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de-gendering informatischer artefakte: grundlagen einer kritisch ...

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3.1. Das Technische ist politisch!<br />

“Do artifacts have politics? ‘Of course not’. Such has been for many years<br />

the common sense answer: technical objects are as neutral as Aesop’s<br />

tongue. They simply take the shape given to them. But when the philosopher<br />

Langdon Winner raised the question, several <strong>de</strong>ca<strong>de</strong>s ago, his answer<br />

was a resounding ‘yes’: far from being neutral, technologies could<br />

‘embody’ oppression in such a <strong>de</strong>vious way that it was ma<strong>de</strong> irreversible.”<br />

(Latour 2004, o.S.)<br />

Unter <strong>de</strong>m Titel „Do artifacts have politics?“ veröffentlichte <strong>de</strong>r Politikwissenschaftler<br />

und Technikphilosoph Langdon Winner 1980 einen Aufsatz, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r sozialwissenschaftlichen<br />

Technikforschung große Aufmerksamkeit erlangen sollte. Darin behauptet<br />

er die Existenz „inhärent politischer Technologien“, <strong>de</strong>nen bestimmte gesellschaftliche<br />

Herrschaftsstrukturen und Unterdrückungsmechanismen eingeschrieben sind. Als Beispiele<br />

führt er Atombomben o<strong>de</strong>r Kernkraftwerke an. Diese seien nicht mit <strong>de</strong>mokratischen<br />

Gesellschaftsformen vereinbar, son<strong>de</strong>rn erfor<strong>de</strong>rten ein totalitäres politisches<br />

Regime. Um Unfälle o<strong>de</strong>r Anschläge zu verhin<strong>de</strong>rn, sei ein autoritärer staatlicher Apparat<br />

vonnöten, <strong>de</strong>r ihren Einsatz und Betrieb sicherstellt. Solarquellen stellten einen Gegensatz<br />

zu diesen zentralisierten Technologien dar. Da sie <strong>de</strong>zentral-verteilt funktionierten,<br />

wären sie eher mit sozialer Gleichheit, Freiheit und <strong>de</strong>mokratischen Zielen<br />

vereinbar. Winner argumentiert, dass Entscheidungen für bestimmte technische Arrangements<br />

<strong>de</strong>shalb stets Entscheidungen für bestimmte politische Macht- und Autoritätsverhältnisse<br />

seien (vgl. Winner 1999 [1980], 30).<br />

Dass Technologien eine bestimmte Politik inhärent und ihr jeweiliger politischer<br />

Charakter damit unabhängig von kulturell-historischen Bedingungen bestimmbar seien,<br />

wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n nachfolgen<strong>de</strong>n Debatten sozialwissenschaftlicher Technikforschung<br />

relativiert. In <strong>de</strong>r Rezeption <strong>de</strong>s Aufsatzes beson<strong>de</strong>rs umstritten war Winners These,<br />

dass manche Entwickler_innen intendierten, eine soziale Ungleichheitsstruktur mit Hilfe<br />

von Technologie fortzuführen. Das heißt: „Jemand will bewusst einen sozialen Effekt<br />

erzielen und verlegt seine Intention gezielt in ein Artefakt, das dann <strong>de</strong>n Effekt auf<br />

Dauer stellt“ (Joerges 1999a, 45). Gelingt <strong>de</strong>r soziale Ausschluss und die Behin<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Handlungsfähigkeit <strong>de</strong>r NutzerInnen, so wird die entsprechen<strong>de</strong> Ungleichheitsstruktur<br />

nicht nur in die Technologie eingeschrieben, son<strong>de</strong>rn bleibt langfristig wirksam<br />

und aufrechterhalten. Sie wird durch Technologie verfestigt, quasi „verhärtet“ (vgl.<br />

Latour 1991). In diesem Sinne ließen sich technische Artefakte als Formen sozialer<br />

Ordnung verstehen: „Because choices tend to become strongly fixed in material<br />

equipment, economic investment, and social habit, the original flexibility vanishes for all<br />

practical purposes once the initial commitments are ma<strong>de</strong>. In that sense technological<br />

innovations are similar to legislative acts or political foundings that establish a framework<br />

for public or<strong>de</strong>r that will endure over many generations“ (Winner 1999 [1980], 32)<br />

Als einprägsames Beispiel dieser Klasse technischer Artefakte führt Winner eine<br />

Reihe von Brücken an, die in <strong>de</strong>n 1930er Jahren von <strong>de</strong>m renommierten New Yorker<br />

Stadtplaner Robert Moses konstruiert wor<strong>de</strong>n sind. Diese Überführungen über <strong>de</strong>n<br />

sogenannten Parkways 76 zwischen New York und Long Island waren so niedrig<br />

gebaut, dass sie von öffentlichen Bussen nicht passiert wer<strong>de</strong>n konnten. Winner<br />

76 Parkways sind Bun<strong>de</strong>sstrassen, die durch landschaftlich reizvolle Gegen<strong>de</strong>n führen.<br />

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