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de-gendering informatischer artefakte: grundlagen einer kritisch ...

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Erkenntnissen solcher Studien aufbauen<strong>de</strong>n Maßnahmen, etwa zur geschlechtssensiblen<br />

Didaktik, 56 zur Integration kommunikativer Kompetenzen in die Softwareentwicklung<br />

57 o<strong>de</strong>r zur interdisziplinären Ausrichtung von Studieninhalten, die dazu tendieren,<br />

die Geschlechterdifferenz und damit verbun<strong>de</strong>ne Stereotype selbst zu re-inszenieren 58 .<br />

Sie bringen damit Differenz als Grundlage <strong>de</strong>r Hierarchisierung erneut hervor. Nur<br />

wenige Projekte und Ansätze in diesem Bereich basieren dagegen tatsächlich auf <strong>de</strong>m<br />

theoretischen Ansatz <strong>de</strong>r Dekonstruktion von Geschlecht. 59<br />

Der dritte Bereich informatikbezogener Geschlechterforschung untersucht die<br />

Chancen, Nutzungsweisen und Wirkungen, die speziell das Internet zeigt. In diesem<br />

Themenfeld dominierten in <strong>de</strong>n Anfängen <strong>de</strong>r computervermittelten Kommunikation<br />

Ansätze, die das neue Medium euphorisch als Befreiungstechnologie und als<br />

„I<strong>de</strong>ntitätswerkstatt“ auffassten. 60 In <strong>de</strong>n 1990er Jahren wur<strong>de</strong> das Internet oft als ein<br />

i<strong>de</strong>aler Raum verstan<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m überkommene Geschlechter- und Subjektkonzeptionen<br />

überwun<strong>de</strong>n, Körper und Geschlechtlichkeit neu konstituiert wer<strong>de</strong>n<br />

könnten und das Konzept <strong>de</strong>s „Doing Gen<strong>de</strong>r“ praktisch erprobbar wer<strong>de</strong>. 61 Diese<br />

Ansätze grün<strong>de</strong>n zwar theoretisch auf einem <strong>de</strong>konstruktivistischen Verständnis von<br />

Geschlecht, jedoch haben sozialwissenschaftliche Studien die formulierten Hoffnungen<br />

empirisch wi<strong>de</strong>rlegt. 62 Auch neuere Untersuchungen lieferten eher ernüchtern<strong>de</strong><br />

Erkenntnisse. Sie dokumentierten die Wie<strong>de</strong>rherstellung geschlechtsstereotyper und<br />

hierarchischer Verhältnisse in <strong>de</strong>r Nutzung <strong>de</strong>s Internet. 63 Eine an<strong>de</strong>re Studie, bei <strong>de</strong>r<br />

technische GestalterInnen befragt wur<strong>de</strong>n, versteht die Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

im Anschluss an Foucault als „Technologien <strong>de</strong>s vernetzten<br />

Selbst“. 64 Auch sie liefert damit Erkenntnisse über Subjektkonstitutionen im Technikentwicklungsprozess,<br />

nicht jedoch über die Vergeschlechtlichung <strong>informatischer</strong> Artefakte.<br />

Die sozialwissenschaftliche Forschung beschäftigt sich somit vorwiegend mit <strong>de</strong>r<br />

Nutzung <strong>de</strong>s Internet o<strong>de</strong>r Subjektivierungsweisen und bezieht sich damit auf Aspekte,<br />

die als Gegenstand <strong>informatischer</strong> Gestaltung eine untergeordnete Rolle spielen.<br />

Im Gegensatz zu diesen empirischen Ansätzen griffen Cyberfeministinnen die<br />

frühen Verheißungen <strong>de</strong>s Internet aus <strong>einer</strong> kulturwissenschaftlichen Perspektive auf. 65<br />

Im Rekurs auf Haraway zielten cyberfeministische Interventionen auf eine symbolische<br />

Umschreibung herkömmlicher Geschlechter-Technik-Verhältnisse, die in theoretischen<br />

Texten, künstlerischen Praxen und systemimmanenten Störaktionen Ausdruck fand. 66<br />

Cyberfeministinnen versuchten zwar, Technologie im Sinne eines De-Gen<strong>de</strong>ring zu<br />

verän<strong>de</strong>rn. Dabei konzentrierten sie sich jedoch auf Re-Definitionen von Be<strong>de</strong>utung<br />

und auf Kunstformen, welche die informatikbasierten Technologien sowie <strong>de</strong>ren<br />

56 Vgl. etwa Schwarze et al. 2008.<br />

57 Vgl. etwa Mahn 1997, Schinzel et al 1999.<br />

58 Zu dieser Kritik vgl. genauer Bath 2005a, 2006c.<br />

59 Vgl. etwa Bauer/ Götschel 2006 sowie Wiesner 2007 für solche Beispiele aus <strong>de</strong>n Bereichen <strong>de</strong>r Curri-<br />

cularentwicklung und Didaktik.<br />

60 Vgl. Bruckman 1992.<br />

61 Vgl. etwa Bruckman 1993, Reid 1994, Stone 1995.<br />

62 Vgl. etwa Funken 1999, 2000, Herring 2000, Eisenrie<strong>de</strong>r 2003, Lübke 2005, zu diesen technikeuphorischen<br />

Argumenten sowie <strong>de</strong>n <strong>de</strong>mgegenüber ernüchtern<strong>de</strong>n empirischen Analysen vgl. auch Kapitel<br />

4.2.5.<br />

63 Vgl. etwa Carstensen 2007, Carstensen/ Winker 2005, Schachtner/ Winker 2005.<br />

64 Vgl. Paulitz 2005.<br />

65 VNS Matrix 1991, Wilding o.J., obn o.J. Mit Bezug auf diese Autorinnen verstehe ich Cyberfeminismus<br />

gera<strong>de</strong> nicht als einen weiteren Ansatz, <strong>de</strong>r darauf zielt, mehr Frauen für die Technik zu gewinnen.<br />

66 Obn o.J., Sollfrank 1999, Reiche/ Sick 2002.<br />

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