10.07.2015 Aufrufe

Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ausbildungpräsident wird im Falle seiner Verhinderung (...). Das gleiche gilt für dieeinstweilige Vertretung beim Rücktritt des B<strong>und</strong>espräsidenten oder bei sonstigervorzeitiger Erledigung des Amtes.“ 14despräsidenten geleistet werden. Ein Verstoß gegen diese Verfassungspflichtist kein bloßer Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift, er kann einschneidenderechtliche Folgen haben.So sehr der Rücktritt des B<strong>und</strong>espräsidenten einhellig angenommen wird,stellt sich die Frage, wie dieser zu erfolgen hat. Auch hierzu gibt es keine Vorschriftenim Gr<strong>und</strong>gesetz oder den einfachen Gesetzen. Der B<strong>und</strong>espräsidentkann sich nicht selbst „entlassen“, daher hat der Rücktritt durch Erklärung zuerfolgen. <strong>Die</strong>se Rücktrittserklärung ist empfangsbedürftig. Fraglich ist also,wem diese Erklärung zugehen muss, damit der B<strong>und</strong>espräsident seinen Rücktritterklärt hat. Bei Horst Köhler stellte sich dieses Problem erst gar nicht, daer nach eigener Aussage bereits die wichtigsten Verfassungsorgane informierthatte 15 <strong>und</strong> allein schon durch seine Erklärung vor der Presse seine Entscheidunginnerhalb weniger Minuten b<strong>und</strong>esweit bekannt wurde. Gleichwohlwollen wir dem verfassungsrechtlichen Kern dieser Frage auf den Gr<strong>und</strong> gehen.Für die Annahme der Rücktrittserklärung steht der B<strong>und</strong>espräsident selbstnicht zur Verfügung, er ist Urheber <strong>und</strong> nicht Adressat. Nach der actus- contrarius-Theorie sollte man davon ausgehen, dass für einen Rücktritt wiederdie B<strong>und</strong>esversammlung zuständig sei. Da dieses Verfassungsorgan (Art. 54Abs. 1 S. 1, Abs. 3 GG) allerdings nicht ständig besteht, wird man auf den Präsidentendes B<strong>und</strong>estages als den „geborenen Präsidenten der B<strong>und</strong>esversammlung“16 abstellen (Art. 54 Abs. 4 S. 2, Abs. 7 GG iVm § 8 BPräsWahlG).Da bereits die Annahmeerklärung dem B<strong>und</strong>estagspräsidenten gegenüber zuerfolgen hat (§ 10 BPräsWahlG), könnte man dies nach der actus- contrarius-Theorie auch auf die Rücktrittserklärung beziehen. In der Literatur gibt esebenfalls die Ansicht, dass die Erklärung sowohl dem Präsidenten des B<strong>und</strong>estagsals auch dem Präsidenten des B<strong>und</strong>esrats gegenüber zu erfolgen hat 17 .<strong>Die</strong>s ist wohl der Regelung gezollt, dass der Präsident des B<strong>und</strong>esrats bei vorzeitigerErledigung des Amtes die Befugnisse des B<strong>und</strong>espräsidenten wahrnimmt(Art. 57 GG). Eine andere Ansicht geht davon aus, dass der Rücktrittdurch amtliche Veröffentlichung zu erfolgen habe 18 . <strong>Die</strong>s dürfte mit dem Geschehenum Heinrich Lübke zusammenhängen, der seine Rücktrittserklärungam 14. Oktober 1968 ebenfalls amtlich veröffentlichte 19 . Eine solche Veröffentlichungist aber wohl zu unverbindlich <strong>und</strong> führt möglicherweise zu einemverfassungsrechtlichen Streit 20 . Man wird daher wohl der h. M. folgen,dass der B<strong>und</strong>estagspräsident den zuständigen Erklärungsempfänger darstelle21 . Der Eingang der Rücktrittserklärung beim Präsidenten des B<strong>und</strong>estagesist konstitutive Gültigkeitsvoraussetzung des Rücktritts <strong>und</strong> stellt das„formelle Minimum“ 22 dar. Eine andere Frage ist die der Höflichkeit <strong>und</strong> Courtoise.Danach wird der B<strong>und</strong>espräsident ohnehin die wichtigsten Verfassungsorganeverständigen <strong>und</strong> möglicherweise sogar befragen. Erst danachwürde er mit seinem Rücktritt an die Öffentlichkeit gehen 23 . So ist es auch imFall von Horst Köhler geschehen, sodass sich hier kein verfassungsrechtlichesProblem auftat.C. DER AMTSEID DES BUNDESPRÄSIDENTENNach Art. 56 GG leistet der B<strong>und</strong>espräsident bei seinem Amtsantritt vor denversammelten Mitgliedern des B<strong>und</strong>estages <strong>und</strong> des B<strong>und</strong>esrates einen Amtseid.Der Amtseid hat keine besondere rechtliche Bedeutung für die Befugnisse<strong>und</strong> die Amtsführung des B<strong>und</strong>espräsidenten. Er muss aber vom Bun-1Erklärung am 31. Mai 2010: http://b<strong>und</strong>espraesident.de/-,2.664352/Erklaerung-von-B<strong>und</strong>espraesiden.htm.2Vgl. http://www.welt.de/politik/deutschland/article7862004/Als-Luebkeden-Koehler-machte.html.3http://www.abendblatt.de/politik/article1514896/Der-Ruecktritt-von-Horst-Koehler-<strong>und</strong>-die-Neuwahlen-von-Christian-Wulff.html.4Herzog, in: Maunz/ Dürig, GG, Bd. IV, Art. 54 Rn. 52 (2009) spricht voneinem „pathologischen“ Zustand.5VVDStRL 25 (1967), 2ff.; 85 Fn. 240 mWn; vgl. auch die Ausführungen inden einschlägigen Handbüchern <strong>und</strong> Kommentaren.6Dazu BVerfGE 62, 1; 114, 121.7Dazu Fromme, RuP 2004, 18ff; Seltenreich, KritJ 1995, 238ff; Wellkamp,BayVBl. 2002, 267ff; J. Ipsen, FS H.-P. Schneider, 2008, 197ff; Winter, DerB<strong>und</strong>espräsident – Legitimation durch das Volk, 2008.8Brenner, in: v. Mangoldt/ Klein/ Starck, GG, Bd. II, 5. Aufl., Art. 82 Rn.20ff; Rau, DVBl. 2004, 1ff; Schlaich, in: HStR, Bd. II, 2. Aufl., § 49 Rn. 22ff.9Dazu Jülich, DÖV 1969, 92ff; Anders, DÖV 1970, 253ff.10http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/1188780/.11Dafür Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, GG, 10. Aufl., Art. 64 Rn. 3; Meyn, in:v. Münch/ Kunig, Bd. II, 5. Aufl., Art. 64 Rn. 10; Stern, Staatsrecht II, 1980,295f; differenzierend Busse, in: Friauf/ Höfling, Berliner Komm. GG, Art.64 Rn. 22; Uhle, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/ Hopfauf, GG, 11. Aufl.,Art. 64 Rn. 23; aA Hermes, in: Dreier, GG, Bd. II, 2. Aufl., Art. 64 Rn. 30;Herzog, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 64 Rn. 51.12Herzog, in: Maunz/ Dürig, GG, Bd. IV, Art. 54 Rn. 59 (2009); Waldhoff/Grefrath, in: Friauf/ Höfling, Berliner Komm. GG, Art. 54 Rn. 88 beziehtdiese Selbstverständlichkeit auf die eines säkularen Amtes auf Zeit, im Gegensatzzu kirchlichen Ämtern wie das des Papstes. Bei einem B<strong>und</strong>esministertrifft dies aber nur, wie gezeigt, begrenzt zu.13Hemmrich, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. II, 5. Aufl., Art. 54 Rn. 8; Pieroth,in: Jarass/ Pieroth, GG, 10. Aufl., Art. 54 Rn. 3; Nierhaus, in: Sachs,GG, 5. Aufl., Art. 54 Rn. 20; Pernice, in: Dreier, GG, Bd. II, 2. Aufl., Art. 54Rn. 38; Waldhoff/ Grefrath, in: Friauf/ Höfling, Berliner Komm. GG, Art.54 Rn. 88; Herzog, in: Maunz/ Dürig, GG, Bd. IV, Art. 54 Rn. 59 (2009);Stern, Staatsrecht II, 1980, 209; Müller, in: Model/ Müller, GG, 11. Aufl.,Art. 54 Rn. 3; Fink, in: v. Mangoldt/ Klein/ Starck, GG, Bd. II, 5. Aufl., Art.54 Rn. 27; Butzer, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/ Hopfauf, GG, 11. Aufl.,Art. 54 Rn. 86; 93f; Umbach, in: Clemens/ Umbach, GG, Bd. II, Art. 54 Rn.44; Nettesheim, in: HStR, Bd. III, 3. Aufl., § 61 Rn. 50; Fritz, in: BonnerKomm. GG, Art. 54 Rn 163 (2001); Domgörgen, in: Hömig, GG, 9. Aufl.,Art. 54 Rn. 2; Pieper, in: Eppig/ Hillgruber, GG, Art. 54 Rn. 20; Jekewitz, in:AK GG, Bd. II, Art. 54 Rn. 7; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, GG,10. Aufl., Art. 54 Rn. 9. Brockmeyer spricht von „Verzicht“ auf das Amt, wovonangesichts des Wahlamtes des B<strong>und</strong>espräsidenten abzuraten ist.14Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses Bonn 1948 /1949, 122.15http://b<strong>und</strong>espraesident.de/-,2.664352/Erklaerung-von-B<strong>und</strong>espraesiden.htm: „Ich habe Herrn Bürgermeister Böhrnsen über meine Entscheidung telefonischunterrichtet, desgleichen den Herrn Präsidenten des DeutschenB<strong>und</strong>estages, die Frau B<strong>und</strong>eskanzlerin, den Herrn Präsidenten des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<strong>und</strong> den Herrn Vizekanzler.“16Herzog, aaO, Art. 54 Rn. 59. Hier sei auf den Gr<strong>und</strong>satz „nasciturus proiam nato habetur“ verwiesen, der hier Anwendung findet.17Brockmeyer, aaO, Art. 54 Rn. 9; Jülich, <strong>Die</strong> Wahl des B<strong>und</strong>espräsidenten,DÖV 1969, 92ff. (96 mit Fn. 58). Jülich spricht sich für die beiden Personenals Repräsentanten der B<strong>und</strong>esversammlung aus; der Präsident des B<strong>und</strong>esratesstelle das „föderative Element der B<strong>und</strong>esversammlung“ dar.18Kimminich, in: Bonner Komm. GG, Art. 54 Rn. 34 (1968); in die Richtung:Umbach, aaO, Art. 54 Rn. 44.19Erklärung im Bulletin der B<strong>und</strong>esregierung vom 14. 10. 1968, 1131.20Fritz, in: Bonner Komm. GG, Art. 54 Rn. 163 (2001).21Schlaich, in: HStR, Bd. II, 2. Aufl., § 48 Rn. 15 m. Fn. 28; Herzog, aaO, Art.54 Rn. 59 (2009); Waldhoff/ Grefrath, aaO, Art. 54 Rn. 88; Fritz, aaO, Art. 54Rn. 163; offen Fink, aaO, Art. 54 Rn. 27; Butzer, aaO, Art. 54 Rn. 94.22Fritz, aaO, Art. 54 Rn. 163.23Butzer, aaO, Art. 54 Rn. 94 spricht vom BTagsPräs, BRatsPräs, B<strong>und</strong>eskanzler<strong>und</strong> dem PräsBVerfG.<strong>Iurratio</strong>Ausgabe 3 / 2010141

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!