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de-gendering informatischer artefakte: grundlagen einer kritisch ...

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<strong>de</strong>nken, dass ein Artefakt gegenwärtig eine starke Geschlechtseinschreibung tragen<br />

kann, während es zu späteren Zeiten in dieser Hinsicht unverfänglich wirkt – o<strong>de</strong>r auch<br />

umgekehrt. Was ehemals als männlich galt, erscheint heutzutage als weiblich. Einen<br />

solchen „Geschlechtswechsel“ hatte beipielsweise das Artefakt Mikrowelle mittels<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Marketingstrategien vollzogen (Cockburn/Ormrod 1993). Die strukturell-symbolische<br />

Geschlechterordnung unterliegt wie an<strong>de</strong>re Ungleichheitsverhältnisse<br />

beizeiten starken Wandlungen. Deshalb kann eine Technologie also nicht „an sich“<br />

eine Herrschaftsstruktur in sich tragen. Die Politik eines Artefakts ist ebenso wie<br />

<strong>de</strong>ssen Vergeschlechtlichung stets ist an <strong>de</strong>n jeweiligen historischen, sozialen und<br />

kulturellen Kontext gebun<strong>de</strong>n.<br />

Bis hierher habe ich aus <strong>de</strong>n Debatten um Winners Brückenbeispiel fünf verbreitete,<br />

jedoch verkürzte Lesarten <strong>de</strong>r Einschreibung <strong>de</strong>s Sozialen in technische Artefakte<br />

herausgearbeitet:<br />

1. die Annahme, dass TechnologiegestalterInnen absichtsvoll Ungleichheitsstrukturen<br />

im Artefakt materialisieren (Intentionalität <strong>de</strong>r Einschreibung)<br />

2. die Vorstellung, dass sich die Absichten <strong>de</strong>r EntwicklerIn bzw. KonstrukteurIn direkt<br />

in soziale Wirkungen <strong>de</strong>s Artefakts übersetzen (Übereinstimmung von Gestaltungszielen<br />

und Wirkungen)<br />

3. die Interpretation, dass eine inkorporierte Unterdrückung und Diskriminierung ein<strong>de</strong>utig<br />

sein muss und keine Alternativen zulässt, um als Politik bezeichnet zu<br />

wer<strong>de</strong>n (Zwanghaftigkeit <strong>de</strong>s sozialen Ausschlusses)<br />

4. die Unterstellung, je<strong>de</strong>s technische Artefakt sei politischer Natur (generalisierter<br />

Herrschaftsvorwurf)<br />

5. die Ansicht, dass die Ungleichheitsstruktur geschichtslos und unabhängig vom sozio-kulturellen<br />

Kontext <strong>de</strong>r Nutzung in <strong>de</strong>m Artefakt „an sich“ verankert sei (technologische<br />

Essentialisierung <strong>de</strong>r Ungleichheit).<br />

Die bisherige Diskussion hat gezeigt, dass die Materialisierung von<br />

Ungleichheitsstrukturen in technischen Artefakten in einem differenzierteren Sinne<br />

verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n muss, als mit diesen fünf Punkten angenommen wird. Die diesen<br />

Lesarten entggengebrachte Kritik schärft nicht nur <strong>de</strong>n Blick auf die Politik <strong>de</strong>r<br />

Artefakte, son<strong>de</strong>rn zugleich darauf, wie die Vergeschlechtlichung <strong>informatischer</strong><br />

Artefakte theoretisch fundiert wer<strong>de</strong>n kann. Wenn Geschlecht als eine<br />

Ungleichheitsstruktur verstan<strong>de</strong>n wird, so lässt sich das Ziel <strong>de</strong>s Kapitels nun<br />

präzisieren: es soll eine allgemeine Konzeption <strong>de</strong>s Gen<strong>de</strong>ring <strong>informatischer</strong> Artefakte<br />

entwickelt wer<strong>de</strong>n, die auf eine feministische Technikgestaltung hinführt und dabei<br />

we<strong>de</strong>r in dieselben Verkürzungen und theoretischen Fallstricke hineinstolpert, in <strong>de</strong>nen<br />

sich Protagonisten wie Winner o<strong>de</strong>r seine Gegenspieler bereits verwickelt hatten, noch<br />

<strong>de</strong>n politischen Charakter von Technologien aus <strong>de</strong>n Augen verliert, auf <strong>de</strong>n Winner<br />

hingewiesen hatte.<br />

Die sozialwissenschaftliche Technikforschung stellt theoretische Ansätze zur<br />

Verfügung, die über die kritisierte verengte Sicht hinausgehen. Sie umfasst damit weitere<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen, die für eine Konzeptualisierung <strong>de</strong>r Vergeschlechtlichung<br />

<strong>informatischer</strong> Artefakte fruchtbar erscheinen. Denn das angestrebte Konzept <strong>de</strong>r Vergeschlechtlichung<br />

<strong>informatischer</strong> Artefakte muss notwendigerweise auch Annahmen<br />

darüber enthalten, was Technologie ist, wie sie entsteht, geformt, angeeignet wird und<br />

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