time2dance»-<br />
Studio fühlt man sich augenblicklich<br />
wohl. Die Atmosphäre ist unaufdringlich<br />
und doch nicht steril. Man kennt<br />
sich, ohne sich anzubiedern. Letztendlich<br />
verbindet die Liebe zum Tanz,<br />
«Man kennt sich, ohne<br />
sich anzubiedern. Letztendlich<br />
verbindet die<br />
Liebe zum Tanz.»<br />
nicht mehr und nicht weniger. Das ist<br />
auch bei Tobias und Dominic so; die<br />
beiden sind kein (Liebes) Paar. Wie<br />
findet man denn als «Single» einen geeigneten<br />
Tanzpartner? «Da gibt es entsprechende<br />
Foren, in welchen Tanzpartner<br />
gesucht und gefunden werden<br />
Manche Tanzschschritte erfordern volle<br />
Konzentration …<br />
können», erklärt Dominic. Und dann<br />
gehts auch schon los, die Stunde beginnt.<br />
Barbara Ruf gibt klare Anweisungen,<br />
alle wissen, was sie zu tun<br />
haben. Tobias und Dominic verschwinden<br />
zwischen den anderen gleichgeschlechtlichen<br />
Paaren und tanzen<br />
sichtlich mit Spass und Freude.<br />
… manche eher weniger<br />
Interview | Barbara Ruf, Inhaberin der «time2dance» Tanzschule<br />
«Egal ob Mann oder Frau, es gibt Menschen welche<br />
talentierter oder eben weniger talentiert sind.»<br />
Barbara Ruf unterrichtet<br />
seit 1990<br />
bei der Tanzschule<br />
«Trudi Schmucki»,<br />
die sie 2002 übernahm,<br />
bevor 2005<br />
«time2dance» gmbh<br />
an der Binzstrasse<br />
eröffnet wurde. Der erste Gay Kurs<br />
startete 1996 mit über 20 Paaren. So<br />
war klar, dass weitere Kurse folgen<br />
würden. Als gelernte Couture Schneiderin<br />
mit eigenem Couture Atelier, begann<br />
Barbara parallel die Ausbildung<br />
zur Tanzlehrerin. Zum Tanzen kam sie<br />
ganz zufällig, weil ihre Schwester sie<br />
in einen Tanzkurs mitnahm.<br />
Wie bist du auf die Idee gekommen,<br />
eine Tanzschule zu gründen?<br />
Zum einen war ich lange Jahre in der<br />
Tanzschule «Trudi Schmucki» integriert,<br />
konnte mitbestimmen und<br />
durch das vorgeschrittene Alter von<br />
Trudi Schmucki dann auch die Tanzschule<br />
in der Altstadt übernehmen.<br />
Seit 2005 bin ich mit «time2dance»<br />
an der Binzstrasse 9 in Zürich. Meine<br />
eigene Leidenschaft für das Tanzen,<br />
für Musik und Bewegung spornt mich<br />
an, aus jedem Fussgänger einen Tänzer<br />
zu machen. Jeder Mensch sollte im<br />
Leben getanzt haben, darum braucht<br />
es «time2dance».<br />
Inwiefern unterscheidet sich eine Lektion<br />
mit gleichgeschlechtlichen Paaren<br />
von Lektionen für heterosexuelle Paare?<br />
Eigentlich in fast keiner Form! Es geht<br />
ums Tanzen, um Rollen und Regeln<br />
beim Tanzen, um Spass, Bewegung,<br />
Musik, um ein Hobby. Das homosexuelle<br />
Paar kann selber entscheiden,<br />
welcher Part (Damen- oder Herrenpart)<br />
erlernt werden will und das auch<br />
noch von Tanz zu Tanz variieren.<br />
Optisch ist nicht immer gleich ersichtlich,<br />
wer welchen Part tanzt und so<br />
kommt es des öfteren zu lustigen<br />
Situa tionen im Unterricht.<br />
Tanzen lesbische Paare anders als<br />
schwule Paare?<br />
(lacht) nein! Das Tanzen an sich unterscheidet<br />
sich nicht. Egal ob Mann oder<br />
Frau, gibt es Menschen welche talentierter<br />
oder eben weniger talentiert<br />
sind. Es scheint lediglich, dass Frauen<br />
sich rascher und spontaner fürs Tanzen<br />
entscheiden. Diese Tatsache ist<br />
aber auch in der Hetero-Welt bekannt.<br />
Es wäre also schön, wenn sich noch<br />
viele schwule Männer fürs Tanzen<br />
entscheiden würden!<br />
Im TV feiern Sendungen wie «Let's Dance»<br />
- in allen Ländern - grosser Erfolge.<br />
Erlebt das Tanzen generell wieder eine<br />
Art Comeback?<br />
Man könnte es schon so formulieren.<br />
Tanzen ist wieder in den Köpfen der<br />
Menschen.<br />
Wenn man noch nie getanzt hat, was<br />
empfiehlst du als Einstieg?<br />
Periodisch starten bei «time2dance»<br />
Grundkurse. In diesen Kursen beginnen<br />
wir mit Discofox, Englisch Walzer<br />
und Cha Cha Cha, Salsa und Merengue.<br />
Die Kurse dauern 6 Wochen. Dann<br />
folgen die Fortsetzungskurse und danach<br />
bist du bei uns in der Clubklasse<br />
und beherrschst insgesamt 12 Tänze.<br />
<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 39
cruiser<br />
<strong>Cruiser</strong> wünscht Dir<br />
einen schönen <strong>Sommer</strong>.