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Cruiser Edition Sommer 2015

Die (fast) luftig-fluffige Sommerausgabe vom Cruiser. Die Themen: Equality Dance: Cruiser war im Tanzkurs. Schwule Migranten: Wenn die eigene Familie einem das Leben zur Hölle macht. Und: Wo man richtig gut baden gehen kann!

Die (fast) luftig-fluffige Sommerausgabe vom Cruiser. Die Themen: Equality Dance: Cruiser war im Tanzkurs. Schwule Migranten: Wenn die eigene Familie einem das Leben zur Hölle macht. Und: Wo man richtig gut baden gehen kann!

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cruiser<br />

CHF 7.50<br />

<strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> <strong>2015</strong><br />

Migration<br />

Schwule<br />

Migranten in<br />

der Schweiz<br />

Wenn die eigene Familie<br />

das Leben beinahe<br />

unerträglich macht<br />

Transfrauen<br />

Eine neue Revolution<br />

dank Caitlyn Jenner?<br />

Hingehen<br />

<strong>Cruiser</strong> kennt die<br />

schönsten Badestrände<br />

Lets Dance<br />

Schwule & Lesben<br />

im Tanzkurs


Editorial<br />

Inhalt<br />

<strong>Sommer</strong> <strong>2015</strong><br />

04 Thema | Schwule Migranten<br />

Die Krux mit der Heirat<br />

FOTOS UMSCHLAG: ISTOCK<br />

Liebe Leser<br />

Eigentlich wollten wir für unsere <strong>Sommer</strong>nummer nur fluftig leichte<br />

Themen haben. («fluftig» ist das aktuelle Lieblingswort des stv. Chefredaktors<br />

Dani Diriwächter). Ganz so fluffig (sein Alternativbegriff)<br />

wurde der aktuelle <strong>Cruiser</strong> dann doch nicht. Wir hatten und haben<br />

noch immer die Pride-Monate. Fast überall demonstrieren – wenigsten<br />

in Mittel- und Nordeuropa – die Gays. Meist fröhlich und ausgelassen.<br />

Aber eine Gruppe von Homosexuellen wird dabei komplett ausgeklammert:<br />

die schwulen Migranten, die aus einem anderen Kulturkreis kommen<br />

und wissen, dass sie mit ihrer Homosexualität in diesem Leben<br />

sicher nie von Familie und Umfeld akzeptiert werden. In den von uns<br />

geführten Gesprächen war so viel Angst zu spüren, aber auch Hilflosigkeit<br />

und teilweise – wegen der eigenen Sexualität – auch Selbsthass.<br />

Dani konnte sein luftiges (Variante drei des neuen Redaktionslieblingswortes)<br />

<strong>Sommer</strong>thema doch noch durchsetzen. Wir zeigen die<br />

schönsten Strände rund um den Globus, fast alle von unserer Redaktion<br />

getestet. Oder jemand von uns kannte wenigstens jemanden, der schon<br />

mal dort war. Abschliessend wirds dann richtig beschwingt: Die schwulen<br />

Tänzer tanzen Mann an Mann. Wie das mit dem Führen des gleichgeschlechtlichen<br />

Partners funktioniert, erklären unsere Protagonisten<br />

in unserer «Let’s Dance»-Story.<br />

Wir verabschieden uns wie jedes Jahr in die <strong>Sommer</strong>pause und sind<br />

ab 28. August wieder da! Geniesst den <strong>Sommer</strong>!<br />

<strong>Cruiser</strong> print<br />

Herzlich, Haymo Empl<br />

Chefredaktor<br />

Herausgeber & Verleger: Haymo Empl, empl.media<br />

Infos an die Redaktion: redaktion@cruisermagazin.ch<br />

Chefredaktor: Haymo Empl<br />

Stv. Chefredaktor: Daniel Diriwächter<br />

Bildredaktion: Haymo Empl, Daniel Diriwächter<br />

Art Director: Astrid Affolter, Access – bridge to work, Bereich Grafik<br />

Redaktion Print: Martin Ender, Andreas Faessler, Alain Sorel, Thomas Borgmann,<br />

Marianne Weissberg, Bruno Bötschi, Michi Rüegg, Pia Spatz,<br />

Vinicio Albani, Moel Maphy,<br />

Layout:<br />

Access – bridge to work, Bereich Grafik<br />

Lektorat: Ursula Thüler<br />

Anzeigen: Said Ramini, Telefon 043 300 68 28, anzeigen@cruisermagazin.ch<br />

Auflage:<br />

12 000 Exemplare, 10 Ausgaben jährlich<br />

Redaktion und Verlagsadresse:<br />

empl.media, Haymo Empl, Welchogasse 6, Postfach 5539, 8050 Zürich<br />

Telefon 043 300 68 28, Telefax 043 300 68 21, info@cruisermagazin.ch<br />

<strong>Cruiser</strong> online<br />

Chefredaktor Online: Daniel Diriwächter<br />

Infos an die Online-Redaktion: online@cruisermagazin.ch<br />

Impressum<br />

07 Kolumne | Weissbergs warme Weissheiten<br />

Schaffen Sie sich ja keine Quengelware an!<br />

08 Aktuell | Promis<br />

09 Kolumne | Bötschi klatscht<br />

10 <strong>Sommer</strong>special | Die schönsten Strände<br />

Wo man idyllisch baden gehen kann<br />

14 Serie | Mannsbild – Berufsbild<br />

Der Elektroniker<br />

18 News | National<br />

20 News | International<br />

22 Serie | Homosexualität in Geschichte<br />

und Literatur Stille Glut und Stichflammen<br />

26 Interview | Claudia Meier<br />

«Es gibt noch viel zu tun für uns<br />

Transmenschen!»<br />

29 Thema | BDP<br />

Warum sich die Partei für LGBT<br />

Rechte einsetzt<br />

30 Kolumne | Pia Spatz<br />

31 Ratgeber Aids-Hilfe | Dr. Gay<br />

32 Kultur | Schweiz<br />

34 Serie | Persönlichkeiten<br />

This Brunner<br />

37 Kolumne | Michi Rüegg<br />

38 Reportage | Tanzschule<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 3


Thema | Schwule Migranten<br />

Schwule Migranten<br />

in der Schweiz:<br />

Wenn die eigene Familie das Leben<br />

beinahe unerträglich macht<br />

Text: Haymo Empl<br />

Ein Mann ist ein Mann und hat eine Frau zu lieben. Dass es auch anders<br />

geht, ist in vielen Ländern noch immer ein Tabuthema. Mancherorts<br />

wird Homosexualität mit der Todesstrafe geahndet und selbst wenn die<br />

schwulen Söhne von Migranten hier aufgewachsen sind, werden sie in<br />

vielen Fällen von der Familie verstossen.<br />

Eine schwule Beziehung zu führen ist<br />

für viele Migranten kaum möglich<br />

Wir haben uns lange überlegt, wie<br />

wir das Thema Migration und Homosexualität<br />

angehen wollen. Bei den<br />

Fachstellen, wie beispielsweise bei der<br />

Fachstelle für Integrationsfragen in<br />

Zürich musste man sich mit dem Thema<br />

an sich noch nie wirklich auseinandersetzen,<br />

wie ein kurzer Anruf bestätigte.<br />

Doch wir konnten drei<br />

Migranten finden, die bereit waren,<br />

dem «<strong>Cruiser</strong>» Auskunft zu geben. Allerdings<br />

– und hier beginnt die eigentliche<br />

Geschichte – nur unter der Voraussetzung<br />

absoluter Anonymität. Wir<br />

geben hier auch – ohne irgendwie zu<br />

diskriminieren – die Originalzitate<br />

wieder. Denn jeder unserer Protagonisten<br />

hatte die Aufgabe, uns in einem<br />

Satz aufzuschreiben, was er über Homosexualität<br />

denkt. Wahlweise auf<br />

Deutsch oder in seiner Muttersprache.<br />

(ja, ja, manchmal ist der <strong>Cruiser</strong> auch<br />

«pädagogisch wertvoll»).<br />

4 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong><br />

Adnit<br />

Der 30-Jährige ist im Kosovo geboren<br />

und in den 90ern in die Schweiz gekommen.<br />

Er hat eine jüngere Schwester<br />

und einen sehr jungen Bruder, der hier<br />

in der Schweiz geboren wurde. Sein<br />

Aussehen entspricht effektiv der Klischeevorstellung,<br />

die man von einem<br />

Kosovo-Albaner hat, auch sein Look.<br />

Die Begrüssung ist betont männlich.<br />

Adnit hat keine Berufslehre gemacht<br />

und besuchte eine kleine Schule im<br />

Kosovo. In dem landwirtschaftlich geprägten<br />

Dorf gab es ein paar Kühe, viele<br />

Cousins und absolut keinen Platz für<br />

Homosexualität. Lediglich ein Onkel in<br />

seinem Dorf sei ihm gegenüber ein paar<br />

Mal verdächtig aufdringlich gewesen.<br />

Hier stellt sich natürlich die Frage,<br />

wie denn die Sexualität ausgelebt werden<br />

soll. Adnit sagt im Interview, dass<br />

dies praktisch unmöglich sei. Eine<br />

Heirat war bei ihm unumgänglich, er<br />

hatte eine Christin geheiratet – seine<br />

Familie wollte den Kontakt mit ihm allein<br />

schon deswegen abrechen. Das<br />

Eheleben ist miserabel, die Frau nicht<br />

glücklich und für die Familie von<br />

Adnit stellt sich natürlich schon längst<br />

die Frage, wo denn die Kinder bleiben.<br />

Man will schliesslich Enkel. Immer<br />

mal wieder, so Adnit, wünscht er sich,<br />

mit einem Mann zusammen zu sein.<br />

Dieses Verlangen sei teilweise so stark<br />

gewesen, dass er mit 25 Jahren einen<br />

Suizidversuch unternommen habe.<br />

«Ich bereue es überhaupt nicht,<br />

in die Schweiz gekommen zu sein.<br />

Es war vielleicht die beste<br />

Entscheidung meines Lebens.»<br />

FOTO: FOTOLIA


«Në Kosovë, ne nuk<br />

do të flasim në lidhje<br />

me homoseksualitetin.<br />

Familja mund<br />

të mos e dinë se ju<br />

jeni homoseksual.»<br />

«Im Kosovo spricht man nicht<br />

über Homosexualität.<br />

Die Familie darf nicht wissen,<br />

dass man schwul ist.»<br />

und konnte deshalb bald als Lagerist<br />

in Locarno arbeiten, musste dann aber<br />

enttäuscht feststellen, dass dort auch<br />

keine wirkliche Gay-Szene existierte.»<br />

Wie Laith im Gespräch weiter erzählt,<br />

hat er sich im Betrieb schnell bewährt<br />

und konnte bald danach eine Ausbildung<br />

zum kaufmännischen Angestellten<br />

machen. «Bei einer sündhaft teuren<br />

Privatschule. Dann habe ich<br />

Deutsch gelernt, weil ich unbedingt<br />

nach Zürich wollte. Nur war das so<br />

eine Sache: Hochdeutsch nützte mir zu<br />

Beginn nicht viel.» Laith lebt heute in<br />

Zürich, hat einen guten Job und lebt<br />

schwul. «Aber ich bin nicht geoutet.<br />

Meine Familie im Irak weiss nichts,<br />

und ich habe mich deswegen in den<br />

90ern für kurze Zeit verheiratet. Es<br />

war ein klares Arrangement. Ich habe<br />

so den Pass bekommen und meine Familie<br />

fragt nichts mehr, weil es in<br />

meiner Kultur durchaus üblich ist,<br />

nach einer Scheidung – was weniger<br />

üblich ist – nicht mehr zu heiraten.»<br />

Aufgrund dieses Vorfalls wurde ihm<br />

damals ein Psychiater zugeteilt, mit<br />

dem Adnit immer noch Kontakt hat<br />

bzw. zu dem er in unregelmässigen<br />

Abständen in die Therapie geht. Was<br />

rät denn der Psychiater? «Er sagt, er<br />

sehe nur die Möglichkeit, komplett mit<br />

meiner Familie zu brechen und irgendwo<br />

ein neues Leben zu beginnen.<br />

Das ist für mich aber keine wirkliche<br />

Lösung. Ich hätte zudem Schiss, dass<br />

irgendwer von meiner Familie wegen<br />

meiner sexuellen Ausrichtung etwas<br />

rausfindet. Und man weiss nie, was<br />

dann passiert».<br />

Laith<br />

Im Gegensatz zu Adnit hat der mittlerweile<br />

50-jährige Laith genau das gemacht,<br />

er hat mit seiner Familie gebrochen.<br />

Er ist als Iraker während des<br />

ersten Golfkrieges in die Schweiz gekommen.<br />

Auch wegen der Kriegswirren,<br />

aber vor allem wegen seiner Homosexualität.<br />

In seinem Heimatland<br />

wäre er als schwuler Mann gehängt<br />

worden. Er kam als illegaler Flüchtling<br />

in die Schweiz, über den Iran, von dort<br />

in die Türkei … und landete schliesslich<br />

als Asylant in Lugano. Warum er<br />

damals die Schweiz gewählt hat? «Ich<br />

hatte natürlich ein idealisiertes Bild<br />

von der Schweiz … der Klassiker mit<br />

den saftigen, grünen Wiesen und den<br />

vielen Seen», erinnert sich Laith. Er<br />

selbst stammte aus einer grösseren<br />

Stadt im Irak, die aber «enorm trocken<br />

ist, von Wasser keine Spur …» – und<br />

von Homosexualität natürlich auch<br />

nicht. «Heute würde ich sagen, dass<br />

die grünen Wiesen vielleicht weniger<br />

der wahre Grund gewesen sind, sondern<br />

ich hatte einfach einen enormen<br />

Sex-Drive. Ich wollte daher unbedingt<br />

mit der schwulen Bevölkerung rasch<br />

in Kontakt kommen und so lernte ich<br />

italienisch. Die Sprache habe ich eigentlich<br />

erstaunlich schnell gelernt<br />

Shükrü<br />

Türkischer könnte sein Name nicht<br />

sein. Wir haben vor gut einem Jahr<br />

über ihn berichtet – damals war das<br />

Thema «Arme Schwwule» –, nun haben<br />

wir ihn erneut getroffen. «Als Türke<br />

bin ich nicht geoutet. Meine Eltern<br />

sind von der Südtürkei nach Zürich<br />

migriert, ich war damals 16 und hatte<br />

meine obligatorische Schulzeit beendet.<br />

Eigentlich hätte ich eine Lehrstel-<br />

«Türkler eşcinseller<br />

gözle görünenden<br />

daha fazla olduğunu.»<br />

«Die Türken akzeptieren<br />

Homosexualität nur schwer.»<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 5


Thema | Schwule Migranten<br />

le suchen sollen, das Problem war<br />

aber, dass ich sprachlich einfach Mühe<br />

hatte – bei uns zu Hause wurde nur<br />

türkisch geredet. Ich hatte dann die<br />

Wahl, entweder sofort deutsch zu lernen<br />

und eine Lehrstelle zu suchen,<br />

oder möglichst schnell einen Job zu<br />

finden.» Shükrü hat sich für die Jobvariante<br />

entschieden und musste Jahre<br />

später feststellen, dass diese Entscheidung<br />

vielleicht nicht unbedingt<br />

gut war. «Der Umzug in ein neues Land<br />

war für alle hart, ich hatte keine<br />

Freunde hier, merkte zudem, dass ich<br />

auf Männer stehe … es war eine furchtbare<br />

Zeit. Ich spürte einfach, dass ‹etwas<br />

nicht stimmte›. In meiner Kultur<br />

spricht man nicht über Homosexualität<br />

und ich habe noch heute Mühe,<br />

dass ich offenbar schwul bin und das<br />

wohl auch so bleiben wird.»<br />

Wie lernte denn Shükrü Männer<br />

kennen? «Das war eigentlich einfach.<br />

Ich entdeckte, dass man in der damaligen<br />

«Caroussel»-Bar Sex haben konnte<br />

und dafür auch noch bezahlt wurde.<br />

Für mich eine Win-win-Situation. Ich<br />

sah also keinen Grund, irgendetwas<br />

an meiner Lebenssituation zu ändern.»<br />

Nun, das ‹Caroussel› wurde geschlossen.<br />

«Ich hatte dann eine Beziehung<br />

mit einem etwas älteren Mann, bei<br />

ihm habe ich auch gewohnt.» Geliebt<br />

habe er ihn nicht, aber sehr gern gehabt.<br />

Shükrü hat nun eine Ausbildung<br />

zum Fitness-Instruktor begonnen und<br />

hofft, sich bald einmal richtig zu verlieben.<br />

«Aber natürlich fragt mich<br />

meine Familie dauernd, wann ich denn<br />

endlich heiraten würde. Irgendwann<br />

werde ich das wohl auch tun müssen.»<br />

Weiterführende<br />

Adressen für direkt oder<br />

indirekt Betroffene:<br />

SOS Rassismus<br />

Rosengartenstrasse 1, 8037 Zürich<br />

Telefon 043 366 98 16<br />

info@sosrassismus.ch<br />

www.sosrassismus.ch<br />

TIKK Taskforce interkulturelle<br />

Konflikte<br />

Strassburgstrasse 15, 8004 Zürich<br />

Telefon 044 291 65 75<br />

info@tikk.ch<br />

www.tikk.ch<br />

Kantonale Beauftragte für<br />

Integrationsfragen<br />

Neumühlequai 10<br />

Postfach, 8090 Zürich<br />

Telefon 043 259 25 27<br />

julia.morais@ji.zh.ch<br />

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Kolumne | Weissbergs warme Weissheiten<br />

Schaffen Sie sich<br />

ja keine Quengelware an!<br />

Text: Marianne Weissberg<br />

Koluministin Marianne Weissberg schaltet sich diesmal in die heisse<br />

Wer-darf-Kinder-haben-Diskussion ein und rät, sich diese heikle Anschaffung<br />

gründlich zu überlegen. Was sie selbst natürlich versäumte.<br />

FOTO: MARIANNE WEISSBERG<br />

rierte Mom, viel zu früh geheiratet,<br />

viel zu früh schwanger. Dann gottlob<br />

alle aus dem Haus, als ich noch nicht<br />

so fertig aussah, wie die Frauen, die<br />

meinen, sie müssten kurz vor den<br />

Wechseljahren noch Kinder kriegen.<br />

Glauben Sie mir, dass ist für alle grässlich.<br />

Auch für mich. Denn das sind<br />

«Ich war eine frustrierte<br />

Mom, viel zu früh<br />

geheiratet, viel zu früh<br />

schwanger.»<br />

genau die Teppichratten, die an der<br />

Kasse kein Schoggivalium kriegen,<br />

weil das nicht gesund ist, gäll Emma!!<br />

Und dann werde ich strafend angeschaut,<br />

weil ich sagte: «Jetzt geben Sie<br />

dem Kreischer endlich die Schoggi da,<br />

ich bezahle sie!!!»<br />

Wieso ich Ihnen das erzähle? Weil<br />

ja heiss diskutiert wird, wer Kinder<br />

zeugen / adoptieren darf. Ich finde zuallererst<br />

schwule Männer. So ein<br />

Männer-Paar ist das Beste für Kinder.<br />

Meist in interessanten Berufen tätig,<br />

ziemlich sicher solvent und, wie ich in<br />

meinem schwulen Umfeld sehe: äusserst<br />

attraktiv. Zum Vergleich das<br />

Normalo-Hetero-Päärli, das immer<br />

noch ungeprüft Kinder anschaffen<br />

darf: Er öde Karriere, sie es bitzli Teilzeit.<br />

Beide gestresst und kein appetitlicher<br />

Anblick, wenn sie ihr nörgliges<br />

Accessoire-Kind ausführen. Ich weiss<br />

das, ich war auch so. Ich erinnere<br />

mich, wie ich als grüne Mom endlich<br />

realisierte, dass ich mein Hirn abgegeben<br />

hatte. Beschloss, dass Kinderhaben<br />

und unglücklich verheiratet<br />

sein, inklusive grottenschlechtem Sex,<br />

mein Untergang sei. Ich begann femi-<br />

Es geht diesmal um Quengelware.<br />

Was das ist, werden Sie fragen! Habe<br />

ich auch getan, als ich das erste Mal<br />

den Ausdruck las: Beim Posten, da erblickte<br />

ich über der Kasse ein Schild<br />

auf dem stand: Neutrale Kasse. Hier<br />

keine Quengelware! Ich blickte mich<br />

um: Gottlob, es stimmte, keine Goofen<br />

weit und breit. Es ist mir nämlich oft<br />

passiert, dass Eltern ihre quengelnden<br />

Kleinkinder extralangsam an mir vorbeischoben.<br />

Obwohl das Getöse der<br />

kleinen Ekel laut einer wissenschaftlichen<br />

Messung demjenigen von Düsenjägern<br />

entspricht. Wo ich residiere,<br />

wird die Quengelware gerne am Wochenende<br />

frühmorgens aus der Penthousewohnung<br />

geworfen, damit sie<br />

dann vor meinem Fenster brüllen<br />

kann. Während ich noch Schönheitsschlaf<br />

halten möchte. Ganz schlimm<br />

sind die Erzeugerpäärli, die ihre Mini-<br />

Penisträger in XXL-Fussballliibli gewanden,<br />

damit die schon beim kindlichen<br />

Ballspiel lernen, was ein echter<br />

Hetero ist: Einer, der sich schmutzig<br />

macht und dümmlich aus der Wäsche<br />

guckt.<br />

Ich als Mom war ja immer froh,<br />

wenn es an der Kasse viel Schleckzeugs<br />

hatte – dies nämlich die Bedeutung<br />

von «Quengelware» – mit der ich<br />

meine Jungs vollstopfte, damit sie<br />

friedlich waren. Ich war eine frustnistische<br />

Frauenliteratur zu lesen und<br />

holte mir meinen ersten grossen<br />

Reportage-Auftrag in der USA, um<br />

meiner Quengelware zu entkommen.<br />

Die Kids versorgte ich bei einem<br />

Exliebhaber. Und als der meldete, dass<br />

der eine einen Köpfler ins untiefe<br />

Wasser gemacht habe und jetzt ein wenig<br />

komisch aussehe, reiste ich nicht<br />

vorzeitig heim, sondern schrieb lieber<br />

meine erste Coverstory. Ja, so eine<br />

Raben-Mom war ich. Heute bin ich<br />

längst glückliche Kinderfeindin. Wenn<br />

Sie trotz dieser Warnkolumne eins anschaffen<br />

und mich besuchen wollen,<br />

dann lassen Sie Ihre Quengelware bitte<br />

zuhause. Danke!<br />

«Achtung Lebensgefahr! Wollen Sie<br />

wirklich so ein umtriebiges Quengel-<br />

Monster anschaffen?»<br />

Marianne Weissberg<br />

ist Historikerin, Autorin & Inhaberin<br />

des Literaturlabels <strong>Edition</strong><br />

VOLLREIF (www.vollreif.ch).<br />

Ihre Werke u. a. «Das letzte Zipfelchen<br />

der Macht» oder die Kolumnen kolle ktion<br />

«Tränen ins Tiramisu» sind mitlerweile<br />

schon fast Kult.<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 7


Aktuell | Promis<br />

Leben und sterben<br />

lassen<br />

«Ich bin sehr offen. Mir ist es egal, ob jemand mit<br />

einem Mann oder einer Frau zusammen ist.»<br />

{ }<br />

Ramona Bachmann (24), Fussballerin und WM-Heldin im «Blick»<br />

über ihre Homosexualität<br />

Andreas Gabalier<br />

Was ist bloss mit dem selbsternannten<br />

Volksrocker los? Droht er ganz wie sein<br />

Alter Ego «Mountain Man» völlig abzuheben?<br />

Die Luft wird jedenfalls dünn für<br />

den 30-jährigen. Mehrmals fiel Andreas<br />

Gabalier mit zwar nicht gerade homophoben,<br />

aber doch ziemlich ätzenden<br />

Äusserungen gegenüber Schwulen auf.<br />

Beispielsweise gab er bekannt, dass er<br />

sich als Heterosexueller diskriminiert<br />

fühle: «Man hat's nicht leicht auf dieser<br />

Welt, wenn man als Manderl noch auf<br />

ein Weiberl steht.» Obwohl ein eher unbedachter<br />

Witz, zog dies einen mittleren<br />

Shitstorm nach sich. Das dürfte den<br />

Schlagersänger ziemlich genervt haben<br />

– kein Wunder, holte er in «Die Welt»<br />

zur Revanche aus. Er wolle, so seine<br />

Worte, nicht jeden Tag schmusende<br />

«Männlein» in Zeitungen oder auf Plakaten<br />

sehen, denn dies löse «Abwehr,<br />

Überdruss und Antipathie» bei Leuten<br />

aus, die eigentlich tolerant wären.<br />

Andreas Gabalier muss es schliesslich<br />

wissen, hat er doch «viele schwule<br />

Freunde», welche ebenso denken. Eine<br />

kleine Weisheit fügt er seinen Worten<br />

hinzu: «Sich mal rar machen, das wäre<br />

vielleicht nicht schlecht. Jeden Tag Gabalier<br />

will ja auch keiner sehen.»<br />

Whitney Houston<br />

Ruhe im Tod, falls diese denn überhaupt<br />

existieren sollte, wird Whitney Houston<br />

derzeit nicht finden. Die grandiose Sängerin,<br />

deren Leben vor mehr als drei<br />

Jahren ein dramatisches Ende in der Badewanne<br />

fand, wird nun post mortem in<br />

die Lesbenecke gerückt. Im Buch «Whitney<br />

und Bobbi Kristina – The deadly<br />

Price of Fame», ein mitunter schamloser<br />

Versuch, aus der Tragödie mit der im<br />

Koma liegenden Tochter Kasse zu machen,<br />

will der kanadische Journalist Ian<br />

Halperin wissen, dass Whitney Houston<br />

zu Beginn der 1990-Jahre eine Affäre<br />

mit ihrer Assistentin gehabt habe. Damals,<br />

dank «Bodyguard» auf dem Höhepunkt<br />

ihrer Karriere, soll sie deswegen<br />

erpresst worden sein. Dem Houston-Clan<br />

war die Verschwiegenheit einiges wert<br />

und er soll eine unbekannte Summe an<br />

die Erpresser gezahlt haben. Egal, ob der<br />

Buchinhalt Wahrheit oder Lüge ist,<br />

lohnt es sich eher, auf den TV-Film<br />

«Whitney» mit Yaya DaCosta zu warten,<br />

in dem die Fans das Leben der Sängerin<br />

nochmals Revue passieren lassen dürfen.<br />

Dieser Film wurde jedoch vom noch<br />

mächtigen Houston-Clan verurteilt.<br />

Fürwahr, das Leben nach dem Tod ist<br />

kein leichtes.<br />

Lady Gaga<br />

Dass Stefani Germanotta eine begnadete<br />

Künstlerin ist, dürfte niemand mehr<br />

bezweifeln – ebenso, dass sie ihrem<br />

Künstlernamen öfters alle Ehre macht.<br />

Trotzdem scheint ihre Integrität zu wanken:<br />

Lady Gaga trat an der Eröffnungsfeier<br />

der Europa-Spiele in Aserbaidschan<br />

auf und musste dafür einige Kritik der<br />

«kleinen Monster», ihrer Fans, ertragen.<br />

Besagtes Land hält bekanntlich wenig<br />

von Menschenrechten und die Homosexualität,<br />

wenn auch legal, ist dort verpönt.<br />

Da Lady Gaga schon diverse Lanzen<br />

für Schwule und Lesben brach,<br />

mutete ihr Einsatz etwas seltsam an.<br />

Schlussendlich handelt es sich aber<br />

«nur» um einen gut bezahlten Auftritt<br />

an einer fragwürdigen Veranstaltung.<br />

Deshalb wurde die Anwesenheit von<br />

Lady Gaga wohl bis zur Show geheim gehalten.<br />

Medienberichten zufolge musste<br />

sich die Pop-Ikone einige Tage im Hotel<br />

einsperren. (DD)<br />

FOTOS: ZVG (2), INTERSCOPE (1), TWITTER (1)<br />

8 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>


Kolumne | Bötschi klatscht<br />

Der It-Boy<br />

und seine Villa<br />

Text: Bruno Bötschi<br />

Der Unterschied zwischen Autor Philipp Tingler und It-Boy Reto Hanselmann:<br />

Beide meinen, sie seien sexy. Aber nur einer von beiden ist es.<br />

Lustig ist auch nur einer von den beiden Buben. Sie wollen wissen welcher?<br />

Dann müssen Sie diese Kolumne lesen.<br />

Kaum sass er im voll besetzten Restaurant<br />

Schützengasse (im Moment<br />

«the place to be» in Zürich) neben mir,<br />

erzählte er mir aus seinem Leben.<br />

Frisch, frei, fröhlich. Von Monte Carlo<br />

bis Los Angeles. Von seinen Freundinnen<br />

Dominique Rinderknecht (Ex-<br />

Miss-Schweiz) und Fabienne Louves<br />

(Ex-Musicstar). Und von seinen Schönheitsoperationen.<br />

Reto Hanselmann<br />

steht dazu: Er ist ein Gesamtkunstwerk.<br />

Hanselmann brachte das Kunststück<br />

fertig, dass die Klatschsendung<br />

«Glanz&Gloria» eine ganze Woche<br />

lang jeden Abend über die Vorbereitungen<br />

seiner Halloweenparty berichtete.<br />

Moderatorin Annina Frey<br />

schwärmte: «Er schmeisst jedes Jahr<br />

eine der exklusivsten Gruselpartys<br />

von Zürich.» Mehr Gratis-PR bekam<br />

noch nie eine Party im Schweizer<br />

Farbfernsehen. Momoll.<br />

Als Klatschkolumnist muss ich eine<br />

grosse Klappe führen. Auch auf die<br />

Gefahr hin, dass ich mir Feinde schaffe.<br />

Das merke ich jeweils, wenn mich<br />

ein Promi (mit oder ohne Servelat) auf<br />

Twitter blockiert – getan haben das<br />

zum Beispiel: Märchenonkel Reeto von<br />

Gunten und Listenschreiber Philipp<br />

Tingler.<br />

Keine Ahnung, was ich dem von<br />

Gunten für eine Laus über die Leber gejagt<br />

habe. Philipp Tingler hingegen<br />

brünzelt gerne anderen ans Bein, selber<br />

«Dass ich mir als<br />

Klatschkolumnist Feinde<br />

geschaffen habe,<br />

merke ich jeweils, wenn<br />

mich ein Promi (mit<br />

oder ohne Servelat) auf<br />

Twitter blockiert.»<br />

mag er aber keine feuchten Hosenstösse.<br />

In seinem Handbuch «Stil zeigen!»<br />

schreibt er, lautes Grunzen, Zischen<br />

und orgasmisches Keuchen seien tabu<br />

im Fitnesscenter. Und was tut Tingler?<br />

Schnaubt im Fitnesscenter wie ein Bulle<br />

(mit vier Beinen). Ich war so ehrlich<br />

und notierte das in meiner Kolumne.<br />

Seither ist der Tingler böse auf mich.<br />

Ach, da ist eine kleine Welt hässig.<br />

Kein Interview geben will mir zudem<br />

Fernseh- und Radiofrau Viola<br />

Tami. Auf Instagram darf ich sie zwar<br />

noch anschauen. Dabei habe ich mich<br />

letztes Jahr bei meinem Coiffeur<br />

(Charles Aellen, Zürich) nett mit ihrem<br />

Lieblingsmann (Roman Kilchsperger)<br />

unterhalten. Wer weiss, vielleicht war<br />

genau das das Problem.<br />

Nik Hartmann soll auch kein gutes<br />

Haar an mir lassen. Ich habe mich einmal<br />

über ihn lustig ... ach, das lasse<br />

ich jetzt besser bleiben, sonst ruft<br />

mich der beliebteste Moderator der<br />

Schweiz wieder mit anonymer Nummer<br />

auf mein Handy an.<br />

Dagegen nimmt Reto Hanselmann<br />

freche Sprüche auf die leichte Schulter.<br />

Als er kürzlich mit seiner Freundin<br />

Dominique Rinderknecht verglichen<br />

wurde, antwortete er auf<br />

Facebook: «Ich bin gerade beim Coiffeur<br />

und blondiere meine Haare. Und<br />

den Termin für meine Brust-OP habe<br />

ich auch bereits.»<br />

Hanselmann ist seit neun Jahren<br />

glücklich unter der Haube (vier davon<br />

verheiratet). Er lebt in einer Villa am<br />

Zürichsee. Und das stört den It-Boy:<br />

Nicht die Villa, sondern dass es heisst,<br />

er könne nur dank dem Stutz seines<br />

Partners (Vorname Torsten) in solchem<br />

Luxus leben. Dabei organisiert<br />

Reto Hanselmann erfolgreich Partys.<br />

Aber sein Torsten ist halt Multimillionär.<br />

Und dann sieht der Torsten auch<br />

noch adrett aus (manche behaupten,<br />

sogar adretter als Reto). Logisch, dass<br />

da der eine oder die andere eifersüchtig<br />

wird und sich das Maul zerreisst.<br />

Und zu guter Letzt: Kürzlich wollte<br />

ich im Restaurant «Louis» in Zürich-Wollishofen<br />

einkehren. Das zweistöckige,<br />

total in Weiss gehaltene Lokal<br />

ist seit vergangenem Oktober offen. Ich<br />

sass also an einem Sonntagnachmittag<br />

im Garten und wartete und wartete und<br />

wartete. Irgendwann habe ich mich von<br />

dannen gemacht, weil mich keiner der<br />

«Louis»-Servicemitarbeiter eines Blickes<br />

würdigte. Ich spazierte über den<br />

neuen Cassiopeia steg, suchte mir im<br />

«Ziegel au lac» in der Roten Fabrik ein<br />

lauschiges Plätzchen, bestellte ein<br />

Fläschchen Sauvignon blanc vom<br />

Turmgut Erlenbach und genoss einen<br />

wunderbaren Nachmittag.<br />

www.brunoboetschi.ch<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 9


<strong>Sommer</strong>special | Die schönsten Strände<br />

Atlas der schönsten<br />

abgelegenen Strände<br />

Text: Dani Diriwächter<br />

Die <strong>Sommer</strong>ferien stehen<br />

vor der Tür. Viele wird es<br />

bald an die Superstrände<br />

von Sitges, Gran Canaria<br />

oder Mykonos ziehen. Doch<br />

wo finden sich idyllische<br />

Strände, die erst wenige<br />

kennen?<br />

Nicht, dass wir Judith Schalansky und<br />

ihrem Werk «Atlas der abgelegenen Inseln»<br />

Konkurrenz machen möchten.<br />

Doch die Idee gefiel uns so sehr, dass<br />

wir uns freudig inspirieren liessen. Basierend<br />

darauf präsentieren wir Ufer<br />

und Küsten, für die es sich lohnt, eine<br />

Reise zu planen. Gefragt sind keine<br />

Hotspots, sondern geheimnisvolle<br />

Plätzchen, unberührte Gestade oder<br />

einfach nur bezaubernde Strände.<br />

Wir suchen deinen Traumstrand<br />

Während unserer <strong>Sommer</strong>pause sehnt<br />

sich die Online-Redaktion nach Tipps<br />

von badefreudigen Lesern. Möchtest du<br />

deinem liebsten Badestrand ein wenig<br />

Aufmerksamkeit schenken? Dann hau<br />

in die Tasten und sende uns ein Bild mit<br />

deiner Idylle sowie einem kurzen Text<br />

dazu. Ob gemütlich, gesittet, FKK,<br />

schwul oder hetero – wo badet es sich<br />

wie ein junger Gott? Es muss auch nicht<br />

am Meer sein, es kann am heimischen<br />

See oder an einem Fluss sein – Blue<br />

Bayous sind selbstverständlich auch<br />

willkommen.<br />

Wir wollen natürlich nicht, dass ein<br />

Geheimtipp zur angesagten Szenemeile<br />

wird, deshalb steht es dir frei zu entscheiden,<br />

ob du die genaue Ortsbe-<br />

zeichnung angeben möchtest. Einige<br />

Info-Zückerchen müssten aber schon<br />

dabei sein. Die tollsten Strände werden<br />

wir online vorstellen.<br />

Wir sind gespannt auf deine Impressionen<br />

und freuen uns auf deine Zusendungen<br />

(mail: online@cruisermagazin.ch)<br />

Baie des Trépassés,<br />

Bretagne, Frankreich<br />

Am Strand kann man(n) mehr<br />

als nur baden gehen<br />

Die Bucht der «Hingeschiedenen» am<br />

westlichsten Zipfel von Frankreich,<br />

nahe der Pointe du Raz, erfüllt die Voraussetzungen<br />

einer geheimnisvollen<br />

Idylle. Umgeben von imposanten Klip-<br />

pen lässt sich die bretonische Bucht mit<br />

dem Auto oder per Bus erreichen. Der<br />

Sage nach liessen die Kelten dort ihre<br />

Verstorbenen zur Ile de Seine hinaus<br />

gleiten. Heute gleiten dort überaus lebendige<br />

und ruhige Menschen am flachen<br />

Sandstrand hin und her, während<br />

sexy Surfer die Wellen nutzen. Für den<br />

Komfort sorgen das schmucke «Hotel-Restaurant<br />

de la Baie des Trépassés»<br />

und das «Hotel-Brasserie Relais de la<br />

Pointe du Van».<br />

Speziell:<br />

Ein Besuch in der nahen «Biscuiterie de la<br />

Pointe du Raz» ist nicht unbedingt förderlich<br />

für die Strandfigur, aber dennoch ein<br />

Muss mit Genuss.<br />

Im schwulen Roadmovie «Hildes Reise»<br />

(2004) von Christof Vorster spielt dieser<br />

Strand eine zentrale Rolle.<br />

FOTOS: DANI DIRIWÄCHTER<br />

10 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>


El Matui, Palomino,<br />

Kolumbien<br />

Wer diesen Strand erreichen will, muss<br />

einen weiten Weg auf sich nehmen: Mit<br />

dem Flugzeug nach Bogotà, der Haupstadt<br />

Kolumbiens, dann weiter nach<br />

Santa Marta an der Karibikküste. Danach<br />

mit dem Bus bis ins Fischerdorf<br />

Palomino und zu guter Letzt noch mit<br />

dem Motorradtaxi bis zur «Reserva Natural<br />

El Matuy». Der Lohn der Anstrengung:<br />

Ein mehrere Kilometer langer<br />

Strandabschnitt, der zu stundenlangen<br />

Spaziergängen einlädt, auf denen man<br />

keinem einzigen Menschen begegnet.<br />

Speziell:<br />

Wenn das Wetter mitmacht, erhascht man<br />

vom Strand aus einen Blick auf die schneebedeckten<br />

Gipfel der Sierra Nevada de Santa<br />

Marta.<br />

Dank einer hübschen Bungalow-Anlage<br />

ohne elektrischen Strom und Handynetz<br />

darf man dort dem natürlichen Rhythmus<br />

von Tag und Nacht frönen.<br />

Baie des Trépassés,<br />

Bretagne, Frankreich<br />

El Matui, Palomino,<br />

Kolumbien<br />

Pachia Ammos,<br />

Tinos, Griechenland<br />

Viele Sonnenanbeter, die nach Mykonos<br />

reisen, haben keinen blassen<br />

Schimmer von der Nachbarinsel Tinos.<br />

Allerdings ist die Insel auch ein wichtiges<br />

Zentrum der dortigen römisch-katholischen<br />

sowie der griechisch-orthodoxen<br />

Kirche. Sei’s drum – leben und<br />

leben lassen. Die sehr steinige Insel bietet<br />

ruhige Strände und abgeschiedene<br />

Orte, fern vom Tourismus. Der Strand<br />

Pachia Amos sticht dabei besonders he-<br />

raus. Das kristallklare Wasser verspricht<br />

unberührtes Vergnügen. Nur<br />

mit dem Auto zu erreichen, ohne Bar<br />

oder Hotel.<br />

Speziell:<br />

Tinos gilt als Katzeninsel –<br />

tausende Miezen tummeln<br />

sich dort und verzaubern<br />

die Liebhaber der sanften<br />

Pfoten.<br />

Das Städtchen Tinos lädt<br />

mit klassischen Tavernen<br />

zum Verweilen ein.<br />

Koh Poda, Provinz<br />

Krabi, Thailand<br />

Krabi gilt als auch als Ausgangsort für<br />

diverse Inselbesichtigungen. Aber wieso<br />

in die Ferne schweifen, wenn das<br />

Gute so nah liegt? Die nahe Insel Koh<br />

Poda ist per Wassertaxi in nur 25 Minuten<br />

zu erreichen – Feilschen inklusive.<br />

Danach wähnt man sich im Paradies:<br />

Weisser Sand, klares Wasser und<br />

ein wunderschönes Panorama sorgen<br />

für unbeschwerte Stunden. Ein Restaurant<br />

mit einem kleinen Shop sorgt für<br />

das leibliche Wohl.<br />

Speziell:<br />

Schnorcheln auf Koh Poda macht besonders<br />

Spass, und auch ohne grössere Tiefen<br />

zu erkunden, öffnet sich früh eine farbenfrohe<br />

Fauna.<br />

Gegen Abend und bei Ebbe tauchen die Seesterne<br />

auf – die unzähligen Stachelhäuter<br />

verwandeln den Strand in ein Gemälde.<br />

Pachia Ammos, Tinos,<br />

Griechenland<br />

Koh Poda, Provinz Krabi,<br />

Thailand<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 11


<strong>Sommer</strong>special | Die schönsten Strände<br />

Saint-Laurent d’Eze,<br />

Südfrankreich<br />

Saint-Laurent d’Eze,<br />

Südfrankreich<br />

Es handelt sich hier vielleicht um den<br />

beliebtesten Geheimtipp an der «French<br />

Riviera» – der schwule Strand<br />

Saint-Laurant d’Eze. Doch während<br />

immer noch Heerscharen von schwulen<br />

Männern die teuren Strände rund um<br />

Nizza heimsuchen, gilt diese Idylle besonders<br />

bei FKK-Liebhabern als «the<br />

place to be». Schwer zu erreichen und<br />

ohne eine Bar oder ein Restaurant,<br />

kann man es sich dort in den Buchten<br />

so richtig gut gehen lassen.<br />

Speziell:<br />

Der Weg zum Strand führt durch einen<br />

Tunnel – ab ins Wunderland!<br />

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unserer Spezialkarte. Für 6 Eintritte bekommst Du<br />

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<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 13


Serie | Mannsbild – Berufsbild<br />

Der Elektroniker<br />

Text: Thomas Borgmann<br />

Eigentlich war Andreas in seiner dörflichen Gemeinschaft gut integriert:<br />

Familie und Verwandtschaft vor Ort, ein guter Freundeskreis, engagiert in<br />

Vereinen und in der kirchlichen Gemeinde, eine solide Berufsausbildung,<br />

ein guter Job und sogar eine Ehefrau und Kinderwunsch. Also nichts, was<br />

Konflikte mit seinem Umfeld provozieren könnte. Wenn er nicht schwul<br />

wäre.<br />

Im Einsatz für seinen neuen Arbeitgeber: Als Servicetechniker für einen Hersteller<br />

für Sicherheitstechnik kommt Andreas viel herum<br />

Schon mit 14 hat Andreas, heute 39,<br />

gemerkt, dass er auf Männer steht. Ein<br />

paar Kontakte gab es in Jugendjahren,<br />

die keinen Zweifel daran liessen, dass<br />

er sexuell mit Männern mehr anfangen<br />

kann als mit Frauen. Aber das offen<br />

zu leben, erschien ihm in den<br />

1990er-Jahren nicht nur unvereinbar<br />

mit den Wertevorstellungen seiner Familie<br />

und seines dörflichen Umfelds,<br />

sondern widersprach auch seinen eigenen<br />

christlich geprägten Moralvorstellungen.<br />

Und eigentlich entsprach<br />

er doch auch in keinster Weise dem<br />

Klischee, das seinerzeit noch oft von<br />

schwulen Männern herrschte: kein feminines<br />

Auftreten, kein auffällig gestyltes<br />

Outfit, Freude am Renovieren<br />

und Reparieren, und dann noch ein<br />

Beruf, in dem man Schwule kaum vermutet.<br />

Andreas ist gelernter Landmaschinenmechaniker,<br />

hat während seiner<br />

Militärzeit als Panzerschlosser<br />

«gedient» und arbeitete danach als<br />

Servicetechniker für die Montage und<br />

Wartung von Hochdruckreinigungsanlagen.<br />

Entsprechend regelkonform<br />

war auch seine Lebensplanung. Eine<br />

lesbische Freundin lebte im gleichen<br />

Konflikt, und da sich die beiden gut<br />

verstanden, beschlossen sie, in der<br />

nächstgelegenen grösseren Stadt ein<br />

Zweifamilienhaus zu kaufen, zu heiraten<br />

und ein durch künstliche Befruchtung<br />

gezeugtes gemeinsames Kind<br />

gross zu ziehen. Zwei separate Wohnungen<br />

in dem Haus sollten ermöglichen,<br />

dass jeder trotz der familiären<br />

Bindung sein eigenes Leben und seine<br />

Sexualität leben konnte. Dass dieses<br />

Konzept keine Chance hatte, ist<br />

Andreas heute klar. Für die neue Partnerin<br />

seiner Frau waren diese konstruierten<br />

Familien-Verhältnisse auf Dauer<br />

nicht akzeptabel, und als diese eine<br />

Eigentumswohnung erbte, verliess seine<br />

Frau das gemeinsame Haus und zog<br />

zu ihr. Nach nur drei Jahren wurde die<br />

Ehe geschieden, Andreas verkaufte<br />

das Haus, das er alleine nicht halten<br />

konnte, und entkam nur knapp der<br />

privaten Insolvenz.<br />

Das war nur einer der vielen Schritte<br />

auf seinem schwierigen Weg zu einem<br />

selbstbestimmten Leben. Schon<br />

einige Jahre zuvor ging er in seinem<br />

Dorf eine Beziehung mit einer Frau<br />

ein, um die ihn viele beneideten. Als<br />

er diese abbrach, weil er spürte, dass<br />

sie beide miteinander nicht glücklich<br />

würden, erntete er Unverständnis. Als<br />

sein Cousin nicht aufhörte, ihn nach<br />

den Ursachen für die Trennung zu fragen,<br />

offenbarte er ihm schliesslich den<br />

wahren Grund. Das machte schnell die<br />

Runde im Dorf. Geschwister und<br />

Freunde gingen auf Distanz, hinter<br />

seinem Rücken wurde geredet. Andreas<br />

fühlte sich zunehmend isoliert in der<br />

Dorfgemeinschaft. Dass er inzwischen<br />

als Servicetechniker für Reinigungs-<br />

FOTOS: THOMAS BORGMANN<br />

14 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>


anlagen auf Montage meist fern der<br />

Heimat eingesetzt wurde und nur noch<br />

am Wochenende zuhause war, erschien<br />

ihm wie eine Befreiung. Doch<br />

dann, auf dem Weg zu einem Einsatz<br />

in Paris, warf ihn ein schwerer Autounfall<br />

komplett aus der Bahn. Mehrere<br />

Brüche, unter anderem an der Hüfte,<br />

und dann noch eine bakterielle Infektion<br />

durch eine der 14 Operationen,<br />

setzten ihn acht Monate ausser Gefecht.<br />

Und auch für die Zukunft musste<br />

er komplett neu planen. Dass er<br />

nicht mehr Motorrad und Ski fahren<br />

darf, war das geringere Übel. Wegen<br />

«Andreas hat während<br />

seiner Militärzeit<br />

als Panzerschlosser<br />

gedient.»<br />

des Kraftaufwands für die 160 kg<br />

schweren Bauteile durfte er nicht nur<br />

seinen Job als Servicetechniker für<br />

Gabelstapler und Reinigungsanlagen<br />

nicht mehr ausüben, sondern musste<br />

generell starke körperliche Anstrengungen<br />

meiden, was quasi einer Berufsunfähigkeit<br />

entsprach.<br />

Mit sich selbst im Reinen – nach<br />

schwierigen Jahren hat Andreas seinen<br />

Weg gefunden<br />

Die Krise als Chance genutzt<br />

Empfohlen wurde ihm eine Umschulung<br />

zu einem Beruf für Bürotätigkeiten,<br />

doch das lehnte er ab. «Ich wollte<br />

auf jeden Fall wieder in einen technischen<br />

Beruf», erklärt Andreas. «Technik<br />

und Handwerken ist das, was ich<br />

am liebsten mache und was ich am<br />

besten kann.» Er entschloss sich für<br />

eine zweite Ausbildung als Elektroniker.<br />

Dass dies die richtige Entscheidung<br />

war, beweist, dass er schon gegen<br />

Ende der zweijährigen Ausbildung<br />

mehrere Jobangebote erhielt. «Gerade<br />

meine doppelte Ausbildung als Mechaniker<br />

und Elektroniker eröffnete<br />

mir viele Möglichkeiten», erklärt er.<br />

«Mechatroniker ist ein Beruf mit Zukunft.<br />

Da hab ich immer gute Chancen,<br />

auch wenn ich seit dem Unfall<br />

körperlich nicht mehr so fit bin.»<br />

Gleich nach der Umschulung fand er<br />

einen neuen Job als Servicetechniker<br />

bei einem Hersteller für Sicherheitstechnik.<br />

Hier installierte und programmierte<br />

er die Steuerung für das<br />

Personenschutzsystem von Hochregal-<br />

und Schmalgangstaplern – eine<br />

Arbeit, die weniger mechanische Anstrengung<br />

erfordert, sondern vor allem<br />

Programmiertätigkeit ist. Doch<br />

dann warf ihn nur acht Monate nach<br />

Dienstantritt ein psychischer Erschöpfungszustand<br />

erneut aus dem Rennen.<br />

«Entlastungsdepression» lautete die<br />

Diagnose, die ihn für 13 Wochen wieder<br />

in die Klinik brachte – eine Form<br />

der Depression, die nicht bei Belastung,<br />

sondern bei Entlastung nach einer<br />

Zeit der Überforderung auftritt.<br />

«Ich hab gekämpft, gekämpft und gekämpft,<br />

und irgendwann ging mir einfach<br />

die Kraft aus», erläutert er. In der<br />

Klinik hatte er Zeit, zur Ruhe zu kommen,<br />

sein Leben zu überdenken und<br />

neue Kräfte zu sammeln. Nach der Genesung<br />

empfing ihn sein Arbeitgeber<br />

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Serie | Mannsbild – Berufsbild<br />

vorbehaltlos. Keine Vorwürfe wegen<br />

der Erkrankung kurz nach der Einstellung,<br />

und auch die Kollegen sind froh,<br />

dass er wieder da ist und es ihm besser<br />

geht. Mit seiner Sexualität gibt es an<br />

diesem Arbeitsplatz keine Probleme.<br />

Um nicht wieder Versteck spielen zu<br />

müssen, hat sich Andreas bei seinem<br />

Arbeitgeber gleich zu Beginn geoutet.<br />

«Das ist Ihre Privatsache. Sie machen<br />

Ihren Job gut, der Rest interessiert<br />

mich nicht», gab ihm der Geschäftsführer<br />

des 25 Mitarbeiter zählenden<br />

Unternehmens zu verstehen. Das soziale<br />

Klima an seiner Arbeitsstelle ist<br />

Andreas mehr wert als das Gehalt.<br />

«Vielleicht könnte ich woanders noch<br />

mehr verdienen, aber die Akzeptanz<br />

und Kollegialität hier sind mir wichtiger»,<br />

meint er.<br />

Zu verbergen, dass er schwul ist,<br />

hätte an seinem neuen, 120 000 Einwohner<br />

zählenden Wohnort, in dem er<br />

seit sechs Jahren lebt, ohnehin nur<br />

wieder Druck gemacht. Andreas ist in<br />

dem dortigen schwul-lesbischen Zentrum<br />

sehr engagiert, und weil er jüngst<br />

erneut in den Vereinsvorstand gewählt<br />

wurde, tritt er hier beim CSD oder anderen<br />

Veranstaltungen in der Funktion<br />

auch öffentlich auf. In der Schwulengruppe<br />

schätzt man nicht nur seine<br />

handwerklichen Fähigkeiten, sondern<br />

vor allem auch sein Engagement. Er<br />

hat dadurch viele neue Freunde gefunden,<br />

bei denen er nicht mehr vorgeben<br />

muss, was er nicht ist. Das war wie ein<br />

Befreiungsschlag. «Ich war so heterofixiert<br />

und konnte mir lange nie vorstellen,<br />

von meinem Dorf wegzugehen,<br />

in dem ich 30 Jahre lang gewohnt<br />

habe. Heute bin ich an meinem neuen<br />

Wohnort mehr daheim, als ich es dort<br />

vielleicht je war», so sein Fazit. Aber<br />

auch der Kontakt zu seiner Familie hat<br />

sich inzwischen deutlich entspannt,<br />

seit Andreas das lebt, was er ist. Seine<br />

Schwester hat ihre Ablehnung seiner<br />

sexuellen Identität überwunden und<br />

schätzt mittlerweile, dass sie Dinge<br />

mit ihm besprechen kann, die sie bei<br />

anderen nur schwer zur Sprache<br />

bringt. Und sein Bruder, der an einer<br />

privaten Bibelschule Theologie studiert,<br />

hat ihn wissen lassen, dass er<br />

ihn segnen würde, wenn er einen<br />

Mann heiraten sollte – ein grosser<br />

Schritt in einem immer noch eher homophoben<br />

Umfeld. Viele Freunde von<br />

damals wollen jetzt mehr von seinem<br />

schwulen Leben erfahren. Die Berührungsängste<br />

verlieren sich, weil<br />

Andreas inzwischen so selbstverständlich<br />

damit umgeht und vorlebt,<br />

dass viele Bilder in manchen Köpfen<br />

überholte Klischees sind. «Früher hab<br />

ich gedacht, dass es mir gut geht,<br />

wenn es anderen gut geht», erklärt<br />

Andreas. «Heute weiss ich, dass es anderen<br />

gut gehen kann, wenn es mir<br />

gut geht.»<br />

<strong>Cruiser</strong> zeigt Männer im Berufsalltag.<br />

Dass Sexualität nichts mit der Berufswahl<br />

zu tun haben muss, beweisen unsere<br />

gestan denen Männer. Bisher portraitiert:<br />

Schiffbauingenieur, Maschinenbauer,<br />

Seelsorger, Farben- und Lackkaufmann.<br />

Hast du einen spannenden Beruf? Mail uns:<br />

redaktion@cruisermagazin.ch<br />

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PUBLIREPORTAGE<br />

Scharfe Wäsche, heiss verpackt. – Oder umgekehrt:<br />

Wie verpackt man etwas Scharfes heiss?<br />

Text: Haymo Empl<br />

Wenn wir im «<strong>Cruiser</strong>» jeweils Inserate bekommen, prüfen wir als Erstes<br />

immer die Internetseite der Inserenten. So haben wir das auch bei<br />

«GAY-STORE.CH» gemacht und ... oha – da gibt sich einer wirklich Mühe!<br />

FOTOS: HAYMO EMPL<br />

Ein sichtlich gut gelaunter Lars im Interview<br />

– Inhaber von «GAY-STORE.CH»<br />

(www.gay-store.ch)<br />

Die Internet-Seite mit Unterwäsche<br />

& Co. wirkt frisch, aufgeräumt und gar<br />

nicht schmuddelig. Fast schon clean.<br />

Und da uns das Konzept überzeugte<br />

(und gut: auch weil wir von den 15%<br />

Rabatt profitieren wollten), haben wirs<br />

ausprobiert. Allein die Sortimentsgestaltung<br />

im virtuellen Laden ist spannend.<br />

Es wird beispielsweise zwischen<br />

«Nachbarsjunge», «Naturbursche» oder<br />

«Romantiker» unterschieden. Entsprechend<br />

wird einem dann alles angeboten,<br />

was passen könnte. Klickt man<br />

also auf «Romantiker», wird einem unter<br />

anderem eine Lavendel-Massage-<br />

Duftkerze gezeigt. Richtig spannend<br />

ist aber das Underwear-Sortiment. Nur<br />

schon das kanadische Label «Pump»<br />

haut einen aus den Socken bzw. den<br />

alten Unterhosen (im Dreierpack gekauft<br />

bei Lidl – nicht schön!). Wir haben<br />

also bestellt – ein bisschen viel,<br />

man will ja vom Gratisversand profitieren<br />

– und staunten schon wieder.<br />

Die Artikel kamen in schwarzem Karton,<br />

beinahe edel (in der Damenwelt<br />

wird vermutlich Reizwäsche jeweils so<br />

verpackt) und wurden neugierig: Wer<br />

steckt hinter dem Portal? Wer gibt sich<br />

so viel Mühe und kann preislich der<br />

Konkurrenz die Tränen in die Augen<br />

treiben? Wir haben telefoniert und Inhaber<br />

Lars hat sich spontan bereit erklärt,<br />

sich mit uns im «Platzhirsch» zu<br />

treffen.<br />

<strong>Cruiser</strong>: Wie muss man sich denn so einen<br />

Versandhandel vorstellen? Stapeln<br />

sich da Schachteln und Kisten und tonnenweise<br />

Wäsche und Gadgets?<br />

Lars: Es ist manchmal schon etwas<br />

chaotisch. Aber wir sind eigentlich<br />

sehr gut organisiert und verfügen über<br />

ausreichend Platz. Wir haben tatsächlich<br />

alles an Lager bei uns, denn nur<br />

so können wir auch superschnell liefern.<br />

Du sprichst von «wir»?<br />

Ich könnte das alles alleine gar nicht<br />

schaffen, denn ich bin ja auch noch<br />

berufstätig. Ich entwickle Verpackungen<br />

und Verpackungsdesign für eine<br />

grosse Schweizer Firma. Bei grösseren<br />

Bestellungen hilft mir mein Freund.<br />

Und manchmal springen sogar die Eltern<br />

ein, wenn sie bei uns auf Besuch<br />

sind.<br />

Du bist aus Deutschland, aber schon<br />

lange in der Schweiz. Bestellen die<br />

Schweizer Gays anders als die Deutschen?<br />

Als mein Freund und ich damals eingewandert<br />

sind, haben wir natürlich<br />

viel über die Mentalität der Schweizer<br />

gehört und uns auch entsprechend informiert.<br />

Wir sind also nicht einfach<br />

so ausgewandert, wie man das von den<br />

einschlägigen TV-Sendungen kennt.<br />

Wir wussten daher, dass die Schweizer<br />

wohl preissensitiv sind, aber es<br />

herrscht hier nicht die «Geiz ist<br />

geil»-Mentalität.<br />

Wenn man auf deiner Webseite schaut,<br />

entdeckt man Marken, die uns teilweise<br />

noch gar nicht bekannt sind und die mit<br />

extrem tollen Schnitten und Wahnsinnsfeatures<br />

ausgestattet sind. Wie<br />

kommt man auf solche Hersteller?<br />

(Lacht) Das Thema an sich muss einen<br />

natürlich schon interessieren. Und<br />

manche Hersteller kontrollieren ihre<br />

Vertriebskanäle sehr genau. Es gibt<br />

beispielsweise Labels, die man förmlich<br />

anflehen muss, damit sie einen<br />

beliefern. Das darf man aber nicht zu<br />

ernst nehmen, das ist meistens einfach<br />

Teil einer Marketingstrategie. Mittlerweile<br />

haben wir uns aber – in doch<br />

sehr kurzer Zeit – auch bei den Lieferanten<br />

etabliert und können daher einige<br />

Marken in der Schweiz exklusiv<br />

anbieten.<br />

Hinweis:<br />

Als <strong>Cruiser</strong>-Leser kannst du noch bis 30.8.<br />

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Einfach im Gutscheinfeld auf der Webseite<br />

www.gay-store.ch das Wort «<strong>Cruiser</strong>»<br />

eingeben und von 15 % profitieren.<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 17


News | National<br />

Nationale News<br />

«Wir schauen natürlich nicht hinter jedes Gebüsch – aber wenn jemand<br />

quasi in aller Öffentlichkeit sexuell aktiv ist, schreiten wir ein.»<br />

{ }<br />

Adrian Feubli, Sprecher der Stadtpolizei, gegenüber «20 Minuten» über Sex auf der Werdinsel<br />

Umstrittene Pille für «Davor»<br />

Schweiz<br />

Kommt die Pille<br />

gegen HIV?<br />

Eine Studie der Fachhochschule<br />

Nordwestschweiz untersucht,<br />

ob ein PrEP-Medikament auch<br />

hierzulande zugelassen werden<br />

könnte.<br />

Bereits gibt es Medikamente, die eine<br />

HIV-Infektion minimieren können. Die<br />

Rede ist von der Prä-Expositions-Prophylaxe,<br />

oder kurz PrEP genannt. In den<br />

USA ist das Medikament bereits zugelassen.<br />

Dieses muss jedoch täglich eingekommen<br />

werden, wenn man sich auf diese<br />

Weise schützen will. In weiteren<br />

Ländern wird die Wirksamkeit derzeit<br />

getestet. Sicher ist, dass die Einnahme<br />

der Pille nicht ohne Nebenwirkungen ist.<br />

Die Fachhochschule Nordwestschweiz<br />

hat sich dieses Themas angenommen und<br />

lancierte eine Studie gezielt bei schwulen<br />

Männern, mit welcher geklärt werden<br />

soll, ob und wie der Bedarf hierzulande<br />

gegeben ist.<br />

Die anonyme Teilnahme ist unter<br />

www.prepstudy.ch zu finden.<br />

Parlament sagt Nein<br />

zur CVP-Initiative<br />

Der Ständerat folgt dem Nationalrat<br />

und lasst die Heiratsstrafe<br />

durchfallen.<br />

Mit 25 gegen 16 Stimmen hat die kleine<br />

Kammer die von der CVP lancierte Initiative<br />

«Für Ehe und Familie – gegen die<br />

Heiratsstrafe» zur Ablehnung empfohlen<br />

– wie vor ihr auch der Nationalrat.<br />

Laut «Pink Cross» ist die Initiative insofern<br />

nicht tragbar, als dass über verschiedene<br />

Themen abgestimmt werden<br />

soll: die Steuern, die Sozialversicherungen<br />

und die Definition des Begriffs<br />

«Ehe» in der Bundesverfassung. Die Definition<br />

der «Ehe» als eine «auf Dauer<br />

angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft<br />

von Mann und Frau»<br />

würde de facto den Zugang zu dieser<br />

Institution für homosexuelle Paare verunmöglichen.<br />

Verein gegen die<br />

«Ehe für alle»<br />

Konservative und kirchliche<br />

Kreise gründeten den Verein<br />

«Für eine traditionelle Familie».<br />

Laut «20 Minuten» wurde der Verein<br />

«Für eine traditionelle Familie» gegründet,<br />

um die drohende Homo-Ehe in der<br />

Schweiz zu verhindern. Ebenfalls ist ein<br />

Referendum gegen die Stiefkindadoption<br />

in Planung. Co-Präsident und<br />

EDU-Politiker Marco Giglio spricht von<br />

einer «Demontage der Familie» und von<br />

einer «Phalanx der Schwulen-Lobby».<br />

Im Verein finden sich weitere bekannte<br />

Namen wieder, u. a. die Nationalräte<br />

Jakob Büchler (CVP) und Verena Herzog<br />

(SVP). Bastian Baumann, Geschäftsleiter<br />

des Schwulen-Dachverbandes «Pink<br />

Cross», sagte gegenüber «20 Minuten»,<br />

er halte den Verein für eine verschlossene<br />

Gruppe, die die Zeichen der Zeit<br />

nicht erkannt habe.<br />

Offener Brief an<br />

Swissmedic<br />

«Pink Cross» fordert, dass<br />

schwule Männer wieder Blut<br />

spenden dürfen.<br />

«Pink Cross» sendet mit elf anderen<br />

Organisationen und Parteien und 30<br />

Politikern einen offenen Brief an Swissmedic<br />

und fordert darin die Behörde<br />

auf, den lebenslangen Ausschluss von<br />

Männern, die Sex mit Männern haben<br />

(MSM), aufzuheben. Seit 1977 wird,<br />

wer eine sexuelle Beziehung zu einem<br />

Mann hat, von der Blutspende ausgeschlossen.«Verbote,<br />

die der Sicherheit<br />

dienen, machen Sinn. Verbote, die<br />

auf eine alte Faktenlage oder eine antiquierte<br />

Haltung gründen, sind dis -<br />

kri minierend», sagt Bastian Baumann,<br />

FOTOS: FOTOLIA (2)<br />

18 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>


Dürfen bald auch schwule Männer<br />

Blut spenden?<br />

Geschäftsleiter von «Pink Cross». Auch<br />

der Europäische Gerichtshof hält in einem<br />

Urteil vom 29. April <strong>2015</strong> fest,<br />

dass der generelle Ausschluss von MSM<br />

unzulässig ist, sofern wirksame Techniken<br />

zum Nachweis von HIV erlauben, ein<br />

hohes Gesundheitsschutzniveau der<br />

Blutspendeempfänger sicherzustellen.<br />

Dies ist in der Schweiz der Fall.<br />

Sébastien Nendaz erklärte gegenüber<br />

der Presse, dass der Umzug nichts zu<br />

wünschen übrig liess. Die Pius-Bruderschaft<br />

hingegen rief im Vorfeld der<br />

Gay-Pride zur Gegendemonstration auf,<br />

blieb dem Anlass aber fern. Allerdings<br />

verkündete sie medienwirksam, dass sie<br />

sich künftig eine Sittenpolizei wünsche.<br />

Zürich<br />

Werdinsel im Fokus<br />

der Polizei<br />

Das Eiland steht auch bei der<br />

Zürcher Gay-Community hoch<br />

im Kurs.<br />

Die Polizei führt ab sofort vermehrt<br />

Kontrollen auf der Werdinsel durch.<br />

Dies, obwohl Sex im öffentlichen Raum<br />

generell nicht verboten ist. Roman Thür,<br />

Kreischef, sagte gegenüber der Zeitung<br />

«Zürich Nord», dass die Polizei bereits im<br />

letzten Jahr 30 Personen aus den Büschen<br />

holen musste. Alexander Jäger,<br />

Präsidenten des Quartiervereins, will<br />

wissen, dass sich manche gar nicht mal<br />

Mühe geben, sich richtig zu verstecken.<br />

Also werden die Kontrollen verstärkt.<br />

Zwischen Juni und August werden an<br />

zwölf Wochenenden Doppelpatrouillen<br />

unterwegs sein. Man wolle dabei mit Augenmass<br />

vorgehen, aber auf Anzeigen<br />

werde man weiterhin eingehen.<br />

Erfolgreiche Pride<br />

in Zürich<br />

35 000 Besucher für «Gleichstellung<br />

ohne Grenzen»<br />

Das Zurich Pride Festival auf dem<br />

Kasernenareal und dem Zeughaushof<br />

lockte 35 000 Besucherinnen und Besucher<br />

an, wie die Organisatoren mitteilten.<br />

Ein Showprogramm, zahlreiche Bars,<br />

Verpflegungs- und Infostände trugen zu<br />

einem umfangreichen Programm bei.<br />

Mit einer einmaligen Sensation startete<br />

der diesjährige Demonstrationsumzug:<br />

Das Zurich Pride Team eröffnete die Parade<br />

mit elf Botschafterinnen und Bostchaftern,<br />

welche den Umzug anführten.<br />

Insgesamt wurden 16 000 Personen gezählt,<br />

die friedlich durch die Innenstadt<br />

von Zürich zogen und auf das Motto<br />

«Gleichstellung ohne Grenzen» aufmerksam<br />

machten. (DD)<br />

Die Pride <strong>2015</strong>: Schrille Vögel, bunte Hunde und 35 000 BesucherInnen<br />

Sion<br />

8000 Besucher an<br />

der «Pride Valais»<br />

Die zweite LGBT-Demonstration<br />

in Sion erwies sich als voller<br />

Erfolg.<br />

Unter dem Motto «Ich will dir sagen. Ich<br />

liebe ... das Wallis» kamen im Juni 5000<br />

Teilnehmende und 3000 Schaulustige<br />

zusammen, um friedlich für die Gleichberechtigung<br />

von Schwulen und Lesben<br />

zu demonstrieren. Die Organisatoren<br />

wollten nicht nur die Vorurteile über<br />

die Stereotypen der Szene abbauen,<br />

sondern mit dem Slogan auch für ihre<br />

Heimat werben. Man sei stolz auf<br />

ein «aufgeschlossenes Wallis». Sprecher<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 19


News | International<br />

Internationale News<br />

«Wenn wir die Flagge einer Organisation erlauben, dann müssen wir auch<br />

die von anderen erlauben.»<br />

{ }<br />

Der schwedische Christdemokrat Morgan Emgardsson über die Regenbogenflagge im Vergleich zur Nazifahne<br />

auf dem Maidan und dem Beginn der<br />

Kämpfe in der Ost-Ukraine war dies die<br />

erste Gay-Kundgebung im Land.<br />

Vatikan<br />

«Eine Niederlage<br />

für die Menschheit»<br />

Das wuchtige Ja der Irländer<br />

zur «Ehe für alle» wurde vom<br />

Vatikan verurteilt.<br />

Die Gay-Pride in Tel Aviv war ein voller Erfolg<br />

Israel<br />

180 000 Besucher<br />

an der Gay-Pride<br />

Die diesjährige Gay-Parade in<br />

Tel Aviv darf als grosser Erfolg<br />

verbucht werden.<br />

Die 17. Gay-Pride in Tel Aviv stellte die<br />

Solidarität mit Transpersonen in den<br />

Mittelpunkt. Die bunte und friedliche<br />

Parade zog laut der Polizei mehr als<br />

100'000 Menschen an, während die<br />

Veranstalter von 180 000 Besucher<br />

sprechen. Als Ehrengast wurde Caitlyn<br />

Jenner eingeladen, die jedoch nicht<br />

teilnehmen konnte. ESC-Gewinnerin<br />

Conchita Wurst vertrat sie würdig:<br />

«Was Caitlyn getan hat, war ein tolles<br />

Vorbild für alle Transmenschen weltweit»,<br />

so die bärtige Sängerin. Tel Aviv<br />

selbst gewann mit der Gay-Pride an<br />

neuen Sympathien. Viele Besucher lobten<br />

laut Medienberichten die lokale Offenheit<br />

und Toleranz.<br />

Ukraine<br />

Verletzte bei<br />

Gay-Pride<br />

In Kiew gingen ca. 200 Schwule<br />

und Lesben auf die Strasse, um<br />

für ihre Rechte zu demonstrieren.<br />

Die Kundgebung, die ausserhalb des<br />

Stadtzentrums stattfand, verlief alles<br />

andere als friedlich, wie «Zeit Online»<br />

schrieb. Vermummte Ultranationalisten<br />

versuchten, den Anlass mit Knallkörpern<br />

und Knüppeln aufzulösen. Bei den<br />

Auseinandersetzungen wurden fünf Polizisten<br />

verletzt – es folgten 25 Festnahmen.<br />

Im Vorfeld der Parade hatte<br />

der Bürgermeister von Kiev, Ex-Boxer<br />

Vitali Klitschko, die Organisatoren aufgefordert,<br />

die Veranstaltung abzusagen,<br />

aus Angst vor Gewalt. Anders Präsident<br />

Petro Poroschenko, der das Demonstrieren<br />

als «verfassungsmässiges Bürgerrecht»<br />

bezeichnete. Seit den Protesten<br />

Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin<br />

hat bei einer Veranstaltung in Rom laut<br />

Presseberichten zum irischen Volksentscheid<br />

klare Worte gefunden: «Ich glaube,<br />

man kann nicht nur von einer Niederlage<br />

der christlichen Prinzipien,<br />

sondern von einer Niederlage für die<br />

Menschheit sprechen». Die katholische<br />

Kirche wolle weiterhin die Familie verteidigen,<br />

so Parolin.<br />

Grönland<br />

Grönland sagt Ja<br />

Die Homo-Ehe tritt am<br />

1. Oktober <strong>2015</strong> in Kraft.<br />

In Grönland hat das Parlament mit<br />

27 Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen<br />

entschieden, dass die Ehe ab Oktober<br />

auch für Lesben und Schwule geöffnet<br />

wird. Damit wird auch das bislang gültige<br />

Partnerschaftsgesetz per 1. Oktober<br />

aufgelöst. Das neue Gesetz erlaubt es,<br />

neben der Stiefkindadoption, die bereits<br />

möglich war, in den Kirchen zu heiraten.<br />

Wie das reguläre Adoptionsrecht umgesetzt<br />

wird, gilt es abzuwarten. Die<br />

rechtliche Umsetzung wird sich nach<br />

Dänemark richten – Grönland ist ein autonomer<br />

Bestandteil des Königreichs.<br />

FOTOS: LIVE BALL (1), VANGARDIST (1), ZVG (1)<br />

20 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>


Mexico<br />

Ehe-Verbot ist<br />

verfassungswidrig<br />

Das Oberste Gerichtshof stellte<br />

klar, dass die Homo-Ehe nicht<br />

verweigert werden darf.<br />

In Mexiko wurden die Bundesstaaten<br />

vom Obersten Gerichtshof darauf hingewiesen,<br />

dass es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

in der Bundesverfassung<br />

verstösst, wenn sie gleichgeschlechtlichen<br />

Paaren die Ehe verwehren. Schwule<br />

und Lesben dürfen damit eine Ehe vor<br />

dem Amtsgericht erzwingen. Die katholische<br />

Kirche hingegen protestierte lautstark<br />

gegen das Urteil.<br />

Paraguay<br />

Der Papst wird<br />

LGBT-Organisation<br />

besuchen<br />

Auf der Lateinamerika-Reise<br />

des Kirchenoperhauptes kommt<br />

es zu einer Premiere.<br />

Papst Franziskus wird im Juli Lateinamerika<br />

bereisen und auch in Paraguay<br />

Halt machen. Dort wird zum ersten Mal<br />

in der Geschichte der katholischen Kirche<br />

eine LGBT-Organisation zum offiziellen<br />

Gespräch mit einem Papst eingeladen.<br />

Das Treffen mit «SomosGay» wird<br />

am 11. Juli in der Hauptstadt Asunción<br />

stattfinden. Als Grund für die Einladung<br />

wurde der «hohe Einfluss» der Organisation<br />

auf die Bevölkerung genannt.<br />

Marokko<br />

«Sollte man Homos<br />

verbrennen?»<br />

Ein marokkanisches Magazin rief<br />

zum vermeintlichen Mord auf.<br />

Wie provokativ darf eine Schlagzeile sein?<br />

Das wöchentliche Magazin «Maroc<br />

Hebdo» betitelte eine seiner Juni-Ausgaben<br />

mit «Faut-il brûler les homos?»<br />

(Sollte man die Homos verbrennen?)<br />

Eine Welle der Empörung aus dem Inund<br />

Ausland war die Folge. Anlass für<br />

den als vermeintlichen Aufruf zum<br />

Mord bezeichneten Titel ist eine Initiative<br />

des marokkanischen Gesundheitsministeriums,<br />

welche Homosexualität<br />

legalisieren will – bislang stehen für<br />

gleichgeschlechtlichen Sex bis drei Jahre<br />

Gefängnis auf dem Programm. Das Magazin<br />

liess in einer Stellungnahme verlauten,<br />

dass man lediglich eine Debatte<br />

auslösen wollte. Trotzdem wurde das<br />

Magazin aus dem Verkauf genommen.<br />

Norwegen<br />

Homoerotisches<br />

Video in Kirche<br />

Popsänger Tooji Keshtkar<br />

löst nicht nur bei der Kirche<br />

Kopfschütteln aus.<br />

Das etwas misslungene Coming-out des<br />

einstigen Eurovision-Song-Contest-Teilnehmers<br />

Tooji Keshtkar sorgt für rote<br />

Köpfe. Der Sänger mit iranischen Wurzeln<br />

nutzte die Gunst der Stunde, um<br />

sich mit seinem neuen Musikvideo zur<br />

Single «Father» der Welt mitzuteilen.<br />

Dumm nur, dass dies in der Kirche und<br />

mit küssenden Geistlichen inszeniert<br />

wird. Am Ende wachsen den Liebenden<br />

Flügel. Der Bischof von Oslo bezeichnete<br />

das Video als «völlig inakzeptabel».<br />

Tooji Keshtkar provoziert<br />

Deutschland<br />

IGLFA-Fussball-EM<br />

war ein Erfolg<br />

Beim schwul-lesbischen Sportanlass<br />

gewannen «Vorspiel Berlin»<br />

und eine russische Frauen-Mannschaft.<br />

Im Juni gingen in Hamburg die dritten<br />

Europameisterschaften des schwul-lesbischen<br />

Fussballverbandes IGLFA über<br />

die Bühne. Innerhalb von zwei Tagen<br />

spielten 30 europäische Vereine und<br />

rund 400 Spielerinnen und Spieler in<br />

drei Männer- und einer Frauendivision<br />

um die Titel. Als Sieger bei den Männern<br />

gingen «Vorspiel Berlin», das «Dream<br />

Team Cologne» und die «Stuttgart Allstars»<br />

hervor. Bei den Frauen gewann der<br />

FC Krylya aus Moskau. Die Pokale wurden<br />

von Thomas Hitzlsperger überreicht.<br />

USA<br />

Prediger fordert<br />

LGBT-Boykott<br />

Der evangelikale Pastor Franklin<br />

Graham holt zum Rundumschlag<br />

an.<br />

Der umstrittene Prediger<br />

Franklin Graham<br />

Auf Facebook rief der vielleicht bekannteste<br />

Prediger der USA, Franklin<br />

Graham, seine Schäfchen dazu auf, keine<br />

Geschäfte mehr mit Organisationen<br />

zu machen, die der LGBT-Comunnity<br />

nahe stehen, wie etwa mit Tiffany &<br />

Co., die mit einem schwulen Paar für<br />

Eheringe wirbt. Der Pastor ist der Sohn<br />

des 96-jährigen Erweckungspredigers<br />

Billy Graham, dessen «Evangelistic Association»<br />

eine weltweite Missionierung<br />

zum Ziel haben soll. (DD)<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 21


Serie | Homosexualität in Geschichte<br />

und Literatur<br />

Stille Glut und<br />

Stichflammen<br />

Text: Alain Sorel<br />

Zwei Cousins erleben einen Nervenkitzel auf einer Brücke hoch über der<br />

Seine. Die Wege zweier Hotelgäste in Venedig kreuzen sich immer wieder.<br />

Der Dschungel der Gefühle lauert in Städten und man kann sich darin<br />

hoffnungslos verlieren.<br />

Tadzio und von Aeschbach in der 1971er Verfilmung von Thomas Manns<br />

«Tod in Venedig»<br />

Denis und Claude sind zwei Cousins,<br />

Denis ist acht, Claude ist dreizehn. Sie<br />

leben unter einem Dach. Der Schauplatz:<br />

Paris.<br />

Ein anderer Handlungsort: Venedig.<br />

Der alternde Gustav von Aschenbach<br />

verbringt hier seine Ferien – im selben<br />

Hotel wie der etwa 14-jährige Tadzio.<br />

Die Liebe von Knaben und zu Knaben<br />

haben zwei Schriftsteller von Rang<br />

zum Thema gemacht: Julien Green beschreibt<br />

in seinem Roman «Der andere<br />

Schlaf» das Heranreifen von Denis,<br />

Thomas Mann in seiner Novelle «Der<br />

Tod in Venedig», 1971 meisterhaft verfilmt<br />

von Luchino Visconti, die Geschichte<br />

eines Mannes, dessen Reife<br />

ihn nicht vor einer starken Verwirrung<br />

der Gefühle schützt. Greens Text<br />

erschien 1931, die Wunden des Ersten<br />

Weltkrieges waren noch nicht vernarbt<br />

und acht Jahre später sollte<br />

schon der Zweite beginnen. Manns<br />

Novelle entstand 1911 / 1912, am Vorabend<br />

des ersten grossen Krieges in<br />

Europa im letzten Jahrhundert, jenem<br />

von 1914 bis 1918.<br />

Leiden am Jahrhundert<br />

Das 20. Jahrhundert hatte es in sich, es<br />

war eines im Umbruch. Green, Sohn<br />

US-amerikanischer Eltern in Paris, der<br />

auf Französisch schrieb, durchmass es<br />

mit seiner Lebensspanne von 1900 bis<br />

1998 fast in seiner Gesamtheit; Mann,<br />

1875 in Lübeck geboren, starb 1955.<br />

Beide litten an diesem Jahrhundert:<br />

Sie sahen Staaten, Blöcke und Bündnisse<br />

kommen und gehen, totalitäre<br />

Systeme wie den Nationalsozialismus<br />

entstehen, den sie entschieden bekämpften:<br />

Green in der Résistance,<br />

Mann aus dem Exil. Sie mussten mit<br />

ihrer Homosexualität zurecht kommen,<br />

die angesichts strenger Normen<br />

und Konventionen noch weitherum<br />

geächtet war. Eine literarische Verarbeitung<br />

dieser Bedrängnis war für<br />

Green und Mann, der verheiratet und<br />

Vater von sechs Kindern war, naheliegend.<br />

Greens Hauptfigur, der schmächtige,<br />

scheue Denis, ein Stadtmensch,<br />

wird im Roman von einem Typen ganz<br />

anderen Zuschnitts angezogen: Claude<br />

ist verwegen, von ausgesprochener<br />

Wildheit in Auftreten und Kleidung,<br />

ihn umgibt ein Hauch von frischer<br />

Luft, von Wiesen und Wäldern, er ist<br />

ein Kind der Natur. Er ist ein kräftiger<br />

Bursche mit manchmal durchaus<br />

rohen Anwandlungen, die aber eine<br />

bestimmte Grenze nie überschreiten.<br />

Denis wird in seiner kindlichen Verletzlichkeit<br />

vom Verhalten Claudes anfänglich<br />

sehr erschreckt. Dann wird<br />

Claude als eine Art Vorbild empfunden,<br />

bis Denis merkt, dass er wieder<br />

erschrickt, weil sich seine Einstellung<br />

zu Claude weiter ändert. Langsam,<br />

FOTOS: PD<br />

22 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>


ganz langsam, von ihm selbst fast unbemerkt,<br />

entwickelt der Jüngere tiefere<br />

Gefühle für den Älteren.<br />

Thomas Manns Geschöpfe ähneln<br />

sich in ihrem Wesen bis zu einem gewissen<br />

Grad. Der kultivierte Aschenbach,<br />

bezeichnenderweise ein Schriftsteller<br />

wie sein Schöpfer Thomas<br />

Mann, verliebt sich in den scheuen,<br />

feingliedrigen Tadzio, der Ästhet in<br />

den Jüngling, der von engelgleicher<br />

Schönheit ist.<br />

«Langsam entwickelt<br />

der jüngere Knabe<br />

tiefere Gefühle für den<br />

älteren.»<br />

Mutprobe auf der Brücke<br />

Claude ist ein Waisenkind und von<br />

Tante und Onkel, Denis’ Eltern, aufgenommen<br />

worden. Das Schlüsselerlebnis<br />

hat Denis an jedem zweiten Sonntag,<br />

an dem Claude auf Bitten der<br />

Erwachsenen mit ihm ausgeht. Es<br />

kommt stets der Moment, in dem beide<br />

in Paris eine Brücke, den Pont d’Iéna,<br />

überqueren.<br />

Was sich ereignet, ist wie ein Ritual:<br />

Claude packt Denis und hebt ihn<br />

über die Steinbrüstung. Nur die Hände<br />

des Dreizehnjährigen können den jüngeren<br />

Knaben vor einem Sturz in die<br />

Fluten der Seine bewahren. Aber er<br />

will ihm ganz offensichtlich nichts<br />

zuleide tun. Für beide ist die Sache<br />

eine Mutprobe. Sie werden mit Ängsten<br />

konfrontiert. Und sie halten gegenüber<br />

den Erwachsenen dicht. Sie haben<br />

ein Geheimnis miteinander, eine<br />

stille Komplizenschaft in einer schwierigen<br />

Familiensituation.<br />

Die Liebe zwischen den Generationen<br />

ist abwesend in diesem Haus.<br />

Green entwirft das Bild von Eltern, die<br />

müde – weil überanstrengt – sind vom<br />

täglichen Kampf ums Dasein. Die emotionalen<br />

Alarmsignale der zwei Jungen,<br />

die eigentlich ihre Schutzbefohlenen<br />

sein sollten, nehmen die<br />

Erwachsenen auf eine höchstens unbeholfene<br />

Weise wahr. Claudes spöttische<br />

Haltung markiert Distanz, die<br />

sich rapide vergrössert, und er wird<br />

die Konsequenzen ziehen. Denis erkennt<br />

es, und er selber empfindet<br />

schnell einmal nur noch Verachtung<br />

und Kälte für seine Eltern. Aber auch<br />

er sucht sich bald recht autonom seinen<br />

Weg ins Leben.<br />

Tag und Traum<br />

Denis: Das ist die Geschichte eines<br />

Jungen, dessen sexuelles Bewusstsein<br />

erwacht. Jeder solche Weckruf an den<br />

Eros besiegelt das Ende einer Kindheit.<br />

Green schildert auf subtile, feinfühlige<br />

Weise ein jugendliches Pendeln<br />

zwischen Imagination und Wirklichkeit,<br />

zwischen Tag und Traum. Denis<br />

erlebt Tagträume. Ist unser Wachzustand<br />

eine Illusion? Ein «anderer<br />

Schlaf»? Und was geschieht mit uns in<br />

dem allen vertrauten nächtlichen<br />

Schlaf?<br />

In den Ferien betrachtet der am<br />

Fenster stehende Knabe in den frühen<br />

Morgenstunden erstmals bewusst den<br />

noch schlafenden Claude und nimmt<br />

ihn mit einem andern Blick wahr als<br />

bisher. Nie wird er diese Szene vergessen.<br />

«In seinem tiefen Schlaf erschien<br />

er als die Kraft in Person. Nichts, was<br />

dieses glückselige Atmen störte. Ich<br />

sah seine Züge nicht, aber eine dunklere<br />

Stelle auf seinem Gesicht bezeichnete<br />

die Stelle, wo das Blut seine braunen<br />

Wangen belebte.» Das eine Bein,<br />

«lang und kräftig, leuchtete aus dem<br />

Dämmerlicht, wobei sich die einzelnen<br />

Muskeln abzeichneten, und wirkte auf<br />

der Weisse des Betts beinahe schwarz.»<br />

Manchmal kündigt sich etwas an,<br />

bräuchte aber Zeit, um sich zu entfalten.<br />

Besonders, wenn es von der Allgemeinheit<br />

nicht akzeptiert ist. Doch<br />

Denis und Claude verlieren sich aus<br />

den Augen. Der Erste Weltkrieg naht.<br />

Claude verpflichtet sich zum Militärdienst<br />

und meldet sich danach nicht<br />

mehr bei der mittlerweile verwitweten<br />

Mutter von Denis oder diesem selber.<br />

Die Schriftsteller<br />

Thomas Mann (1875–1955) und<br />

Julien Green (1900–1998)<br />

Claudes Bild verblasst, bekommt aber<br />

neuen Glanz bei der Beisetzung von<br />

Denis’ Mutter. Denn Claude ist zur<br />

Trauerfeier angereist. Und bringt Denis<br />

mit seiner blossen Anwesenheit<br />

gewaltig aus dem Konzept. Das ist nur<br />

möglich, weil der Ältere ihm nicht<br />

gleichgültig ist. Und Claude, von dessen<br />

Militärdienst nichts berichtet<br />

wird, hat sich nie gemeldet, weil er<br />

glaubte, der Jüngere habe kein Interesse<br />

an ihm. Er war also enttäuscht,<br />

doch enttäuscht ist ein Mensch nur<br />

von jemandem, von dem er sich mehr<br />

erhofft hat.<br />

Es kommt zu rührenden Signalen<br />

von Denis. Er nimmt Claudes Hand, als<br />

dieser seine Abreise ankündigt, lässt<br />

sie nicht los – und der andere entzieht<br />

sie ihm auch nicht. Denis wird erstmals<br />

bestimmend gegenüber Claude,<br />

sagt ihm, dass er ihn nicht gehen lassen<br />

will und dass er mit ihm einen<br />

Ausflug in ihre Jugendzeit, in das Ferienhaus<br />

von damals, machen will. Ein<br />

aufschlussreicher Vorschlag, denn<br />

dort hat er ihn ja seinerzeit beobachtet.<br />

In jenem Zimmer flüstert er ihm<br />

denn auch zu: «Erinnerst du dich? Hier<br />

haben wir geschlafen.» Das klingt verdächtig<br />

danach, als hätte er den Satz<br />

eigentlich ganz anders formulieren<br />

wollen …<br />

«Denis nimmt<br />

Claudes Hand, lässt sie<br />

nicht los.»<br />

Aber der Mut verlässt Denis, seine<br />

Glut bleibt verborgen. Und Claude erlöst<br />

ihn nicht. Er lächelt ihm nur<br />

manchmal zu, als durchschaue er ihn.<br />

Kühner wird Denis erst wieder, als<br />

Claude im Freien einschlummert. Dieses<br />

Mal beobachtet er ihn nicht nur,<br />

sondern lässt seinen Schatten über<br />

Wangen und Mund des andern streifen.<br />

Für Denis eine «geheimnisvolle<br />

Berührung». Aber ein Befreiungsakt<br />

ist das noch lange nicht. Wir sind halt<br />

in der Anfangsepoche des 20. Jahrhunderts.<br />

Einmalige Chancen<br />

Was wäre geschehen, wenn …? Diese<br />

Frage stellen sich jene oft, bei denen<br />

sich eine Liebschaft nicht hat konkretisieren<br />

lassen, sei es widriger Zeitum-<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 23


Serie | Homosexualität in Geschichte<br />

und Literatur<br />

stände wegen oder weil die innere<br />

Freiheit fehlte, etwas auszuleben. Wir<br />

wissen nicht, ob Claude und Denis eines<br />

Tages doch noch zusammengefunden<br />

hätten; der schmale Roman hört<br />

damit auf, dass sich Denis in jenem<br />

Garten des Ferienhauses von Claude<br />

wieder entfernt. Wie viele haben wohl<br />

schon den Schmerz einer verpassten<br />

Chance in Herzensangelegenheiten<br />

durchmachen müssen? Weil sie eine<br />

günstige Konstellation haben vorbeiziehen<br />

lassen, und solche Situationen<br />

die Eigenheit haben, dass sie sich nie<br />

wiederholen. Denis sagt sich nur, dass<br />

auch nach ihm immer wieder junge<br />

Männer ihre Chance bekommen werden,<br />

und ihn streift bei dieser Erkenntnis<br />

ein Hauch von Vergänglichkeit –<br />

viel zu früh für sein Alter.<br />

Szenenwechsel. Aschenbach, der<br />

Schriftsteller und Künstler in Thomas<br />

Manns «Tod in Venedig», ist zwar neugierig<br />

und offen für Neues, aber in<br />

überschaubarem Rahmen. Sein Leben<br />

ist an sich fest gefügt. Der Witwer ist<br />

Vater einer erwachsenen Tochter, beruflich<br />

arriviert und will jetzt einfach<br />

wieder mal ausspannen. Doch das<br />

wird nicht gelingen, er gerät in einen<br />

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gefährlichen Taumel der Gefühle. Der<br />

Grund dafür ist Tadzio, der zu einer<br />

polnischen Familie gehört, die ebenfalls<br />

im Bäderhotel abgestiegen ist.<br />

Schritt für Schritt, Seite für Seite ist<br />

das Protokoll des Verfalls nachzuvollziehen,<br />

dessen Opfer Aschenbach<br />

wird. Thomas Manns Sprache ist elegant<br />

und brillant bei jenen Stellen, bei<br />

denen er den Ablauf der Ereignisse<br />

ausbreitet. Er wusste genau, wovon er<br />

schrieb.<br />

Mehr und mehr nimmt der Schöne,<br />

wie Mann Tadzio oft nennt, das Denken<br />

und Trachten des älteren Reisenden<br />

gefangen. Aschenbach verfolgt<br />

ihn durch die Gassen der Stadt, er<br />

sieht ihm zu beim Baden und beim<br />

Spiel mit seinen Altersgenossen und<br />

seine Augen nehmen natürlich auch<br />

den Ringkampf voll unterschwelliger<br />

Erotik wahr, den ein Bursche namens<br />

Jaschu Tadzio aufzwingt, um ihn für<br />

sich zu gewinnen.<br />

«Ich liebe dich!»<br />

Mit Macht, mit Gewalt, bricht sich eine<br />

Veranlagung in Aschenbach Bahn,<br />

die nie ausgelebt wurde, eine Lust, die<br />

er sich selbst verboten hatte. Seine<br />

Leidenschaft schiesst empor wie eine<br />

Stichflamme. Aschenbach macht auf<br />

jung, geht ständig zum Coiffeur und<br />

merkt nicht, wie er seine Würde verliert.<br />

Wie zur Untermalung dieses Zustands<br />

bricht in Venedig die Indische<br />

Cholera aus; die Dekadenz dieser Stadt<br />

und die Morbidität einer verwöhnten<br />

Gesellschaftsschicht sind mit Händen<br />

greifbar. Venedig wird zum Brennpunkt<br />

eines vielschichtigen Untergangs.<br />

Tadzio kann nicht hören, wenn der<br />

total von seiner Leidenschaft überwältigte<br />

Aschenbach die «stehende Formel<br />

der Sehnsucht» flüstert – «unmöglich<br />

hier, absurd, verworfen, lächerlich<br />

und heilig doch, ehrwürdig auch hier<br />

noch: ‹Ich liebe dich!›»<br />

Und dennoch kommt es zu einem<br />

Kommunikationsaustausch zwischen<br />

Aschenbach und Tadzio – via Blicke.<br />

Dem Jungen sind die Nöte des älteren<br />

Mannes nicht verborgen geblieben<br />

und er scheint mit ihnen zu kokettieren.<br />

Wenn dann Aschenbachs Herz<br />

bricht, buchstäblich bricht, gibt er ihm<br />

einen Fingerzeig.<br />

Der Roman «Der andere Schlaf» und die<br />

Novelle «Der Tod in Venedig» sind über<br />

Buchhandel und Internet greifbar.<br />

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in Geschichte<br />

und Literatur<br />

Mehr oder weniger versteckt findet<br />

sich das Thema Männerliebe in der<br />

Weltgeschichte, in antiken Sagen und<br />

traditionellen Märchen – in der Literatur<br />

ganz allgemein – immer wieder.<br />

<strong>Cruiser</strong> greift einzelne Beispiele heraus,<br />

würzt sie mit etwas Fantasie, stellt sie<br />

in zeitgenössische Zusammenhänge und<br />

wünscht bei der Lektüre viel Spass –<br />

und hie und da auch neue oder zumindest<br />

aufgefrischte Erkenntnisse. Die<br />

vierte Folge befasst sich mit zwei<br />

Dichterwerken, in deren Mittelpunkt<br />

Knaben stehen.<br />

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Interview | Claudia Meier<br />

«Es gibt noch viel zu tun für<br />

uns Transmenschen!»<br />

Text: Dani Diriwächter<br />

Dank der Metamorphose von Bruce in Caitlyn Jenner ist die moderne<br />

Transfrau von heute auch im Mainstream angelangt. Doch verklärt sie<br />

fernsehgerecht die Wahrheit? Wir sprachen mit Claudia Meier, einer<br />

erfolgreichen Transfrau, über Caitlyn und die Realität.<br />

«Echt, sexy, stark und<br />

lebensfroh gelten nicht<br />

unbedingt als Attribute<br />

einer Transfrau.»<br />

Es war ein Akt der Befreiung, als sich<br />

das Familienoperhaupt der TV-Familie<br />

Kardashian medienwirksam auf dem<br />

Juni-Titel der «Vanity Fair» als Caitlyn<br />

Jenner vorstellte. Kultfotografin Annie<br />

Leibowitz rückte die 65-Jährige ins<br />

vorteilhafte Licht – eine atem beraubende<br />

Schönheit war geboren. Menschen<br />

auf der ganzen Welt zeigten sich<br />

hingerissen, selbst Präsident Barack<br />

Obama zollte Caitlyn Jenner via Twitter<br />

Respekt. Wohl noch nie wurde die<br />

optische Angleichung einer Transperson<br />

so sehr erwartet wie die von Bruce<br />

an Caitlyn Jenner. Dabei fiel der einstige<br />

Leichtathlet im Zehnkampf in<br />

jüngster Zeit eher als Staffage in der<br />

TV-Serie «Keeping up with the Kardashians»<br />

auf. Als in sich gekehrter und<br />

wenig schriller Vater von Kim und Co.<br />

wurde ihm nicht viel Aufmerksamkeit<br />

geschenkt. Als allerdings gemunkelt<br />

wurde, dass der Olympia- Gewinner<br />

eine Transfrau sein könnte, richteten<br />

sich die Scheinwerfer auf Bruce.<br />

Bruce ist heute Geschichte – Caitlyn<br />

Jenner hat das Sagen. Sie erscheint in<br />

den Medien als echt, sexy, stark und<br />

lebensfroh. Attribute, die das Mainstreampublikum<br />

bislang so von einer<br />

Claudia Meier: Eine lebensfrohe und<br />

powergeladene Transfrau<br />

Transfrau nicht unbedingt wahrgenommen<br />

hat. Doch verklären Fotoshop<br />

und Marketingstrategie die Realität?<br />

Hilft der schöne Schein einer Caitlyn<br />

Jenner den Transmenschen? Wir haben<br />

mit Claudia Meier (45) über diese<br />

Themen gesprochen. Als Transfrau<br />

stand sie schon einige Male im Fokus<br />

der Medien. Nicht zuletzt wegen ihres<br />

Kampfes für die Namens- und Personenstandsänderung<br />

(siehe Box).<br />

<strong>Cruiser</strong>: Wie erlebst du den Medienrummel<br />

um Caitlyn Jenner?<br />

Claudia Meier: Bereits im letzten Jahr<br />

tauchten diverse Gerüchte und Fotos<br />

auf, dass Caitlyn möglicherweise<br />

«trans» sein könnte, daher war ich<br />

kaum überrascht. Dass es in einem<br />

solchen Fall einen Rummel gibt, dürfte<br />

klar sein – ich habe das als Hotelier/<br />

ère des bekanntesten Hotels in der Region<br />

Gantrisch-Gurnigel selbst erlebt.<br />

Wie reagiert man auf einen solchen<br />

Rummel?<br />

Faktisch ergibt sich daraus lediglich<br />

die Konsequenz, offen zu kommunizieren<br />

– ein Dementieren oder Geheimhalten<br />

funktioniert in aller Regel<br />

nicht, wenn man nicht gerade unbekannt<br />

ist. Sich den Medien zu verweigern,<br />

wäre in einem solchen Fall meines<br />

Erachtens sogar kontraproduktiv.<br />

Caitlyn wirkte als Bruce eher verschlossen,<br />

als Frau bislang jedoch sehr selbstbewusst.<br />

Könnte dies eine typische Entwicklung<br />

sein?<br />

Es kann, es muss aber nicht sein – viele<br />

erleben, wie auch ich, die Transition<br />

als Erlösung. Natürlich macht sich<br />

auch manchmal eine gewisse Euphorie<br />

breit – je nachdem wird diese dann getrübt,<br />

wenn Probleme auftauchen. Ein<br />

solcher Wechsel ist tatsächlich noch<br />

heute nicht ganz einfach. Die Gesellschaft<br />

hat bis heute nicht verstanden,<br />

dass Vorbehalte und Vorurteile gegen<br />

uns unproduktiv sind – ich denke, es<br />

ist bei Schwulen und Lesben ähnlich<br />

gewesen, auch wenn es heute nicht<br />

mehr ganz so schwarz aussieht.<br />

FOTO: ZVG<br />

26 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>


Was genau meinst du betreffend<br />

Schwulen und Lesben?<br />

Homosexuellen Menschen ist die Neigung<br />

nicht auf die Stirn geschrieben<br />

– anders ist es halt bei Transmenschen.<br />

Irgendwann muss man sich outen –<br />

spätestens, wenn eben der Wechsel<br />

ins gefühlte Geschlecht offensichtlich<br />

wird. Aber, um dies zu betonen: «Trans»<br />

ist keine sexuelle Ausrichtung, sondern<br />

die Geschlechtsidentität.<br />

Wie hast du deine Entwicklung miterlebt<br />

– wo liegen die Unterschiede im<br />

«vorher und nachher»?<br />

Jeder, der Andreas traf, dachte spätestens<br />

nach ein paar Minuten: Was ist<br />

das für ein komischer, verschlossener<br />

Kauz? (lacht) Als Claudia nehmen<br />

mich die Menschen als offen, kommunikativ,<br />

fröhlich und als «typisch<br />

Claudia» wahr – als Frau, die ich eben<br />

immer war. Heute stimmt einfach mein<br />

Äusseres mit meinem Kern überein,<br />

das merken die Menschen.<br />

Caitlyn Jenner verfügt über finanzielle<br />

Möglichkeiten, um optisch mehr zu<br />

punkten als vielleicht eine «normale»<br />

Transfrau – verklärt das Jenner-Image<br />

die Realität?<br />

Eine interessante Ansicht – natürlich<br />

verfügt Caitlyn über viel Geld – doch<br />

man braucht keine Millionen, um entsprechend<br />

auszusehen. Zudem werden<br />

bei uns eine Vielzahl der Eingriffe von<br />

den Kassen übernommen. Vieles ist<br />

aber auch von der Physiognomik des<br />

Körpers abhängig. Man kann eine<br />

Zwei-Meter-Frau nicht kleiner machen,<br />

man kann die Schultern nicht<br />

schmaler machen, grosse Hände und<br />

Füsse bleiben gross und auch einer<br />

Kahlheit auf dem Kopf ist nur schwer<br />

beizukommen. Ich selbst habe lediglich<br />

den Schnitt im Schritt, den<br />

«Heute stimmt einfach<br />

mein Äusseres mit<br />

meinem Kern überein,<br />

das merken die<br />

Menschen.»<br />

«Zwei-Königstag» (Brustaufbau) und<br />

den Bart mittels Nadelepilation machen<br />

lassen – vieles sonst habe ich von<br />

der Natur geschenkt bekommen oder<br />

haben die Hormone bewirkt. Und<br />

Glücklichsein selbst macht schon sehr<br />

hübsch (lächelt). Persönlich denke ich,<br />

es sei falsch, einem Vorbild wie Caitlyn<br />

Jenner optisch nacheifern zu wollen<br />

– jeder Transmensch soll seinen<br />

eigenen, persönlichen Stil entwickeln.<br />

Dieser hat auch etwas mit persönlicher<br />

Identität, mit dem, wer man wirklich<br />

ist, zu tun.<br />

Du hast selbst verschiedene Stile ausprobiert<br />

– war das Spass oder Notwendigkeit?<br />

Der persönliche Stil ist eine Entwicklung,<br />

wie sie eben jeder Mensch durchmachen<br />

sollte – klar, ich trug zu Beginn<br />

eine Perücke, weil ein 3-mm-<br />

Haarschnitt nicht gerade sehr weiblich<br />

ist. Man darf auch nicht vergessen,<br />

dass ich abermals eine Pubertät durchlebte<br />

und versuchte, mein Geschlecht<br />

zu unterstreichen.<br />

Das scheint sich geändert zu haben –<br />

um auf deinen Militäranzug anzuspielen.<br />

Hätte man mir vor vier Jahren gesagt,<br />

dass ich abermals Uniform und Kampfstiefel<br />

anziehen werde, hätte ich gelacht<br />

und den Vogel gezeigt – doch irgendwann<br />

wusste ich, dass ich auch in<br />

Uniform und Kampfstiefeln nicht weniger<br />

Claudia bin als im Rock und mit<br />

Highheels. Spätestens mein Einsatz im<br />

Kosovo zeigte mir das sehr deutlich.<br />

Aber klar, ich ziehe auch heute noch<br />

gerne mal einen Mini und Stilettos an.<br />

Du hast viel an dir gearbeitet und auch<br />

deine Stimme verändert – wie geht das?<br />

Die Stimme ist eines der wichtigsten<br />

Identifikationsmerkmale, und da ich<br />

damals am Telefon immer als «Herr»<br />

angesprochen wurde, war mir klar,<br />

dass ich das ändern will. Daraufhin<br />

besuchte ich gut ein Jahr lang eine Lo-<br />

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Interview | Claudia Meier<br />

Bruce Jenner wurde zu Caitlyn und liess<br />

sich von Starfotografin Annie Leibovitz<br />

für «Vanity Fair» ablichten<br />

gopädin. Für uns Transfrauen ist es<br />

hartes Training, es ist, als würde man<br />

ein Instrument lernen. Viel Schweiss<br />

und manchmal auch Tränen stecken in<br />

meiner Stimme.<br />

Es gab und gibt bekannte Transfrauen,<br />

die durch ihre berechtigten Probleme<br />

aufgefallen sind.<br />

Tatsächlich gibt es einige tragische<br />

Schicksale unter uns Transfrauen,<br />

aber auch unter den Transmännern.<br />

Ich sage allen Betroffenen: Wenn du<br />

den Weg nicht gehen musst, gehe ihn<br />

nicht, gehe den Weg nur, wenn es<br />

wirklich keinen anderen gibt – es wird<br />

kein Spaziergang! Doch viele, für die<br />

besagter Weg der einzige war, erleben<br />

in der Tat eine Art des Erwachens, des<br />

Aufblühens.<br />

Hast du ein Rezept zum Glücklichsein?<br />

Nun, ich habe gelernt, auch mal Fünfe<br />

gerade sein zu lassen, nicht immer alles<br />

so eng zu sehen und dass ich natürlich<br />

selbst Toleranz gegenüber meinen<br />

Mitmenschen zeige. Tatsächlich fühlt<br />

sich heute für mich jeder Tag an wie<br />

Weihnachten, Geburtstag und Ostern<br />

zugleich.<br />

Hast du nie eine miese Laune?<br />

Klar gibt es auch mal einen Tag, an<br />

dem ich lieber im Bett bleiben möchte<br />

– meistens dann, wenn ich wieder mal<br />

mit meinem Kopf gegen eine gesellschaftliche<br />

Hürde gelaufen bin. Aber<br />

spätestens im Bett wird mir dann klar,<br />

dass es Zeit ist zu überlegen, wie diese<br />

Hürde zu umgehen, zu übersteigen, zu<br />

untergraben oder zu durchstossen ist<br />

– womit wir ja wieder beim Thema wären:<br />

Es gibt noch viel zu tun für uns<br />

Transmenschen!<br />

«Ich denke, es ist falsch,<br />

einem Vorbild wie<br />

Caitlyn nachzueifern –<br />

jeder Transmensch<br />

soll seinen eigenen Stil<br />

entwickeln.»<br />

Konkret – welche Hürden müssen aus<br />

dem Weg geschafft werden?<br />

Für mich gibt es drei Arten von Problemen.<br />

Als Erstes nenne ich die Vorurteile<br />

der Gesellschaft, das Zweite sind<br />

die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

und schliesslich gibt es noch die absolut<br />

unnötigsten, nämlich die systembedingten,<br />

technischen Probleme. Gerade<br />

Letztere wären einfach zu<br />

beheben. Es gab beispielsweise einen<br />

«Herrn Claudia Sabine Meier». Eigentlich<br />

wäre es ja ein Leichtes, dem System<br />

beizubringen, dass es einfach die<br />

Anrede ändern soll. Auch um rechtliche<br />

Hürden zu meistern, benötigen die<br />

Betroffenen meist sehr viel Kraft,<br />

Ausdauer und oft auch ein gutes finanzielles<br />

Polster. Einen grossen<br />

Raum nehmen die zuerst genannten<br />

Probleme ein, die Vorurteile in den<br />

Köpfen der Gesellschaft. Ich wünschte<br />

mir oft, es gäbe mehr Transmenschen,<br />

die eine erfolgreiche Geschichte erzählen,<br />

denn meist liest man halt von<br />

tragischen Schicksalen.<br />

Klar ist, dass iene, die in den Fokus<br />

der Medien geraten, nie mehr in die<br />

Anonymität abtauchen können – das<br />

ist der Preis, der zu zahlen ist. Dennoch<br />

bin ich überzeugt, dass gute Berichte<br />

dazu beitragen, Vorurteile abzubauen.<br />

Um das Gespräch optimistisch zu<br />

schlies sen: Welches ist dein persönliches<br />

Highlight in Sachen Fortschritt?<br />

Mein Highlight ist die Anerkennung,<br />

die mir vom Militär zuteil wurde.<br />

Denn es war wegen meiner Vergangenheit<br />

nicht ganz einfach, als tauglich<br />

erklärt zu werden – die militärische<br />

Krankheitslehre glaubt noch<br />

immer, dass Transmenschen zwingend<br />

untauglich sind. Dennoch ist es mir<br />

gelungen, anerkannt zu werden! Noch<br />

während des Kosovoeinsatzes wurde<br />

ich angefragt, ob ich Interesse hätte,<br />

als Leiterin des Verpflegungszentrums<br />

in Stans tätig zu sein – mehr Anerkennung<br />

kann ich kaum verlangen. Mir<br />

scheint, als hätte sich auch in der Armee<br />

viel punkto Vorurteil und Stigma<br />

zum Guten gewendet.<br />

Zur Person:<br />

Claudia Sabine Meier wurde als<br />

Andreas 1968 in Bern geboren. Als gelernter<br />

Koch übernahm sie die Direktion<br />

des Viersternehotels «Schwefelberg-Bad»<br />

im Berner Gantrischgebiet.<br />

Sie heiratete, wurde Vater und realisierte,<br />

dass sie der Transsexualität<br />

nicht entrinnen konnte. Seit 2010 lebt<br />

Andreas als Claudia Meier. 2012 zog<br />

sie vor Gericht, um ihren Namen und<br />

ihren Persönlichkeitsstatus zu ändern,<br />

ohne die dafür nötige geschlechtsangleichende<br />

Operation vorzunehmen –<br />

sie gewann den Kampf und schuf damit<br />

zwei Präzedenzfälle in der Schweiz.<br />

Heute hat Claudia Meier das Hotel verkauft<br />

und entschied sich entsprechend<br />

ihrem Wunsch von 1991, einen friedensfördernden<br />

Einsatz im Kosovo zu<br />

leisten; im Anschluss daran übernahm<br />

sie das Verpflegungszentrum in Stans.<br />

Sie ist derzeit Single und taucht in ihrer<br />

Freizeit regelmässig im Vierwaldstättersees<br />

oder fährt mit dem Töff<br />

um den See.<br />

FOTO: PD<br />

28 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>


Thema | BDP<br />

Die BDP hisst die<br />

Regenbogenflagge<br />

Text: Dani Diriwächter<br />

Die Bürgerlich-Demokratische Partei reichte im Mai ein Vorstosspaket<br />

für mehr Gleichstellung ein. Präsident Martin Landolt erklärt, warum sich<br />

seine Partei gerade im Wahljahr für die LGBT-Rechte einsetzt.<br />

FOTO: ZVG<br />

Martin Landolt, Präsident der BDP<br />

Die junge Bürgerlich-Demokratische<br />

Partei (BDP) hisst die Regenbogenflagge.<br />

Sie will bei den Parlamentswahlen<br />

im Herbst ein Zeichen<br />

setzen und die regionalen Verluste der<br />

letzten Monate ad acta legen. Der Vorteil<br />

der BDP ist, dass sich die Partei<br />

noch stetig im Aufbau befindet. «Wir<br />

arbeiten seit der Gründung an unserer<br />

Positionierung und an der Schärfung<br />

unseres Profils. Dazu gehört auch die<br />

Tatsache, dass wir als bürgerliche Partei<br />

für Gleichstellungsfragen einstehen,<br />

weil wir ‹liberal› nicht auf Wirtschaftsthemen<br />

beschränken, sondern<br />

auch sozial-liberal sind», so der Präsident<br />

Martin Landolt gegenüber dem<br />

«<strong>Cruiser</strong>».<br />

Bei dem im Mai eingereichten Vorstosspaket<br />

für mehr Gleichstellung<br />

weht trotzdem auch ein Hauch Wahlkampf<br />

mit. Dabei ist die Respektierung<br />

und Anerkennung gesellschaftlicher<br />

Realitäten seit Beginn im Parteiprogramm<br />

der BDP. «Im politischen Tagesgeschäft<br />

gab es über längere Zeit<br />

kaum Gelegenheiten, unsere diesbezügliche<br />

Position aufzuzeigen. Wir haben<br />

aber bereits die Stiefkindadoption<br />

unterstützt oder beispielsweise umgehend<br />

und vehement auf die ‹Hirnlappen›-Aussage<br />

von Toni Bortoluzzi reagiert»,<br />

erzählt Martin Landolt.<br />

Die Vorstösse der BDP<br />

Vergangenen März gründete die BDP<br />

eine interne Gleichstellungsgruppe,<br />

um die Forderung nach gleichen Rechten<br />

und Pflichten für alle juristischen<br />

Lebensformen besser umsetzen zu<br />

können. Die Annahme, dass dies mit<br />

der «SVP-Vergangenheit» einiger Mitglieder<br />

undenkbar gewesen wäre, ist<br />

unbegründet. «Die BDP besteht heute<br />

bei weitem nicht ausschliesslich aus<br />

ehemaligen SVP-Mitgliedern, sondern<br />

vor allem auch aus jungen, progressiven<br />

Neumitgliedern. Und auch die<br />

vorherigen SVP-Mitglieder hatten<br />

schon früher unterschied liche Haltungen<br />

zu gesellschaftspolitischen Fragen.»<br />

Aus erwähnter Gruppe stammt nun<br />

das Vorstosspaket, das am 5. Mai <strong>2015</strong><br />

eingereicht wurde. Konkret unterstützt<br />

die Partei «Pink Cross» und weitere<br />

Organisationen dabei, die diskriminierenden<br />

Beschränkungen bei der<br />

Blutspende aufzuheben. Mittels einer<br />

Fraktionsmotion will sie den Bundesrat<br />

auffordern, die seit 1977 bestehenden<br />

Ausschlusskriterien für Homosexuelle<br />

aufzuheben. «Swissmedic<br />

ist offensichtlich in einem Klischee<br />

gefangen, welches Schwule auf ein<br />

Sexualverhalten reduziert», meint<br />

Martin Landolt dazu.<br />

Weiter will die BDP vom Bundesrat<br />

wissen, warum die sogenannten «Hate<br />

Crimes», also Verbrechen und Übergriffe<br />

gegenüber Homosexuellen und<br />

Transmenschen, nicht in den Polizeistatistiken<br />

erfasst werden. Die Partei<br />

liess in ihrer Medienmitteilung verlauten,<br />

dass dies «mehr als sinnvoll und<br />

angebracht» wäre.<br />

Ebenfalls setzt sich die BDP für die<br />

Anerkennung der Leistungen von<br />

Gleichstellungsverbänden ein.<br />

Ein Ja für die Ehe für alle<br />

Auch die «Ehe für alle» ist für den<br />

BDP-Präsidenten ein anvisiertes Ziel.<br />

«Wir sind der Überzeugung, dass der<br />

Staat keine Lebensformen zivilrechtlich<br />

benachteiligen oder bevorzugen<br />

soll. Wir unterstützen deshalb die<br />

Ehe-Öffnung und die Adoption». Gerade<br />

bei der Adoption seien die Hürden<br />

und die gestellten Anforderungen generell<br />

derart hoch, dass man nicht<br />

ernsthaft am Kindeswohl zweifeln<br />

könne, wenn ein Paar diese Anforderungen<br />

erfüllt.<br />

Der BDP ist es also ernst und die<br />

Partei stellt sich den brennenden Fragen.<br />

An der «Pride Valais» war sie deshalb<br />

ebenso vertreten wie auch an der<br />

Gay-Pride Zürich. BDP-Fraktionspräsidentin<br />

Rosmarie Quadranti war dort<br />

als eine der Hauptrednerinnen zugegen;<br />

ein eigener Stand erweiterte<br />

schliesslich das Pride-Village. Dabei<br />

sei es selbstverständlich kein Geheiminis,<br />

dass für die BDP jede Stimme<br />

zähle, so Martin Landolt. «Wir sind gekommen,<br />

um zu bleiben, und wir wollen<br />

weiter wachsen. Deshalb wollen<br />

wir deutlich aufzeigen, welche Positionen<br />

gestärkt werden, wenn die BDP<br />

gewählt wird.»<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 29


Kolumne | Pia Spatz<br />

Der Himmel kann nicht<br />

warten<br />

Text: Pia Spatz<br />

Von wegen Ferien: Pia hat alle Hände voll zu tun. Zum einen wäre<br />

da ihr baldiges Minigolf-Turnier, zum anderen liebäugelt sie mit der<br />

Weltherrschaft.<br />

Ihr Lieben, was für kunterbunte<br />

Wochen liegen hinter uns! Mai und<br />

Juni waren erwartungsgemäss vollgestopft<br />

mit Stolz und Vorurteilen. Meine<br />

Jungs sind deshalb aus der Puste<br />

und machen sich fit für die <strong>Sommer</strong>ferien.<br />

Körper und Seele verlangen nach<br />

Spiel und Spass. Moi hingegen wird<br />

die Zeit nutzen und nicht auf der<br />

faulen Haut liegen. Im Gegenteil: Pia<br />

rules the World! Tatsächlich rollt so<br />

einiges: «Du bist Du», die Beratungsplattform,<br />

konnte sich dem Charme<br />

der allgegenwärtigen Caitlyn Jenner<br />

nicht entziehen, weswegen jetzt auch<br />

junge Transmenschen und Mädchen<br />

bereit stehen, um ihresgleichen bei<br />

den Wirren rund um das Coming-out<br />

zu unterstützen. Grossartig, kann ich<br />

da nur sagen! Kommunikation ist eh<br />

das A und O für so ein Herdentier wie<br />

der Mensch eines ist – auch wenn es<br />

immer wieder Kämpfe gibt. Wir sollten<br />

daher nicht verzagen, weil sich unsere<br />

«Gegner» gerade wieder in Stellung<br />

bringen, um gegen die «Ehe für alle»<br />

zu wettern. Sicher, auch Zeter und<br />

Mordio sind eine Form der Kommunikation,<br />

aber mit Schaum vor dem<br />

Mund sieht man einfach nicht gut aus.<br />

30 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong><br />

Moi jedenfalls lässt sich nicht beirren<br />

und so stöckle ich meinen Weg munter<br />

weiter, denn es öffnen sich weitere Türen:<br />

Meine Haus-Seite www.mycheckpoint.ch<br />

wird global – alle Informationen<br />

werden demnächst auch in<br />

englischer und italienischer Sprache<br />

abrufbar sein. Und Englisch ist ja eh<br />

eine Weltsprache – allerdings mit Tücken.<br />

Weder Sepp Blatter noch die<br />

weltgewandte Magdalena Martullo-<br />

Blocher mit ihren «seven sinking<br />

steps» schaffen eine akzeptable Aussprache.<br />

Im Ausland wundern sich die<br />

Gesprächspartner immer, warum sie<br />

plötzlich so gut Schweizer Dialekt verstehen<br />

... doch wir wollen hier nicht<br />

gifteln und zeigen Verständnis. Hinaus<br />

in die weite Welt zu schreiten,<br />

zeugt schliesslich von Mut! Doch die<br />

Welt ist nicht genug und der Himmel<br />

«Kommunikation ist<br />

eh das A und O für so<br />

ein Herdentier wie der<br />

Mensch eines ist.»<br />

kann nicht warten: Stichwort «Heaven<br />

& Health». Immer am letzten Freitag<br />

des Monats zieht es meine süssen<br />

Checkpoint-Kollegen Dani, Pascal und<br />

Alex in den Club «Heaven», um Tipps<br />

zu Sex, Coming-out und Gesundheit<br />

weiterzugeben. Ein feuriges Trio Infernal,<br />

du brauchst nur auf sie zuzugehen.<br />

Sie haben auf fast alle Fragen<br />

eine Antwort. Ist doch besser, als mit<br />

offenen Fragen ins Bett zu stürzen, sei<br />

es alleine oder in Gesellschaft, nicht?<br />

«Meine Haus-Seite<br />

www.mycheckpoint.ch<br />

wird demnächst auch<br />

in englischer und italienischer<br />

Sprache zu<br />

lesen sein.»<br />

Es wird also ein himmlischer <strong>Sommer</strong><br />

und die Kugeln rollen weiter. Wie<br />

bereits angedeutet, handelt es sich bei<br />

mir aber um keine ruhige Kugel, sondern<br />

um diverse weisse Bällchen: Ich<br />

bin mitten in den Vorbereitungen für<br />

mein alljährliches Minigolf-Turnier<br />

am 6. September. Wie ihr wisst, bin ich<br />

die Königin diverser Anlagen mit<br />

ebenso vielen Schwierigkeitsgraden,<br />

weswegen ich ein Spektakel der Sonderklasse<br />

verlange. Bis dahin wünsche<br />

ich euch einen hitzig-spritzigen <strong>Sommer</strong>,<br />

lasst es euch gut gehen und spielt<br />

die Bälle in eure Hände! Oder nehmt<br />

einen Englischkurs – es könnten bekannte<br />

Personen im Klassenzimmer<br />

sein.


Ratgeber Aids-Hilfe | Dr. Gay<br />

Dr. Gay<br />

Ich kann mich nicht<br />

richtig entspannen<br />

Lieber Dr. Gay, ich bin beim Sex immer<br />

unsicher und habe Angst, etwas falsch<br />

zu machen. In der passiven Rolle bin ich<br />

unentspannt, weil ich Angst habe, nicht<br />

sauber zu sein. Mein Kopf kann einfach<br />

nicht abschalten. Aus diesem Grund<br />

habe ich oft Sex in betrunkenem Zustand.<br />

Auch in der aktiven Rolle klappt<br />

es nie so richtig. Die Angst zu versagen<br />

ist einfach zu gross. Mir ist klar, dass<br />

mir meine Gedanken bei diesem endlosen<br />

Teufelskreis im Weg stehen. Wie<br />

kann ich mich beim Sex entspannen und<br />

einfach loslassen? Hast du einen Tipp<br />

für mich? Rico (23)<br />

Hallo Rico<br />

Unsicherheiten gehören beim Sex<br />

manchmal dazu. Mit der Zeit wirst du<br />

deine Erfahrungen machen und lernen,<br />

damit umzugehen. Versuche, dich<br />

nicht zu sehr auf das Richtig oder<br />

Falsch zu konzentrieren. Sei gelassen<br />

und entspannt. Dies kannst du erreichen,<br />

indem du ganz offen mit deinem<br />

Partner kommunizierst und ihm deine<br />

Ängste und Befürchtungen mitteilst.<br />

So gibst du ihm die Möglichkeit, auf<br />

dich einzugehen. Das gegenseitige<br />

Vertrauen wird dadurch gestärkt und<br />

du kannst so deine Ängste abbauen.<br />

Denn wie du selber schreibst, führt<br />

deine Angst dich in einen Teufelskreis.<br />

Sex ist kein Leistungssport, bei dem<br />

immer alles perfekt klappen muss.<br />

Manchmal steht «er» eben nicht und es<br />

darf auch gelacht werden. Allerdings<br />

solltest du bedenken, dass Alkohol<br />

nicht nur enthemmt, sondern sich<br />

auch negativ auf die Erektion auswirken<br />

kann. Ein Einlauf vor dem Sex<br />

kann helfen, dass du sauber bist und<br />

dich auch so fühlst. Wie das geht, findest<br />

du im Sex-Wiki meiner Webseite<br />

www.drgay.ch. Wenn du trotzdem mal<br />

nicht sauber bist, ist das nicht so<br />

schlimm. Das ist normal und liegt in<br />

der Natur der Sache. Das kann schon<br />

vorkommen und gehört einfach dazu.<br />

Wichtig ist, dass du auch im betrunkenem<br />

Zustand an den Gummi denkst.<br />

Am besten, du legst dir Kondome und<br />

Gleitmittel vorher bereit.<br />

Alles Gute, Dr. Gay<br />

Ist Sperma auf<br />

der Hand ein HIV-<br />

Risiko?<br />

Ich hatte heute Abend meinen ersten<br />

Sex mit einem Mann. Wir haben ein<br />

Kondom benutzt. Am Schluss habe ich<br />

ihn gewichst und sein Sperma ist auf<br />

meine Hand gelaufen. Ich habe mir<br />

dann einen runtergeholt, ohne vorher<br />

das Sperma abzuwischen. Es war bei mir<br />

zwischen Daumen und Zeigefinger, nicht<br />

an der Handinnenfläche. Das heisst, ich<br />

habe das Sperma nicht direkt eingerieben.<br />

Auch habe ich mir grösstenteils<br />

nur den Schaft gerieben und die Eichel<br />

nur kurz berührt. War das ein Risiko für<br />

HIV? Lars (21)<br />

Hallo Lars<br />

Beim Kontakt von fremdem Sperma mit<br />

der Eichel kann ein HIV-Risiko bestehen.<br />

Dieses kann gering bis hoch sein.<br />

Wenn z. B. HIV-infiziertes Sperma in<br />

die Vorhaut eingerieben wird, gibt es<br />

viele Wirtszellen, an denen das Virus<br />

andocken kann. Je nach Menge des<br />

Spermas, der Intensität des Einreibens<br />

oder der Viruslast (Anzahl der Viren im<br />

Sperma) ist das Risiko von kaum relevant<br />

bis hoch einzuschätzen. Wenn sich<br />

jemand erst vor kurzem angesteckt hat,<br />

ist die Viruslast 40–100 Mal höher und<br />

darum die Infektiosität grösser. Der<br />

Kontakt von Sperma mit der intakten<br />

Haut des Penisschafts ist bezüglich HIV<br />

unproblematisch. Nach deiner Beschreibung<br />

sehe ich kaum ein Risiko. Wenn<br />

du unsicher bist, kann dir ein HIV-Test<br />

Sicherheit geben.<br />

Alles Gute, Dr. Gay<br />

Dr. Gay ist eine Dienstleistung der Aids-<br />

Hilfe Schweiz. Die Fragen werden online<br />

auf www.drgay.ch gestellt. Die Redaktion<br />

druckt die Fragen genau so ab, wie sie<br />

online gestellt werden.<br />

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Kultur | Schweiz<br />

Leben, lieben, lesen, leiden –<br />

die <strong>Sommer</strong>-Kulturtipps<br />

Kultur<br />

Ticket<br />

Gerade im <strong>Sommer</strong> schläft die Muse nie – landesweit gibt es eine Fülle<br />

von Veranstaltungen, Konzerten oder Events – oft unter freiem Himmel –,<br />

für die es sich lohnt, Augen und Ohren offen zu halten.<br />

Romeo & Julia –<br />

das Musical<br />

In diesem Jahr kommt niemand an der<br />

vielleicht grössten Liebestragödie der<br />

Literatur vorbei. Kaum eine Bühne, die<br />

keine neue Version von William Shakespeares<br />

«Romeo & Julia» präsentiert –<br />

oft relativ eigenwillig. So singt im Zürcher<br />

Opernhaus in Bellinis «I Capuleti e<br />

i Montecchi» eine Frau den Romeo und<br />

die Balkonszene entfällt völlig. Die Thunerseespiele<br />

versetzen Verona ins Berner<br />

Oberland und zeigen im Juli und<br />

August die Schweizer Erstaufführung<br />

von «Romeo & Julia – das Musical». Geliebt,<br />

gelitten und gemordet wird in<br />

dieser Adaption in einem kriminellen<br />

Milieu. Regisseur Christian von Götz<br />

setzt auf eine durchaus moderne Interpretation.<br />

Und während Eiger, Mönch<br />

und Jungfrau im Hintergrund gewohnt<br />

majestätisch die Szenerie bestimmen,<br />

steht auf der Bühne eine riesige Half-<br />

Pipe, die laut dem Regisseur die Möglichkeit<br />

des Friedens symbolisiert.<br />

Selbstverständlich spielt die Musik aber<br />

die wichtigste Rolle: Gérard Presgurvic,<br />

Autor und Komponist des Musicals, erfüllte<br />

sich im Jahr 1998 den Traum, seine<br />

Leidenschaft zur Musik und zum<br />

Theater zu verbinden und ein Musical<br />

über die Liebesgeschichte von Romeo<br />

und Julia zu schreiben. Entstanden ist<br />

ein emotionsgeladenes Musikspektakel<br />

mit grossen Tönen und eingängigen Melodien,<br />

das auf der Seebühne die hiesige<br />

Erstaufführung feiert. Die Schweizerin<br />

Iréna Flury spielt darin die Julia, der<br />

Schotte Dirk Johnston den Romeo.<br />

8. Juli bis 22. August<br />

Seebühne Thun<br />

www.thunerseespiele.ch<br />

David McConnell ist Autor der vielbeachteten<br />

Romane The Silver Hearted<br />

und Firebrat. Seine Erzählungen und<br />

journalistischen Texte erschienen in<br />

zahlreichen Magazinen und Antholo-<br />

gien, u. a. in Literary Review und Granta.<br />

McConnell lebt in New York.<br />

Romeo & Julia: Die uralte Liebesgeschichte in einer neuen Adaption – spannend<br />

und neu inszeniert<br />

Ehrenmord<br />

in Amerika<br />

»Ein Meisterwerk der Reportage.<br />

Fesselnd, berührend, originell ...«<br />

<strong>Sommer</strong>zeit bedeutet<br />

auch Lesezeit, und<br />

manch einer steht jetzt<br />

ratlos vor dem Bücherregal<br />

und sucht eine spannende<br />

Lektüre mit Tiefgang.<br />

Ein solche ist das<br />

Sachbuch «Ehrenmord in<br />

Amerika» von David Mc-<br />

Connell. Basierend auf einer<br />

Reihe von Morden an schwulen<br />

Männern untersucht der<br />

Autor die Gründe für den Hass. McConnell<br />

zeichnet intime Porträts der Täter,<br />

die ebenso schockieren wie fas zinieren.<br />

Eine Reihe von Morden an schwulen Männern erschüttert<br />

die Vereinigten Staaten. David McConnell untersucht die<br />

Gründe für den Hass, der diese Verbrechen möglich macht.<br />

Er zeichnet intime Porträts der Täter, die ebenso schockieren<br />

wie faszinieren. Anhand bisher unbekannter Details und<br />

Fakten sowie beeindruckender Gefängnisinterviews arbeitet<br />

der Autor die grausamen Fälle minutiös auf. Die so entstandenen<br />

Geschichten sind verstörend wie die Taten,<br />

die ihnen zugrunde liegen. Mit eindringlicher Präzision<br />

und einer bisweilen unheimlichen Unbeschwertheit verwandelt<br />

McConnell die untersuchten Kriminalfälle in<br />

atemberaubende Literatur.<br />

Evan Wright<br />

(Autor von Generation Kill )<br />

EHRENMORD IN AMERIKA<br />

BRUNO GMÜNDER<br />

DAVID McCONNELL<br />

BRUNO GMÜNDER<br />

DAVID McCONNELL<br />

Anhand bisher unbekannter<br />

Details und Fakten sowie<br />

beeindruckender Gefängnisinterviews<br />

arbeitet er<br />

die grausamen Fälle minutiös<br />

auf. Die so entstandenen<br />

Geschichten<br />

sind verstörend wie die<br />

Taten, die ihnen zugrunde<br />

liegen. Mit eindringlicher<br />

Präzi sion<br />

und einer bis weilen<br />

unheimlichen Unbeschwertheit<br />

verwandelt<br />

Mc Connell die<br />

untersuchten Kriminalfälle<br />

in eine journalistische Tour de Force.<br />

T R U E<br />

C R I M E<br />

EHRENMORD<br />

IN AMERIKA<br />

Hass und Begehren unter Männern<br />

»Dieses Buch ist eine journalistische<br />

Tour de Force, eindrucksvoll<br />

nicht zuletzt wegen der<br />

außergewöhnlichen Gefängnisinterviews<br />

… McConnells unbestreitbares<br />

Talent als Schriftsteller<br />

verleiht dem Buch literarisches<br />

Gewicht und eine überraschend<br />

unmittelbare Erzählweise.«<br />

Publishers Weekly<br />

»Eine verblüffende Untersuchung<br />

über das Männlichkeitsbild<br />

in den USA «<br />

Sebastian Junger<br />

(Autor von War und The Perfect Storm )<br />

Berliner Bruno Gmünder Verlag<br />

Im Handel erhältlich.<br />

FOTOS: ZVG<br />

32 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>


Mittelalterspektakel<br />

Aarberg<br />

Nicht erst seit «Game of Thrones» boomen<br />

die Mittelalter-Events geradezu.<br />

Aber sie wurden in jüngster Zeit salonfähig<br />

– so verbuchte etwa die vergangene<br />

«Fantasy Basel» viele Eintritte. Im<br />

August findet nun das erste Mittelalterspektakel<br />

in Aarberg statt. Die<br />

Besucher können in die Welt der Ritter,<br />

Markttreiber, Gaukler oder Glücksspieler<br />

eintauchen und sich auf eine<br />

Reise in die Vergangenheit begeben. Das<br />

Herzstück des Spektakels bildet das<br />

Ritterturnier in der grossen Arena.<br />

14. bis 16. August, Aarberg<br />

www.turnei.ch<br />

Openair Literatur<br />

Festival Zürich<br />

Für die Dauer einer Woche verwandelt<br />

sich der idyllische Alte Botanische Garten<br />

in ein poetisches Gesamterlebnis.<br />

Das Literaturfestival unter freiem Himmel<br />

wird von der Stadt Zürich, dem<br />

Literaturhaus Zürich und dem «Kaufleuten»<br />

gemeinsam kuratiert und präsentiert.<br />

Es findet zum dritten Mal<br />

statt und hat sich dank dem überzeugenden<br />

Programm und dem unschlagbaren<br />

Ambiente bereits etabliert. Das<br />

Abendprogramm bietet Premieren,<br />

Performances sowie Lesungen an. Das<br />

Rahmenprogramm will neue Inszenierungsformen<br />

der Literatur präsentieren.<br />

Eröffnet wird das Festival mit keinem<br />

Geringeren als Monty-Python-Superstar<br />

John Cleese, der seine Autobiographie<br />

«Wer war ich noch mal?» vorstellen<br />

wird.<br />

In Aarberg kann man für ein paar Stunden ins Mittelalter eintauchen<br />

Amy<br />

Vier Jahre ist es bereits her, seit Amy<br />

Winehouse aus dem Leben schied. Mit<br />

27 Jahren trat sie damit in den berüchtigten<br />

«Club 27» ein – Jimi Hendrix oder<br />

Janis Joplin starben ebenfalls in diesem<br />

Alter. Sie alle hatten neben dem selben<br />

Alter auch das einmalige Talent, Millionen<br />

von Herzen ihrer Generation zu<br />

erobern. Die Verwurzelung von Amy<br />

Winehouse im Jazz, ihre Musikalität<br />

und ihre Feinfühligkeit verwob sie in<br />

sehr persönlichen und ausdrucksstarken<br />

Liedern. Diese Authentizität führte zu<br />

einigen der berühmtesten Songs unserer<br />

Epoche. Abseits der Bühne aber<br />

fehlte ihr der Schlüssel zum Leben. Ein<br />

kompliziertes Privatleben, konstante<br />

mediale Aufmerksamkeit und der aussergewöhnliche<br />

Erfolg verwandelten ihren<br />

Alltag in ein fragiles Kartenhaus.<br />

Regisseur Asif Kapadia kombiniert bisher<br />

unveröffentlichtes Bildmaterial mit den<br />

Erzählungen von Amy Winehouses Jugend-<br />

und Musikerfreunden, ihrer Familie<br />

und ihren Managern. Damit gelingt<br />

ihm ein sehr persönlicher Einblick in das<br />

zu kurze Leben der Sängerin.<br />

Ab 16. Juli im Kino<br />

Marys<br />

Old-Timers Bar<br />

Kein Kulturtipp im eigentlichen Sinne,<br />

sondern viel mehr ein Aufruf. Das<br />

Schwulenarchiv Schweiz sucht Zeitzeugen,<br />

welche sich noch an die legendäre<br />

Bar an der Augustinergasse 14 erinnern<br />

können. Denn 37 Jahre nach dem Tod<br />

von Mary Lang (1884 – 1977) ist ihr<br />

Nachlass aufgetaucht. Die Old-Timers<br />

Bar war unter anderem auch ein beliebter<br />

Treffpunkt für Gays. Oder wie man<br />

es damals vornehmer formulierte: Es<br />

war eine diskrete Herrenbar, Frauen<br />

wurden nur in Begleitung eines solchen<br />

akzeptiert. Marys Bar war auch als<br />

«Speak Easy» bekannt unter den zehntausenden<br />

GIs, die dieses kleine Lokal<br />

im Zentrum von Zürich nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg frequentierten. In Ergänzung<br />

zur Nachlass-Inventarisierung<br />

sucht das Schwulenarchiv Schweiz vor<br />

allem Zeitzeugen, aber auch weitere<br />

Dokumente, Bilder etc. (DD)<br />

6. bis 12. Juli<br />

Alter Botanischer Garten Zürich<br />

www.literatur openair.ch<br />

Das Leben der unvergesslichen Amy<br />

Winehouse demnächst auf der grossen<br />

Leinwand<br />

Infos direkt an stephan@jaray.eu<br />

www.schwulenarchiv.ch<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 33


Serie | Persönlichkeiten<br />

This Brunner<br />

Text: Andreas Faessler<br />

Wenn jemand über die homoerotischen Verbandelungen der männlichen<br />

Hollywoodstars wie Marlon Brando oder James Dean Bescheid weiss, dann<br />

This Brunner. Der Öffentlichkeit ist er hauptsächlich als Koryphäe des<br />

Films bekannt. Doch Brunner ist auch leidenschaftlicher Kunstsammler –<br />

und Künstler. Auch wenn er sich so lieber nicht nennen möchte.<br />

«Mit dem ersten Lohn<br />

kaufte er sich<br />

einen Andy Warhol.»<br />

This Brunners Passion für zeitgenössische<br />

Kunst füllt sprichwörtlich jeden<br />

Winkel in seiner Zürcher Wohnung.<br />

Obschon mitten in der City gelegen, ist<br />

es ruhig hier, ein lauschiger Ort. Das<br />

Haus aus dem 19. Jahrhundert in einem<br />

hübschen Wohnquartier ist umgeben<br />

von viel Grün. Dank dieser Beschaulichkeit<br />

kann der Betrachter all<br />

die Kunst intensiv auf sich wirken lassen.<br />

Pop-Art, abstrahierende Sujets,<br />

grossflächige Gemälde in Mischtechnik,<br />

Zeichnungen, seltene Fotografien<br />

allen Formates. Es sind Originalwerke<br />

etablierter Künstler mit Rang und Namen,<br />

darunter auch Schöpfungen von<br />

Andy Warhol, zu dem This Brunner<br />

eine besonders enge freundschaftliche<br />

Beziehung pflegte.<br />

«Ich könnte zu jedem Kunstwerk an<br />

diesen Wänden eine lange Story erzählen,<br />

jedes einzelne ist eine Episode<br />

aus meinem Leben», sagt Brunner und<br />

lässt seinen Blick durchs Wohnzimmer<br />

gleiten. Viel Herzblut: Alle Künstler<br />

kennt oder kannte Brunner persönlich.<br />

Die freundschaftliche Verbindung zu<br />

ihnen basierte stets auf gegenseitiger<br />

Wertschätzung.<br />

Vor 25 Jahren ist This Brunner vom<br />

Seefeld hierher an den Zürichberg gezogen.<br />

Drei Jahre später traf ein<br />

schwerer Schicksalsschlag den heute<br />

70-Jährigen: Sein langjähriger Lebenspartner,<br />

der Zürcher Galerist Thomas<br />

Ammann, erlag seiner Krankheit.<br />

Heute ist die 7-jährige Hündin Lumpi<br />

Brunners treue Begleiterin. Entspannt<br />

hat sie es sich neben ihrem Herrchen<br />

auf dem Sofa gemütlich gemacht.<br />

«Kunst, die einem selber gefällt»<br />

Der Allgemeinheit bekannt ist This<br />

dennoch weniger als Kunstsammler<br />

denn als Koryphäe des Films (siehe<br />

Biografie). Kaum einer hat den Durchblick<br />

in der Schweizer Filmszene der<br />

vergangenen Jahrzehnte so wie er,<br />

und kaum einer hat das Geschehen inner-<br />

und ausserhalb der Zürcher Kinosäle<br />

so geprägt wie er. This Brunners<br />

Passion für die Kunst wird also besonders<br />

in seinen privaten Räumen ersichtlich.<br />

«Bereits als Kind wurde mein<br />

Interesse an Kunst von meinen Grosseltern<br />

geweckt. Beispielsweise durch<br />

Besuche im Kunsthaus», sagt This<br />

Brunner. «Giacometti, Matisse, Renoir<br />

und andere Meister haben mich schon<br />

früh fasziniert.» Auch der Sammlergeist<br />

zeigte sich sehr bald: Mit seinem<br />

allerersten Lohn kaufte sich This<br />

Brunner ein Werk Andy Warhols. «Damals<br />

war das noch erschwinglich.»<br />

Über die persönliche Bekanntschaft zu<br />

Warhol und besonders auch über seinen<br />

verstorbenen Lebenspartner kam<br />

This Brunner mit namhaften Künstlern<br />

in Kontakt, erwarb Werke von ihnen,<br />

bevor sie berühmt waren. Es war<br />

nicht einmal primär sein ausgeprägtes<br />

Gespür für gute Kunst, das er sich im<br />

Laufe der Zeit autodidaktisch angeeignet<br />

hat – «es waren einfach tolle Leute,<br />

deren Arbeiten mir sehr gefielen.» Was<br />

seine Wahl der Kunstwerkebetrifft, so<br />

ist für This nämlich eines klar: «Man<br />

sollte immer Kunst kaufen, die einem<br />

selber gefällt. Nie wegen der Spekulation<br />

auf Gewinn. Man entwickelt mit<br />

der Zeit ein Feeling für gute Kunst,<br />

wenn man es geschickt anstellt.»<br />

Durch den persönlichen Kontakt mit<br />

den Künstlern sei ein Netzwerk entstanden,<br />

welches ihm diese Welt erschloss.<br />

«All diese wunderbaren<br />

Freundschaften, die sich durch meine<br />

Tätigkeit – sei es auf dem Gebiet des<br />

Films oder der Kunst – ergeben haben,<br />

sind für mich etwas vom Wertvollsten<br />

überhaupt. Es ist wie eine grosse Familie.»<br />

Für seine Leidenschaft – Film und<br />

Kunst – hat This Brunner aus Überzeugung<br />

auf ausgiebiges Partymachen<br />

und Ausgehen verzichtet. «Ich hatte<br />

weder Interesse daran noch Zeit dafür<br />

und mich zielgerichtet meiner Tätigkeit<br />

gewidmet.» Nach wie vor reist<br />

This sehr oft im Namen der Kunst<br />

durch die Welt und besucht Auktionen<br />

und Ausstellungen, wenn er nicht gerade<br />

als Jurymitglied oder Experte an<br />

einem namhaften Filmfestival mitwirkt.<br />

FOTO: ANDREAS FAESSLER<br />

34 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>


«Mein Glaube an Gott<br />

macht mich jeden Tag<br />

zu einem besseren<br />

Menschen.»<br />

Filmkoryphäe, Künstler und Kunstliebhaber: This Brunner mit Hündin Lumpi in seiner Stadtzürcher Wohnung<br />

Aufwendige Installationen<br />

Seit jüngerer Zeit ist Brunner selbst<br />

künstlerisch tätig. Dabei gibt er sich<br />

aber betont bescheiden, aus «grossem<br />

Respekt vor der Kunst», wie er sagt. Er<br />

nennt seine Projekte zurückhaltend<br />

«Ärbetli». Was diese jedoch für Reaktionen<br />

hervorrufen bei Publikum und<br />

Veranstaltern, machen sie zu weit<br />

mehr als nur «Ärbetli» wie wir gleich<br />

erfahren werden. «Meine Werke entstehen<br />

ausschliesslich im Zusammenhang<br />

mit Filmen. Denn davon verstehe<br />

ich wirklich viel.» Im Herbst 2011 gelangte<br />

der Römerhof-Verlag an This<br />

Brunner mit der Frage, ob er jemanden<br />

kenne, der in der Villa Mainau im Seefeld<br />

im Rahmen eines grossen Projekts<br />

einen Raum mit einer Installation ausstatten<br />

könnte. «Die Anfrage kam so<br />

kurzfristig, dass ich unmöglich innerhalb<br />

eines Tages jemanden finden<br />

konnte», erinnert Brunner sich. So bot<br />

er dem Verlag an, selbst über Nacht ein<br />

Konzept zu erarbeiten. Gesagt, getan.<br />

Und dieses Konzept mit dem Namen<br />

«The magnificent obsession – the love<br />

affair between movies and literature»<br />

schlug ein wie eine Bombe. Es war<br />

eine Videoinstallation, welche die Literatur<br />

in direkten Zusammenhang<br />

mit grossen Hollywood-Filmen stellt.<br />

Die Installation stiess auf so grossen<br />

Zuspruch – auch in der Presse –, dass<br />

das Kunsthaus Zürich und auch andere<br />

Museen eine Ausführung wünschten.<br />

Sehr bald erhielt Brunner Anfragen<br />

von Kunstinstituten für weitere Konzepte<br />

ähnlicher Art – in Europa und<br />

Übersee. Beispielsweise die Installation<br />

«Let’s pop again» in New York oder<br />

«Hollywoods secret gay affairs» beim<br />

Schiffbau in Zürich im Rahmen der<br />

«Photo15» im vergangenen Januar.<br />

Da thematisierte Brunner, parallel zu<br />

einer umfangreichen Ausstellung seiner<br />

Fotosammlung, all die heimlichen<br />

homoerotischen Beziehungen von<br />

Marlon Brando, James Dean, Steve<br />

McQueen oder Paul Newman in einer<br />

aufwendigen Filminstallation mit<br />

seltenem Material, das Brunner über<br />

30 Jahre hinweg angesammelt hat.<br />

Durch das gezielte Zusammenfügen<br />

und Kombinieren des Materials verleiht<br />

This Brunner seinen Installationen<br />

eine eigene künstlerische Qualität.<br />

Thematisch und stets genau<br />

aufeinander abgestimmt wählt er etwa<br />

gezielt Szenen aus Filmklassikern und<br />

projiziert sie beispielsweise an Wände<br />

– oft raumfüllend, gelegentlich mit<br />

Zusatzeffekten wie Spiegelung, Umdrehung<br />

oder Ähnlichem. «Hierbei<br />

kann ich walten wie ich will. Da redet<br />

mir niemand drein. Das macht Freude»,<br />

so Brunner. Viele der gewählten<br />

Ausschnitte versprühen den Hollywood-Glamour<br />

der 50er- und 60er-<br />

Jahre, oftmals in einer erstaunlichen<br />

Qualität und Farbgebung, die dem Be-<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 35


Serie | Persönlichkeiten<br />

trachter erst in dieser Form der Präsentation<br />

so richtig auffallen mögen.<br />

Und vielfach sind es Szenen, die so<br />

brisant sind, dass sie anno dazumal<br />

von den Produzenten weggeschnitten<br />

worden sind. This Brunner aber hat sie<br />

und verwendet sie.<br />

Regisseur John Waters kommt<br />

Zu This Brunners Freundeskreis gehört<br />

auch der illustre US-Regisseur<br />

John Waters, der sich öffentlich für die<br />

Rechte Homosexueller stark macht.<br />

Heute ist er nicht mehr nur für seine<br />

kultigen Filmproduktionen bekannt,<br />

sondern ebenso für seine Fotografien<br />

oder Skulpturen. Brunner besitzt einen<br />

bemerkenswerten Fundus an Waters-Werken,<br />

hauptsächlich Fotografien,<br />

aber auch anderen Objekte wie ein<br />

Pop-Art-Kissen, Drehbücher und Figuren.<br />

Und John Waters kommt im<br />

Herbst nach Zürich. This Brunner<br />

schenkt nämlich dem Zürcher Kunsthaus<br />

seine gesamte Waters-Sammlung,<br />

die ab 14. August bis Anfang<br />

November dort zu sehen ist. Waters-Fans<br />

sollen sich den 23. September<br />

vormerken, da hält Waters eine<br />

Ansprache. Und warum verschenkt<br />

This Brunner seine ganze Sammlung?<br />

Ganz einfach aus Dank. «Ich habe von<br />

Zürich in all der Zeit so viel bekommen.<br />

Jetzt will ich der Stadt etwas zurückgeben.»<br />

This Brunner<br />

«Ritter der Leinwand» bezeichnete ihn<br />

etwa die NZZ. Wenn einer weiss, wie<br />

die Filmwelt – national und international<br />

– funktioniert, dann ist es This<br />

Brunner (70). Bereits im Kindesalter<br />

war er dem Film sehr zugetan und hat<br />

bereits als 17-Jähriger die Programme<br />

diverser Filmclubs mitgestaltet. Er war<br />

es auch, der seinerzeit die ersten Retrospektiven<br />

des Zürcher Filmpodiums<br />

zusammengestellt hat. In den<br />

70er-Jahren war Brunner Leiter der<br />

Nemo Film Produktion, die mit bedeutenden<br />

Regisseuren zusammenarbeitete.<br />

Daneben betätigte er sich als<br />

Film-Koproduzent, war über vier Jahrzehnte<br />

in Programmkommissionen des<br />

Locarno Filmfestivals engagiert und<br />

wurde als Berater für angesehene<br />

internationale Filmspektakel herangezogen.<br />

35 Jahre lang war Brunner<br />

zudem Direktor der Arthouse Kinos<br />

Zürich und prägte in dieser Position die<br />

Filmwelt in der Limmatstadt nachhaltig<br />

mit. Er ist heute in zahlreiche Filmprojekte<br />

und -festivals involviert und<br />

betreut als Kurator die Film-Tributes<br />

für Art Basel und Art Miami. Neben<br />

seinen Engagements ist er leidenschaftlicher<br />

Sammler zeitgenössischer Kunst<br />

und Fotografie. Für Veranstaltungen<br />

und Museen realisiert er Ton-/Bild-<br />

Installationen. This Brunner lebt mit<br />

Hündin Lumpi in Zürich und im Engadin.<br />

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Kolumne | Michi Rüegg<br />

Das mit<br />

der Natur<br />

Text: Michi Rüegg<br />

Wie schön! Katholisch Irland ist der<br />

Meinung, dass der Bund fürs Leben<br />

keine Frage der Geschlechterkombination<br />

ist. Das ist so erfreulich, wie – im<br />

Fall der grünen Inselrepublik – überraschend.<br />

Schliesslich waren die Iren<br />

lange Zeit nicht gerade als progressivstes<br />

aller Völker bekannt.<br />

Wenig überraschend hat die römische<br />

Kirche ihren Schmerz über diese<br />

aus ihrer Sicht unverständliche Entscheidung<br />

ausgedrückt. Schwulsein,<br />

das ist etwas Widernatürliches, predigt<br />

die Kirche unermüdlich. Ich verzichte<br />

hier auf die einzelnen Zitierungen<br />

derjenigen Würdenträger, die sich<br />

dahingehend geäussert haben.<br />

Es ist, scheint mir, an der Zeit, dass<br />

wir uns mit dem Begriff «Natur» auseinandersetzen.<br />

Ich mag die Natur sehr.<br />

Blumen. Die mag ich sehr. Und Bäume,<br />

und kleine pelzige Tiere. Auch die.<br />

Alles. Auch die hässlichen Dinge sind<br />

irgendwie schön, weil sie ja zur Natur<br />

dazu gehören.<br />

Ich gehe oft in die Natur, sei dies für<br />

Wanderungen, Skifahrten oder Tauchgänge<br />

an korallenbewachsenen Riffen.<br />

Ich fühle mich in der Natur jeweils als<br />

Teil von ihr. Dabei blende ich aus, dass<br />

das Pistenfahrzeug bereits rauf- und<br />

runtergetuckert ist, als ich noch geschlafen<br />

habe. Dass der Wanderweg,<br />

der mich durch den Wald führt, von<br />

Maschinen gepfadet wurde. Und dass<br />

meine Laune auf 30 Metern Tiefe im<br />

Indischen Ozean vermutlich ohne<br />

Luftflasche und Lungenautomat deutlich<br />

mieser wäre.<br />

Ehrlicherweise muss ich zugeben,<br />

dass meine Beziehung zur Natur nicht<br />

besonders viel mit ihr zu tun hat. Das<br />

ist nicht anders als bei den Zeitgenossinnen<br />

und -genossen, die uns immer<br />

wieder inbrünstig einreden, Schwule<br />

und Lesben könnten keine Eltern sein.<br />

Weil ein Kind eben Mama und Papa<br />

brauche. Das sei schliesslich so in der<br />

Natur.<br />

«Gäbe es keine Antibiotika,<br />

wäre ich schon dutzend<br />

Tode gestorben.»<br />

Das klingt zwar auf den ersten Blick<br />

logisch, doch schauen wir etwas genauer<br />

auf die Fortpflanzung im Jahre<br />

<strong>2015</strong>: Erst friert frau der Karriere wegen<br />

Eier ein, dann werden sie mit dem<br />

Sperma – das ihr Mann unter Zuhilfenahme<br />

eines Sexheftes ins Becherchen<br />

gerubbelt hat – künstlich befruchtet,<br />

präimplantiv diagnostiziert, eingesetzt,<br />

unter konstanter Ultraschallbetrachtung<br />

und Fruchtwasserpunktion ausgetragen,<br />

per Kaiserschnitt kommt<br />

dann termingenau das Kind zur Welt,<br />

landet zur Sicherheit noch husch im<br />

Brutkasten und wird schliesslich mit<br />

hochwertiger, industriell gefertigter<br />

Dosenmilch aufgepäppelt. Und ist der<br />

oder die Kleine erst einmal auf der<br />

Welt, verkünden die frisch gebackenen<br />

Eltern stolz, es sei so schön, wie die<br />

Natur ihnen ein Kind geschenkt habe.<br />

Auf dem Geburtskärtchen steht dann<br />

keck: «Ein Kind ist sichtbar gewordene<br />

Liebe.» Stattdessen müsste es heissen:<br />

«Ein ausgereifter Fötus ist sichtbar gewordene<br />

Fortpflanzungsmedizin.»<br />

Bitte, seien wir ehrlich: Das Leben<br />

der Menschen zu Beginn des 21. Jahrhunderts<br />

hat mit der Natur im herkömmlichen<br />

Sinne nicht mehr viel gemein.<br />

Würden wir uns tatsächlich an<br />

ihren Regeln orientieren, müssten wir<br />

uns umgewöhnen. Gäbe es keine Antibiotika,<br />

wäre ich schon dutzend Tode<br />

gestorben. Die Natur hatte offensichtlich<br />

anderes mit mir vor, aber hey, ich<br />

hab sie geschlagen!<br />

Das Ziel einer jeden Spezies ist die<br />

Erhaltung der eigenen Art. Eine Ausnahme<br />

bildet hier vielleicht der<br />

Pandabär, den man mit Pandapornos<br />

zum Sex animieren muss. Nichts deutet<br />

darauf hin, dass die Erhaltung der<br />

Menschheit gefährdet wäre, wenn sich<br />

nicht jedes einzelne Individuum fortpflanzt.<br />

Dieser Meinung ist ganz offensichtlich<br />

auch die katholische Kirche,<br />

sonst hätte sie den Zölibat nicht eingeführt.<br />

Angenommen, eine Gesellschaft<br />

lässt Schwule und Lesben heiraten, haben<br />

wir entscheidende Hinweise dafür,<br />

dass dies nicht das Ende der gesamten<br />

Menschheit bedeutet.<br />

«Nichts deutet darauf hin,<br />

dass die Erhaltung der<br />

Menschheit gefährdet wäre,<br />

wenn sich nicht jedes<br />

einzelne Individuum fortpflanzt.»<br />

Und sollten die Verteufler von<br />

Homosexualität tatsächlich um den<br />

Fortbestand unserer Spezies fürchten,<br />

reicht es doch, wenn man auch schwulen<br />

und lesbischen Paaren erlaubt,<br />

Kinder grosszuziehen.<br />

Die Natur hat auch keine Religionen<br />

vorgesehen. Ich kenne kein Tier, das<br />

Kirchen baut und beten geht. Bloss die<br />

zölibatären Pandas bringen mich<br />

etwas ins Grübeln.<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 37


Reportage | Tanzschule<br />

Let’s Dance … oder:<br />

Darf ich bitten?<br />

Text: Haymo Empl<br />

Das Ehepaar Fern zeigte in den 60ern<br />

züchtig, wie man zu tanzen hatte<br />

Sie brachten in den<br />

sechziger Jahren die<br />

Tanzschule ins Wohnzimmer,<br />

die Tanzlehrer<br />

Ernst und Helga Fern,<br />

das «Ehepaar Fern»,<br />

wie sie allgemein genannt<br />

wurden. Heute<br />

macht das Barbara Ruf<br />

in ihrer Tanzschule<br />

«time2dance». Und natürlich<br />

haben sich<br />

auch die Protagonisten<br />

geändert. Es sind<br />

gleichgeschlechtliche<br />

Paare, die da tanzen.<br />

Equality Dance heisst<br />

das auf neudeutsch.<br />

Tanzstunde bei Barbara Ruf –<br />

mit Schwung & Spass.<br />

Dominic und Tobias: Wer wen führt, ist<br />

bei diesem Tanzpaar kein Thema<br />

«Für mich ist es<br />

einfach entspannend,<br />

wenn ich mich mal eine<br />

Stunde pro Woche<br />

führen lassen kann.»<br />

«Vielleicht wollen Sie das bitte sofort<br />

mal mitmachen! Bitte mal die Tanzhaltung!»<br />

So forderte Ernst Fern im<br />

Jahr 1964 vom Bildschirm aus die Zuschauer<br />

in «Gestatten Sie?» zum Tanz<br />

auf. Eine äusserst populäre TV-Sendung.<br />

In jeder Folge wurden Tänze<br />

präsentiert, die der Zuschauer vor dem<br />

Fernseher zu Hause mitlernen konnte.<br />

Damals war es ganz wichtig, dass es<br />

ein Ehepaar war, welches die Tänze<br />

präsentierte. Und heute? Nun – seit<br />

Jahren bieten diverse Tanzschulen<br />

Tänze auch für gleichgeschlechtliche<br />

Paare an. Beispielsweise Barbara Ruf<br />

mit ihrer Tanzschule «time2dance» im<br />

Stadtzürcher Binzquartier und bereits<br />

seit 1996 bietet «time2dance» Kurse<br />

für gleichgeschlechtliche Paare an.<br />

Mit dabei sind auch Tobias und Dominic.<br />

Beim Ehepaar Fern war es ganz<br />

klar, wer bei den Tänzen führte und<br />

wer sich führen liess. Bei Tobias und<br />

Dominic stellt sich diese Frage<br />

zwangsläufig. «Tobias lässt sich führen<br />

und ich führe», erklärt Dominic.<br />

Das überrascht optisch nun doch etwas<br />

– wenigstens wenn man in den<br />

gewohnten Schubladen denkt. «Für<br />

mich ist es einfach entspannend, wenn<br />

ich mich mal eine Stunde pro Woche<br />

führen lassen kann», erklärt der Medizinstudent.<br />

Bald beginnt die Lektion,<br />

es erstaunt, wie viele schwule und lesbische<br />

Paare sich für die Tanzstunde<br />

an diesem Abend einfinden. Liegt es<br />

FOTOS: PD (1) HAYMO EMPL (4), ZVG (1)<br />

38 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>


am Ambiente? Denn im «time2dance»-<br />

Studio fühlt man sich augenblicklich<br />

wohl. Die Atmosphäre ist unaufdringlich<br />

und doch nicht steril. Man kennt<br />

sich, ohne sich anzubiedern. Letztendlich<br />

verbindet die Liebe zum Tanz,<br />

«Man kennt sich, ohne<br />

sich anzubiedern. Letztendlich<br />

verbindet die<br />

Liebe zum Tanz.»<br />

nicht mehr und nicht weniger. Das ist<br />

auch bei Tobias und Dominic so; die<br />

beiden sind kein (Liebes) Paar. Wie<br />

findet man denn als «Single» einen geeigneten<br />

Tanzpartner? «Da gibt es entsprechende<br />

Foren, in welchen Tanzpartner<br />

gesucht und gefunden werden<br />

Manche Tanzschschritte erfordern volle<br />

Konzentration …<br />

können», erklärt Dominic. Und dann<br />

gehts auch schon los, die Stunde beginnt.<br />

Barbara Ruf gibt klare Anweisungen,<br />

alle wissen, was sie zu tun<br />

haben. Tobias und Dominic verschwinden<br />

zwischen den anderen gleichgeschlechtlichen<br />

Paaren und tanzen<br />

sichtlich mit Spass und Freude.<br />

… manche eher weniger<br />

Interview | Barbara Ruf, Inhaberin der «time2dance» Tanzschule<br />

«Egal ob Mann oder Frau, es gibt Menschen welche<br />

talentierter oder eben weniger talentiert sind.»<br />

Barbara Ruf unterrichtet<br />

seit 1990<br />

bei der Tanzschule<br />

«Trudi Schmucki»,<br />

die sie 2002 übernahm,<br />

bevor 2005<br />

«time2dance» gmbh<br />

an der Binzstrasse<br />

eröffnet wurde. Der erste Gay Kurs<br />

startete 1996 mit über 20 Paaren. So<br />

war klar, dass weitere Kurse folgen<br />

würden. Als gelernte Couture Schneiderin<br />

mit eigenem Couture Atelier, begann<br />

Barbara parallel die Ausbildung<br />

zur Tanzlehrerin. Zum Tanzen kam sie<br />

ganz zufällig, weil ihre Schwester sie<br />

in einen Tanzkurs mitnahm.<br />

Wie bist du auf die Idee gekommen,<br />

eine Tanzschule zu gründen?<br />

Zum einen war ich lange Jahre in der<br />

Tanzschule «Trudi Schmucki» integriert,<br />

konnte mitbestimmen und<br />

durch das vorgeschrittene Alter von<br />

Trudi Schmucki dann auch die Tanzschule<br />

in der Altstadt übernehmen.<br />

Seit 2005 bin ich mit «time2dance»<br />

an der Binzstrasse 9 in Zürich. Meine<br />

eigene Leidenschaft für das Tanzen,<br />

für Musik und Bewegung spornt mich<br />

an, aus jedem Fussgänger einen Tänzer<br />

zu machen. Jeder Mensch sollte im<br />

Leben getanzt haben, darum braucht<br />

es «time2dance».<br />

Inwiefern unterscheidet sich eine Lektion<br />

mit gleichgeschlechtlichen Paaren<br />

von Lektionen für heterosexuelle Paare?<br />

Eigentlich in fast keiner Form! Es geht<br />

ums Tanzen, um Rollen und Regeln<br />

beim Tanzen, um Spass, Bewegung,<br />

Musik, um ein Hobby. Das homosexuelle<br />

Paar kann selber entscheiden,<br />

welcher Part (Damen- oder Herrenpart)<br />

erlernt werden will und das auch<br />

noch von Tanz zu Tanz variieren.<br />

Optisch ist nicht immer gleich ersichtlich,<br />

wer welchen Part tanzt und so<br />

kommt es des öfteren zu lustigen<br />

Situa tionen im Unterricht.<br />

Tanzen lesbische Paare anders als<br />

schwule Paare?<br />

(lacht) nein! Das Tanzen an sich unterscheidet<br />

sich nicht. Egal ob Mann oder<br />

Frau, gibt es Menschen welche talentierter<br />

oder eben weniger talentiert<br />

sind. Es scheint lediglich, dass Frauen<br />

sich rascher und spontaner fürs Tanzen<br />

entscheiden. Diese Tatsache ist<br />

aber auch in der Hetero-Welt bekannt.<br />

Es wäre also schön, wenn sich noch<br />

viele schwule Männer fürs Tanzen<br />

entscheiden würden!<br />

Im TV feiern Sendungen wie «Let's Dance»<br />

- in allen Ländern - grosser Erfolge.<br />

Erlebt das Tanzen generell wieder eine<br />

Art Comeback?<br />

Man könnte es schon so formulieren.<br />

Tanzen ist wieder in den Köpfen der<br />

Menschen.<br />

Wenn man noch nie getanzt hat, was<br />

empfiehlst du als Einstieg?<br />

Periodisch starten bei «time2dance»<br />

Grundkurse. In diesen Kursen beginnen<br />

wir mit Discofox, Englisch Walzer<br />

und Cha Cha Cha, Salsa und Merengue.<br />

Die Kurse dauern 6 Wochen. Dann<br />

folgen die Fortsetzungskurse und danach<br />

bist du bei uns in der Clubklasse<br />

und beherrschst insgesamt 12 Tänze.<br />

<strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong> 39


cruiser<br />

<strong>Cruiser</strong> wünscht Dir<br />

einen schönen <strong>Sommer</strong>.

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