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KoBo - Gemeinde Bonstetten

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<strong>KoBo</strong> FreizeitDer Fächer ist auch ein SchleierVor ein paar Millionen Jahrenentdeckte der erste, noch vollkommenbehaarte Primate, einerunserer Vorfahren, irgendwo inAfrika im Dschungel oder derSavanne, welche Kraft von einemzufällig aufgelesenen Stück Holz,mit dem er zuerst sinnverlorenvor sich hinstocherte, ausging,wenn er es nur richtig packte unddamit zuschlug. Vor Freude überseinen bahnbrechenden Gedanken,schmiss er das Holzstückhoch in die Luft und im Bruchteileiner Sekunde verwandelte essich in ein Raumschiff, das imOrbit um die Erde herumfiel.Von Jürg CasanovaNiemand hat die Geschichte derMenschheit je genialer zusammengefasstals Stanley Kubrick mit dieser kurzenFilmsequenz in seiner Odyssee 2001.Vielleicht werden die Zivilisationen derMenschheit dereinst nur eine Episode inder Geschichte dieses Planeten gewesensein, und die Schleier des Vergessenswerden sich über all das legen, was unserLeid und unser Glück ausgemacht hat.Dem Licht entzogenUnd wo immer sich ein Vorhang odereine Decke vor ein Geschehen zieht, wosich eine Schicht über eine andere legt,geht etwas zu Ende oder wird unterbrochen,verschwindet ein toter Körperin einem Grab, ist ein Theaterstück, einLeben allein zu Ende, wird jemand vonetwas ferngehalten, ausgeschlossen, weggesperrt.Es wird – zumindest was dieMenschen aktiv und willentlich veranstalten– etwas dem Licht, der Gegenwartentzogen, weil es eben zu Ende ist, weiles nicht mehr so weitergehen soll, weil esnicht erwünscht ist, nicht gesehen werdenwill, ein hässlicher Tisch, über denman ein Tischtuch zieht, ein peinlichesVorkommnis in der Familie, das fortantotgeschwiegen wird, ein Sich-aus-dem-Weg-Gehen nach einer Scheidung. UndSchleiereulenhaft, was sich hinter Schleiern alles verbirgt. (Foto: Harry Hautumm, pixelio.de)meist haben die Dinge mehr als eine Seite,mehr als einen Zweck, oder man kannsie auch zweckentfremden, wie etwa denFlamenco-Fächer, den die holde Dameja bekanntlich nicht nur beim Flamenco-Tanzen brauchte, sondern ihn auch beiFiestas gekonnt einsetzte, um beim Luftzufächeln,das in der Hitze Andalusienstatsächlich nötig war, verstohlen die Blickedes Geliebten zu erhaschen.Als Lebender unter TotenWer kennt nicht den Wunsch, sich unsichtbarzu machen, völlig unerkanntunter fremden Menschen und erst rechtunter Freunden herumgehen zu könnenund niemand kann Sie erkennen, weilSie unsichtbar sind. Oder wer kenntnicht den Gedanken, nach seinem Ablebenals Toter unter den noch Lebendenherumgehen zu können und nunihre «wahren» Gesichter zu sehen undihre Aussagen zur Kenntnis zu nehmen.Vielleicht sind unsere zahllosenPraktiken, uns zu verhüllen, ein Ausdruckdavon, die möglicherweise mit derAngst gepaart ist, erkannt und mit etwasbehaftet zu werden.Geheimnisse und MachtspieleEs scheint etwas genuin Menschlicheszu sein, dass man sich verhüllen und verkleidenwill, das hat nicht nur mit demSchutz vor den Unbilden des Wetters zutun, sondern rührt offenbar an archaischeGepflogenheiten und die zahllosen Versuche,mit denen menschliche Kulturendie unkontrollierbaren Triebstrukturenauf höchst unterschiedlichste Arten inden Griff bekommen wollten und nochwollen. Es gibt Verhüllungsmethoden,die an eine Kultur gebunden sind –Trachten und Uniformen beispielsweise,bestimmte Kopfbedeckungen und Penisköcher,weite Kleider und Ganzkörperschleier– und es gibt Verhüllungsstrategien,die angeblich frei sind, weilsie mehr enthüllen als verbergen unddamit – wie die andern auch – auf etwashinweisen, das hinter allem wabert: Geheimnisseund Machtspiele, Rangordnungenund Moralvorstellungen. SehenSie hin und Sie werden sehen.10 <strong>KoBo</strong> 03/10

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