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Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

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Schwerpunkteenten auf/ nach Informationen wird ihnen von den Kritikern des Kommissionsvorschlagesauch nicht abgesprochen. Sie befürworten sogar zum großenTeil die Notwendigkeit einer Verbesserung des Informationssystems. Doch istbereits hier zu überlegen, ob der Patient dem Verbraucher in Sachen Mündigkeitohne Weiteres gleichzusetzen ist. Mündigkeit bedeutet willens <strong>und</strong> in derLage zu sein, rationale Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen, wobeiimmer auf einen verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist 26 .Verschiedene Einflüsse verhindern jedoch von vornherein vollständig rationaleEntscheidungen. Des Weiteren ist fraglich, ob dem Patienten zugetrautwerden sollte, dass er die Folgen der hochkomplexen Medikation für seineGes<strong>und</strong>heit auf Gr<strong>und</strong>lage vermehrter Informationen differenzieren <strong>und</strong> ausreichendabschätzen kann. Zudem zeigen Umfragen, dass schwerkranke Patientenzum Großteil gar nicht eigenverantwortlich entscheiden wollen 27 . Folglichist bereits die Existenz des mündigen Patienten fraglich <strong>und</strong> es sollte wohleher vom informierten Patienten gesprochen werden. Weiterhin sehen dieGegenstimmen des Kommissionsvorschlages in der Direktinformation durchdie Pharmaunternehmen erhebliche Gefahren <strong>und</strong> fordern eine andere Lösung,die den Patienten mehr Informationen aber gleichzeitig eine hohenSchutz vor falschen oder beschönigten Informationen gewährt. Denn Unternehmenwären versucht auf Gr<strong>und</strong> ihres Gewinnstrebens eine Lockerung desstrikten Werbeverbotes auf verschiedenste Weise auszunutzen, um indirektdoch Werbung für die eigenen Produkte zu machen.II. STREITPUNKT ABGRENZUNG WERBUNG-INFORMATION1. BegrifflichBereits die fehlende begriffliche Abgrenzung zwischen Werbung <strong>und</strong> Informationliefert Probleme. Denn wo genau verläuft die Grenze zwischen objektiverInformation <strong>und</strong> subjektiver, beeinflussender Werbung? <strong>Die</strong> Kommissionselbst sagt, dass Informationen nicht als Werbung verstanden werdendürften 28 , trifft jedoch keine eigene Definition der Werbung, geschweige denn,dass sie geeignete Kriterien für eine Abgrenzung zur Verfügung stellt. So ist esden nationalen Gesetzen, Gerichten <strong>und</strong> der Lehre überlassen, eine Definitionzu finden. Doch in deutschen Gesetzen ist der Begriff der Werbung nichtdefiniert. Einigkeit besteht darüber, dass allein die produkt-/ leistungsbezogeneAbsatzwerbung, nicht hingegen die allgemeine Vertrauenswerbung, welchedie Öffentlichkeit über ein Unternehmen informieren soll ohne Bezug aufein bestimmtes Heilmittel zu nehmen, vom HWG umfasst wird 29 . Jedoch isteine Vertrauens-/Imagewerbung auch gleichzeitig eine mittelbare Werbemaßnahmefür die von dem Unternehmen vertriebenen Produkte. Hier sollentscheidend sein, ob beim Publikum der Eindruck entsteht, dass die Maßnahmesich auf ein bestimmtes Objekt/Arzneimittel i.S.d. § 1 HWG bezieht 30 .Zur Definition der leistungs-/produktbezogenen Werbung finden sich verschiedeneAnsätze. Als allgemein gültige Definition wird heutzutage die Formulierungdes Art. 86 I Gemeinschaftskodex angesehen, der besagt, dass „alleMaßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung <strong>und</strong> zur Schaffungvon Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, den Verkauf oder den Verbrauchvon Arzneimitteln zu fördern“, als Werbung zu verstehen sind. Doepnerdefiniert Werbung als „...eine Form der beeinflussenden Kommunikation,durch die versucht wird, Einstellungen <strong>und</strong> Verhaltensweisen der Adressatenim Sinne einer werblichen Zielsetzung zu verändern.“ 31 . Der Gesetzgeber willauf jeden Fall alle Maßnahmen erfasst wissen, die der Absatzförderung wirtschaftlicherGüter dienen 32 . <strong>Die</strong> Definitionsversuche stellen auf eine Unterscheidungnach subjektiven Kriterien der Informierenden (Ziel, Versuch) ab.Dass dies kein Kriterium sein kann, da Unternehmen heutzutage gr<strong>und</strong>sätzlichbestrebt sind ihren Absatz zu steigern, ist offensichtlich. Es bleibt demnachfraglich, wo die Grenze zwischen Werbung <strong>und</strong> Information zu sehenist. <strong>Die</strong>se Situation könnte durch geschicktes Marketing zu Gunsten einer zumindestunterschwelligen Produktwerbung ausgenutzt werden. Bereits heutzutageist zu erkennen, dass gesetzliche Regelungslücken <strong>und</strong> mangelhafteÜberwachung der Einhaltung bestehender Normen dazu führen, dass dasWerbeverbot umgangen wird <strong>und</strong> die Unternehmen auf verschiedenste Weiseihre „Informationen“ Patienten zukommen lassen <strong>und</strong> Ärzte beeinflussen 33 .So versucht die Pharmaindustrie über gesponserte Fortbildungen oder alsAufwandsentschädigung für Anwendungsbeobachtungen bezeichnete finanzielleBelohnungen der Mediziner für die Verschreibungen bestimmter Medikamente,die Verschreibungen der Ärzte zu beeinflussen 34 . Aber auch die Patientenwerden ins Visier genommen <strong>und</strong> zum Beispiel durch industriegeförderteSelbsthilfegruppen oder die firmeneigenen Internetseiten (meist)unbemerkt von bestimmten Unternehmen beeinflusst 35 . Sicher muss man imZuge der gesellschaftlichen Veränderung den Patienten neben ihrem Informationsbedürfnisauch die Fähigkeit zusprechen diese Informationen zu verarbeiten<strong>und</strong> zu bewerten. Wie aber soll der Verbraucher unter bestimmtenUmständen Informationen von Werbung unterscheiden können, wenn einesolche Differenzierung nicht einmal objektiv möglich zu sein scheint?2. OptischSo ist in diesem Zusammenhang auch zu fragen, wie die Information durchdie Firmen aussehen soll, damit ihr weder objektiv noch subjektiv Werbecharakterzukommt? Sie müsste komplett neutral gehalten werden. So müsste aufBilder sowie Farben, prägnante Slogans <strong>und</strong> untermalende Musik verzichtetwerden, da diese Formen der Gestaltung neben der eigentlichen Informationin wissenschaftlich belegter Weise Einfluss auf die Psyche <strong>und</strong> somit auf dieEntscheidung haben 36 . Sie suggerieren dem Betrachter bestimmte Stimmungen<strong>und</strong> Emotionen, die dieser dann mit dem Produkt verbindet <strong>und</strong> somitkeine rein objektive Sicht auf das Präparat hat. So zeigt ein Beispiel aus denUSA, wo heutzutage Werbung erlaubt ist, Plakate für ein AIDS- Medikamentauf dem ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> hochaktive Sportler mit gestählten Muskeln, bei strahlendemWetter in w<strong>und</strong>erschönen Landschaften gezeigt werden. Dem Betrachterwird beim Anblick vermittelt, dass dieses Präparat sie von ihren Leidenbefreien, sie sogar heilen könnte 37 . Informationen könnten unter Umständenbei einer Lockerung des Werbeverbots nicht nur in Prospektform,sondern auch im Fernsehen oder Kino verbreitet werden. In allen Fällen ergibtsich die Frage, wie in einem 30-sekündigen Spot oder einer 20 cm² großenAnzeige alle Informationen umfassend dargestellt werden sollen 38 . Beikomplexen Medikamenten ist dies unmöglich. Hier würde nur eine sehrlange, mit vielen Informationen versehene Variante der vollständigen Informationsforderunggerecht werden.III. STREITPUNKT PATIENTENVERHALTEN<strong>Die</strong> Überschüttung mit Informationen könnte außerdem zur Folge haben,dass der vermeintlich gut informierte Patient sich auf sein erlesenes „Wissen“verlässt/begnügt <strong>und</strong> dadurch weniger eigene Anstrengungen in Nachdenken<strong>und</strong> Nachfragen investiert 39 . <strong>Die</strong>s lässt befürchten, dass dadurch eine Steigerungdes Medikamentenkonsums beispielsweise durch Einnahme empfohlenerBegleit- oder Nachsorgeprodukte oder von verstärkt angepriesenen Lifestyle-Produktenerfolgt. Hiergegen wenden Befürworter ein, dass weder In-146<strong>Iurratio</strong>Ausgabe 3 / 2010

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