de-gendering informatischer artefakte: grundlagen einer kritisch ...
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Mo<strong>de</strong>llierung die „Realität“ eines Anwendungskontextes quasi abgebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n könne.<br />
83 Im Kontrast dazu richtete sich Winner gegen <strong>de</strong>n damals in <strong>de</strong>r sozialwissenschaftlichen<br />
Techniktheorie vorherrschen<strong>de</strong>n Strang <strong>de</strong>r Technikfolgenabschätzung:<br />
„Traditionally, social research has ten<strong>de</strong>d to focus on the ‚effects of technology on society’,<br />
its ’impact’, its ‘implications’, and so on” (Edge 1995 [1988], 14). Das Brückenbeispiel<br />
weist damit Geschlechterforschungsansätze in <strong>de</strong>r Informatik darauf hin, dass<br />
ein Verständnis <strong>de</strong>s Gen<strong>de</strong>ring <strong>de</strong>r Artefakte immer auch grundlegen<strong>de</strong> Annahmen<br />
über das Verhältnis von Technik und Gesellschaft enthält. Die Frage nach einem<br />
Konzept <strong>de</strong>r Vergeschlechtlichung wirft <strong>de</strong>mzufolge nicht nur erkenntnistheoretische<br />
Probleme auf, son<strong>de</strong>rn heißt zugleich, Fragen nach <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>s Technischen und<br />
<strong>de</strong>s Sozialen sowie ihres Zusammenhangs bzw. <strong>de</strong>s Verhältnisses zwischen Menschen<br />
und Maschinen zu beantworten. Diese Fragen wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r sozialwissenschaftlichen<br />
Technikforschung kontrovers diskutiert. Dabei wur<strong>de</strong> im Laufe <strong>de</strong>r letzten 30<br />
Jahre ein breites Spektrum grundlegen<strong>de</strong>r Ansätze entwickelt, die auch <strong>einer</strong> feministischen<br />
Analyse unterzogen wor<strong>de</strong>n sind und damit für eine theoretische Fundierung<br />
<strong>de</strong>s Gen<strong>de</strong>ring <strong>informatischer</strong> Artefakte vielversprechend erweisen. Diese wer<strong>de</strong>n im<br />
Kapitel 3.3. ausführlicher vorgestellt.<br />
Drittens: Ein weiteres Argument dafür, das Brückenbeispiel im Kontext <strong>de</strong>r Vergeschlechtlichung<br />
von Technologien zu diskutieren, besteht in <strong>de</strong>m emanzipatorisch<br />
intendierten Ansatz, einen in <strong>de</strong>n Artefakten manifestierten sozialen Ausschluss als<br />
verborgene Herrschaftssstruktur zu rekonstruieren. Ein großer Teil <strong>de</strong>r Empörung, die<br />
die Geschichte Winners gemeinhin hervorzurufen vermag, grün<strong>de</strong>t auf <strong>de</strong>r entlarvten<br />
Unsichtbarkeit <strong>de</strong>s Sozialen in <strong>de</strong>m fertig gestellten technischen Artefakt. Diesen Effekt<br />
beschreibt Winner anhand von Richard Moses Konstruktionen: „Many of his monumental<br />
structures of concrete and steel embody a systematic social inequality, a way of<br />
engineering relationships among people that, after a time, becomes just another part of<br />
the landscape” (Winner 1999 [1980], 31). Ist das Artefakt erst einmal in die Landschaft<br />
integriert, so erscheint es dort als selbstverständlich. Das dahinter liegen<strong>de</strong> Soziale<br />
wird nicht mehr hinterfragt. Was Winners Argumentation Überzeugungskraft verleiht,<br />
lässt sich – so die Soziologin und Technikforscherin Bettina Heintz – nicht allein auf die<br />
„Externalisierung <strong>de</strong>s Sozialen“ zurückführen. Das Problem bestün<strong>de</strong> vielmehr darin,<br />
dass das Soziale mit <strong>de</strong>r Verlagerung in technische Artefakte gleichzeitig unsichtbar<br />
gemacht wird. „Anstatt Verbotsschil<strong>de</strong>r aufzustellen ‚Zutritt für Schwarze nicht<br />
gestattet!‘, wer<strong>de</strong>n Brücken gebaut, die für Busse unpassierbar sind. Ein Verbotsschild<br />
– ‚Zutritt für Schwarze verboten!’ – macht die Diskriminierung offensichtlich und ruft<br />
Protest hervor. Eine Tafel mit <strong>de</strong>m Hinweisschild ‚Max. Durchfahrtshöhe 2,70 m’ erfüllt<br />
<strong>de</strong>n gleichen Zweck, ohne dass dies auf <strong>de</strong>n ersten Blick erkennbar ist.<br />
Diskriminierung ist hinter – o<strong>de</strong>r besser in – <strong>de</strong>r Technik versteckt und damit <strong>de</strong>m<br />
Alltagsbewußtsein entzogen ... D.h. mit zunehmen<strong>de</strong>r Technisierung wird es immer<br />
schwieriger, die in technischen Artefakten verborgenen sozialen Strukturen zu<br />
erkennen“ (Heintz 1994, 14). 84<br />
83 Für erkenntnis<strong>kritisch</strong>e Perspektiven auf die Prozesse <strong>de</strong>r Softwareentwicklung vgl. Floyd et al. 1992<br />
sowie Bath 2009 in Bezug auf Emotionskonzepte in <strong>de</strong>r Künstlichen Intelligenzforschung.<br />
84 Joerges Versuch <strong>de</strong>r Dekonstruktion Winners sowie die Reaktionen von Woolgar und Cooper erschie-<br />
nen erst nach Heintz Interpretation.<br />
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