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de-gendering informatischer artefakte: grundlagen einer kritisch ...

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Kapitel 1<br />

Einleitung<br />

Geschlechterforschung in <strong>de</strong>r Informatik ist in Deutschland ein junges Feld, das sich<br />

gegenwärtig institutionell etabliert und inhaltlich schnell entwickelt. Es kann mittlerweile<br />

auf mehr als zwei Jahrzehnte engagierter Aktivität und wissenschaftlicher Forschung<br />

zurückblicken. Einen Ausgangspunkt bil<strong>de</strong>te die 1986 gegrün<strong>de</strong>te Fachgruppe<br />

„Frauenarbeit und Informatik“ in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Gesellschaft für Informatik. 1 1989 fand<br />

eine erste internationale wissenschaftliche Tagung zu diesem Thema in Deutschland<br />

statt (Schelhowe 1989a). Die „Informatica Feminale“, Sommeruniversität für Frauen in<br />

<strong>de</strong>r Informatik, wird seit 1998 jährlich in Bremen durchgeführt. 2 An <strong>de</strong>r Hochschule<br />

Bremen gibt es seit 2000 einen Informatikstudiengang für Frauen. Erste Professuren<br />

für Geschlechterforschung in <strong>de</strong>r Informatik wur<strong>de</strong>n an Universitäten eingerichtet (1998<br />

an <strong>de</strong>r Universität Bremen, 2004 an <strong>de</strong>r Universität Hamburg). Zahlreiche Veröffentlichungen<br />

und Tagungsbän<strong>de</strong> dokumentieren, dass sich die Geschlechterforschung in<br />

<strong>de</strong>r Informatik mittlerweile ausdifferenziert hat und ein breites Themenspektrum<br />

umfasst. 3<br />

Der Gegenstand <strong>de</strong>s neuen Fachgebiets wird in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit, zum Teil auch in<br />

<strong>de</strong>n technischen Wissenschaften, häufig nur partiell wahrgenommen. Oft wird<br />

angenommen, die Geschlechterforschung in <strong>de</strong>r Informatik befasse sich im<br />

Wesentlichen mit <strong>de</strong>r Untersuchung <strong>de</strong>r Frage, wie mehr Frauen für ein Studium <strong>de</strong>r<br />

Informatik und für entsprechen<strong>de</strong> Berufe gewonnen wer<strong>de</strong>n können. In diesem Diskussionszusammenhang<br />

fin<strong>de</strong>n sich Positionen, die zum einen das Geschlechter-Technik-<br />

Verhältnis auf ein „Problem <strong>de</strong>r Frauen“ verkürzen und zum an<strong>de</strong>ren Technologien als<br />

außergesellschaftlich gegeben und (geschlechts-)neutral verstehen. Auf dieser Grundlage<br />

bleiben sowohl die Disziplin Informatik als auch und <strong>de</strong>ren Produkte unhinterfragt.<br />

4 Auf Basis dieser Position ist es schwierig, für eine Verankerung <strong>de</strong>r<br />

Geschlechterforschung in <strong>de</strong>r Informatik zu plädieren, da Geschlecht vermeintlich<br />

nichts mit <strong>de</strong>n Inhalten und Produkten <strong>de</strong>r Informatik zu tun hat.<br />

In letzter Zeit gewinnt – insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r Politik – ein zweites Verständnis von<br />

<strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>r Geschlechterforschung in <strong>de</strong>r Informatik Aufmerksamkeit. 5<br />

Wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Produkte sollten sich besser an <strong>de</strong>n<br />

Bedürfnissen, Interessen und Wünschen von Frauen ausrichten, um diese als Kundinnen<br />

und Käuferinnen gewinnen zu können. Die Forschung habe <strong>de</strong>shalb<br />

„geschlechtsspezifische“ Unterschie<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Entwicklung und Nutzung von<br />

Technologien, d.h. die Vergeschlechtlichung <strong>de</strong>r Produkte, zu berücksichtigen. 6 Die mit<br />

solchen Vorstellungen verknüpfte Interpretation <strong>de</strong>r Geschlechterforschung in <strong>de</strong>r<br />

1 Vgl. etwa Frauenarbeit und Informatik 2006<br />

2 Vgl. http://www.informatica-feminale.<strong>de</strong>. Dieses Konzept wur<strong>de</strong> später in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, Österreich<br />

(Salzburg) und Neuseeland übernommen.<br />

3 Vgl. etwa Grundy et al. 1997, Oechtering/ Winker 1998, Balka/ Smith 2000, Kreutzner/ Schelhowe 2003,<br />

Schmitz/ Schinzel 2004, Archibald et al 2005, Zorn et al. 2007 sowie die internationalen Tagungen<br />

„Women, Work and Computerization“ (seit 1985) und die „European Gen<strong>de</strong>r & ICT Symposia“ (seit 2003).<br />

4 Ähnliche Argumente fin<strong>de</strong>n sich in Zusammenfassungen <strong>de</strong>r feministischen Technik<strong>de</strong>batte, vgl. etwa<br />

Gill/ Grint 1995, Bath 1996, Henwood 2000, Saupe 2002, Bath 2005.<br />

5 vgl. etwa Schavan 2007. Siehe auch die Bestrebung <strong>de</strong>s Konzerns Volvo, ein Auto „von und für Frauen“<br />

zu entwickeln, vgl. Temm 2008, Wolffram 2005.<br />

6 Vgl. hierzu Bührer/ Schraudner 2006, Schraudner/ Lukoschat 2006 sowie <strong>kritisch</strong> und ausführlicher dazu<br />

Bath 2007 sowie Kapitel 2.2.<br />

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