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Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

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SchwerpunkteGesichtspunkten zur Folge, dass sie nur Produkte bewerben, die für sie rentabelsind. Dadurch würden vermehrt teure <strong>und</strong> häufig verwendete Produkte inden Fokus ihrer Bemühungen treten 52 . Das würde bei Verschreibung entsprechenderMedikamente zu einer Erhöhung der Ausgaben der Krankenkassenführen, die diese durch Beitragserhöhung dann an die Patienten weitergeben53 . Folglich wären diejenigen, die durch die Informationen eigentlich begünstigtwerden sollen, die Leidtragenden. <strong>Die</strong>ses Argument der Kostensteigerungwird von den Befürwortern des Kommissionsvorschlags nicht vollständigvon der Hand gewiesen. Sie halten es durchaus für möglich, dass es zueiner kurzfristigen Kostensteigerung im Ges<strong>und</strong>heitswesen kommt. Mittel<strong>und</strong>langfristig sei jedoch mit einer Reduktion der Kosten zu rechnen, da diedann besser informierten Patienten über ein besseres Therapieverständnisverfügten <strong>und</strong> folglich den Anweisungen zur Behandlung besser Folge leistenwürden. Damit könnten die Kosten für Wiederholungs- oder Folgebehandlungerheblich reduziert werden 54 . So sind zwar in den USA <strong>und</strong> Neuseelanddie Ausgaben im Vergleich zu europäischen Länder stärker gestiegen, diesliege aber nicht an der Werbung, sondern an wachsendem Wohlstand <strong>und</strong>neuen Produkten 55 . Ein Einfluss der Werbung auf diese Entwicklung lässt sichjedoch nicht gänzlich ausschließen. Zudem scheitert ein direkter Vergleich anden sehr unterschiedlichen Ges<strong>und</strong>heitssystemen. Einer Kostensteigerungsteht aber auch entgegen, dass gerade bei den verschreibungspflichtigen Medikamentendie Ärzte das letzte Wort haben, welche Medikamente tatsächlichverschrieben werden. Somit liegt das Kostenrisiko bei ihnen. Da sie durch dieKrankenkasse nur ein beschränktes Budget pro Quartal zugeteilt bekommen,wären sie auch weiterhin gezwungen, bei der Verschreibung auf die kostengünstigerenProdukte zurückzugreifen. Ärzte werden sich diesem Einflussaber nicht vollständig entziehen können. Für sie sind die Patienten bares Geld.Jeder Patient, der dem Arzt den Rücken kehrt, weil dieser ihm ein gewünschtesMedikament nicht verschrieben hat, ist der Verlust einer Einnahmequelle.Dazu kommt die Gefahr, dass sich unter den Ärzten ein Wettbewerb um diePatienten entwickelt, der durch die Verschreibung gewünschter („beworbener“)Produkte gesteuert wird. Ärzte entscheiden dann nicht mehr nach medizinischerIndikation, sondern nach Wunsch des Patienten. In den USAkommt r<strong>und</strong> ein Drittel der Patienten mit konkreten Medikamentenwünschenzum Arzt, wovon wiederum die Hälfte das gewünschte Mittel auch verschriebenbekommt 56 . Laut einer unabhängigen Studie fühlen sich aber nur5% der Ärzte gezwungen das geforderte Medikament zu verschreiben 57 . Invielen Fällen wurde nach einer Diskussion über das gewünschte Mittel vomArzt entweder eine andere Behandlung verschrieben, gänzlich von ärztlicherBehandlung abgesehen <strong>und</strong>/oder zu einem Lebenswandel geraten 58 .VII. STREITPUNKT ARZT- PATIENTEN- VERHÄLTNIS<strong>Die</strong>se Studie aus den USA soll auch die Befürchtung der Kritiker entkräften,dass neben einer Verschreibung auf Verlangen des Patienten eine negative Beeinflussungdes Verhältnisses zwischen Arzt <strong>und</strong> Patienten hervorgerufenwerden könnte. Denn laut der Umfrage empfanden 42% eine Verbesserungihres Verhältnisses. Patienten fühlten sich besser aufgeklärt, da sie aktiv mitdem Arzt über Alternativen <strong>und</strong> Konsequenzen diskutieren konnten <strong>und</strong> wesentlichmehr verstanden. Ärzte führten an, dass informierte Patienten bessereFragen stellten <strong>und</strong> ein größeres Verständnis für die Therapien aufwiesen59 . Anfragen nach bestimmten Medikamenten seien zudem oftmals keinDruckmittel, sondern Gr<strong>und</strong>lage für eine Diskussion <strong>und</strong> resultierten nichtimmer aus der Werbung, sondern oft, wie auch in Deutschland, aus dem vorherigenGebrauch. Als Nachteil erwähnten Ärzte jedoch die verlängerten Behandlungszeitenauf Gr<strong>und</strong> der Diskussionen. Dadurch entstanden für folgendePatienten längere Wartezeiten <strong>und</strong> die Ärzte konnten weniger Patientenbehandeln 60 . Das sollte es den Ärzten zur Verbesserung der Ges<strong>und</strong>heitihrer Patienten zwar Wert sein, jedoch ist denkbar, dass die Ärzte sich die Zeitnicht nehmen. Eine dadurch unzureichende Beratung könnte wiederum zuFehlinformationen führen.VIII. STREITPUNKT BEIPACKZETTELIm Zusammenhang mit dem oben erwähnten besseren Therapieverständnisder Patienten wird auch angeführt, dass viele Patienten heutzutage ihreTherapie fehlerhaft durchführen oder gar abbrechen, weil die bestehenden Informationsmöglichkeitendurch Beipackzettel oft unverständlich oder abschreckendsind. Sie sind oft zu lang oder auf Gr<strong>und</strong> der bis zu 80% der Packungsbeilageeinnehmenden Gegenanzeigen verängstigend 61 . Wäre es denPharmafirmen gestattet, eigene Informationen zu verbreiten, könnten sie genauereAusführungen zu den dortigen Angaben <strong>und</strong> darüber hinaus geben.Doch ist fraglich, ob solche weiterführenden Angaben wirklich hilfreich sind.Ein Bedürfnis nach mehr Verständlichkeit von Angaben auf Beipackzettelnwird allseits bejaht. Eine Relativierung, wie sie durch Informationen der Pharmafirmen,die versuchen ihre Produkte in ein gutes Licht zu rücken, erfolgenkönnte, kann jedoch für die Ges<strong>und</strong>heit der Patienten gefährlich werden,wenn Wirkungen überbewertet <strong>und</strong> Nebenwirkungen herabgespielt werden.<strong>Die</strong> Beipackzettel in der heutigen Ausführung sind gesetzlich normierte objektiveInformationen. Auf Gr<strong>und</strong> ihrer sehr objektiven Formulierung wärees durchaus sinnvoll, die Passagen von Interesse verständlicher darzustellen.Es sollte aber unabhängigen Dritten vorbehalten sein. Einige Stimmen verweisenbeim Argument der Unverständlichkeit darauf, dass den Patienten dieErk<strong>und</strong>igung bei Ärzten <strong>und</strong> Apothekern offensteht. <strong>Die</strong> Praxis zeigt aber,dass das Einholen solcher Informationen (zumindest beim Arzt) mit erheblichemAufwand verb<strong>und</strong>en ist, da die Ärzte heutzutage zumeist hochfrequentiertsind. Für eine vielleicht zweiminütige Auskunft wird kaum ein Patientgewillt sein, teilweise mehrstündige Wartezeiten auf sich zu nehmen. Zudemwären Ärzte dadurch noch stärker belastet. Telefonische Auskünfte sind auchnur schwierig zu erlangen, da Ärzte dafür nur wenig Zeit haben <strong>und</strong> Patientenaus diesem Gr<strong>und</strong> oft von den Schwestern abgewiesen oder vertröstetwerden. Stellen die Patienten ihre Fragen innerhalb eines Arztbesuches, derohnehin notwendig war, kommt es, wie beschrieben, zu verlängerten Behandlungszeiten,den damit verb<strong>und</strong>enen Problemen <strong>und</strong> eventuell zu kurz gehaltenenInformationen durch den Arzt.E. ALTERNATIVENNeben aller Kritik, die die Gegner der Kommissionsbemühungen ausüben,befürworten sie den Gr<strong>und</strong>gedanken der Veränderung <strong>und</strong> machen alternativeVorschläge. Sie fordern den Ausbau der bestehenden Informationsquellen<strong>und</strong> die Errichtung neuer Möglichkeiten. Es sollte in allen EU- Mitgliedsstaatengestattet werden, dass die Pharmafirmen auf ihren Webseiten die Packungsbeilagenihrer Arzneimittel (wie in Frankreich, Belgien) zur Verfügungstellen 62 <strong>und</strong> über Kosten informieren. Da viele Patienten Packungsbeilagenjedoch nur als unzureichend bezeichnen, sind weitere Anlaufpunkte zu schaffen.Auf die Forderung, dass gerade vergleichende Studien einen hohen Informationsgehaltfür Patienten haben, könnte in allen Ländern ein öffentliches148<strong>Iurratio</strong>Ausgabe 3 / 2010

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