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de-gendering informatischer artefakte: grundlagen einer kritisch ...

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konstituieren, stärker auf die Seite <strong>de</strong>r vergeschlechtlichten Subjekte und weniger auf<br />

die Herstellung <strong>de</strong>r technischen Artefakte, die im Zentrum dieser Arbeit steht. Darüber<br />

hinaus kann mit Blick auf das Anliegen <strong>einer</strong> theoretischen Fundierung <strong>de</strong>r Fragestellung<br />

dieser Arbeit kritisiert wer<strong>de</strong>n, dass das Konzept <strong>de</strong>r Ko-Konstruktion von<br />

Technik und Geschlecht <strong>de</strong>n Hybridcharakter <strong>informatischer</strong> Artefakte als Zeichen und<br />

Gegenstand nicht ausreichend berücksichtigt. Denn ein umfassen<strong>de</strong>s Verständnis<br />

<strong>informatischer</strong> Artefakte als Hybridobjekte erfor<strong>de</strong>rt zusätzliche ethische und epistemologische<br />

Analyseebenen, 44 die über die sozialwissenschaftlichen Perspektiven, aus<br />

<strong>de</strong>nen heraus das Konzept entwickelt wur<strong>de</strong>, hinausweisen.<br />

Für eine Analyse <strong>de</strong>r wissenschaftstheoretischen Aspekte <strong>de</strong>r Vergeschlechtlichung<br />

<strong>informatischer</strong> Artefakte sind daher auch die Interventionen Donna Haraways von<br />

zentraler Be<strong>de</strong>utung (vgl. Haraway 1995d [1988]). 45 Haraway übernahm von <strong>de</strong>n<br />

frühen ökofeministischen Ansätzen <strong>de</strong>n wissenschafts<strong>kritisch</strong>en Anspruch, wen<strong>de</strong>te<br />

diesen jedoch zugleich politisch wie poststrukturalistisch. Der objektivistische Blick von<br />

Nirgendwo („view from nowhere“) ist ihr zufolge nicht möglich, da Wissen stets von<br />

einem spezifischen historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Ort aus entsteht.<br />

D.h. Wissen ist physisch und physikalisch verkörpert, sozial konstruiert und in kulturelle<br />

Politiken eingebun<strong>de</strong>n sowie durch das forschen<strong>de</strong> Subjekt bedingt, <strong>de</strong>ssen Geschlecht,<br />

Klasse, Ethnie und subjektive Erfahrungen die Forschungsergebnisse<br />

mitbestimmen. Deshalb ist je<strong>de</strong>s Wissen notwendigerweise parteilich, verortet und<br />

situiert.<br />

In ihrem berühmten Cyborg-Manifest bezog Haraway (1995c [1985], 35ff) darüber<br />

hinaus <strong>de</strong>zidiert Position gegen <strong>de</strong>n Ökofeminismus und <strong>de</strong>ssen Annahme essentialistischer<br />

Geschlechterdifferenz. Statt Technik zu dämonisieren analysierte sie die<br />

aktuellen Technowissenschaften aus politischer, erkenntnistheoretischer und feministischer<br />

Perspektive. Dabei konstatierte sie eine Auflösung <strong>de</strong>r geschlechtlich kodierten<br />

Dichotomie von Natur und Kultur, aber auch <strong>de</strong>r Grenzen zwischen Mensch und<br />

Maschine. FeministInnen rief sie explizit dazu auf, diese Grenzverwischung zu genießen<br />

und Verantwortung bei <strong>de</strong>ren Neukonstruktion zu übernehmen. Damit ist ihr<br />

Ansatz nicht nur wissenschaftstheoretisch und ethisch zu verstehen, son<strong>de</strong>rn for<strong>de</strong>rt zu<br />

(feministischen) Interventionen auf. Mit Hilfe ihrer theoretischen Konzeptionen wird<br />

eine feministische Technikgestaltung jenseits <strong>de</strong>r These frauenspezifischen Umgangs<br />

mit Technik und <strong>de</strong>r Hoffnung, <strong>de</strong>rzufolge Frauen eine bessere, sozial verträgliche<br />

Technik entwickeln wür<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nkbar. Haraway stellt jedoch kein explizites Konzept <strong>de</strong>s<br />

De-Gen<strong>de</strong>ring von Technologien zu Verfügung. 46<br />

Theoretische Konzepte <strong>de</strong>s De-Gen<strong>de</strong>ring<br />

Aus an<strong>de</strong>ren Disziplinen und zu an<strong>de</strong>ren Gegenstandbereichen als technischen Artefakten<br />

dagegen liegen bereits ausgearbeitete Vorschläge für ein De-Gen<strong>de</strong>ring vor. So<br />

zielt etwa das Konzept <strong>de</strong>r Soziologin Judith Lorber (vgl. Lorber 2000, 2004) auf eine<br />

radikale Auflösung <strong>de</strong>r Zwei-Geschlechter-Struktur. „Ein einfacher Einstieg in das<br />

44<br />

Zur Notwendigkeit, ethische und wissenschaftstheoretische Aspekte in die Analyse <strong>informatischer</strong><br />

Artefakte einzubeziehen vgl. die Ausführungen in <strong>de</strong>r Einleitung.<br />

45<br />

Für einen Überblick über die Rezeption Haraways im <strong>de</strong>utschsprachigen Raum vgl. etwa<br />

Messerschmidt 2007.<br />

46<br />

Zu Haraways Ansatz vgl. auch die Ausführungen in Kapitel 3.4<br />

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