de-gendering informatischer artefakte: grundlagen einer kritisch ...
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Augen <strong>de</strong>rjenigen FachvertreterInnen, die von einem durch Objektivität geprägten<br />
Wissenschaftsverständnis ausgingen, die Glaubwürdigkeit <strong>de</strong>r Geschlechterforschung.<br />
Die Geschlechterforschung in <strong>de</strong>r Informatik bewegte sich somit lange Zeit im<br />
Wesentlichen zwischen zwei Polen: <strong>de</strong>m liberalen Ansatz, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Annahme <strong>de</strong>r<br />
prinzipiellen Gleichheit <strong>de</strong>r Geschlechter beruht, und <strong>de</strong>m Differenzansatz, <strong>de</strong>r prinzipielle<br />
Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n Geschlechtern unterstellt. Während die Maßnahmen<br />
<strong>de</strong>s liberalen Ansatzes letztendlich erfolglos blieben, insofern sie sich ausschließlich<br />
auf die För<strong>de</strong>rung von Frauen konzentrierten, 30 ohne dabei das institutionell-kulturelle<br />
Umfeld zu verän<strong>de</strong>rn, ließen sich die Thesen zur Differenz zwischen <strong>de</strong>n<br />
Geschlechtern empirisch nicht ein<strong>de</strong>utig nachweisen.<br />
Sozialkonstruktivistische Ansätze in <strong>de</strong>r Geschlechter- und Technikforschung<br />
Erst mit <strong>einer</strong> sozialkonstruktivistischen Auffassung von Geschlecht, aber auch von<br />
Technik, die sich ab <strong>de</strong>n 1990er Jahren zunehmend durchsetzte, geriet die<br />
festgefahrene, zwischen Differenz und Gleichheitsansätzen polarisierte Debatte in<br />
Bewegung. 31 Diese Verschiebung in <strong>de</strong>n theoretischen Konzepten ermöglichte es nun,<br />
nach <strong>de</strong>r Vergeschlechtlichung <strong>informatischer</strong> Artefakte zu fragen, ohne Technik – wie<br />
beim Gleichheitsansatz – prinzipiell als neutral zu betrachten o<strong>de</strong>r – wie beim<br />
Differenzansatz – per se als „männlich“ zu begreifen. Vielmehr konnten nun jenseits<br />
pauschaler Technik- und Geschlechterauffassungen Prozesse <strong>de</strong>r Zuweisungen von<br />
technischen Artefakten zu Geschlechterkonstruktionen auf Basis konstruktivistischer<br />
Ansätze in <strong>de</strong>n Blick genommen wer<strong>de</strong>n. 32<br />
Zu <strong>de</strong>m neuen Verständnis von Geschlecht in <strong>de</strong>r Geschlechterforschung hatte<br />
insbeson<strong>de</strong>re die breite Rezeption von Judith Butlers Arbeiten beigetragen, die sich<br />
gegen Naturalisierungen wandte und Geschlecht zugleich als einen Effekt von Diskurs<br />
begreift. 33 Ihr Ansatz unterlief die bis dato in <strong>de</strong>m Gebiet übliche Unterscheidung<br />
zwischen körperlichem und sozialem Geschlecht (im Englischen „sex“ und „gen<strong>de</strong>r“)<br />
und eröffnete <strong>de</strong>n Blick auf die performativen Prozesse <strong>de</strong>r Herstellung von Geschlechtern<br />
und Subjekten. Jedoch erschien <strong>de</strong>n GeschlechterforscherInnen in <strong>de</strong>r Infomatik<br />
diese Forschungsperspektive zunächst ebenso schwer mit <strong>de</strong>n konstruktiv-technischen<br />
Ansprüchen ihrer Disziplin verknüpfbar wie die frühen wissenschaftstheoretischen<br />
Kritiken. 34 Die Diskussionen und Fallstudien zu <strong>de</strong>n Geschlechter-Technik-Verhältnissen<br />
waren in <strong>de</strong>n 1990er Jahren <strong>de</strong>shalb vorwiegend auf Perspektiven <strong>de</strong>s „Doing<br />
Gen<strong>de</strong>r“ 35 (and Technology) beschränkt, ohne dabei das Zweigeschlechtlichkeitssystem<br />
grundlegend zu hinterfragen und ohne dabei <strong>de</strong>n eigenen Anteil daran, dieses<br />
strikt binär konzipierte System durch <strong>de</strong>n Bezug auf „Frauen“ o<strong>de</strong>r Geschlechterdifferenzen<br />
in wissenschaftliche Arbeiten mitzukonstruieren und aufrechtzuerhalten,<br />
ausreichend zu reflektieren.<br />
30<br />
Vgl. hierzu Henwood 2000, Bath 2000, Saupe 2002<br />
31<br />
Für einen Überblick über verschie<strong>de</strong>ne Strömungen <strong>de</strong>s Konstruktivismus in <strong>de</strong>r Geschlechterforschung<br />
vgl. etwa Helduser et al. 2004.<br />
32<br />
Vgl. hierzu auch Bath 2002a.<br />
33<br />
Vgl. Butler 1991 [1990], 1995 [1993], für die Rezeption ihres Ansatzes in Deutschland vgl. das Schwerpunktheft<br />
„Kritik <strong>de</strong>r Kategorie Geschlecht“ <strong>de</strong>r Feministischen Studien 2/1993 sowie zusammenfassend<br />
Knapp 2000.<br />
34<br />
Vgl. hierzu die Tagung „Erfahrung und Abstraktion. Frauensichten auf die Informatik“ in Hamburg 1994.<br />
Für einen Tagungsbericht siehe Löchel 1994.<br />
35 Vgl. West/ Zimmerman 1987.<br />
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